Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300113/2/WEI/Bk

Linz, 19.11.1997

VwSen-300113/2/WEI/Bk Linz, am 19. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der Renate K, geb. 21.5.1949, Geschäftsführerin, H, vom 7. Oktober 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. September 1996, Zl. Pol 96-475-1995-Fu, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 5 Abs 1 O.ö. Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 30/1995) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 13. September 1996 wurde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als verantwortlicher Halter Ihres Hundes - deutscher Drahthaar, weiblich, Hundemarkennr. - diesen am 3.7.1995 gegen 09.55 Uhr in L 1, so ungenügend beaufsichtigt bzw. verwahrt, daß durch das Tier eine dritte Person gefährdet wurde, da dieser durch die offenstehende Haustür entweichen konnte und den bei der offenen Haustür stehenden Franz E, der die dort befindliche Klingel betätigte, in den rechten Oberschenkel beißen und dadurch gefährden konnte." Dadurch erachtete die belangte Behörde den § 5 Abs 1 O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 2 lit b) O.ö. PolStG eine Geldstrafe von S 800,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 80,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin am 25. September 1996 zu eigenen Handen zugestellt wurde, richtet sich die am 8. Oktober 1996 rechtzeitig zur Post gegebene Berufung vom 7. Oktober 1996, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird. 1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungs- entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Strafanzeige vom 4. September 1995, Zl. P-2211/95/Pa, hat der Gendarmerieposten Leonding den gegenständlichen Vorfall vom 3. Juli 1995 dem Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Linz-Land zur Kenntnis gebracht. Die belangte Strafbehörde erhielt mit Kurzmitteilung vom 4. September 1995 eine Ausfertigung dieser Anzeige "zur gefälligen Kenntnisnahme und eventuellen weiteren Veranlassung".

Mit formalisierter Anfrage vom 8. September 1995 an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Linz-Land betreffend die Frage, ob eine in die gerichtliche Zuständigkeit fallende strafbare Handlung vorliegt, ersuchte die belangte Behörde auch um Mitteilung, - ob das Verfahren aufgrund eines Strafausschließungsgrundes gemäß § 42 StGB eingestellt wurde bzw.

- welches Urteil ergangen ist bzw.

- wann mit einem Abschluß des Gerichtsverfahrens zu rechnen ist.

Die zuständige Richterin des Bezirksgerichts Linz-Land gab zum bezirksgerichtlichen Strafverfahren 3 U 1049/95 der belangten Behörde auf dem Anfrageformular mit Note vom 15. Februar 1996 bekannt, daß das Strafverfahren aufgrund des § 42 StGB nach § 90 StPO am 14. Dezember 1996 eingestellt wurde. Um die Verfolgungsverjährungsfrist zu wahren, hatte die belangte Behörde mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. Dezember 1995 der Bwin den gegenständlichen Vorfall angelastet und sie zur niederschriftlichen Einvernahme am 24. Jänner 1996 geladen. In weiterer Folge wurden die Zeugen des Vorfalles im Rechtshilfeweg vom Bezirksverwaltungsamt des Magistrats Linz einvernommen und der Bwin anschließend abermals Parteiengehör gewährt.

2.2. Im angefochtenen Straferkenntnis ging die Strafbehörde von der Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung des Zeugen und Verletzten Franz E aus, die durch die Aussagen der im ordentlichen Ermittlungsverfahren einvernommenen weiteren Zeugen Hermann R und Josef L vollinhaltlich bestätigt worden war. Danach habe E in Begleitung weiterer Personen an der offenstehenden Haustüre geläutet, um den Abstellplatz eines von der Firma K abgeschleppten Autos zu erfragen. Der aus der Tür laufende Hund hätte ihn daraufhin in den rechten Oberschenkel "gezwickt", obwohl er sich ganz ruhig verhalten hatte. Die Bwin wäre unmittelbar darauf erschienen und hätte den Hund, der sich wieder ganz ruhig verhielt, zurückgehalten. E erzählte vom Biß des Hundes in seinen Oberschenkel, worauf ihm die Bwin erklärte, daß er sich keine Sorgen machen müßte, da der Hund Tollwut geimpft wäre. Die beiden anderen Zeugen bestätigten, daß der Hund grundlos und unerwartet E biß. Aufgrund seiner Verletzung begab sich E in ambulante Behandlung der Unfallambulanz des AKH Linz, wo laut Ambulanzblatt, Zl. 2 9518437, am 3. Juli 1995 um 17.38 Uhr eine Bißwunde im Bereich des rechten Oberschenkels diagnostiziert wurde.

Die Bwin bestritt eine Verwaltungsübertretung und gab anläßlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 24. Jänner 1996 an, daß der ca. 9 Jahre alte Hund äußerst gutmütig wäre und noch nie jemanden gebissen hätte. Der Hund hätte sie zur offenen Haustür begleitet und wäre im Hauseingangsbereich stehen geblieben. Er wäre nicht näher als einen Meter an Herrn E herangekommen. Erst nach ca 5 Minuten hätte E behauptet, daß ihn der Hund gebissen hätte. Sie hätte aber keine Bißverletzung gesehen.

Beweiswürdigend verwies die belangte Strafbehörde auf die schlüssigen Angaben der unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen und auf die Bestätigung des AKH Linz über die ambulante Behandlung am 3. Juli 1995.

