Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110046/2/Ki/Shn

Linz, 02.01.1995

VwSen-110046/2/Ki/Shn Linz, am 2. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des K V , F , W , vom 27. September 1994 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. September 1994, AZ III-Pst 1312/VA/93, zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 und 45 Abs.1 Z3 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Wien hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 9. September 1994, AZ III-Pst 1312/VA/93, dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 21.10.1993 um 07.45 Uhr in W , H nächst Kreuzung U als Verantwortlicher des Absenders, Fa. V Speditio (wohl richtig "Spedition"), W (wohl richtig "W "), F , dem Beförderer, der Fa. K Transporte GmbH bzw dessen Fahrer M E den Transport mit 370 kg der Klasse 3 Ziffer 3b und 31c, 1.380 kg der Klasse 3 Ziffer 31c und 75 kg der Klasse 3 Ziffer 3b und 5c überlassen bzw übergeben lassen, wobei ein Gefahrenguttransport vorlag, obwohl dem Beförderer bzw dessen Fahrer die vorgeschriebene schriftliche Weisung für das Verhalten bei Unfällen oder Zwischenfällen nicht übergeben worden waren und der Beförderer bzw der Fahrer auch nicht im Besitz dieser Papiere waren. Er habe dadurch § 22 Abs.2 Z3 GGST verletzt. Gemäß § 42 Abs.1 Z2 GGST wurde eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt. Außerdem wurde er mit dem angefochtenen Straferkenntnis gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 200 S verpflichtet.

I.2. Mit Schriftsatz vom 27. September 1994 erhebt der Berufungswerber gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig Berufung und beantragt die Behebung des Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

I.3. Die Erstbehörde hat, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen, die Berufung samt Verfahrensakt dem unabhängigen Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat gemäß § 6 Abs.1 AVG die Berufung an den O.ö. Verwaltungssenat weitergeleitet, da der Tatort im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mit "W H , nächst Kreuzung U " ausgewiesen ist. Dieser hat, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt Beweis erhoben. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, da sich bereits aus der Aktenlage eindeutige Anhaltspunkte für die spruchgemäße Entscheidung ergeben (§ 51e Abs.1 VStG).

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs.1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

Zufolge dem eindeutigen Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung ist im vorliegenden Falle der O.ö.

Verwaltungssenat für die Berufungsentscheidung zuständig.

Anders als etwa in dem mit Erkenntnis des VwGH vom 14. April 1993, Zl.93/18/0092, behandelten Fall ist nämlich gegenständlich im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ausdrücklich ein im Bereich des Sprengels des O.ö.

Verwaltungssenates gelegener Ort als Tatort bezeichnet worden und ist somit die Zuständigkeit in klarer Weise abzuleiten.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Demgemäß ist dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und es ist daher auch erforderlich, Tatort und Tatzeit entsprechend dem konkreten Fall möglichst präzis anzugeben.

Tatort und Tatzeit sind daher wesentliche Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat erforderlich sind.

Der Bestrafung des Berufungswerbers liegt eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Wels vom 21. Oktober 1993 zugrunde, wonach bei einer Kontrolle an diesem Tage um 7.45 Uhr bei der Spedition V , W , H , festgestellt wurde, daß das Tatfahrzeug mit Gefahrengut vorschriftswidrig beladen gewesen sei. In der Anzeige ist weiters ausgeführt, daß der Fahrzeuglenker zum Sachverhalt angegeben habe, daß er in Wien bei der Spedition V geladen habe. Als Beilagen zur Anzeige wurden drei Beförderungspapiere angeführt, welche jedoch im vorliegenden Verfahrensakt nicht enthalten sind. Die BPD Wels hat das Strafverfahren gemäß § 29a VStG an die BPD Wien abgetreten, welche vorerst gegen den Beschuldigten eine Strafverfügung (AZ III-Pst 1312/VA/93 vom 19. Jänner 1994) erlassen hat. Auch in dieser Strafverfügung wurden als Tatort W bzw als Tatzeit 7.45 Uhr vorgeworfen.

