Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-120027/2/Bi/Fb

Linz, 12.12.1995

VwSen-120027/2/Bi/Fb Linz, am 12. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung der C T in W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R K in W, vom 14. Dezember 1994 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24. November 1994, VerkR96-11141-1994, wegen beantragter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren wegen Übertretungen des Schiffahrtsgesetzes 1990, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 71 Abs.1 Z1 AVG iVm §§ 24 und 51 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben angeführten Bescheid den Antrag der Rechtsmittelwerberin vom 25. Oktober 1994 auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist für den Einspruch gegen die zur gleichen Zahl ergangene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 15. September 1994 wegen insgesamt vier Übertretungen des Schiffahrtsgesetzes 1990 abgewiesen.

Begründet wurde dies damit, die Rechtsmittelwerberin habe lediglich behauptet, daß sich der von ihr um die Einbringung des Einspruchs gegen die genannte Strafverfügung ersuchte Herr Mag. B in einer besonderen beruflichen Streßsituation und während der Frist mehrmals beruflich im Ausland befunden habe und deshalb die Frist versäumt wurde; trotzdem ist die Erstinstanz davon ausgegangen, daß für die Rechtsmittelwerberin jedenfalls die Möglichkeit bestanden hätte, selbst ein Rechtsmittel zu ergreifen.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da in der dem Bescheid zugrundeliegenden Strafverfügung im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt worden war, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Da sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete und eine solche nicht ausdrücklich verlangt worden war, konnte die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.2 VStG).

3. In der Berufung wird im wesentlichen ausgeführt, daß sich die Erstinstanz über mehrere Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens hinweggesetzt habe, indem sie sich darauf beschränkt habe, den Inhalt der Strafverfügung und des Vorbringens der Einschreiterin zu wiederholen. Sie habe auf ein Ermittlungsverfahren völlig verzichtet, sodaß sie auch nicht in der Lage gewesen sei, dessen Ergebnisse zusammenzufassen. Sie habe versucht, eine Rechtsfrage zu lösen, die nicht Gegenstand des Wiedereinsetzungsantrages gewesen sei, weil sie nämlich davon ausgegangen sei, daß es bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 71 AVG vorliegen, auf die Zustellung ankomme. Die Einschreiterin habe aber niemals bestritten, daß ihr die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 15. September 1994 rechtswirksam zugestellt worden sei.

Die Subsumierung unter den Text des § 71 Abs.1 Z1 AVG sei nahezu unverständlich und die Begründung des Bescheides entspreche nicht den gesetzlichen Minimalerfordernissen. Die Erstinstanz hätte alle jene Beweise aufzunehmen gehabt, die zur Feststellung des Sachverhaltes dienen können und sie habe von sich aus für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen, weil die Mitwirkungspflicht der Partei nicht so weit gehen könne, daß sich die Behörde die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens ersparen dürfe. Aus diesem Grund wiederholt die Rechtsmittelwerberin ihr Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und beantragt ihre Einvernahme und die eidesstattliche Erklärung des Mag. B, im übrigen, den Bescheid zu beheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und folgendes erwogen:

Gemäß § 71 Abs.1 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder 2. die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei.

Aus dem Akteninhalt geht hervor, daß die Strafverfügung der Erstinstanz vom 15. September 1994 laut Rückschein der Rechtsmittelwerberin nach zwei erfolglosen Zustellversuchen durch Hinterlegung am 27. September 1994 zugestellt wurde, wobei die Abholfrist am 28.9.1994 zu laufen begann. Gemäß § 17 Abs.3 Zustellgesetz gelten hinterlegte Sendungen grundsätzlich mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt.

Die Rechtsmittelwerberin hat nie behauptet, zum Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend gewesen zu sein, sodaß der Beginn der Rechtsmittelfrist mit 28. September 1994 anzusetzen ist und diese demnach am 12. Oktober 1994 geendet hat.

In dem am 25. Oktober 1994 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Rechtsmittelwerberin ausgeführt, sie habe die Strafverfügung nach Erhalt an ihren langjährigen Freund Mag. B weitergegeben und ihn ersucht, er möge für sie den bereits unterschriebenen Einspruch fristgerecht zur Post geben. Dies sei auch in der Vergangenheit schon mehrmals geschehen, da sich Mag.

Breitenecker als Jurist in Belangen des Verwaltungsstrafverfahrens besser zurechtfinde als sie, und er habe bislang die von ihr erbetenen Tätigkeiten auch gewissenhaft und fristgerecht erfüllt. Sie habe sich daher auch in diesem Fall darauf verlassen, daß der Einspruch rechtzeitig zur Post gegeben werde.

Mag. B habe sich aber bis zum Ende der Einspruchsfrist in einer besonderen beruflichen Streßsituation befunden, sei auch mehrmals beruflich im Ausland gewesen und habe es deshalb verabsäumt, den Einspruch fristgerecht zur Post zu geben. Aus diesem Grund treffe sie auch an der Versäumung der Einspruchsfrist kein Verschulden, weshalb sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantrage, sowie diesem Antrag gemäß § 71 Abs.6 AVG aufschiebende Wirkung beizulegen. Gleichzeitig erhob die Rechtsmittelwerberin Einspruch gegen die Strafverfügung vom 15. September 1994 und beantragte die Einleitung eines ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens.

Die in Rede stehende Strafverfügung enthielt in der Rechtsmittelbelehrung den Hinweis, daß die Beschuldigte das Recht habe, dagegen innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung (Hinterlegung) schriftlich, telegrafisch oder mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft, die diese Strafverfügung erlassen habe, Einspruch zu erheben. Darin könne sie sich rechtfertigen und die ihrer Verteidigung dienenden Beweise vorbringen.

