Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110582/2/Li/Ww/He

Linz, 21.06.2004

 VwSen-110582/2/Li/Ww/He Linz, am 21. Juni 2004

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Linkesch über die Berufung des B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28. April 2004, VerkGe96-55-1-2004, wegen einer Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 2, 45 Abs.1 Z1 und 3 sowie § 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Straferkenntnis vom 28. April 2004, VerkGe96-55-1-2004, über den Berufungswerber B (im Folgenden Bw) wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z3 und § 7 Abs.1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 eine Geldstrafe von 1.453 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden verhängt, weil er als Unternehmer mit dem Sitz in, am 21.3.2004 gegen 08.00 Uhr auf der Innkreis-Autobahn A 8, bei Straßenkilometer 75,400, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen habe, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: B, Lenker: C, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaates sei (Staatsbürgerschaft: Türkei), einen grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr und zwar eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (14.092 kg Sammelgut) von Deutschland nach Österreich mit einem Zielort in der Türkei ohne die hiefür erforderliche Fahrerbescheinigung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 durchgeführt habe. Er sei nicht Inhaber einer solchen Fahrerbescheinigung.

1.1 Begründend wurde von der belangten Behörde unter ausführlicher Zitierung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, dass nach der Aktenlage feststehe, dass der Fahrer, Herr C, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Türkei) sei, anlässlich der beanstandeten, im Spruch näher konkretisierten gewerbsmäßigen Güterbeförderung mit dem in Deutschland zugelassenen Lastkraftwagen keine Fahrerbescheinigung mitgeführt habe. Der Bw sei auch nicht Inhaber einer derartigen Berechtigung.

 

Auch wenn die Fahrerbescheinigung nicht ausdrücklich in § 7 Abs.1 des Güterbeförderungsgesetzes angeführt sei, bestünden keine Zweifel daran, dass auch diese Berechtigung von der angeführten Bestimmung umfasst sei. Während nämlich die Fahrerbescheinigung erst durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vom 1.3.2002 eingeführt worden sei, sei die letzte Novellierung des § 7 Abs.1 des Güterbeförderungsgesetzes durch Bundesgesetzblatt I Nr. 106/2001 vom 10.8.2001 erfolgt. Die Aufzählung in § 7 Abs.1 des Güterbeförderungsgesetzes könne nach Ansicht der Behörde nur im Zusammenhang mit einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen gesehen werden und nehme sogar der § 7 Abs.1 Z1 des Güterbeförderungsgesetzes auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 Bezug, sodass der objektive Tatbestand der dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt sei.

 

Wie bereits angeführt worden sei, habe der Bw als Unternehmer zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs.1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden. Dies habe der Bw offensichtlich unterlassen und sei somit seiner unternehmerischen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen. Es sei daher von einem schuldhaften und zwar fahrlässigen Verhalten seinerseits auszugehen.

 

Zur Strafbemessung sei festzustellen, dass die Geldstrafe bei derartigen Übertretungen gemäß § 23 Abs.4 des Güterbeförderungsgesetzes mindestens 1.453 Euro zu betragen habe.

 

Die Durchführung einer gewerbsmäßigen Güterbeförderung ohne Fahrerbescheinigung habe zur Folge, dass die Möglichkeit einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beschäftigung bzw zur Verfügungstellung von Fahrern außerhalb des Mitgliedstaats, indem der Verkehrsunternehmer ansässig sei, nicht gegeben sei. Dies habe in der Vergangenheit zu einer Marktlage geführt, bei der Fahrer aus Drittstaaten mitunter regelwidrig und ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr außerhalb des Mitgliedstaats, indem der Verkehrsunternehmer ansässig sei, beschäftigt würden, um die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, des Mitgliedstaats, indem der Verkehrsunternehmer ansässig sei und der dem Verkehrsunternehmer die Gemeinschaftslizenz erteilt habe, zu umgehen. Um dies zu verhindern, sei die Verhängung der Mindeststrafe notwendig und angemessen.

 

Die verhängte Mindeststrafe von 1.453 Euro könne auch nicht gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte unterschritten werden, weil lediglich die bisherige Unbescholtenheit des Bw strafmildernd gewertet werden könne. Auch wenn keine Erschwerungsgründe vorliegen würden, bedeutet dies im Hinblick auf den schwerwiegenden Unrechtsgehalt der durch die Unterlassung des Bw begangenen Tat noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe iSd § 20 VStG.

