Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109980/5/Ki/Da

Linz, 21.01.2005

 

 

 VwSen-109980/5/Ki/Da Linz, am 21. Jänner 2005

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des R S, H, K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H H, E, S, vom 1.9.2004 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 17.8.2004, VerkR96-348-2004-Mg/Sts, wegen einer Übertretung der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit Straferkenntnis vom 17.8.2004, VerkR96-348-2004-Mg/Sts, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 6.12.2004 um 12.43 Uhr den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen EF im Stadtgebiet von Wels an der Kreuzung der Salzburgerstraße mit der Vogelweiderstraße in Fahrtrichtung Osten gelenkt, dabei das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet und das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten. Er habe dadurch § 38 Abs.5 iVm § 38 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 20 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 1.9.2004 Berufung mit dem Antrag der Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis aufzuheben.

 

Begründet wird die Berufung mit Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, wobei insbesondere beanstandet wurde, dass kein technischer Amtssachverständiger beigezogen wurde. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat der Berufungswerber u.a. den zur Last gelegten Sachverhalt bestritten und ausgeführt, dass er noch vor Rotlicht in die gegenständliche Kreuzung eingefahren sei.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Weiters wurde ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger ersucht, die vorgeworfene Verwaltungsübertretung aus verkehrstechnischer Sicht sachverständig zu beurteilen.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Wels vom 21.1.2004 zu Grunde, die Anzeige stützt sich auf von einer Rotlichtüberwachungskamera aufgenommene Fotos, welche dem Akt beigelegt wurden.

 

Dazu hat ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger des Amtes der Oö. Landesregierung unter VT-01000/5786-2004-Hag vom 3.1.2005 nachstehendes Gutachten erstellt:

 

"In Bezug auf die Stellungnahme durch den Rechtsvertreter Herrn Dr. H und unter Zugrundelegung der Aktenlage sowie eines durchgeführten Lokalaugenscheins wurde das nachstehende Gutachten erstellt.

Gutachten :

 

Beim durchgeführten Lokalaugenschein wurden die Abstände der auf den Rotlichtfotos erkennbaren Bodenmarkierungen festgestellt.

Abstand Ende Haltelinie -Beginn Zebrastreifen ~ 2,8 m

Breite des Zebrastreifens ~ 3 m

Ende Zebrastreifen - Ende Quermarkierung ~ 2,5 m

Anhand dieser Abstände wurde die Fahrstrecke des Audis in Bezug die Haltelinie im Sinne des Beschuldigten mit ca. 7,4 m ( in Bezug auf die Vorderräder s ~ 6,9 m ) ermittelt.

Der zwischen t = 1s und t = 2s zurückgelegte Weg beträgt 4 m - 4,5 m, wobei der Abstand der Vorderräder bestimmt wurde. Daraus ergibt sich rechnerisch eine Durchschnittsgeschwindigkeit Vm von 14,4 km/h - 16,2 Km/h.

Legt man diese Durchschnittsgeschwindigkeit zu Grunde so befanden sich die Vorderräder des Audis, aus Sicht des Beschuldigten, zu Beginn der Rotlichtphase ca. 2,4 m - 2,9 m hinter der Haltelinie.

Genau in diesem Bereich liegt die Induktionsschleife die bei 'Rotlicht' die Kamera auslöst. Die Zeit zwischen dem Ansprechen der Induktionsschleife und dem Auslösen der Kamera liegt bei 0,01 s - 0,02 s und ist in Bezug auf die mögliche Auswertegenauigkeit im Hinblick auf die Wegstrecke vernachlässigbar da sie im Zentimeterbereich liegt.

Daraus ergibt sich, das die Vorderräder des Audi ca. 0,5-0,7 s vor Rotlicht die Haltelinie überfahren haben.

Die vorstehenden Ausführungen unterstellen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 14 - 16 km/h, die sich aus dem Weg errechnet die der Audi zwischen den beiden Fotos zurückgelegt hat.

Da auf beiden 'Rotlichtfotos' das Bremslicht aufleuchtet, war eine Abbremsung des PKW gegeben.

Die größenordnungsmäßige Verzögerung des PKW, kann unter Zugrundelegung der Aktunterlagen nicht ermittelt werden.

Unterstellt man zwischen t = 0 (Beginn der Rotlichtzeit) und t = 2s ( = 2.Foto) eine Bremsverzögerung von 1 - 3 m/s² (übliche Betriebsbremsung) so ergibt sich rechnerisch in Bezug auf die Haltelinie eine Geschwindigkeit die ausreicht um noch am Ende der Gelbphase die Haltelinie zu überfahren.

Erst ab dem unterstellen einer starken Fahrzeugverzögerung von 4 m/s² oder mehr ist nachweisbar, das der Audi bereits bei 'Rot' die Haltelinie überfahren hat.

Auf den Fotos ist aber zweifelsfrei erkennbar, das der Audi gebremst hat.

Die im Einspruch gemachte Eingabe, der Audi hätte die Induktionsschleife mit den Hinterräder ausgelöst ist technisch nicht nachvollziehbar. Das würde nämlich kinematisch bedeuten, das der PKW zwischen t = 0 und t = 2s beschleunigt hätte, um die gefahrene Wegstrecke zurücklegen zu können.

