Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280353/31/Ga/He

Linz, 18.09.2003

VwSen-280353/31/Ga/He Linz, am 18. September 2003

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

(Ersatzerkenntnis)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Herrn K B vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 18. April 1997, Zl. Ge96-17-1997, wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, nach öffentlicher Verhandlung am

11. September 2003 zu Recht erkannt:

Hinsichtlich der Schuld wird die Berufung abgewiesen; diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Schuldspruch wie folgt zu lauten hat: "Herr K B hat als zur Vertretung nach außen Berufener der B Gesellschaft m.b.H., Sitz in der Gemeinde M, in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich dafür einzustehen, dass, wie von einem Arbeitsinspektor am 11. Jänner 1997 bei einer Unfallerhebung auf der Baustelle in L festgestellt wurde, an diesem Tag von dieser Gesellschaft bei Abbrucharbeiten im westlichen Teil dieser Arbeitsstätte ein Bagger, Typ Komatsu PC30, ohne Schutzdach eingesetzt wurde, obwohl dabei eine Gefährdung durch herabfallende schwere Gegenstände (Ytong-Deckenplatten) bestand und jedoch für derartige Arbeiten nur Bagger und Lader verwendet werden dürfen, die mit einem stabilen Schutzdach für den Fahrersitz ausgerüstet sind."

Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung hingegen stattgegeben und die verhängte Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) auf 720 € (fünf Tage), der vom Berufungswerber zu leistende Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafverfolgungsbehörde auf 72 € herabgesetzt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 51i, § 64 f VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 18. April 1997 wurde der Berufungswerber einer Verletzung des § 113 Abs.2 Z1 iVm § 161 BauV iVm § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG für schuldig befunden. Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG):

"Von einem Arbeitinspektor wurde am 11.1.1997 bei einer Unfallerhebung auf der Baustelle festgestellt, dass von Ihrem Unternehmen bei Abbrucharbeiten im westlichen Teil der Arbeitsstätte ein Bagger, Typ Komatsu PC30, ohne Schutzdach eingesetzt worden ist, obwohl dabei eine Gefährdung durch herabfallende schwere Gegenstände bestanden hat. Für derartige Arbeiten dürfen nur Bagger und Lader verwendet werden, die mit einem stabilen Schutzdach für den Fahrersitz ausgerüstet sind."

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG eine Geldstrafe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe. zehn Tage) kostenpflichtig verhängt.

Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung entschied der Unabhängige Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 30. Juli 1999, VwSen-280353/8/Ga/ Km (u.zw. durch: Bestätigung in der Schuldfrage, mit Spruchverbesserung; Herabsetzung der Geldstrafe auf 16.000 S). Diese Entscheidung behob der Verwaltungsgerichtshof, ohne Einlassung in die Sache selbst, mit (hg. am 23. Juli 2003 eingelangtem) Erkenntnis vom 16. Juni 2003, Zl. 99/02/0277-5, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (nämlich: Nichtdurchführung der vom Berufungswerber in der Berufung beantragt gewesenen mündlichen Verhandlung).

In Bindung an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Tribunal nun die öffentliche Verhandlung über die Berufung gegen das bezeichnete Straferkenntnis für den 11. September 2003 anberaumt und an diesem Tag durchgeführt. Geladen waren die Parteien (der Beschuldigte zu Handen seines Rechtsfreundes) und als Zeugen jener Arbeitsinspektor, der am Vorfallstag (11.1.1997) die Baustellenkontrolle vorgenommen hatte, sowie der eingesetzt gewesene Baggerfahrer (als beantragter Entlastungszeuge).

Der Vertagungsbitte des Berufungswerbers vom 1. September 2003 hat der Unabhängige Verwaltungssenat nicht entsprochen, weil der - ohne Vorlage von Bescheinigungsmittel - geltend gemachte Vertagungsgrund (eine, wie behauptet, zeitgleich stattfindende, schon lang anberaumte Direktionsbesprechung mit der ÖSAG im Zuge der Fertigstellung der Phyrnautobahn) nicht als begründetes Hindernis iS des § 19 Abs.3 AVG (§ 24 VStG) anzuerkennen war. Der ordnungsgemäß zu Handen seines Vertreters geladene Berufungswerber hat an der Verhandlung jedoch durch seinen Vertreter teilgenommen. Nicht vertreten, unter Angabe von Gründen, war die belangte Behörde.

