Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107662/7/Br/Bk

Linz, 04.07.2001

VwSen-107662/7/Br/Bk Linz, am 4. Juli 2001 DVR.0690392   E R K E N N T N I S    

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau D gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg, vom 26. April 2001, Zl: VerkR96-4378-2000, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 25. Juni 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:  

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.   Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl. I Nr. 138/2000 VStG    
  1. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
  2.  

  Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.     Entscheidungsgründe:   1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider die Berufungswerberin eine Geldstrafe in Höhe von 800 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt und ihr zur Last gelegt: "Sie haben am 20.07.2000 um 15.39 Uhr als Lenkerin des PKW, Kennzeichen einen Fußgänger, der den Schutzweg über die L 569 Pleschinger Straße bei Strkm. 11,300, Ortsgebiet Statzing, Gemeinde Luftenberg, erkennbar benutzen wollte, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht. Der Fußgänger stand beim Schutzweg direkt an der Gehsteigkante und Sie hielten nicht vor dem Schutzweg an."   1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg stützte ihre Entscheidung auf die auf dienstlicher Wahrnehmung eines Gendarmeriebeamten des Gendarmeriepostens St. Georgen a.d. Gusen beruhende Anzeige. Die Berufungswerberin habe sich im Rahmen des Beweisverfahrens zum Ermittlungsergebnis nicht geäußert. Dadurch habe die Behörde erster Instanz das Verfahren ohne weitere Anhörung der Berufungswerberin durchzuführen gehabt. Strafmildernd oder straferschwerend seien keine Umstände zu werten gewesen. Die Behörde erster Instanz ging von einem Monatseinkommen der Berufungswerberin in Höhe von 10.000 S, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten aus.   2. Dagegen wandte sich die Berufungswerberin mit ihrer noch rechtzeitig bei der Behörde erster Instanz per E-Mail eingebrachten Berufung. Sie bestreitet darin im Ergebnis den Tatvorwurf und reklamiert gleichzeitig, die Mitteilung vom 2.2.2001, über die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, nie erhalten zu haben.   3. Die Erstbehörde hat den Akt ohne eine Berufungsvorentscheidung zu treffen zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts der Bestreitung des Tatvorwurfes in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).   4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den oben genannten Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der verbunden mit einem Ortsaugenschein durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. An dieser nahm wohl die Berufungswerberin nicht jedoch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil. Dabei wurde der Meldungsleger als Zeuge und die Berufungswerberin als Beschuldigte einvernommen. Von der Vorfallsörtlichkeit wurden zwecks Vorabklärung der divergierenden Straßenkilometrierungen "11,3 bzw. 14,3" Luftbilder aus dem System DORIS beschafft, sowie ein Lichtbild vor Ort angefertigt, wobei darauf die entsprechenden auf den Tatvorwurf bezogenen Punkte markiert wurden. Die Fahrbahnbreite beim Schutzweg wurde mittels Messrad festgestellt (Beilage 1).   5. Nachfolgender Sachverhalt gilt als erwiesen:   5.1. Eingangs sei festgestellt, dass die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 2. Februar 2001 der Berufungswerberin offenbar tatsächlich nicht zugekommen sein dürfte, zumal sich diesbezüglich im Akt der Behörde erster Instanz ein Zustellnachweis nicht finden lässt. Mit Blick darauf dürfte die Berufungswerberin auch mit ihrer diesbezüglich in der Berufung zum Ausdruck gebrachten Verfahrensrüge im Recht sein. Bei der anzeigespezifischen Örtlichkeit handelt es sich um den nahezu rechtwinkelig gestalteten Kreuzungsbereich der Pleschingerstraße (L569) mit der Statzinger Straße. Die Breite der L569 bei dem am westlichen Kreuzungsbereich gelegenen Schutzweg beträgt 10,6 m. Die Kreuzung gestaltet sich übersichtlich. Laut Anzeige wurden vom Meldungsleger gemeinsam mit einem weiteren Gendarmeriebeamten vom nördlichen Teil der Statzinger Straße aus Geschwindigkeitsmessungen hinsichtlich des auf der L569 fließenden Verkehrs durchgeführt. Das diesbezüglich beigeschaffte Messprotokoll wies offenbar eine Fehlbezeichnung des kreuzungsspezifischen Einsatzortes, nämlich Strkm 14,3 anstatt Strkm 11,3 auf. Dies wurde vom Meldungsleger im Zuge seiner zeugenschaftlichen Befragung geklärt. Nicht mit Überzeugung vermochten jedoch die näheren Umstände hinsichtlich der vermeintlichen Behinderung einer Fußgängerin beim Überqueren des Schutzweges geklärt werden. Während in der Anzeige die Fahrtrichtung der Berufungswerberin auf der L569 in westlicher Richtung angeführt wird, verantwortete sich die Berufungswerberin