Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280567/13/Ga/He

Linz, 30.07.2003

 

 

 VwSen-280567/13/Ga/He Linz, am 30. Juli 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

(Ersatzerkenntnis)
 
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des G. D.; vertreten durch Dr. G. H. Dr. A. F., Mag. U. S. Rechtsanwälte in W., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 5. April 2001, Zl. MA 2-Pol-5004-2001, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes - AZG, zu Recht erkannt:
Zu den Fakten 1d, 1e, 3e, 4e und 4f wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insoweit bestätigt. Zu diesen Fakten hat der Berufungswerber 20 Prozent der je verhängten Geldstrafen, somit insgesamt 270,30 € als Beitrag zu den Kosten der Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:
Das der Berufung gegen das bezeichnete Straferkenntnis in den Fakten 1d, 1e, 3e, 4e und 4f teilweise, nämlich hinsichtlich aller vor dem 12. Juli 2000 liegenden Tattage, stattgebende, das Straferkenntnis insoweit aufhebende und das Verfahren diesbezüglich einstellende h. Erkenntnis vom 29. Oktober 2001, VwSen-280567/2/ Ga/Mm, wurde - nach dagegen erhobener Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft - im Umfang des Spruchabschnittes A.II. vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/0007-5, eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 22. April 2003, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
 
Die Aufhebung begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus:
"Gemäß § 31 Abs.2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
 
Die Begehung fortgesetzter Delikte hat zur Folge, dass die Verjährungsfrist für dieses jeweils eine Delikt - unabhängig davon, wann die strafbare Tätigkeit begonnen hat - erst von dem Zeitpunkt zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0191, m. w. N.).
 
Ein Zuwiderhandeln gegen Arbeitszeitvorschriften des § 28 Abs.1 Z1 bis 3 Arbeitszeitgesetz (AZG) durch den Arbeitgeber, wie dies dem Mitbeteiligten im angefochtenen Bescheid zur Last gelegt worden ist, wurde in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als fortgesetztes Delikt dann angesehen, wenn die festgestellten Zuwiderhandlungen des Arbeitgebers, die in der Beschäftigung des Arbeitnehmers unter Verletzung der Arbeitszeitvorschriften bei seiner beruflichen Tätigkeit bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1984, Zl. 82/11/0363), erkennen lassen, dass sie zu Folge der im hg. Erkenntnis vom 30. März 1982, Zl. 81/11/0087, näher bezeichneten Voraussetzungen zu einer Einheit zusammenfließen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zlen. 97/11/0188, 0189 und 0191 bis 0196, m. w. N.).
 
Von dieser Rechtsprechung abzugehen bietet auch der Beschwerdefall keinen Anlass. Insbesondere die im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommene Anführung des Tatzeitraumes und Tatortes, in dem und an dem die jeweils genannten Arbeitnehmer unter Verletzung von Arbeitszeitvorschriften beschäftigt wurden, lassen Zweifel an der Form der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen als fortgesetzte Delikte nicht aufkommen. Auch die belangte Behörde hat die einem Tatbestand des § 28 AZG zugeordneten inkriminierten Tathandlungen hinsichtlich desselben Arbeitnehmers nur einmal betraft und ging somit selbst zu Recht vom Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes aus. Das von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierte hg. Erkenntnis vom 12. September 2001, Zl. 98/03/0057, steht mit der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht im Widerspruch. In diesem Erkenntnis wurden Verstöße gegen das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz in Ansehung unterschiedlicher Gesellschaften (11 OEGs) nicht als fortgesetztes Delikt gewertet. Die einzelnen Tathandlungen in Ansehung eines Zurechnungssubjektes (einer OEG) hingegen würden auch in diesem Beschwerdefall zu einem fortgesetzten Delikt zusammengefasst.
 
Ausgehend davon belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil sie den Zeitpunkt für den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs.2 VStG für die einzelnen zu einem fortgesetzten Delikt und damit zu einer rechtlichen Einheit gehörenden Tathandlungen unrichtig berechnet hat."
An diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist der Unabhängige Verwaltungssenat bei Erlassung seines Ersatzerkenntnisses gemäß § 63 Abs.1 VwGG gebunden.
Den Schuldsprüchen zu den hier gegenständlichen Fakten wurde in der Berufungsschrift weder tatseitiges noch schuldseitiges Vorbringen entgegengesetzt (mit Ausnahme jener, die den Arbeitnehmer H. betreffen; diesbezügl. siehe unten). Die Anlastungen erfolgten im Einklang mit der Aktenlage. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte zu diesen Fakten weder Mängel in sachverhaltsmäßiger Hinsicht noch in der Rechtsbeurteilung aufzugreifen.
Zum Berufungsvorbringen betreffend den Arbeitnehmer H. (Fakten 1e und 4f):
Der Berufungswerber bestritt auch hier die tatseitigen Feststellungen nicht. Zu den Fakten 1e und 4f erhob er jedoch den Einwand der inhaltlichen Rechtswidrigkeit mit der Begründung, dieser Arbeitnehmer unterläge in diesen Fällen gar nicht dem gesetzlichen Arbeitszeitregime, weil er in dem hier in Rede stehenden Gastgewerbebetrieb in den fraglichen Zeiträumen als leitender Angestellter tätig gewesen sei.
 