Dem Beweisverfahren in der Verhandlung war der den Parteien vollständig bekannte Inhalt des Strafverfahrensaktes der belangten Behörde zugrunde gelegt. Neben dem Zeugenbeweis durch förmliche Vernehmung des Arbeitsinspektors wurde auch unmittelbarer Urkundenbeweis geführt durch Einsichtnahme in den vom Unabhängigen Verwaltungssenat für die Verhandlung beigeschafften Strafakt des BG Linz, Zl. 17 U 136/97, näherhin in die darin Akt befindliche Lichtbildmappe (mit elf Originalfotos von der in Rede stehenden Abbruchbaustelle, aufgenommen von Organen der BPD Linz, Erkennungs- und kriminaltechnischer Dienst, aus Anlass des Arbeitsunfalls am 11.1.1997, samt Legende). Auszugsweise wurde der vorgelegte Strafakt im Zuge der Wiedergabe des Verfahrensstandes sowie durch Vorhalt erörtert.

Der als Zeuge geladene Baggerfahrer P ist "wegen Krankheit" zur Verhandlung nicht erschienen; das zur Bescheinigung des Entschuldigungsgrundes dem Unabhängigen Verwaltungssenat per Fax übermittelte Formblatt (mit Arbeitsunfähigkeit seit "10.9.03" und Diagnose "ischialgie sin") enthielt jedoch nicht die darauf vorgesehene ärztliche Bestätigung.

Aufgrund der aus dieser Verhandlung vorliegenden Ergebnisse hat der Unabhängige Verwaltungssenat über die gegen das bezeichnete Straferkenntnis erhobene, Schuld und Strafe bekämpfende - in diesem Unfang in der Verhandlung aufrecht erhaltene - Berufung erwogen:

Das Straferkenntnis begründend hielt die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht für erwiesen, daß zufolge des - unstrittigen - Unfalles am Einsatzort des Baggers eine Gefährdung durch herabfallende schwere Gegenstände auch bei den Zerkleinerungs- und Ladearbeiten bestanden habe. Demnach hätte für das Zertrümmern der (schon) am Hallenboden liegenden Deckenplatten nur ein Bagger mit einem Schutzdach eingesetzt werden dürfen. Vom Beschuldigten sei nicht bestritten worden, dass bei den Ladearbeiten ein Bagger ohne Schutzdach eingesetzt worden sei, weshalb der Baggerführer - der Arbeitnehmer P - dabei gefährdet und schließlich von einem herabfallenden Deckenelement schwer verletzt worden sei. In rechtlicher Hinsicht habe daher die Tatbestandsmäßigkeit angenommen werden müssen. Strafbemessend sei im Grunde der Verletzung des Arbeitnehmers von einem hohen Unrechtsgehalt auszugehen gewesen, weshalb - unter Bedachtnahme auf die geschätzten und vorgehaltenen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse sowie auf den bis 100.000 S reichenden Strafrahmen - die vom Arbeitsinspektorat Linz beantragte Strafe als dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessen zu verhängen gewesen sei.

Dagegen wendet der Berufungswerber zunächst ein, es sei das angefochtene Straferkenntnis im Licht des § 44a Z1 VStG unbestimmt dadurch, dass ihm der Ver-

antwortlichkeitsgrund nicht entnommen werden könne. Weder sei die Zuordnung der Tat zur Person des Beschuldigten rechtlich nachvollziehbar noch § 9 VStG ange-

führt; zu keiner Zeit sei eine Verfolgungshandlung gegen den Beschuldigten als handelsrechtlicher Geschäftsführer gesetzt worden.

