Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-107746/2/SR/Ri

Linz, 07.09.2001

VwSen-107746/2/SR/Ri Linz, am 7. September 2001 DVR.0690392   E R K E N N T N I S      

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des M L, vertreten durch die RAe Dr. H und Dr. L, Lgasse, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung, Zahl VerkR96-3670-2000, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (im Folgenden: KFG), zu Recht erkannt:  

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z3 VStG eingestellt.   II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.   Rechtsgrundlagen: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000 - AVG iVm § 45 Abs.1 Z3 und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 138/2000 - VStG. zu II.: § 66 Abs.1 VStG.   Entscheidungsgründe:   1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:   "Sie haben am 13.06.2000 um 8.00-15.20 Uhr in T als Lehrender der Fahrschule G auf der Übungsfahrt einen Fahrschüler in Verkehrsverhältnisse gebracht, denen dieser nicht gewachsen war, da dieser am 13.06.2000 von 8.00 Uhr bis 15.20 Uhr ununterbrochen mit dem Motorrad fahren mußte und dabei sogar zweimal stürzte.   Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 134 Abs.1 KFG 1967 iVm § 114 Abs.4 Ziff.3 KFG 1967, BGBl.Nr. 267 Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:   Geldstrafe von Falls diese uneinbringlich gemäß § ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1.) 3.000,00 72 Std. 134 Abs. 1 KFG 1967 Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 300,00 Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S bzw. 14,53 EU angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 3.300 Schilling (entspricht 239,82 Euro)." 2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 20. Juni 2001 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 3. Juli 2001 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.   2.1. Im angeführten Straferkenntnis gelangt die Behörde erster Instanz zu den Feststellungen, dass u.a. der Zeugin P etwa bis 08.30 Uhr das Motorrad erklärt, anschließend Übungen auf dem Fahrschulplatz durchgeführt und die praktische Ausbildung um ca. 13.00 Uhr planmäßig auf der Freilandstraße fortgesetzt worden wäre. Die Übungsfahrt hätte über K, S, P und zurück zum Parkplatz in M geführt. Nach dem Sturz wäre die Zeugin P vom Bw gefragt worden, ob sie in der Lage wäre weiterzufahren oder ob sie der Zeugin Finster das Motorrad überlassen wolle. Die Zeugin P habe geäußert, dass sie weiterfahren könne.   In der Beweiswürdigung führt die Behörde erster Instanz u.a. aus, dass der Aussage der Zeugin F keine besondere Beweiskraft zukäme, da diese laut Aussagen der Zeugin P mit dem Bw verwandt sei.   2.2. Dagegen wendet der Vertreter des Bw einleitend ein, dass der Terminus "einen Fahrschüler" dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG nicht gerecht würde und die Gefahr einer weiteren Bestrafung nicht ausgeschlossen werden könnte. 3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.   Bereits aus der Aktenlage war ersichtlich, dass der Bescheid aufzuheben ist, sodass eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z1 VStG nicht durchzuführen war. 4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:   4.1. Nach § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die erwiesen angenommene Tat im Hinblick auf Ort und Zeit und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, sowie sämtliche Tatbestandsmerkmale zu enthalten.   Vergleichsweise hat der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung vom 10.4.1991, Zl. 90/03/0283 erkannt: "§ 44a Ziffer 1 VStG 1950 bestimmt, dass in einem Straferkenntnis der "Spruch" (§ 44 Abs.1 Z. 6 leg.cit.) "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Das heißt, dass die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Ziffer 1 VStG 1950 genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes sein (siehe hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. NF Nr. 11894/A)."   4.2. Diesen Anforderungen wird weder der Spruch der Strafverfügung noch der des Straferkenntnisses gerecht.   