Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108393/8/Br/Pe

Linz, 02.09.2002

VwSen-108393/8/Br/Pe Linz, am 2. September 2002

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufungen der Frau AP, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. Juni 2002, AZ: VerkR96-264-2002-Gri, nach der am 21. August 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge "im Bereich des Vorschriftszeichens Halten und Parken verboten" zu entfallen hat.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 117/2002 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 117/2002 - VStG.

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden der Berufungswerberin zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 11,60 Euro (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u.2 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis wider die Berufungswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von 58 Euro und für den Nichteinbringungsfall neunzehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie am 30.9.2001 um 12.30 Uhr, in Linz, nächst dem Haus Hauptstraße Nr. 5, als Lenkerin des KFZ, mit dem Kennzeichen, im Bereich des Vorschriftzeichens "Halten und Parken verboten" abgestellt hat.

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte den Schuldspruch auf den Anzeigeinhalt bzw. begründete ihn mit diesem. Vor allem erblickte die Behörde erster Instanz in dem von der Berufungswerberin angeführten Leiden, keinen vom Gesetz erfassten Ausnahmezustand, der ein Abstellen im Halteverbot als Notstandssituation qualifizierbar erscheinen lasse. Die Behörde erster Instanz führt hierzu umfassen aus. Dem Strafausspruch wurde ferner ein Monatseinkommen in der Höhe von 1.200 Euro zu Grunde gelegt.

2. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit fristgerecht per FAX an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt gerichteten Berufungen, worin sie auf ihre Einspruchsangaben verweist, sodass in Verbindung mit den Einspruchsangaben diese Berufung iSd § 13 Abs.3 AVG erforderlichen Mindesterfordernisse beinhaltete und somit eines Verbesserungsauftrages nicht bedurfte.

Im Ergebnis versucht sie das Abstellen des Fahrzeuges im Halteverbot mit der Notwendigkeit, eines plötzlich aufgetretenen physischen Bedürfnisses, welches mit Bauchkrämpfen begleitet gewesen sei, zu rechtfertigen. Dies führte sie vor allem auf ihre Querschnittslähmung zurück. Dabei habe sie kurzfristig keinen geeigneten Parkplatz finden können. Sie habe im wahrsten Sinne des Wortes vermeiden wollen, "dass etwas in die Hose gehe."

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da jeweils keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien angesichts des Inhaltes des Berufungsvorbringens in Wahrung der Art.6 EMRK intendierten Rechte trotz des unter 500 Euro liegenden Strafsatzes geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung der wesentlichen Aktenbestandteile des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Freistadt. Ebenfalls wurde Beweis aufgenommen durch Vernehmung der Berufungswerberin anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, an welcher auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teilnahm.

5. Die Berufungswerberin ist querschnittsgelähmt. Sie erscheint zur Berufungsverhandlung ohne Begleitung im Rollstuhl. Laut ihrer eigenen Darstellung kommt es dadurch bedingt auch zu relativ plötzlich auftretenden Stuhl- und Harndrängen, welche es wiederum bedingten, möglichst rasch eine Toilette aufzusuchen. Von einer nahrungsbedingten Übelkeit - wie im Einspruch noch ausgeführt - machte sie im Rahmen des Berufungsverfahrens keinen Hinweis. Ihr sei der Umstand der mit der Querschnittslähmung einhergehenden Blasen- und Mastdarmlähmung bekannt, wobei sie einräumt, dass sie den Folgen einer auftretenden Inkontinenz, etwa durch Tragen von Windeleinlagen nicht vorbeugt. Diese Zustände treten nicht regelmäßig auf, jedoch wisse sie, dass sich etwa eine Stunde nach einem Getränkekonsum ein Harndrang einstellt.

Ihrer Verantwortung lässt sich schlussfolgern, dass sie im Falle des angeblichen Auftretens eines plötzlichen Stuhl- oder Harndranges in Kauf nimmt, zwecks Aufsuchens einer behindertengerechten WC-Anlage das Fahrzeug im Halte- oder Parkverbot abzustellen.

Eine gleichgelagerte Verantwortung wurde bereits in den h. Berufungsverfahren, VwSen-1077443 u. VwSen-107744, 16. Juli 2001 dargetan.

5.1. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. § 24 Abs.1 lit.a StVO 1960 lautet: Das Halten und das Parken ist verboten: a) im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z. 13b;

dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel "ANFANG" den Beginn und mit der Zusatztafel "ENDE" das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet (§ 52 Z13b StVO 1960).

Der hier von der Berufungswerberin aufgezeigten Situation vermag rechtlich weder als Notstand noch als unentschuldigter Notstand qualifiziert werden.

Mit der geschilderten Situation geht keine unmittelbare Gefahr für das Leben bzw. die Gesundheit einher, der sie nur mit dem sofortigen Abstellen des Fahrzeuges im Halteverbot entgehen hätte können. Dabei ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. außer den von ihr angeführten Erkenntnissen aus früherer Zeit u.a. jene vom 11. April 1986, Zlen. 86/18/0051, 0052, und vom 26. Mai 1987, Zl. 86/17/0016) hinzuweisen, wonach unter Notstand im Sinne des § 6 VStG 1950 nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden kann, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht, jedoch davon im Falle einer wirtschaftlichen Schädigung solange nicht die Rede sein kann, als diese nicht die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedroht (VwGH 15.5.1991, 91/02/0020, ebenso HAUER/LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 788, Rz 2 u. 3a, mit Hinweis u.a. auf VwGH 27.5.1987, 87/03/0112).

Sollte andererseits bei der Berufungswerberin tatsächlich jeweils eine solche Zwangslage vorgelegen haben, hätte sie sich wohl schuldhaft in diese gebracht, indem sie im offenkundigen Wissen um das mögliche Eintreten einer derartigen Situation, die relativ weite Fahrt von Neumarkt im Mühlkreis nach Linz angetreten hätte obwohl sie wohl mit dem Auftreten einer solchen Situation offenbar regelmäßig rechnet (vgl. VwGH 12.12.1993, 93/09/0186, VwGH 30.6.1993, 93/02/0066, insb. HAUER/LEUKAUF, S 794, Rz 37, betreffend die Fahrteinlassung trotz des schon absehbaren Phänomens von Bauchschmerzen und Durchfall).

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

Daher vermag in der hier verhängten Geldstrafe im Ausmaß von nur 58 Euro ein Ermessensfehler bei der Strafzumessung nicht erblickt werden. Selbst die als schwerwiegend zu qualifizierende gesundheitliche Beeinträchtigung der Berufungswerberin rechtfertigt eine Ermäßigung des Strafausmaßes nicht. Der Oö. Verwaltungssenat vermag auch in diesem Verfahren nicht zu sehen, dass diese Geldstrafe die Berufungswerberin, von welcher bisher ein Monatseinkommen von fast 27.000 S bekannt war, nun aber nur mehr ein solches von 1.200 Euro beziehen soll, überfordern würde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und/oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Notdurft, Notstand, Fahrzeuglenker

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