Wenngleich der Berufungswerber mit seiner Rüge des im Schuldspruch nicht ausdrücklich benannten Verantwortlichkeitsgrundes im Recht ist, so ist daraus für ihn noch nichts gewonnen. Immerhin nämlich ist der Aufforderung zur Rechtfertigung (AzR) vom 23. Jänner 1997, zugleich die erste Verfolgungshandlung, zu entnehmen, daß die Verfolgungsbehörde den Verantwortlichkeitsgrund zwar nur in die Adressierung ("als handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der B ....") aufgenommen, jedoch den Tatvorwurf als solchen - noch - hinreichend deutlich an den nunmehrigen Berufungswerber persönlich als Beschuldigten gerichtet hatte. Demgemäß läßt auch die schriftliche Rechtfertigung des Berufungswerbers vom 11. Februar 1997 erkennen, daß er sich als für den Vorfall Verantwortlicher zur Stellungnahme aufgefordert fühlte. Damit aber war die Verfolgungshandlung zur Unterbrechung der Verjährungsfrist tauglich einerseits und der angefochtene Schuldspruch einer rechtlichen Richtigstellung durch das Tribunal zugänglich andererseits (durch Einfügung der die strafrechtliche Verantwortlichkeit begründenden Funktion des Beschuldigten, ohne daß im Sinne der Rechtsprechung des VwGH der § 9 Abs.1 VStG im Schuldspruch angeführt werden mußte). Gleiches gilt sinngemäß für die Ergänzung des Schuldspruchs hinsichtlich des hier maßgeblichen Tatortes, d.i. nach den Umständen dieses Falles der in M gelegene Unternehmenssitz der Arbeitgebergesellschaft, weil die AzR als erste Verfolgungshandlung wenigstens die Baustelle als jenen Ort, wo der Verstoß gegen die Schutzvorschrift aktuell geschah, genannt hatte (und sohin auch in diesem Punkt bestimmt genug, dh tauglich zur Verjährungsunterbrechung gewesen ist). Die Einfügung des Klammerausdrucks "(Ytong-Deckenplatten)" hingegen betrifft kein wesentliches Tatmerkmal, dient aber der sachverhaltsbezogenen Deutlichkeit des Schuldspruchs.

In der Sache selbst wendet der Berufungswerber zur objektiven Tatseite ein, es sei verfehlt gewesen, dass die belangte Behörde - in Entsprechung der Anzeige des Arbeitsinpektorates - die in Rede stehenden Arbeiten als Abbrucharbeiten gewertet habe. Abbrucharbeiten seien gar nicht (mehr) vorgelegen, weil "schon längst beendet" gewesen; deshalb hätte von einem tatbildlichen Verhalten nicht ausgegangen werden dürfen.

In der Verhandlung präzisierte der Berufungswerber dahin, es dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass das Abbrechen der Deckenplatten noch am Tattag, gewissermaßen dem Vorfall unmittelbar vorausgehend, vorgenommen worden wäre, vielmehr sei es so gewesen, dass diese Abbrucharbeiten im eigentlichen Sinn am Vortag und an den vorangegangenen Tagen schon durchgeführt worden seien; der eingesetzte Baggerfahrer habe an jenem Tag daher nur den Auftrag gehabt, nach den schon durchgeführt gewesenen Abbrucharbeiten das am Boden befindliche Bruchmaterial weiter zu zerteilen und transportfähig zu machen. Dabei sei keine konkrete Gefährdung durch herabfallende schwere Gegenstände vorhanden gewesen, sodass auch keine Notwendigkeit bestanden habe, einen Bagger mit Schutzdach einzusetzen.