4.2.1. Der Vorwurf "einen Fahrschüler" in Verkehrsverhältnisse gebracht zu haben, denen dieser nicht gewachsen ist, ist äußert vage. Aus der Aktenlage kann auf zumindest zwei "Fahrschülerinnen" und keinen Fahrschüler geschlossen werden. Aufgrund des Verwaltungsstraferfahrens, das von ho gegen die Fahrschule Gottfried geführt wurde, ist dem unabhängigen Verwaltungssenat bekannt, dass dieser Fahrkurs nur mit den o.a. beiden Zeuginnen durchgeführt worden ist.   4.2.2. Der Tatort wurde in der Strafverfügung gänzlich ausgelassen. Bis zur Erlassung des Straferkenntnisses wurde von der Behörde erster Instanz keine Tatortkonkretisierung vorgenommen. Aus der "Anzeige der Zeugin P" kann ebenfalls auf keinen konkreten Tatort geschlossen werden. Erstmals der Bw bringt in seiner Stellungnahme vom 16. Oktober 2000 eine vage Streckenbeschreibung vor. Trotzdem wurden von der Behörde erster Instanz keine Erhebungen diesbezüglich angestellt, um einen oder mehrere Tatorte zu ermitteln, wo das Tatverhalten des Bw stattgefunden haben soll. Im angefochtenen Straferkenntnis wird erstmals als Tatort nur allgemein "T" ausgeführt.   Darüber hinaus ist die Tatortangabe auch in Bezug auf die Tatzeit unstimmig. Einerseits haben die Übungsfahrten laut Feststellungen zwischen 08.15 und 08.30 Uhr begonnen und andererseits wird dem Bw vorgeworfen, dass er die Zeugin P bereits um 08.00 Uhr in Verkehrsverhältnisse gebracht hat, denen diese nicht gewachsen war. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass laut Feststellungen der Behörde erster Instanz die praktische Ausbildung außerhalb des Fahrschulplatzes um ca. 13.00 Uhr begonnen wurde. So gesehen kann bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht davon gesprochen werden, dass die Zeugin den bezeichneten Verkehrsverhältnissen ausgesetzt worden ist. Selbst wenn man für die Zeit nach 13.00 Uhr ein schuldhaftes Verhalten des Bw (hiefür würde auch seine Aussage als Zeuge im Verfahren gegen die Fahrschule G sprechen) erkennen könnte, wäre damit nichts gewonnen, da dieses Verhalten nicht in "T" sondern "irgendwo" auf der Fahrt außerhalb von "T" gesetzt worden ist.   4.2.3. Die weiteren Ausführungen im Spruch, dass die Zeugin P "ununterbrochen mit dem Motorradfahren mußte" stehen mit den behördlichen Feststellungen im Straferkenntnis in Widerspruch, tragen nicht zur Konkretisierung der Tat bei und bedürfen daher keiner weiteren Kommentierung.   4.3. Trotz der umfassend gewährten Akteneinsicht kann in dieser keine taugliche Verfolgungshandlung erkannt werden. Ein Zurkenntnisbringen der Anzeige kann nur dann als eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung gewertet werden, wenn darin die Tat hinsichtlich aller der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben ist. In der "Anzeige der Zeugin P" ist der angebliche Tatort lediglich mit "Übungsplatz" umschrieben und wie oben dargelegt, scheidet dieser eindeutig als Tatort aus.   4.4. Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs. 2 leg.cit. - abgesehen von im Zusammenhang nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen - sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigte gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.   Bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien in der zuletzt zitierten Gesetzesstelle wird auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird, sodass sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 beziehen muss (siehe dazu die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 16. Jänner 1987, Zl. 86/18/0073, und vom selben Tag, Zl. 86/18/0077).   Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidrigerweise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).   Innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs. 2 VStG wurden von der Behörde erster Instanz gegen den Bw Verfolgungshandlungen gesetzt, die jedoch nicht sämtliche Tatbestandselemente umfasst haben. Dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt ist nicht nur innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG sondern auch bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses keine gesetzeskonforme Verfolgungshandlung zu entnehmen. Erstmalig und ausschließlich in dessen Begründung führt die Behörde weitere Tatbestandselemente aus. Selbst wenn man davon ausginge, dass durch Zusammenlesen des Spruches und der Begründung von einer Verfolgungshandlung auszugehen wäre, hätte diese außerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 stattgefunden. Da innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs. 2 VStG keine taugliche Verfolgungshandlung vorgelegen ist, konnte der Oö. Verwaltungssenat den Spruch nicht mehr verbessern, sondern musste vielmehr die eingetretene Verfolgungsverjährung wahrnehmen und das Verwaltungsstrafverfahren auch in Ansehung dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs. 1 Z3 VStG einstellen.   5. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.     Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.   Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.     Mag. Stierschneider     Beschlagwortung: Tatkonkretisierung, Tatzeit, Verfolgungshandlung
DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum