Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300218/2/WEI/Bk

Linz, 24.02.1999

VwSen-300218/2/WEI/Bk Linz, am 24. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31. März 1998, Zl. Pol 96-450-1997-Fu, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Oö. Polizeistrafgesetz und dem Geschlechtskrankheitengesetz zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis vom 31. März 1998 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"1) Sie haben am 15.8.1997 um 16.00 Uhr im Lokal ‘R, mit G ein Gespräch geführt, in dessen Verlauf Sie diesem die Durchführung eines Oralverkehrs gegen die Bezahlung von S 300,-- anboten; in der Folge haben Sie in den Toiletteräumlichkeiten entsprechende sexuelle Handlungen an diesem nach der Bezahlung der geforderten S 300,--vorgenommen und ihm die Durchführung eines GV´s gegen Bezahlung von S 500,-- angeboten. Sie haben sich somit an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhalten, die auf Anbahnung der Prostitution abzielt.

2) Sie haben am 15.8.1997 um ca. 16.00 Uhr in der Toiletteanlage des Lokals ‘R sexuelle Handlungen gegen Entgelt (S 300,--) und somit gewerbsmäßig vorgenommen, ohne sich vor Beginn der Vornahme von gewerbsmäßigen sexuellen Handlungen an anderen einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen zu haben." Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde zu 1) § 2 Abs 3 lit a) Oö. PolStG und zu 2) § 1 der Verordnung des BMGU über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben (BGBl Nr. 314/1974, zuletzt geändert BGBl Nr. 591/1993) iVm § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz (StGBl Nr. 152/1945, zuletzt geändert BGBl Nr. 345/1993) als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen zu 1) nach § 10 Abs 1 lit b) Oö. PolStG eine Geldstrafe von S 5.000,-- und zu 2) nach § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz eine Geldstrafe von S 1.000,--. Außerdem wurde ein einheitlicher Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren in Höhe von S 600,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das die Bwin nach dem aktenkundigen Rückschein am 14. April 1998 beim Postamt P übernommen hat, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 15. April 1998, die am 17. April 1998 bei der belangten Behörde einlangte und mit der sinngemäß die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t : 2.1. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12. September 1997 legte die belangte Behörde der Bwin die angeführten Verwaltungsübertretungen zur Last. Obwohl sie dieses Schriftstück in P persönlich übernahm und auf die Rechtsfolge des Nichtreagierens ausdrücklich hingewiesen wurde, leistete die Bwin nicht Folge. Die belangte Strafbehörde führte daher das Strafverfahren gemäß § 41 Abs 3 VStG ohne ihre weitere Anhörung durch.

Nach der Strafanzeige des Gendarmeriepostens T vom 5. September 1997 vollzog die Bwin, eine deutsche Staatsangehörige polnischer Herkunft, die als Arbeiterin bei der Fa I beschäftigt war, mit dem erheblich alkoholisierten G auf der Damentoilette des Lokales "R, wohin er ihr über ihre Aufforderung gefolgt wäre, einen Oralverkehr, wofür sie zunächst S 100,-- und danach weitere S 200,-- verlangte und auch erhielt. Da sie in der Damentoilette gestört wurden, wechselten sie in die Herrentoilette, wo die Bwin R zum vaginalen Geschlechtsverkehr aufgefordert hätte und dafür S 500,-- verlangte. Diesen Betrag konnte R nicht mehr bezahlen. Die Bwin habe daraufhin nach Darstellung des R gesagt, daß dann Schluß sei, und sie verließ die Toilette. Im Gastlokal verlangte er dann die S 300,-- zurück, worauf sie ihn beschimpft hätte. Er schlug ihr daraufhin ins Gesicht, daß sie blutete. Nach der Verletzungsanzeige (Ambulanzbericht) des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern vom 15. August 1997, Zl. HHN, erlitt die Bwin einen Nasenbeinbruch ohne wesentliche Dislokation und ein kleines Hämatom an der Unterlippe.

Die Gastwirtin D gab an, daß die Bwin etwas aufschreiben lassen wollte, weil sie kein Geld hatte. Sie hätte auch geweint. Da die Wirtin darin kein Problem sah, bestellte sie ein Achtel Weißwein. Sie wäre aber auch von Gästen eingeladen worden. R hätte auf die Wirtin nicht den Eindruck gemacht, daß er von der Bwin etwas wollte. Da sich die Wirtin dann im Gastgarten aufhielt, konnte sie den Vorfall zwischen der Bwin und R nicht wahrnehmen. Sie sah dann nur, daß die Bwin mit blutiger Nase aus dem Lokal kam und weglief. Der Gastwirt N gab gegenüber der Gendarmerie an, daß die Bwin am Tisch wegen diverser Probleme weinte. Er dachte, daß sie auf diese Weise nur zu Getränken hätte kommen wollen. Sie hätte nach einiger Zeit R im Lokal das Angebot gemacht, ihm für Geld einen zu "blasen". Während er seiner Arbeit nachging, bemerkte der Wirt dann, daß die Bwin und R für 15 bis 20 Minuten abwesend waren. Die Frau, die erst zwei oder drei Mal das Lokal besucht hätte, wäre dann voller Blut aus dem Lokal gelaufen.

Die niederschriftlich einvernommene Bwin stellte den Vorfall so dar, daß R sie im Lokal zum Geschlechtsverkehr aufgefordert und ihr Geld angeboten hätte. Da sie ablehnte, wäre er ausfällig geworden und hätte sie als Nutte bezeichnet. Als sie ihn mehrfach aufforderte zu gehen, hätte er ihr ins Gesicht geschlagen, worauf sie sofort stark aus der Nase blutete. Sie habe starke Schmerzen und werde das Krankenhaus aufsuchen.

2.2. Die belangte Behörde ließ G vom Stadtamt T noch als Zeugen vernehmen (Niederschrift vom 13. Jänner 1998). Er gab an, daß die Bwin jammerte, sie hätte kein Geld. Nachdem er die Toilette aufgesucht hatte, wäre die Bwin am Gang gewesen und hätte ihn ins Damenklo gezogen, wo sie ihm die Hose öffnete, seinen Penis in den Mund nahm und zunächst S 100,-- verlangte. Zweimal hätte sie dann noch weitere S 100,-- gefordert, so daß sie insgesamt den Betrag von S 300,-- kassierte. Da sie gestört wurden, wechselten sie auf die Herrentoilette, wo die Bwin den Rock hochgeschoben und zu ihm gesagt hätte, er solle sie für weitere S 500,-- ficken. Da er dies ablehnte, wäre die Bwin in den Gastraum zurückgekehrt. Er folgte ihr und verlangte sein Geld zurück, worauf sie ihn auf das Gröblichste beschimpft hätte. Daraufhin schlug er ihr ins Gesicht und sie verließ aus der Nase blutend das Lokal. Mehr konnte der Zeuge nicht angeben.

Der Gastwirt N bestätigte als Zeuge einvernommen (Niederschrift vom 14.1.1998), daß er am Tisch gehört hätte, wie die Bwin R fragte, ob sie ihm einen "blasen" solle. Sie hätte dafür auch Geld gefordert, wobei er die Höhe nicht angeben konnte. Nach etwa 5 Minuten wären beide verschwunden gewesen. B hätte in der Folge feststellen können, daß sich beide am Damen-WC aufhielten. Er wäre dann wieder zur Bar gegangen und hätte wenige Minuten später die Bwin im Gesicht blutend das Lokal verlassen gesehen. In weiterer Folge wäre die von ihm verständigte Gendarmerie erschienen und mit R weggefahren.

Die belangte Behörde legte den von den Zeugen geschilderten Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrunde und ging im angefochtenen Straferkenntnis davon aus, daß die Bwin am 15. August 1997 um ca. 16.00 Uhr im Lokal "R die Prostitution angebahnt und ausgeübt hatte. Sie nahm weiters an, daß sich die Bwin entgegen der Verordnung des BMGU, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993, über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben, nicht einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen hätte. 2.3. In der Berufung behauptet die Bwin, daß sie ihr eigenes Geld gehabt hätte und mit R nicht sprechen hätte wollen. Er wäre aber hartnäckig gewesen und ihr schließlich auf die Toilette gefolgt, wo er ihr S 300,-- für Oralsex angeboten hätte. Da sie ihn abgewiesen hätte, beleidigte er sie u.a. als "polnische Nutte". Sie wäre dann zum Tisch gegangen, um ihr Achtel Wein noch zu trinken. Dort hätte er sie dann geschlagen und ihr die Nase dreifach gebrochen. Er wäre wütend und in seinem Stolz verletzt gewesen, weil die "polnische Nutte" sein Begehren abgelehnt hatte. Die Bwin beteuert, daß sie unschuldig und keine Prostituierte sei. Wieso solle sie die Strafe bezahlen, wenn alles erlogen sei. Sie lebe von Sozialgeld und sei im Kniegelenk operiert worden. Ihr Mann hätte keine Arbeit. Wenn schon entschieden wird, daß sie schuldig sei, ersuche sie die Strafe auf Raten zahlen zu dürfen. Die aktenkundige Verletzungsanzeige des Krankenhauses legte die Bwin ihrer Berufung bei.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß die belangte Behörde den Sachverhalt nicht ausreichend erhoben und festgestellt hat, weil nicht alle entscheidungswesentlichen Merkmale der Prostitution feststehen.