Diesem Behauptungsvorbringen steht gegenüber: Zum einen der Zustand der Abbruchbaustelle, wie er aus den zum Vorfall angefertigten Lichtbildern (siehe oben) ersichtlich ist (nämlich: dass die Abbrucharbeiten, näherhin an der Decke, insgesamt offenbar noch nicht zum 11. Jänner 1997 abgeschlossen gewesen sind, weil, wie ersichtlich, noch etliche Deckenelemente auf verschiedenen Auflagerquerbalken aufliegen, so ist auch das auf den Bagger herabgestürzte Deckenelement und auf den Fotos Nr. 3 und 4 ein weiteres, sich bereits in Schräglage befindliches Deckenelement zu erkennen, das offenbar unmittelbar vor der Herabnahme sich befindet), und zum anderen die Aussage des Zeugen Arbeitsinspektor Ing. W (nämlich: für ihn war es, als er auf die Baustelle ca. 1 halbe Stunde nach dem Unfall, glaublich am Nachmittag, hingekommen ist, ganz klar, dass es sich um Abbrucharbeiten gehandelt hat; dieser Eindruck hat sich für ihn daraus ergeben, dass er nichts wahrgenommen hat, was auf eine geordnete Demontage hätte schließen lassen, sondern es war der vorgefundene Zustand, wie zB abgerissene Kabelkanäle, heruntergerissene Teile der Lüftungsanlage, am Boden liegende Trümmer der Decke, noch oben befindliche Teile der Decke, eindeutig der Zustand von Abbrucharbeiten).

In der Würdigung des Vorbringens, der Lichtbilder und der Aussage - der Zeuge, dem die Lichtbilder ebenso wenig wie dem Berufungswerber (dem Vertreter) bekannt gewesen sind, bestätigte den aus diesen Aufnahmen von der Abbruchbaustelle ersichtlichen Eindruck von Abbrucharbeiten unmissverständlich - stellt das erkennende Mitglied fest, dass am Vorfallstag, einerlei, ob in Überschreitung des "Auftrages" oder nicht, Arbeiten im Inneren einer Abbruchbaustelle mit einer erst teilweise heruntergebrochen gewesenen, aus Ytong-Leichtbauplatten bestehenden Decke mit dem in Rede stehenden Bagger - ohne Schutzdach, obwohl ein solches mit Hilfe dafür vorgesehener Flansche hätte montiert werden können - vorgenommen wurden und dabei jedenfalls die "bereits am Boden befindlichen Deckenplatten" für den Abtransport durch Lkw zwecks Lagerung dann mit der Schaufel des Baggers zertrümmert wurden. Weiters wird festgestellt, dass die Lichtbilder zweifelsfrei den Zustand der Halle in der Abbruchbaustelle am Vorfallstag realistisch wiedergeben.

Als gänzlich unstrittig steht fest, dass eine von den noch nicht von der Decke heruntergebrochen gewesenen Platten (lt. Rechtfertigung des Beschuldigten vom 11.2.1997 ein vorher "vom Baggerfahrer nicht bearbeiteter Teil") während der vom Baggerführer P durchgeführten Zertrümmerungsarbeiten infolge einer Berührung eines Betonträgers (auf dem die Platte auflag, jedoch "trotz vorgesehener Verankerungsöffnungen nicht verankert war"; Zitatquelle wie vorhin) mit dem Baggerarm, auf den Bagger herabfiel und den Baggerfahrer verletzte.

Alle diese Sachumstände ergaben sich mit Eindeutigkeit schon aufgrund der in der Verhandlung aufgenommenen Beweise, iVm dem Berufungsvorbringen und der in Teilen erörterten Aktenlage. Sie werden als maßgebend für die Rechtsbeurteilung, insbesondere auch für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt Abbrucharbeiten einerseits und die spezifische Gefährdungssituation andererseits vorgelegen waren, festgestellt. Lag aber das objektive Tatgeschehen eindeutig und vollständig vor, so waren die beiden vom Berufungswerber beantragten Zeugen (zum Beweis des Umstandes, dass die Abbrucharbeiten bereits am Vortag beendet worden waren; dieses Beweisthema mit dieser bestimmten Formulierung hat der Berufungswerber übrigens erstmals in der Verhandlung vorgetragen) nicht mehr durchzuführen.

Gemäß § 113 Abs.2 BauV dürfen, wenn - bei Abbrucharbeiten unter Einsatz von Maschinen - eine Gefährdung durch herabfallende, schwere Gegenstände besteht, nur Bagger und Lader verwendet werden, die gemäß Z1 dieser Vorschrift mit einem stabilen Schutzdach für den Fahrersitz ausgerüstet sind.

Was konkret der Verordnungsgeber unter 'Abbrucharbeiten' iS des 16. Abschnittes der BauV verstanden wissen wollte, hat er weder in diesem Abschnitt noch im § 2 leg.cit. ("Begriffsbestimmungen") definiert, sondern den Inhalt dieses in der Bauwelt häufig stattfindenden Vorgangs als allgemein bekannt vorausgesetzt. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates geht jedoch der die Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmer bei Abbrucharbeiten aus allgemeiner Sicht und aus der Sicht der verschiedenen Abbruchtechniken regelnde 16. Abschnitt der BauV davon aus, dass die Verbringung des Abbruchmaterials von der Abbruchstelle jedenfalls noch zu den Abbrucharbeiten gehört und nicht als selbständiger, von Abbrucharbeiten daher zu unterscheidender Arbeitsvorgang zu betrachten ist. So darf etwa iZhg mit allgemeinen Sicherungsmaßnahmen mit der Materialräumung (Schutt ua) erst begonnen werden, wenn geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen sind (§ 111 Abs.5 BauV) und muß - generell - Abbruchmaterial in sicherer Weise gelagert werden (§ 111 Abs.6 BauV).

Vor diesem Hintergrund steht fest, dass nach den Umständen dieses Falles der in Rede stehende Bagger auf der Baustelle bei Abbrucharbeiten entgegen der Vorschrift des § 113 Abs.2 Z1 BauV ohne stabiles Schutzdach für den Fahrersitz verwendet wurde, obwohl dort eine nicht bloß abstrakte Gefährdung bestand. In vertretbarer Weise hat nämlich die belangte Behörde aus dem Umstand, dass im Zuge der Zertrümmerungsarbeiten mit dem Bagger ein noch an der Decke befindliches Deckenelement auf den Baggerfahrer herabstürzte, auf die iS der verletzten Schutzvorschrift tatbildliche Gefährdung geschlossen. Für einen erfahrenen und geschulten Baggerfahrer ebenso wie für einen erfahrenen und geschulten Baupolier muss aus dem ihrer Wahrnehmung sich dargeboten habenden, konkreten Zustand der nämlichen Halle eine Gefährdungssituation über Kopf, von den noch nicht abgebrochenen Teilen der Decke her, ohne jeden Zweifel erkennbar gewesen sein.

Dass der Absturz des Deckenelementes durch ein, wie der Berufungswerber angibt, versehentliches Manöver des Baggerfahrers verursacht wurde und dieses Element, wäre es nur richtig verankert gewesen, gar nicht hätte abstürzen dürfen, steht der Annahme der Tatbestandsmäßigkeit nicht entgegen. Andererseits führt gerade die Darstellung des Berufungswerbers, dass nämlich die "bereits am Boden befindlichen Deckenplatten" - somit Abbruchmaterial - nur für den Abtransport zertrümmert worden seien, den zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem dort zuvor erfolgten Abbrechen der Leichtbauplatten von der Decke deutlich vor Augen, sodass insgesamt (auch unter Einbeziehung der Berufungsgründe) in der Rechtsbeurteilung von "Abbrucharbeiten" im Sinne der Schutzvorschrift auszugehen war.

Schuldseitig ist die belangte Behörde - allerdings entgegen § 60 AVG nur konkludent - im Grunde des § 5 Abs.1 VStG von der demnach zu vermuten gewesenen Fahrlässigkeitsschuld des Berufungswerbers als für die Gewährleistung der Einhaltung der Schutzvorschriften verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft ausgegangen.

Im Berufungsschriftsatz (Seite 6) hielt der Beschuldigte dieser Einschätzung nur entgegen, dass "weiters an sich kein Verschulden gegeben ist, sondern nur der formale Auffangtatbestand gemäß § 9 VStG nach außen hin erfüllt" wäre, dass weiters "bei Bedachtnahme auf die oben geschilderten sonstigen Umstände und Veranlassungen des Beschuldigten mit einer Ermahnung das Auslangen hätte gefunden werden können." Mit den "geschilderten sonstigen Umständen und Veranlassungen des Beschuldigten" meinte er offenbar das Behauptungsvorbringen (Seite 5 unten, 6 oben des Berufungsschriftsatzes), wonach für derartige Abbrucharbeiten nur Mitarbeiter mit Unterweisung in jährlichen Sicherheitsschulungen über die einzuhaltenden Sicherheitsmassnahmen am Arbeitsplatz herangezogen werden und überdies die Poliere seitens der Firmenleitung bzw. durch den Berufungswerber angehalten seien, keine Arbeitsanweisung ohne gleichzeitige Sicherheitsanweisung auszusprechen. Das habe auch für den hier involvierten Polier J R gegolten.