Gemäß § 1 Abs.2 Z8 AZG
sind leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen.

Für das Vorliegen der Eigenschaft eines leitenden Angestellten iS des AZG beim Arbeitnehmer H. führte der Berufungswerber ins Treffen:
H. habe als sein Stellvertreter bzw. seine "rechte Hand" fungiert; als sein Stellvertreter sei H. selbstverständlich bei seiner Zeiteinteilung völlig frei gewesen und natürlich auch keinen Weisungen des Geschäftsführers unterlegen; H. habe selbstständig Dienstpläne erstellt und Angebote herausgegeben und sich um die Küche und den Service gekümmert; letzteres sei auch eine Erklärung dafür, warum H. ua als Koch eingestellt gewesen sei; dass H. nach den vorgelegenen Arbeitsaufzeichnungen einem fixen oder zumindest fast gleichbleibendem Arbeitszeitschema unterliege, könne nur als Zufall gewertet werden, weil H. einmal mehr und einmal weniger arbeite, je nach Arbeitsbedarf; es sei evident, dass bei einem Betrieb wie dem G. ein Stellvertreter vorhanden sein müsse, da es dem Berufungswerber als Geschäftsführer einfach nicht möglich sei, rund um die Uhr zu arbeiten; lediglich aus Vereinfachungsgründen sei H. bei der Anmeldung zur Gebietskrankenkasse als Koch eingestellt gewesen, genauso gut hätte er als leitender Angestellter der Küche eingestellt werden können.
 
Welche maßgeblichen Führungsaufgaben in welcher konkreten Qualität selbstverantwortlich übertragen sein müssen, um einen Angestellten zum "leitenden Angestellten" iS des Ausnahmetatbestandes zu machen, regelt das Gesetz nicht. Vielmehr erfuhr der Begriff seine inhaltliche Ausfüllung durch die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Danach (vol VwGH 24.2.1998, 97/11/0188 uwZlen, mit Vorjudikatur) ist der Ausnahmetatbestand erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer wesentliche Teilbereiche eines Betriebes in der Weise eigenverantwortlich leitet, dass hiedurch auf Bestand und Entwicklung des gesamten Unternehmens Einfluss genommen wird, sodass er sich aufgrund seiner einflussreichen Position aus der gesamten Angestelltenschaft heraushebt. Der betreffende Arbeitnehmer stellt für diesen wesentlichen Teilbereich des Betriebes gleichsam den Unternehmensführer dar, der befugt ist, allen ihm in diesem Teilbereich unterstellten Arbeitnehmern Weisungen betreffend Inhalt und Organisation ihrer Tätigkeit zu erteilen. Zwar ist auch der leitende Angestellte Arbeitnehmer und daher Weisungen ausgesetzt, bezüglich der "Eigenverantwortlichkeit" muss ihm jedoch ein erheblich größerer Entscheidungsspielraum eingeräumt sein als anderen Arbeitnehmern. Maßgebliche Führungsaufgaben iS der zit. Gesetzesstelle liegen nicht nur dann vor, wenn dem Angestellten Vorgesetztenfunktion zukommt, sondern auch, wenn ihm (eigenverantwortliche) Entscheidungen auf kaufmännischem oder technischem Gebiet obliegen. Eine Rolle bei der Beurteilung der Stellung des Angestellten spielt auch, in welchem Umfang er bei der Einteilung seiner eigenen Arbeitszeit gebunden ist und in welchem Umfang er diesbezüglich Kontrollen unterliegt. Eine starke Bindung in diesem Bereich spricht gegen seine Stellung als leitender Angestellter.
Der Umstand allein, dass dem betreffenden Arbeitnehmer in Abwesenheit des Geschäftsführers ein gewisser Entscheidungsspielraum in einem bestimmten Sachbereich zugestanden ist, macht ihn noch nicht zu einem leitenden Angestellten, dh diese Stellvertreterfunktion genügt nicht (vgl VwGH 25.1. 1994, 93/11/0173).
Eine bloße Aufsicht über mehrere Mitarbeiter bewirkt noch keine für das Unternehmen als solches einflussreiche Position. Diese liegt nicht vor, wenn dem betreffenden Angestellten nur ein beschränkter Spielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen - mit Wirkung auf das ganze Unternehmen - eingeräumt ist (vgl VwGH 22.10. 1992, 92/18/0354).
 
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das den Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers H. umschreibende Behauptungsvorbringen nicht geeignet, den Ausnahmetatbestand darzutun. So ist aus der behaupteten Stellvertreterfunktion für eine leitende Stellung nichts gewonnen (sh. die vorhin wiedergegebene Judikatur), auch nicht dadurch, dass im Zusammenhang damit Herr H. als "rechte Hand" apostrophiert wurde, ist doch darunter nach allgemeinem Sprachverständnis ein zwar 'vertrauter und wichtigster Mitarbeiter' (sh. diese Deutung in DUDEN 11, Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten), jedoch - ohne zusätzliche Ausstattung - eben gerade keine Person, die im Unternehmen Leitungsaufgaben und -befugnisse selbständig und eigenverantwortlich wahrnimmt, zu verstehen.
Davon aber abgesehen lässt das Vorbringen in keiner Weise erkennen, dass beim genannten Arbeitnehmer ein wesentliches Merkmal eines "leitenden Angestellten", nämlich das Vorhandensein von ihm unterstellten Arbeitnehmern (vgl VwGH 25.11.1991, 91/19/0286), vorgelegen wäre. Die somit für den "leitenden Angestellten" erforderliche Dienstgeberteilfunktion gegenüber ihm fachlich und disziplinär unterstellten Dienstnehmern hat der Berufungswerber für Herrn H. schon nicht behauptet, geschweige denn durch Bescheinigungsmittel (beispielsweise durch Vorlage des Dienstvertrages) glaubhaft gemacht. Das selbständige Erstellen von Dienstplänen allein, ohne dass damit die eigenverantwortliche disziplinäre Kontrolle verbunden ist, genügt nicht. Auch das bloße Herausgeben von Angeboten (offensichtlich gemeint als 'Erstellen' von Angeboten) bewirkt noch keine leitende Stellung (auf kaufmännischem Gebiet), wenn die Befugnis zur eigenverantwortlichen Entscheidung über die Annahme von ebenso eigenverantwortlich eingeholten Angeboten fehlt. Und auch ein faktisches "Sich-Kümmern" um die Küche und den Service bedeutet noch nicht, dass Herrn H. damit die selbständige, eigenverantwortliche Leitung der gesamten Küche und des gesamten Services (als wesentliche Teilbereiche des Betriebes) übertragen gewesen wäre. Und schließlich spricht auch der Umstand, dass für den Genannten überhaupt regelmäßig Arbeitsaufzeichnungen (in der gleichen Weise wie für die anderen Arbeitnehmer, also auch zB mit der mtl. Angabe des Stunden-Übertrages aus dem Vormonat) geführt wurden, gegen seine Stellung als leitender Angestellter nach § 1 Abs.2 Z8 AZG iS der dargelegten Judikatur.
 
Zusammenfassend erfolgte (auch) die Anlastung der Arbeitszeitüberschreitungen hinsichtlich des Arbeitnehmers H. als Verstoß gegen die bezüglichen Vorschriften zu Recht und war der Berufung insoweit der Erfolg zu versagen.
 
Was die Strafhöhen angeht, liegen Ermessensfehler der belangten Behörde, die vom Tribunal aufzugreifen gewesen wären, nicht vor.
Dem Eventualbegehren auf Anwendung des § 21 VStG war schon, wie von der Strafbehörde zutreffend erkannt, im Hinblick auf die jeweils nicht bloß nur kurzzeitigen Zuwiderhandlungen einerseits und auf die Häufung der Verstöße durch längere Zeiträume hindurch andererseits nicht zu entsprechen; im Ergebnis konnte zu allen Fakten von nur "unbedeutenden Folgen" der Übertretungen nicht die Rede sein. Im übrigen war weder die vom Berufungswerber als schuldreduzierend gesehene, nur gänzlich pauschal eingeworfene "drückende Notlage" (betrieblicher Natur; als Folge "übervoller" Gasträume, wodurch - sinngemäß - ein Abziehen des Personals zu Lasten seiner Gäste unmöglich bzw. ihm nicht zumutbar gewesen sei) gegeben noch war ein "reumütiges Geständnis" als besonderer Milderungsgrund zu berücksichtigen (die tatseitigen Feststellungen beruhten hier auf den, wie erwähnt, unbekämpften Ergebnissen der in der Betriebsstätte am 9.9.2000 vorgenommenen Überprüfung der Arbeitszeitaufzeichnungen durch das zuständige Arbeitsinspektorat). Die von der Strafbehörde als erschwerend gewertete (einschlägige) Vortat ist belegt und blieb unbestritten.
 
Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Berufungswerber zu 1d, 1e, 3e, 4e und 4f die Beiträge zu den Kosten des Tribunalverfahrens in der gesetzlichen Höhe aufzuerlegen.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.
 

Mag. Gallnbrunner

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