Im anschließenden ordentlichen Strafverfahren wurde ua der Fahrzeuglenker, Herr E M , am 19. April 1994 als Zeuge einvernommen und es hat dieser bei der Einvernahme ua ausgeführt, daß er am 21. Oktober 1993 von seinem Arbeitgeber beauftragt worden sei, bei der Spedition V in W eine Ladung Stückgut aufzunehmen.

Entsprechend der Aktenlage geht nun der O.ö.

Verwaltungssenat davon aus, daß sowohl Tatort als auch Tatzeit im angefochtenen Straferkenntnis unrichtig sind. Aus den Angaben des Fahrers M E geht nämlich in klarer Weise hervor, daß die Überlassung des Gefahrengutes nicht in W sondern in W erfolgt ist bzw daß diese Überlassung tatsächlich vor 7.45 Uhr erfolgt sein mußte, zumal diesbezüglich auch der Transport von W nach W zu berücksichtigen ist. Unabhängig davon, daß laut ständiger Judikatur des VwGH grundsätzlich der Sitz eines Unternehmens als Tatort anzusehen ist, auch wenn das Unternehmen in Filialen gegliedert ist (s. oben zitiertes Erkenntnis vom 14. April 1993) wurde im vorliegenden Falle das Gefahrengut tatsächlich in W überlassen bzw übergeben. Eine Tatortfiktion, wie etwa gemäß § 134 Abs.3a KFG 1967, müßte ausdrücklich gesetzlich angeordnet sein.

Mit Erkenntnis vom 27.1.1993, Zl.92/03/0003, hat der VwGH zu § 33 Abs.3 Z1 GGST überdies ausdrücklich festgehalten, daß Tatort der Übertretung der Ort ist, an dem das Lenken der Beförderungseinheit einer hiezu nicht berechtigten Person überlassen wurde. Tatort und Tatzeit dieser Übertretung werden meist mit Tatort und Tatzeit der Beanstandung des Lenkers des Fahrzeuges nicht ident sein. In der Regel wird die Behörde davon ausgehen können, daß das Überlassen am Sitze des Unternehmens des Halters stattgefunden hat. Der O.ö. Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß diese Aussage auch für den vorliegenden Fall anzuwenden ist.

Eine Spruchkorrektur durch die Berufungsbehörde ist nur zulässig, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen wurde. Diese Frist beträgt gemäß § 31 Abs.2 leg.cit. im vorliegenden Falle sechs Monate.

Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs.2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl) und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Wesentlich ist, daß sich eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat.

Im Falle des Tatortes liegt im vorliegenden Falle insoferne eine taugliche Verfolgungshandlung vor, als letztlich aus der Anzeige der BPD Wels hervorgeht, daß das Gefahrengut in Wien geladen wurde, dies wurde vom Lenker des Fahrzeuges auch bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 19. April 1994 bestätigt. Dementsprechend wäre in diesem Punkt eine Korrektur des Erkenntnisspruches durch die Berufungsbehörde zulässig.

Anders liegt die Situation jedoch hinsichtlich der Tatzeit.

Diesbezüglich sind weder aus der Anzeige (die als Beilage angeführten Beförderungspapiere sind nicht im Verfahrensakt enthalten), noch aus den sonstigen Verfahrenshandlungen Anhaltspunkte zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt des 21. Oktober 1993 das Gefahrengut in W tatsächlich dem Lenker M E übergeben bzw überlassen wurde. Hier liegt demnach keine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG vor und es ist daher der Berufungsbehörde nicht mehr möglich, auch diesbezüglich eine Spruchkorrektur vorzunehmen.

Aufgrund der dargelegten Umstände ist somit infolge eingetretener Verfolungsverjährung die Strafverfolgung mangels Nichtvorliegen der genauen Tatzeit ausgeschlossen und es war der Berufung Folge zu geben bzw das Strafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z3 AVG). Auf das inhaltliche Vorbringen des Berufungswerbers war demnach nicht mehr einzugehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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