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VwSen-110604/2/Kl/Rd/Pe

Linz, 23.09.2004

 

 

 VwSen-110604/2/Kl/Rd/Pe Linz, am 23. September 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des A T, vertreten durch die Rechtsanwälte Dres. T N, A N, M N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 3. Juni 2004, VerkGe96-64-2004, wegen einer Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 3.6.2004, VerkGe96-64-2004, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 1.453 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG, BGBl.Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr. 32/2002 sowie iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.4, 1. Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002, verhängt, weil er mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen, dessen zulässige Nutzlast einschließlich der Nutzlast der Anhänger 3.500 kg überstiegen hat, eine gewerbsmäßige Güterbeförderung (Transport von 70 Paletten Beschläge aus Metall, Baubedarfsartikel aus Kunststoff etc) von Dortmund durch Österreich nach Büyükcekmece/Istanbul durchgeführt und für diesen Transport den türkischen Staatsangehörigen und somit Staatsangehörigen eines Drittstaates Herrn K R R als Fahrer verwendet hat. Der Bw war bei diesem Transport für den angeführten Fahrer nicht Inhaber einer Fahrerbescheinigung. Bei der Kontrolle des Fahrzeuges am 16.4.2004 um 20.45 Uhr auf der Innkreisautobahn A8, Straßenkilometer 62,350, Richtungsfahrbahn Sattledt, Autobahnparkplatz Osternach, Gemeinde Ort/Innkreis, Bezirk Ried/Innkreis, , wurde dieser Sachverhalt festgestellt.

Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung mit einer Fahrerbescheinigung, sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaats ist. Es wurde somit eine Güterbeförderung durch das Bundesgebiet Österreich hindurchgeführt, ohne Inhaber einer Berechtigung gemäß § 7 des Güterbeförderungsgesetzes gewesen zu sein.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher das angefochtene Straferkenntnis seinem gesamten Umfang nach bekämpft werde.

Als Begründung werde vorgebracht, dass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht den Voraussetzungen des Verwaltungsgesetzes entspreche. Einerseits sei der Tatort im Spruch nicht angeführt, andererseits sei auch nicht angeführt, in welcher Eigenschaft der Bw gegen das GütbefG verstoßen habe. Dies bedeute, dass das angefochtene Straferkenntnis materiell unrichtig sei und das gegen den Bw geführte Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen sei.

Die Behörde habe dem Bw zum Vorwurf gemacht, dass er gegen die Bestimmung des § 23 Abs.1 Z1 GütbefG verstoßen habe. Dieser Strafvorwurf sei jedenfalls unrichtig, da die Bestimmungen über die Fahrerbescheinigung in einer unmittelbaren Vorschrift der Europäischen Union über den Güterverkehr geregelt sei und nicht in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung. Dies bedeute, dass der Bw allenfalls gemäß § 23 Abs.1 Z9 zu bestrafen gewesen sei und nicht nach § 23 Abs.1 Z3 GütbefG (vgl. VwSen-110514/14/Kon/Ni).

Die im Straferkenntnis angelastete Verwaltungsübertretung stelle ein sogenanntes Unterlassungsdelikt dar, sodass als Tatort jener zu gelten habe, an dem der Täter hätte handeln sollen. Dies sei im gegenständlichen Fall der Firmensitz des Unternehmens in O (Deutschland). Da der Tatort jedoch nicht im Inland, wie in § 2 VStG gefordert, sondern in Deutschland gelegen sei, habe der im Straferkenntnis angeführte Sachverhalt keine Verwaltungsübertretung zu bilden vermocht.

Überdies werde gerügt, dass dem Bw die Aufforderung zur Rechtfertigung nicht zugegangen sei, sodass er nicht von seinem verfassungsmäßig zustehenden Recht auf Gehör Gebrauch machen habe können.

Aus den angeführten Gründen werde der Antrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bw einzustellen, dies nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und eine ausführliche Stellungnahme abgegeben.

 

4. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG entfallen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Wie nunmehr aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde hervorgeht, konnte der Fahrer K R R im Zuge der Anhaltung zwar eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz mit der Nr. D/0059/BY-AN 02, jedoch keine Fahrerbescheinigung, dem Beamten vorweisen. Letztgenannte hätte ihm der Bw aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Lenker um einen türkischen Staatsangehörigen gehandelt hat, zur Verfügung zu stellen gehabt.

 

5.2. Gemäß § 7 Abs.1 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92,

2. Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14.6.1973,

3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

4. aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs.4 ergangen ist.

 

Gemäß Art.6 Abs.4 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vom 1.3.2002 ist die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt.

 

Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, wonach dem Inhaber einer aufrechten Gemeinschaftslizenz deren Gültigkeit abzuerkennen sei, wenn dieser - für den Fall, dass ein Staatsangehöriger eines Drittstaates als Fahrer eingesetzt wird - eine gewerbsmäßige grenzüberschreitende Güterbeförderung ohne die hiefür gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vom 1.3.2002, erforderliche Fahrerbescheinigung durchführt, kann nicht geteilt werden.

Dies deshalb, da gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder einen oder mehrere Mitgliedstaaten der grenzüberschreitende Verkehr bloß einer Gemeinschaftslizenz unterliegt.

 

Diese Verordnung wurde geändert durch Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vom 1.3.2002 und lautet Art.3 Abs.1 nunmehr wie folgt:

"Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Die in § 7 Abs.1 Z1 GütbefG enthaltene statische Verweisung lässt diese Änderung unberücksichtigt. Sohin sind Zuwiderhandlungen - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - alleine an der Verpflichtung des Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92, zu messen.

 

In § 7 Abs.1 GütbefG sind die Berechtigungen taxativ aufgezählt und ist in Z1 dieser Gesetzesstelle die Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 angeführt. Auf die allenfalls mit einer Gemeinschaftslizenz verbundene Fahrerbescheinigung wird jedoch nicht Bezug genommen.

Dem Grundsatz der restriktiven Auslegung von Verwaltungsstraftatbeständen muss jedoch Rechnung getragen werden.

 

Die vom Bw gesetzte Verwaltungsübertretung verletzt somit nicht § 7 Abs.1 GütbefG, sondern ist diese Art.6 Abs.4 der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 zuzurechnen, wodurch auch § 23 Abs.1 Z9 GütbefG zur Anwendung gelangen hätte müssen; dort gilt - wie bei Unterlassungsdelikten generell - der Ort als Tatort, wo der Täter handeln hätte müssen, also am Sitz des Unternehmens, welcher im gegenständlichen Fall in Deutschland etabliert ist. Eine örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde war somit nicht gegeben (§ 2 Abs.1 VStG). Es liegt sohin kein Anwendungsfall der lex specialis des § 23 Abs.3 GütbefG (Strafbarkeit auch bei Unternehmenssitz im Ausland) vor, da dieser nur für die Verletzung von Pflichten gemäß §§ 7 bis 9 leg.cit. gilt, welche aber hier nicht stattgefunden hat (vgl. diesbezüglich auch VwSen-11549/2/Kl/Pe und VwSen-110576/2/Kl/Rd/Wü).

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 
 

Dr. Klempt
Beschlagwortung:
Fahrerbescheinigung, Tatkonkretisierung, Tatort

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