Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110585/2/Li/Rd/Gam

Linz, 21.06.2004

 

 VwSen-110585/2/Li/Rd/Gam Linz, am 21. Juni 2004

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Linkesch über die Berufung des B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 13. Mai 2004, VerkGe96-39-1-2004, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 2, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 13.5.2004, VerkGe96-39-1-2004, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.453 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z3 und § 7 Abs.1 iVm § 23 Abs.1 Einleitungssatz und Abs.4 GütbefG verhängt, weil er als Inhaber des Unternehmens (Unternehmer) mit dem Sitz in, am 4.3.2004 gegen 16.30 Uhr auf der Innkreisautobahn A8 bei Strkm 75,600, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: Lenker: C Y, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats ist (Staatsbürgerschaft: Türkei), einen grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr und zwar eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Autoteile) von Belgien durch Österreich mit einem Zielort in der Türkei ohne die hierfür erforderliche Fahrerbescheinigung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 durchgeführt habe. Das Unternehmen sei nicht Inhaberin einer solchen Fahrerbescheinigung.

 

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu eine Ermahnung iSd § 21 VStG auszusprechen, in eventu die Geldstrafe iSd § 20 VStG herabzusetzen. Überdies wurde die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.

Begründend wurde zum einen ausgeführt, dass das (deutsche) Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung vom 29.4.2004 die Anwendung des Assoziierungsabkommens bestätigt habe. Da die Sachverhalte noch nicht vollständig aufgeklärt waren, sei die Sache zur Aufklärung an die zuständigen Landessozialgerichte weiter geleitet worden, zumal das Bundessozialgericht als Revisionsgericht nur rechtliche Fragen prüfe. Die noch zu klärenden Tatsachenfragen erstrecken sich auf die Frage, ob die in der Türkei wohnhaften Fahrer, die bei einem türkischen Unternehmen angestellt sind, in der BRD ordnungsgemäß beschäftigt seien. Hier stelle sich insbesondere die Frage der Anwendbarkeit des nationalen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, wonach dieses grundsätzlich die Überlassung von Arbeitnehmern an deren Firmen verbiete. Ausnahmen gäbe es nur bei Konzernstrukturen. Diese Variante wurde im gegenständlichen Fall gewählt. Die türkische Firma, bei der die Fahrer angestellt sind, sei eine Tochterfirma. Der Bw halte einen Kapitalanteil von 80 % an der türkischen Firma, weshalb aus diesem Grund die Beschäftigung ordnungsgemäß sei.

Zum anderen wurde die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde gerügt und dabei auf die Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 28.4.2004, VwSen-110554/2/Li/Rd/Gam, verwiesen.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

 

4. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG entfallen.

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92,

2. Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14.6.1973,

3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

4. aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs.4 ergangen ist.

 

Gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vom 1.3.2002, über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder einen oder mehrere Mitgliedstaaten unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.6 Abs.4 der oben zitierten Verordnung ist die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt.

 

5.2. Wie nunmehr aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde hervorgeht, konnte der Fahrer C Y im Zuge der Anhaltung zwar eine beglaubigte Abschrift einer Gemeinschaftslizenz, jedoch keine Fahrerbescheinigung dem Beamten vorweisen. Letztgenannte hätte ihm der Bw aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Lenker um einen türkischen Staatsangehörigen gehandelt hat, zur Verfügung zu stellen gehabt. Dass die gegenständliche Güterbeförderung ohne im Besitz einer Gemeinschaftslizenz zu sein, durchgeführt worden sei, wurde dem Bw von der belangten Behörde zu Recht nicht zur Last gelegt.

 

Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass, wenn auch die Fahrerbescheinigung nicht ausdrücklich in § 7 Abs.1 des GütbefG angeführt ist, keine Zweifel daran bestehen, dass auch diese Berechtigung von dieser Bestimmung umfasst ist - die Aufzählung in § 7 Abs.1 GütbefG könne nach Ansicht der Behörde nur im Zusammenhang mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen gesehen werden - kann vom Oö. Verwaltungssenat nicht geteilt werden, zumal dem Grundsatz der restriktiven Auslegung von Verwaltungsstraftatbeständen Rechnung getragen werden muss.

 

In § 7 Abs.1 GütbefG sind die Berechtigungen taxativ aufgezählt und ist in Z1 dieser Gesetzesstelle die Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 angeführt. Auf die allenfalls mit einer Gemeinschaftslizenz verbundene Fahrerbescheinigung wird jedoch nicht Bezug genommen.

Die vom Bw gesetzte Verwaltungsübertretung verletzt somit nicht § 7 Abs.1 GütbefG, sondern ist diese Art.6 Abs.4 der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 zuzurechnen, wodurch auch § 23 Abs.1 Z9 leg.cit. zur Anwendung gelangen hätte müssen; dort gilt - wie bei Unterlassungsdelikten generell - der Ort als Tatort, wo der Täter handeln hätte müssen, also am Sitz des Unternehmens, welches im gegenständlichen Fall in Deutschland etabliert ist. Eine örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde war somit nicht gegeben (§ 2 Abs.1 VStG).

 

Es liegt sohin kein Anwendungsfall der lex specialis des § 23 Abs.3 GütbefG (Strafbarkeit auch bei Unternehmenssitz im Ausland) vor, da dieser nur für die Verletzung von Pflichten gemäß §§ 7 bis 9 leg.cit. gilt, welche aber hier nicht stattgefunden hat (vgl. diesbezüglich auch VwSen-110549/2/Kl/Pe vom 9. März 2004 und VwSen-110576/2/Kl/Rd vom 3. Juni 2004).

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 

Dr. Linkesch
 

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