In der Verhandlung beantragte der Berufungswerber (sein Vertreter) zum Nachweis des daher in der B Ges.m.b.H. installierten Kontrollsystems die zeugenschaftliche Vernehmung des Baupolier J R zum Beweis dafür,

"dass die Aufnahme der Tätigkeit der Zertrümmerungsarbeiten durch den Zeugen P erst nach entsprechend sicherheitstechnischer Überprüfung durch den Zeugen R im Rahmen eines vom Beschuldigten diesbezüglich installierten Kontrollsystems getätigt wurde; dieses Kontrollsystem wurde deswegen installiert, weil der Beschuldigte als Einzelperson nicht in der Lage ist; sämtliche Baustellen selbst im Hinblick auf die Einhaltung der einschlägigen Sicherheitsvorschriften zu kontrollieren, er hat daher ein Kontrollsystem dahingehend errichtet, dass jeder Bauleiter, Polier und Vorarbeiter der B Ges.m.b.H. die dienstrechtliche Weisung hat, Abbrucharbeiten erst dann vor Ort in Auftrag zu geben, wenn vorher die sicherheitstechnischen Einrichtungen überprüft wurden und von Seiten der anordnungsbefugten Organe konkrete Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden. Dazu kommt, dass sämtliche Mitarbeiter der B Ges.m.b.H. mehrmals jährlich hinsichtlich Sicherheitsmaßnahmen auf Baustellen geschult werden und berechtigt sind, Durchführung von Abbrucharbeiten ohne entsprechende sicherheitstechnische Vorkehrungen zu verweigern, ohne dass dies arbeitsrechtliche Konsequenzen hätte. Darüber hinaus wird jedem eintretenden neuen Mitarbeiter der Fa. B eine Sicherheitsunterweisung erteilt und eine schriftliche Unterlage mit Unterweisung zur Arbeitssicherheit mitgegeben, mit welchem die wesentlichen Vorschriften der Arbeitssicherheit festgehalten sind. Des weiteren sind sämtliche Poliere, Bauleiter und Vorarbeiter angehalten, jeden Arbeitsunfall zu melden und führt dies Seitens der vom Beschuldigten geleiteten Firma zu entsprechenden individuellen Nachschulungen der vom Arbeitsunfall betroffenen Mitarbeiter sowie der konkret tätigen anordnungsbefugten Organe."

Zum Beweis des so gestalteten Kontrollsystems beantragte der Berufungswerber (sein Vertreter) in der Verhandlung außerdem noch die ergänzende Einvernahme des Dipl.-Ing. H L, technischer Angestellter der B Ges.m.b.H.

Mit diesem Behauptungsvorbringen - im Kleid eines erstmals in der Verhandlung gestellten und ausgeführten Beweisantrages - betreffend das in seinem Unternehmen eingerichtete Kontrollsystem vermochte der Berufungswerber sein mangelndes Verschulden in diesem Fall jedoch nicht glaubhaft zu machen.