Die Rechtsmittelbelehrung in der Strafverfügung entsprach somit vollinhaltlich den Bestimmungen des § 49 Abs.1 VStG, wobei festzuhalten ist, daß es beim Einspruch keiner Begründung bedarf, sodaß sogar die bloße Formulierung unter Bezugnahme auf die angefochtene Strafverfügung "Ich erhebe Einspruch" ausreicht. Wird dem Einspruch keine Begründung angeschlossen, so wird die darüber zu entscheiden habende Behörde von sich aus die Argumente des Rechtsmittelwerbers zu erfragen haben, wobei in diesem Fall jedoch Fristenvereinbarungen getroffen werden können.

Damit war seitens des unabhängigen Verwaltungssenates die Frage zu prüfen, ob die in § 71 Abs.1 Z1 AVG iVm § 24 VStG normierten Voraussetzungen gegeben und auf dieser Grundlage die beantragte Wiedereinsetzung zu bewilligen war.

Die Rechtsmittelwerberin hat ausgeführt, sie habe die Strafverfügung an Herrn Mag. B mit dem Ersuchen weitergegeben, den bereits unterschriebenen Einspruch fristgerecht zur Post zu geben. Aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates ist es grundsätzlich belanglos, ob der Einspruch bereits von der Rechtsmittelwerberin verfaßt und unterschrieben wurde und sich das Ansuchen an Herrn Mag. B lediglich auf die Postaufgabe bezog, oder ob dieser auf einem mit der Blankounterschrift der Rechtsmittelwerberin versehenen Blatt Papier einen Einspruch verfassen und diesen zur Post geben sollte.

Die Rechtsmittelwerberin hat nie behauptet, daß es sich bei Herrn Mag. B um einen berufsmäßigen Parteienvertreter handelt, sodaß diesbezüglich die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend das von einem Rechtsanwalt zu erwartende Mindestmaß an Sorgfalt bei der Einrichtung wirksamer Kontrollsysteme zur Terminvormerkung und -wahrung in einer Rechtsanwaltskanzlei nicht zum Tragen kommt.

Es ist vielmehr davon auszugehen, daß Herr Mag. B ein guter Freund der Rechtsmittelwerberin ist, der für sie des öfteren verwaltungsbehördliche Angelegenheiten problemlos erledigt hat, sodaß die Rechtsmittelwerberin vermeinte, sich auch diesmal auf ihn verlassen zu können. Ein Vollmachtsverhältnis lag jedoch nicht vor.

Im gegenständlichen Fall ist mangels gegenteiliger Behauptung und nach logischen Überlegungen anzunehmen, daß die Rechtsmittelwerberin Herrn Mag. B vom Datum der Zustellung der Strafverfügung bzw dem sich daraus ergebenden Ende der Rechtsmittelfrist am 12. Oktober 1994 Mitteilung machte.

Abgesehen davon, daß eine berufliche Streßsituation und damit verbunden bevorstehende berufliche Auslandsaufenthalte für einen Zeitraum von zwei Wochen im vorhinein im wesentlichen abschätzbar sind, vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß die Rechtsmittelwerberin bei Aufwendung der erforderlichen und von ihr auch zu erwartenden Sorgfalt verpflichtet gewesen wäre, sich vor Ablauf der Rechtsmittelfrist bei ihrem Freund zu erkundigen, ob dieser in diesem speziellen Fall seine Zusage auch einhalten kann. Diese Erkundigungs- wenn nicht sogar Kontrollpflicht trifft nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates die Rechtsmittelwerberin auch, wenn Herrn Mag. B bis zu diesem Zeitpunkt noch nie ein Fehler unterlaufen ist - daß er bis zu diesem Zeitpunkt jedem Ersuchen anstandslos nachgekommen ist, schließt nicht aus, daß er nun wegen beruflicher Beanspruchung auf die Rechsmitteleinbringung vergessen könnte; auch bei einem beruflichen Aufenthalt im Ausland ist solches durchaus nachvollziehbar.

Das Nichttätigwerden ihres Freundes war aus diesen Gründen für die Rechtsmittelwerberin weder unvorhersehbar noch unabwendbar. Der Umstand, daß sich die Rechtsmittelwerberin ohne jegliche Rückversicherung auf ein Tätigwerden des Freundes verlassen hat, vermag im gegenständlichen Fall eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand deshalb nicht zu rechtfertigen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß ihr Untätigbleiben im Sinn einer Außerachtlassung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt als unverschuldet zu sehen ist oder von einem minderen Grad des Versehens die Rede sein kann. Der Rechtsmittelwerberin mußte die Bedeutung von Rechtsmittelfristen und die Notwendigkeit der Einhaltung sowie die Folgen einer Versäumnis bewußt sein.

Zum Berufungsvorbringen ist weiters auszuführen, daß es Sache der Partei ist, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft zu machen, ohne daß die Behörde, die über diesen Antrag zu entscheiden hat, von Amts wegen ein groß angelegtes Ermittlungsverfahren einzuleiten hat. Für den unabhängigen Verwaltungssenat bestand - ebenso wie für die Erstinstanz, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides zweifellos ergibt - kein Grund für Zweifel am Wahrheitsgehalt der Schilderungen der Rechtsmittelwerberin, wobei diese offensichtlich, wie aus Punkt I. der Berufung hervorgeht, die als Zusammenfassung des Berufungsvorbringens gedachten Teile der Begründung des angefochtenen Bescheides irrtümlich als Zusammenfassung nicht vorhandener Ergebnisse eines nicht durchgeführten Ermittlungsverfahrens verstanden hat.

Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zu lässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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