Der Einwand, der Fiat Tipo hätte die Rotlichtkamera ausgelöst, ist aus technischer Sicht auszuschließen, da er am Bild t = 1s nicht erkennbar ist und er sich daher noch hinter dem Erfassungsbereich der Kamera befand.

Der Einwand der LKW kam zum Stillstand, ist aus technischer Sicht ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Auf Grund der Bilder die in einem Abstand von 1s aufgenommen wurden kann sicher festgestellt werden, das sich auch der einbiegende LKW bewegt haben muß.

Wenn der LKW kurz vor Beginn der Rotlichtphase in der Kreuzung gestanden wäre, auf Grund eines 'abgewürgten Motors' so hätte der Fahrschüler oder ein anderer Lenker, den LKW innerhalb von 1s, aus dem Stillstand um 2 -3m nach vor bewegen müssen. Daraus ergäbe sich eine Anfahrbeschleunigung von 4m/s² -6m/s².

Die Anfahrbeschleunigung eines LKW liegt bei ca. 2,0 m/s², unterstellt man einen Fahranfänger im LKW der Fahrschule wird wahrscheinlich auch dieser Wert nicht erreicht.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, das die Einwände des Rechtsvertreters aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar sind.

Ein Überfahren der Haltelinie ist erst bei einer unterstellten Bremsverzögerung des Audis von 4m/s² oder mehr nachweisbar. Das würde bedeuten, das der Audi im Kreuzungsbereich stark abgebremst wurde.

Eine zumindest größenordnungsmäßige Angabe der Bremsverzögerung des Audis kann unter Zugrundelegung der Aktenlage nicht gemacht werden."

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 38 Abs.5 StVO 1960 gilt rotes Licht als Zeichen für "Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen unbeschadet der Bestimmungen des Abs.4 und des § 53 Z10a in den im Abs.1 bezeichneten Stellen anzuhalten.

 

Gemäß § 38 Abs.1 StVO 1960 gilt gelbes, nicht blinkendes Licht unbeschadet der Vorschriften des § 53 Z10a über das Einbiegen der Straßenbahn bei gelben Licht als Zeichen für "Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des Abs.7 anzuhalten:

  1. wenn eine Haltelinie vorhanden ist, vor der Haltelinie;
  2. wenn ein Schutzweg oder eine Radfahrerüberfahrt ohne Haltelinie vorhanden ist, vor der ersten Querungshilfe (Schutzweg, Radfahrerüberfahrt) aus der Sicht des ankommenden Verkehrs;
  3. wenn eine Kreuzung ohne Schutzweg und ohne Haltelinie vorhanden ist, vor der Kreuzung,
  4. ansonsten vor dem Lichtzeichen.

 

Dazu wird zunächst festgestellt, dass auf ein Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zu Grunde zu legen ist. Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, so hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich legt der Berufungsentscheidung das oben angeführte Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung vom 3.1.2005, VT-01000/5786-2004-Hag, zu Grunde. Die Ausführungen in diesem Gutachten sind schlüssig und stehen nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen. Unter Zugrundelegung der Aktenlage sowie eines durchgeführten Lokalaugenscheines kam der Gutachter zum Ergebnis, dass ein Überfahren der Haltelinie (nach Aktivierung des Rotlichtes) erst bei einer unterstellten Bremsverzögerung des Pkw's von 4 m/s² oder mehr nachweisbar wäre, unterstelle man jedoch eine übliche Betriebsbremsung (Bremsverzögerung von 1 - 3 m/s²), so ergäbe sich rechnerisch in Bezug auf die Haltelinie eine Geschwindigkeit die ausreiche, um noch am Ende der Gelbphase die Haltelinie zu überfahren. Zweifelsfrei erkennbar sei aus den Fotos lediglich, dass der Pkw gebremst habe.

 

Nachdem nicht nachweisbar ist, dass im vorliegenden Falle eine stärkere als eine übliche Betriebsbremsung vorgenommen worden wäre (aus den im Akt aufliegenden Fotos ist lediglich zu ersehen, dass das Fahrzeug abgebremst wurde), ist für die Entscheidung nach dem oben erwähnten Grundsatz "in dubio pro reo" die für den Berufungswerber günstigere Variante, nämlich eine übliche Betriebsbremsung, der Entscheidung zu Grunde zu legen, das heißt es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Berufungswerber die Haltelinie noch am Ende der Gelbphase überfahren hat. Ein Überfahren der Haltelinie nach Beginn des Rotlichtes kann sohin nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Nachdem, wie bereits dargelegt wurde dem Berufungswerber ein Überfahren der Haltelinie nach Beginn der Rotlichtphase nicht mit absoluter Sicherheit nachzuweisen ist, kann die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht erwiesen werden, weshalb der Berufung Folge zu geben war.

 

Angemerkt wird, dass zwar gemäß § 38 Abs.1 StVO grundsätzlich auch das Überfahren der Kreuzung bei Gelblicht eine Verwaltungsübertretung bildet, es handelt sich jedoch dabei um ein vom gegenständlichen Tatvorwurf verschiedenes Delikt und es ist der Berufungsbehörde verwehrt, eine Auswechslung des Tatvorwurfes vorzunehmen.
 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. K i s c h

 

 

 

Beschlagwortung:

Tatauswechslung von § 38 Abs.5 StVO in § 38 Abs.1 StVO im Berufungsverfahren nicht zulässig.

 

 

 
 

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