Dazu wäre es erforderlich gewesen, ein konkretes Tatsachenvorbringen zu erstatten, aus dem sich detailliert ergibt, welches Kontroll- und Maßnahmensystem zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften in dem vom Berufungswerber geleiteten Unternehmen geschaffen wurde und wie dieses konkret funktioniert (vgl VwGH 20.9.2001, 99/11/0227). Die bloße Dartuung der Erteilung von Weisungen und der Einrichtung eines Kontrollsystems mit hierarchischer Gliederung der Verantwortungsträger und der Kontrolle der in diese Hierarchie Eingebundenen reicht zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens des Arbeitgebers nicht aus. Vielmehr wäre es - über das Glaubhaftmachen der Existenz eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form hinaus - erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im einzelnen (vgl VwGH 30.9.1998, 98/02/0148; VwGH 24.8.2001, 2001/02/0148, 0149) der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen dieses Systems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das System eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften, hier jene der BauV zum Schutz der Baggerfahrer vor spezifischen, über Kopf herab drohenden Gefahren bei Abbrucharbeiten, auch tatsächlich befolgt einerseits und andererseits, welche Maßnahmen schließlich der Berufungswerber als an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Auf den Berufungsfall angewendet hätte also das Behauptungsvorbringen detailliert darzustellen gehabt, dass und welche konkreten Maßnahmen - durch Gestaltung von Arbeitsbedingungen, durch entsprechende Entlohnungsmethoden und durch disziplinäre Eingriffe u.dgl. (mit Bezug jedenfalls auf den eingesetzt gewesenen Bauleiter der in Rede stehenden Baustelle sowie allfällige weitere, in das Kontrollsystem für diese Baustelle einbezogene Mitarbeiter) - so vorgekehrt und, von der Unternehmensspitze aus abwärts, auch gehandhabt wurden, auf dass die Unterbindung von Anreizen zur Verletzung der vorliegend angesprochenen Schutzvorschriften sowie Nachlässigkeiten in diese Richtung unter vorhersehbaren Verhältnissen und mit gutem (damit auch gemeint: auf betriebliche Besonderheiten Bedacht nehmenden) Grund erwartet werden durfte.

Gerade konkrete Maßnahmen, die der Berufungswerber selbst als Unternehmensleiter gesetzt hat bzw. die ihm Nachgeordneten in Befolgung seiner konkreten Maßnahme zu setzen gehabt hätten, stellte der Berufungswerber mit seinem, oben wiedergegebenen Behauptungsvorbringen (im Kleid eines Beweisthemas) nicht dar, weil damit bloß generell das Bestehen von Weisungen ("dass jeder Bauleiter, Polier und Vorarbeiter ... die dienstrechtliche Weisung hat"), von Schulungen, von Weigerungsrechten, von Sicherheitsunterweisungen, von Aushändigungen schriftlicher Unterlagen (mit wiederum bloß allgemeinen Sicherheitshinweisen), von Meldepflichten bezüglich Arbeitsunfällen (und offenbar nicht bezüglich schlichter Zuwiderhandlungen ohne Arbeitsunfälle) und von Nachschulungen dargetan wird.

So blieb auch gänzlich unausgeführt, welche konkrete Maßnahme die Unternehmensleitung selbst vorgekehrt und auch ergriffen hat, um nämlich für den Anwendungsfall aktuell durchzusetzen, dass das (allgemein) behauptete Verweigerungsrecht nicht bloß als abstrakt generelle Möglichkeit besteht, sondern, wie hier, im konkreten Anlass vom betroffenen Baggerfahrer (der behauptungsgemäß sicherheitstechnisch geschult, ausgesucht und langjährig erfahren gewesen sei) auch tatsächlich beansprucht wird, damit er sich vorhersehbaren Gefahren nicht aussetzen muss. Ebenso blieb gänzlich unausgeführt, welche konkrete Maßnahme (etwa: disziplinären Inhaltes) der Unternehmensleiter für jenen unmittelbaren Vorgesetzten des Baggerführers, der diesem den Auftrag zur ungesicherten Vornahme der in Rede stehenden Abbrucharbeiten erteilt gehabt hatte (und den Baggerfahrer bei dieser ungesicherten Arbeit bis zum Arbeitsunfall offenbar auch hatte gewähren lassen), vorgekehrt und auch ergriffen hat.

War aber das Berufungsvorbringen insgesamt nicht geeignet, ein funktionierendes, die Ergreifung bestimmter Maßnahmen durch den Berufungswerber selbst mit einbeziehendes Kontrollsystem bezogen auf die konkrete Abbruchbaustelle und die dort verwendeten Arbeitsmittel darzulegen, so war der Unabhängige Verwaltungssenat auch nicht gehalten, die zum Beweis für dieses - zu seiner Entlastung untaugliche - Vorbringen namhaft gemachten Zeugen (Baupolier R; Dipl.-Ing. L) zu vernehmen (vgl. wiederum VwGH 30.9.1998, 98/02/0148).