 

Die Strafe erscheine demnach sowohl dem Unrechtsgehalt der Tat, als auch den geschätzten wirtschaftlichen Verhältnissen des Bw (Einkommen ca. 1.500 Euro monatlich netto, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) angepasst.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher der Bw ausführte, dass lt. eines Erlasses des Regierungspräsidiums in Giessen türkische Fahrer nicht als Angehörige eines Drittstaates gelten würden und somit keine Fahrerbescheinigung benötigen würden. Mit dieser Begründung erteile das Regierungspräsidium in Giessen den (türkischen) Fahrern des Bw keine Fahrerbescheinigung.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 23 Abs.1. Z3 Güterbeförderungsgesetz wird unter Strafe gestellt, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Bewilligung durchführt oder Gebote und Verbote von zwischenzeitlichen Vereinbarungen nicht einhält.

 

Gemäß § 7 Abs.1 des Güterbeförderungsgesetzes ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach dem im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

  1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92,
  2. Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14. Juni 1973,
  3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,
  4. aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 7 ergangen ist.

Gemäß § 9 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden.

 

Gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vom 1.3.2002, über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder einen oder mehrere Mitgliedstaaten unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.6 Abs.4 der oben zitierten Verordnung ist die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt.

 

5.2. Wie nunmehr aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde hervorgeht, konnte der Fahrer C im Zuge der Anhaltung zwar eine Gemeinschaftslizenz, jedoch keine Fahrerbescheinigung dem Beamten vorweisen. Letztgenannte hätte ihm der Bw aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Lenker um einen türkischen Staatsangehörigen gehandelt hat, zur Verfügung zu stellen gehabt. Dass die gegenständliche Güterbeförderung ohne im Besitz einer Gemeinschaftslizenz zu sein, durchgeführt worden sei, wurde dem Bw von der belangten Behörde zu Recht nicht zur Last gelegt.

 

Gemäß § 2 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

In § 7 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz sind die Berechtigungen taxativ aufgezählt und ist in Z1 dieser Gesetzesstelle die Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 angeführt. Auf die allenfalls mit einer Gemeinschaftslizenz verbundene Fahrerbescheinigung wird nicht Bezug genommen. Gemäß dem Grundsatz der restriktiven Auslegung von Verwaltungsstraftatbeständen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass auch die Fahrerbescheinigung - wie von der belangten Behörde angenommen wurde - von § 7 Abs.1 umfasst ist. Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht von einer Übertretung des § 7 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz ausgegangen. Dies bedeutet gleichzeitig, dass dem Bw auch keine Übertretung des § 9 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz angelastet werden kann, zumal dieser auf die in § 7 Abs.1 angeführten Berechtigungen abstellt.

 

5.3. Wenn auch im gegenständlichen Fall keine Übertretung der §§ 7 oder 9 Güterbeförderungsgesetz begangen wurde, wäre es denkbar, dass im gegenständlichen Fall gegen einschlägige Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 (so insbesondere Art.6 Abs.4 der zit. Verordnung) verstoßen wurde. § 23 Abs.1 Z9 Güterbeförderungsgesetz ordnet dabei an, dass eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu bestrafen ist, begeht, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Der in der erwähnten Verordnung begründeten Verpflichtung der zur Verfügungstellung einer Fahrerbescheinigung wird aber am Sitz des Güterbeförderungsunternehmens entsprochen, weil von dort aus die Fahrerbescheinigung beantragt und dann auch dem jeweiligen Fahrer zur Verfügung gestellt wird bzw die beglaubigte Fahrerbescheinigung in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren ist. Tatort iS der vorzitierten Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG ist daher der Sitz der Firma KNB Transporte in H (Deutschland). Gemäß der Regelung des § 2 Abs.1 VStG sind jedoch nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine ausdrückliche gesetzliche Sonderregelung, die § 2 Abs.1 erster Halbsatz VStG verlangt, ist im gegenständlichen Fall nicht vorhanden. Die hier in Betracht kommende Sonderregel des § 23 Abs.3 Güterbeförderungsgesetz ordnet nämlich lediglich an, dass ein Unternehmer auch dann nach Abs.1 Z3 oder Z6 strafbar ist, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen im Ausland verletzt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, kann dem Bw keine Übertretung der §§ 7 oder 9 Güterbeförderungsgesetz angelastet werden, da dies dem Grundsatz der restriktiven Auslegung von Verwaltungsstraftatbeständen und dem Grundsatz, dass als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war (§ 1 Abs.1 VStG) widersprechen würde. Anknüpfend daran kann auch die Sonderregelung des § 23 Abs.3 Güterbeförderungsgesetz über einen im Inland liegenden Tatort nicht auf die gegenständliche Verwaltungsübertretung ausgedehnt werden (vgl. dazu u.a. auch VwSen 110576/2/Kl/Rd vom 3. Juni 2004).

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Weil der Berufung Erfolg beschieden war, entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Linkesch
 

Beschlagwortung:
Auslandstatort, §2 Abs. 2 VStG