Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280532/3/Gf/Km

Linz, 20.04.2000

VwSen-280532/3/Gf/Km Linz, am 20. April 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer unter dem Vorsitz von Mag. Gallnbrunner, den Berichter Dr. Grof und den Beisitzer Dr. Konrath, über die Berufung der G W, vertreten durch die RAe Dr. J W u.a., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 6. März 2000, Zl. 502-32/Kn/We/121/98e, wegen einer Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Die Beschwerdeführerin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 VStG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 6. März 2000, Zl. 502-32/Kn/We/121/98e, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) verhängt, weil sie es als handelsrechtliche Geschäftsführerin einer GmbH zu verantworten habe, dass ihre Gesellschaft "am 6.7.1998 in ihrer Arbeitsstätte ....., in welcher regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ihrer Verpflichtung Arbeitsmediziner zu bestellen, nicht nachgekommen" sei, "indem zumindest zu diesem Zeitpunkt kein Arbeitsmediziner bestellt" gewesen sei; dadurch habe sie eine Übertretung des § 130 Abs. 1 Z. 27 i.V.m. § 115 Abs. 1 Z. 2 und § 82 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr. 450/1994, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 47/1997 (im Folgenden: ASchG), begangen, weshalb sie nach der erstgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihr am 14. März 2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 28. März 2000 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, dass der der Rechtsmittelwerberin angelastete Tatvorwurf aufgrund einer entsprechenden Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk als erwiesen anzusehen sei und von ihr zudem auch nicht bestritten werde, dass zum Tatzeitpunkt kein Arbeitsmediziner bestellt gewesen sei. Ihr zentraler Einwand, dass an der verfahrensgegenständlichen Betriebsstätte nicht mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien, müsse hingegen angesichts entsprechender Aufzeichnungen der Oö. Gebietskrankenkasse für die Jahre 1996 und 1997 als widerlegt angesehen werden.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; allerdings seien der Umstand, dass sie seitens des Arbeitsinspektorates zuvor bereits mehrfach auf die Notwendigkeit der Bestellung eines Arbeitsmediziners hingewiesen worden sei, sowie ihre - mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzenden - Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse entsprechend zu berücksichtigen gewesen.

2.2. Die Rechtsmittelwerberin bestreitet auch mit der vorliegenden Berufung wiederum, dass zum Tatzeitpunkt in ihrem Betrieb mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Außerdem bringt sie vor, dass für ihr Unternehmen die Übergangsfrist des § 115 Abs. 1 Z. 4 ASchG zum Tragen komme, wonach erst ab dem 1. Jänner 1999 - also nach der Tat - ein Arbeitsmediziner zu bestellen gewesen sei. Zudem seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, ob im gegenständlichen Fall überhaupt eine "Arbeitsstätte" i.S. der gesetzlichen Vorschriften vorliege. Schließlich hätten bei der Feststellung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer jene Arbeitskräfte, die nur teilzeitbeschäftigt waren, jedenfalls nicht voll eingerechnet werden dürfen. Wie die belangte Behörde zur Höhe der festgelegten Strafe komme, sei schlechthin überhaupt nicht nachvollziehbar.

Aus allen diesen Gründen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu bloß die Erteilung einer Ermahnung oder die Verhängung der Mindeststrafe beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vom Magistrat Linz vorgelegten Verwaltungsakt zu Zl. 502-32/121/98; im Übrigen konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 130 Abs. 1 Z. 27 i.V.m. § 79 Abs. 1 und § 115 Abs. 1 Z. 2 ASchG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 2.000 S bis zu 100.000 S zu bestrafen, der als Arbeitgeber nach dem 1. Jänner 1997 in Arbeitsstätten, in denen er regelmäßig zwischen 101 und 150 Arbeitnehmer beschäftigt, keinen Arbeitsmediziner bestellt. In gleicher Weise macht sich nach § 130 Abs. 1 Z. 27 i.V.m. § 115 Abs. 1 Z. 2 und § 82 Abs. 1 ASchG strafbar, wer Arbeitsmediziner nicht im erforderlichen (Mindest-)Ausmaß beschäftigt.

4.2.1. Die Bestimmung des § 130 Abs. 1 Z. 27 ASchG enthält demnach zwei alternative Straftatbestände, nämlich die Nichtbestellung eines Arbeitsmediziners einerseits und die Nichtbeschäftigung eines - bestellten - Arbeitsmediziners im ausreichenden Ausmaß auf der anderen Seite.

Wenngleich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses die Bestimmung des § 82 ASchG als verletzte Verwaltungsvorschrift angeführt hat, geht doch aus dessen Formulierung sowie aus der Begründung und damit im Gesamtzusammenhang eindeutig hervor, dass sie der Rechtsmittelwerberin in Wahrheit eine Übertretung des § 79 ASchG anlasten wollte.

Wäre der Oö. Verwaltungssenat demnach im Hinblick auf § 44a Z. 2 VStG zu einer entsprechenden Korrektur noch berechtigt (vgl. z.B. statt vieler VwGH v. 23.10.1995, 93/04/0101), so gilt dies allerdings nicht hinsichtlich des Umstandes, dass sich in dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt keinerlei Hinweis darauf findet, dass auch zum Tatzeitpunkt selbst an der verfahrensgegenständlichen Arbeitsstätte zwischen 101 und 150 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen wären:

4.2.2. Diesbezüglich geht nämlich einerseits auch aus dem Schreiben des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk (vom 9. Juli 1998, Zl. 1160/82-9/98) nur hervor, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Unternehmen "etwa 140 Arbeitnehmer (Stichtag 6. Juli 1998)" bzw. (vom 14. Mai 1998, Zl. 1750/338-9/98) "laut Auskunft der OÖ. GKK ..... im Monat Mai 1998 123 Arbeitnehmer" beschäftigt habe; auf der anderen Seite hat die belangte Behörde in ihrem Akt offenkundig eigenständig angefertigte (vgl. den Bericht des Bezirksverwaltungsamtes vom 23. September 1998, Zl. 101-1/0 [S. 22 des Aktes]) stichtagsweise Ausdrucke (überwiegend zum jeweiligen Monatsende) hinsichtlich der Anzahl der in der GmbH Beschäftigten - allerdings nicht für den Tattag, sondern für den Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1996 und dem 31. Dezember 1997 (S. 23 bis 34 des Aktes) - dokumentiert.

Auf den mit dem angefochtenen Straferkenntnis angelasteten Tatzeitpunkt - d.i. der 6. Juli 1998 - bezogen findet sich sohin im Ergebnis keinerlei Nachweis.

Neben dem Aspekt, dass gegenständlich jedenfalls auch jegliche, auf den Tattag bezogene Ermittlungen darüber fehlen, ob sich die zuvor dargestellten Behauptungen jeweils auch auf eine Arbeitsstätte i.S.d. § 2 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 3 ASchG bezogen, ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass für die Träger der Sozialversicherung (abgesehen davon, dass - ausgehend vom Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses - der bloße Umstand, dass an einem bestimmten Tag eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern bei einem Sozialversicherungsträger gemeldet waren, von vornherein noch keinen endgültigen Nachweis über die tatsächliche Anzahl der zu diesem Stichtag regelmäßig i.S.d. § 115 Abs. 1 Z. 2 ASchG beschäftigten Arbeitnehmer zu liefern vermag) den Unabhängigen Verwaltungssenaten gegenüber von vornherein keine gesetzliche Auskunftspflicht besteht; eine derartige Verpflichtung könnte vielmehr nur aus § 20 und § 21 des Arbeitsinspektionsgesetzes, BGBl.Nr. 27/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 63/1997, gegenüber den Arbeitsinspektoraten selbst abgeleitet werden.

4.2.3. All dies berücksichtigend sieht sich der Oö. Verwaltungssenat daher wiederum (vgl. zuletzt statt vieler z.B. VwSen-230719 vom 30.7.1999 = ZUV 1999/4/26) zu der Feststellung veranlasst, dass es ihm im Hinblick auf seine verfassungsmäßige Aufgabenstellung als einem Organ der Kontrolle der Verwaltung (vgl. Art. 129 ff B-VG), aber auch im Hinblick auf die verfassungsmäßige Garantie eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 MRK) von vornherein verwehrt ist, substantielle Versäumnisse des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens zu substituieren und auf diese Weise die Rolle des unabhängigen Richters zu verlassen und gleichzeitig auch die Funktion des Anklägers wahrzunehmen.

4.3. Damit kann aber die der Beschwerdeführerin angelastete Übertretung des § 79 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 1 Z. 2 und § 130 Abs. 1 Z. 27 ASchG letztlich nicht als mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen angesehen werden.

Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Mag. G a l l n b r u n n e r

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 20.12.2002, Zl.: 2000/02/0188

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