Im übrigen konnte mit Blick auf den bisherigen Verfahrensverlauf (der Berufungswerber hatte im Ermittlungsverfahren der Strafvollzugsbehörde und in seiner Berufungsschrift keine bestimmt formulierten Beweisthemen beantragt gehabt) seine nunmehrige Vorgangsweise, nämlich erst in der öffentlichen Verhandlung Zeugenbeweisanträge mit bestimmten Beweisthemen zu stellen, durchaus als Versuch einer Verzögerung des Verfahrens gewertet werden, dies zumal im Hinblick auf den Umstand, dass vorliegend der Eintritt der absoluten Verjährung nahe heransteht (vgl. VwGH 22.11.1994, 94/11/0211).

Aus allen diesen Feststellungen und Erwägungen war hier der belangten Behörde in der Annahme auch der subjektiven Tatseite im Berufungsfall nicht entgegen zu treten, weil ein iS des § 5 Abs.1 VStG schuldbefreiendes, d.h. das spezifische (Konstellationen wie hier gänzlich abdeckende) Netz konkreter Maßnahmen darstellendes Kontrollsystem schon nicht behauptet wurde.

Der Schuldspruch war daher, mit der Maßgabe einer Präzisierung und einer Richtigstellung, zu bestätigen.

Was die Strafbemessung anbelangt, ist die belangte Behörde zwar nachvollziehbar und fallbezogen bei ihrer diesbezüglichen Ermessensentscheidungen anhand der Kriterien des § 19 VStG vorgegangen. Sie hat jedoch übersehen, dass der Berufungswerber - jedenfalls nach Ausweis des vorgelegten Strafaktes - absolut unbescholten ist und dies iS des § 34 Z2 StGB als mildernd hätte angerechnet werden müssen. Bei gleichzeitigem Fehlen besonderer Erschwerungsgründe rechtfertigt sich daraus schon und zusätzlich aus dem Umstand, dass die belangte Behörde von keinen Sorgepflichten ausgegangen ist, der Berufungswerber glaubwürdig (mit Bekräftigung in der Verhandlung) Sorgepflichten für Gattin und zwei Kinder geltend gemacht hat, ein Ansatz für eine nicht bloß marginale Strafminderung. Darüber hinaus war im Berufungsfall, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. Erk. 5.12.2001, B 4/01), als besonderer Milderungsgrund iS des § 34 Abs.2 StGB die ungewöhnlich lange, zwar noch nicht exzessive, den Bereich des üblichen allerdings deutlich überdehnende Verfahrensdauer insgesamt (bei der belangten Behörde nur ca. 3 1/2 Monate, beim Unabhängigen Verwaltungssenat [inkl. zweiter Rechtsgang] bereits ca. 2 Jahre und 4 Monate, und beim VwGH fast 3 Jahre und 10 Monate) im nunmehr zu fällenden Ersatzerkenntnis zu berücksichtigen, woraus sich im Ergebnis die neu festzusetzende Geldstrafenhöhe von 720 € als in gleicher Weise tat- und täterangemessen ergab.

Einer noch stärkeren Herabsetzung steht freilich der von der belangten Behörde mit Blick auf die Unfallsfolge zutreffend als beträchtlich gewertete Unrechtsgehalt entgegen. Ebenso zutreffend hat die belangte Behörde begründet, dass vorliegend nicht iS des § 21 VStG von der Strafe - auch nicht unter Ermahnungserteilung - abgesehen werden durfte.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden. Bei diesem Verfahrensergebnis war auch der dem Berufungswerber strafbehördlich auferlegte Kostenbeitrag entsprechend zu kürzen. Ein Beitrag zu den Kosten des Tribunalverfahrens war hingegen nicht vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 20.04.2004, Zl.: 2003/02/0243-5

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