während des gesamten Verfahrens dahingehend, dass sie von Süden kommend nach links in die L569 eingebogen sei. Sie sei nämlich gerade vom Zahnarzt aus Abwinden gekommen und konnte aus diesem Grund nur von der Statzinger Straße kommend nach links in die L569 eingebogen sein, um etwa 500 m weiter vorne ihr Kind vom Kindergarten abzuholen. Während der Rückfahrt sei sie auf der L569 wieder nach rechts in die Statzinger Straße eingebogen, um zum dort gelegenen Interspar einkaufen zu gehen. Im Verlaufe der Annäherung an den Schutzweg bei der Rückfahrt habe sie bei geringer Fahrgeschwindigkeit eine in gleicher Richtung und auf gleicher Höhe auf dem Gehsteig gehende Frau wahrgenommen, welche gleichzeitig mit ihr den Schutzweg erreichte. Sie habe zum Zeitpunkt der Annäherung an den Schutzweg nicht erkennen können, dass diese Frau den Schutzweg in nördlicher Richtung zu überqueren beabsichtigen würde. Die Berufungswerberin belegte in der Folge den Zahnarztbesuch am Vorfallstag durch Vorlage einer Bestätigung mit dem Ordinationsbeginn um 14.00 Uhr und machte damit die von ihr behauptete Fahrtrichtung glaubhaft. Der Meldungsleger vermochte sich im Rahmen der Berufungsverhandlung anlässlich seiner Vernehmung vorerst an die damalige Wahrnehmung nicht mehr erinnern. Er konnte etwa nicht mehr sagen, in welcher Richtung die Fußgängerin damals die Fahrbahn auf dem Schutzweg überqueren wollte. Erst nachdem dem Meldungsleger Einsicht in die von ihm verfasste Anzeige gewährt wurde, bestätigte er die darin gemachten Feststellungen. Auch im Rahmen seiner Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren beschränkten sich seine Ausführungen auf den Hinweis auf die in der Anzeige gemachten Angaben. Angesichts der glaubwürdigen Darstellungen der Berufungswerberin im Rahmen der Berufungsverhandlung, insbesondere deren Nachweis des Zahnarztbesuches lassen es glaubhaft erscheinen, dass die Berufungswerberin die Kreuzung nicht geradeaus in westlicher Richtung, sondern vorerst von Abwinden (aus südlicher Richtung) kommend und anschließend wieder in der Gegenrichtung befuhr, wobei jedoch von einer erwiesenen Behinderung einer Fußgängerin beim Überqueren des Schutzweges nicht ausgegangen werden kann. Im Zusammenhalt mit der weitgehend fehlenden konkreten Erinnerung an den Vorfall seitens des Meldungslegers kann von einem Tatbeweis hier nicht ausgegangen werden. Allenfalls unterlief dem Meldungsleger ein Fehler in der Beschreibung der Fahrtrichtung beim Verfassen der Anzeige. Da bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens eine sachbezogene Befragung nicht stattfand und der Zeuge vorerst auch vor dem Verwaltungssenat keinerlei Angaben über den konkreten Vorfallsablauf zu machen vermochte, war zumindest im Zweifel der Verantwortung der Berufungswerberin zu folgen gewesen. Der von der Berufungswerberin jedoch dargestellte Vorfall, welcher sehr wohl eine Grenzsituation im Zusammenhang mit verkehrsspezifischen Geschehnisabläufen vor Schutzwegen zum Gegenstand hat, rechtfertigt einen Schuldspruch nicht. Dieser Verlauf ist dahingehend einzuschätzen, dass von einer Behinderung eines Fußgängers (noch) nicht die Rede sein kann, weil offenbar die Überquerungsabsicht erst zu einem Zeitpunkt erkennbar wurde, als die Fahrzeuglenkerin den Schutzweg bereits erreicht hatte und daher ein Anhalten einerseits nur mehr zu einem Stillstand des Fahrzeuges auf dem Schutzweg geführt hätte, andererseits von einer Behinderung dann nicht gesprochen werden kann, wenn der Fußgänger etwa nur im Schritt inne halten muss, nachdem er sich um 90 Grad in Richtung Schutzweg dreht und erst damit die Überquerungsabsicht erkennen lässt.   6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Folgendes erwogen:   6.1. Der § 9 Abs.2 StVO lautet: Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einem Radfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist. Für den Fahrzeuglenker, insbesondere KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zur Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgängern, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Überquerung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357). Weil hier von einer sehr geringen Fahrgeschwindigkeit der Berufungswerberin in der unmittelbaren Annäherungsphase auszugehen ist und eine Dispositionsmöglichkeit ab dem Zeitpunkt des Erkennens der Überquerungsabsicht offenbar nicht mehr verfügbar blieb, ist hier von einer Verletzung dieser Schutznorm nicht auszugehen. Abschließend folgt demnach aus (verwaltungs-)strafrechtlichen Überlegungen, dass bereits bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung nach § 45 Abs.1 Z1 VStG zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).   Rechtsmittelbelehrung:   Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.   H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.   Dr. B l e i e r

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