2.3. In der Berufung werden die Sachverhaltsfeststellungen nicht mehr ausdrücklich bekämpft. Die belangte Behörde hätte es aber unterlassen festzustellen, daß sich der Vorfall auf dem Privatgrundstück der Bwin ereignete und daß der Hund bisher niemanden gebissen oder verletzt hätte. Unter Berücksichtigung dieser Ergänzungen könnte man der Bwin kein subjektives Fehlverhalten vorwerfen. Es spräche nichts dagegen, einen bisher unauffälligen Hund am Privatgrund frei und ohne Beißkorb laufen zu lassen. Selbst bei einem Hund an der Leine wäre nicht auszuschließen, daß er Passanten "zwickt". Die Verwahrung in geschlossenen Räumen könnte nicht gefordert werden. Es wäre für die Bwin nicht ersichtlich gewesen, daß der unauffällige Hund jemanden gefährden oder in unzumutbarer Weise belästigen könnte. Mangels subjektiver Rechtswidrigkeit sei daher das Strafverfahren einzustellen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint und im wesentlichen Rechtsfragen zu beurteilen sind. Der erkennende Verwaltungssenat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der dem angefochtenen Straferkenntnis zugrundeliegenden Tatsachen, die von der belangten Behörde in einem mängelfreien Ermittlungsverfahren erhoben wurden. Dennoch war schon aus der Aktenlage abzuleiten, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 O.ö. PolStG begeht u.a. eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, daß durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden.

§ 5 Abs 1 Satz 2 O.ö. PolStG stellt klar, daß als unzumutbare Belästigung Dritter insbesondere auch die Verunreinigung von Kinderspielplätzen und ähnlichen Flächen gilt.

Der Begriff des Tierhalters wird im O.ö. PolStG nicht definiert, sondern offenbar mit Rücksicht auf dessen Relevanz in anderen Rechtsgebieten als bekannt vorausgesetzt. Nach der hM zu § 1320 ABGB ist als Tierhalter anzusehen, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung zu entscheiden hat (vgl die Judikaturnachweise bei Dittrich/Tades, MGA ABGB, 33. A, E 18 ff zu § 1320; Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I, 10. A [1995], 492 mwN in FN 314). Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (wie etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl VwGH 30.7.1992, 88/17/0149).

In der zivilrechtlichen Judikatur sind Ehegatten unabhängig von den Eigentumsverhältnissen als Mithalter angesehen worden, wenn sie im gemeinsamen ehelichen Haushalt oder in der Landwirtschaft ein Haustier, das eine bestimmte Funktion (zB Bewachung, Spielgefährte, Nutztier) erfüllen soll, einverständlich halten (vgl Dittrich/Tades, MGA ABGB, 33. A, E 22 bis E 25 zu § 1320). Diese Mithaltereigenschaft folgt bei Ehegatten regelmäßig aus der gleichen Interessenlage und dem gemeinschaftlichen Herrschaftsverhältnis zum Tier.

Auch im gegenständlichen Fall ist von dieser Mithaltereigenschaft auszugehen, auch wenn als Besitzer des Hundes "deutscher Drahthaar" mit dem Rufnamen "Jasmin" nur Herr Siegfried K, der Ehegatte der Bwin, aktenkundig gemeldet ist. Da die Bwin im Tatzeitpunkt die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausgeübt und über die Verwahrung zu entscheiden hatte, war sie auch als verantwortliche Halterin anzusehen.

4.2. Die Frage, ob der Hund von der Bwin im konkreten Fall ausreichend oder nur mangelhaft verwahrt wurde, ist eher zweifelhaft, braucht aber nicht abschließend geklärt zu werden. Es ist nämlich davon auszugehen, daß der konkrete Sachverhalt eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet, weshalb die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs 1 O.ö. PolStG greift.

Der Zeuge E hat durch den Hundebiß jedenfalls eine leichte Verletzung erlitten. Es war daher im vorliegenden Fall an den gerichtlich strafbaren Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB zu denken. Wie aus der Aktenlage hervorgeht war auch zu 3 U 1049/95 ein gerichtliches Strafverfahren beim Bezirksgericht Linz-Land anhängig. Dieses wurde nach der Mitteilung der zuständigen Bezirksrichterin im Vorverfahrensstadium des § 90 StPO aus dem Grunde der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat nach § 42 StGB eingestellt. Auch wenn dies im Ergebnis einem Freispruch gleichkommt, bedeutet der Hinweis auf §42 StGB, daß grundsätzlich von einer gerichtlich strafbaren Handlung ausgegangen wurde. Zur gerichtlichen Einstellung kam es lediglich wegen des Bagatellcharakters der gegenständlichen fahrlässigen Körperverletzung. § 42 StGB setzt bekanntlich in der Grundvariante ebenso wie § 21 Abs 1 VStG geringe Schuld des Täters und unbedeutende Folgen voraus. Damit liegt aber auf der Hand, daß die gerichtliche Zuständigkeit im gegebenen Fall wegen des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung dem Grunde nach zu bejahen ist. Im Hinblick auf die eindeutige Aussage der Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs 1 O.ö. PolStG liegt beim gegebenen Befund jedenfalls keine strafbare Verwaltungsübertretung vor. Durch diese Subsidiaritätsklausel vermeidet der Landesgesetzgeber auch die spätestens seit dem Urteil des EGMR im Fall Gradinger (vgl ÖJZ 1995, 954 MRK ENr. 51 = NL 95/5/10) verfassungsrechtlich unzulässige mehrfache Strafverfolgung aus ein und demselben Grund (vgl dazu VfGH 5.12.1996, G 9/96 ua Zlen, veröffentlicht in JBl 1997, 447 ff oder EuGRZ 1997, 169 ff).

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilagen Dr. W e i ß

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