Das Vorbringen der Bwin war zwar nicht geeignet, die tatsächlichen Annahmen der belangten Behörde in Frage zu stellen. Ebensowenig wie die belangte Behörde sieht der erkennende Verwaltungssenat einen Grund, an der Richtigkeit der Angaben der Zeugen zu zweifeln. Die glaubhaften Aussagen der Wirtsleute und des Zeugen R ergänzen sich widerspruchsfrei und gut nachvollziehbar zu einem Gesamtbild, das mit der Lebenserfahrung im Einklang steht. Der Zeuge R hat sein eigenes Fehlverhalten zugegeben und durchaus nicht versucht, sich in ein besseres Licht zu stellen. Es gibt auch überhaupt keinen Grund, die Aussage des Gastwirtes zu bezweifeln, wonach er gehört hatte, daß die Bwin dem Zeugen R im Gastlokal am Tisch das Angebot machte, entgeltlichen Oralsex auszuüben. Dies paßt auch zu den Angaben der Wirtin gegenüber der Gendarmerie, daß die Bwin Geld brauchte und darauf angewiesen war, anschreiben zu lassen oder eingeladen zu werden. Das von der Bwin behauptete Motiv für die Aggression des Zeugen R erscheint nicht plausibel. Viel naheliegender und nachvollziehbarer war die Schilderung dieses Zeugen, der sein Geld zurückhaben wollte, weil er offenbar der Ansicht war, beim oralen Liebesdienst nicht auf seine Kosten gekommen zu sein. Als die Bwin dies verweigerte und ihn noch beschimpfte, verlor er eben die Beherrschung und schlug zu. Der erkennende Verwaltungssenat ist überzeugt, daß sich die Bwin durch die Ausübung eines entgeltlichen Liebesdienstes eine rasche Einnahme verschaffen wollte. Dennoch genügt dieser Sachverhalt nicht für die Annahme der angelasteten Verwaltungsübertretung, wie im folgenden noch darzulegen ist.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der erkennende Verwaltungssenat ist zunächst entgegen der belangten Behörde grundsätzlich der Ansicht, daß beim vorliegenden Sachverhalt nicht an den Tatbestand des § 2 Abs 3 lit a), sondern an den spezielleren des § 2 Abs 3 lit c) Oö. PolStG zu denken wäre, weil sich der gegenständliche Vorfall in einem Gebäude ereignete, in dem ein Gastgewerbe ausgeübt wird. In beiden Deliktsfällen geht es allerdings um Prostitution. Was nach dem Gesetz darunter zu verstehen ist, kommt im § 2 Abs 1 Oö. PolStG zum Ausdruck. Danach ist unter Prostitution die Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken zu verstehen.

Die belangte Behörde hat im gegebenen Zusammenhang übersehen, daß eine einmalige entgeltliche Anbahnung und/oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen nicht ohne weiteres als Prostitution qualifiziert werden kann. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet das Merkmal "zu Erwerbszwecken" mehr als bloße Entgeltlichkeit. Dieses mit Gewerbsmäßigkeit inhaltsgleiche Kriterium erfordert die Absicht, sich durch Wiederholung der strafbaren Handlung eine Einkommensquelle zu schaffen. Bei einer einmaligen Tathandlung kann dieses Merkmal nur erfüllt sein, wenn der Täter beabsichtigt, sich dadurch eine ständige oder zumindest längere Zeit wirkende Einkommensquelle zu verschaffen (vgl unter Hinweis auf Vorjudikatur VwGH 24.5.1993, 93/10/0014). Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, daß die Bwin in dieser gewerbsmäßigen Absicht gehandelt hat. Nach der aktenkundigen Beweislage gibt es dafür auch keine hinreichenden Indizien. Die Bwin, die nach der Gendarmerieanzeige im Tatzeitpunkt als Arbeiterin einer Beschäftigung nachging, leugnete bekanntlich, Prostituierte zu sein. Auch die Wirtsleute, denen die Bwin von zwei oder drei Lokalbesuchen bekannt war, haben in ihren Aussagen nicht angedeutet, daß es sich bei der Bwin um eine Prostituierte handeln könnte. Der Vorwurf der verbotenen Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution nach dem Oö. PolStG wurde somit von der belangten Behörde auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage erhoben. Die gleiche Argumentation gilt auch für die angelastete Übertretung des § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz iVm der Verordnung des BMGU, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993, über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben. Auch insofern fehlen der Nachweis für die Gewerbsmäßigkeit und geeignete Feststellungen im angefochtenen Straferkenntnis.

Es ist nach der Aktenlage davon auszugehen, daß die angelasteten Verwaltungsübertretungen hinsichtlich der subjektiven Tatseite nicht erwiesen werden können. Schon aus diesem Grund war daher das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

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