Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150162/9/Lg/Bk

Linz, 11.01.2002

VwSen-150162/9/Lg/Bk Linz, am 11. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach der am 11. Oktober 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des A, vertreten durch RAe Dr. V, gegen das Straferkenntnis vom 15. März 2001, Zl. BauR96-272-2000, wegen Übertretung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 3.000 S bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden verhängt, weil er am 10. Oktober 2000 um 8.50 Uhr als Lenker des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen die mautpflichtige Bundesstraße A7 (Bundesautobahn), auf dem Parkplatz P F, der gemäß § 3 Bundesstraßengesetz 1971 Bestandteil der Autobahn ist, bei ABKM 2,500, im Gemeindegebiet von L, in Fahrtrichtung Wien benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut vor der mautpflichtigen Straßenbenützung ordnungsgemäß durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug entrichtet zu haben.

2. In der Berufung wird eingewendet, dass während des gesamten Gebrauchszeitraumes des Fahrzeuges eine Vignette ordnungsgemäß auf der Windschutzscheibe angebracht war. Das Fahrzeug habe sich demnach bereits zu Lenkbeginn in einem vorschriftsmäßigen Zustand befunden und könne es nicht Zweck der Bestimmungen des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes sein, dass ein Lenker, der die Vignette nicht selbst angebracht hat, peinlichst genau die Vignette auf eventuelle Anbringungsfehler zu inspizieren hat. Es sei für den Bw nicht feststellbar gewesen, dass die unbeschädigte Vignette durch Klebstoff seitens der Werkstätte angebracht wurde und habe er vor Fahrtantritt sämtliche notwendigen und zumutbaren Kontrollen am Fahrzeug vorgenommen und sei ihm daher nicht einmal Fahrlässigkeit anzulasten. Er habe, als aufmerksamer österreichischer Verkehrsteilnehmer, sehr wohl Kenntnis von der bestehenden Mautpflicht und den Hinweistafeln, jedoch seien ihm die einzelnen Bestimmungen der Mautordnung, vor allem wonach eine chemische/technische Manipulation des originären Vignettenklebers derart, dass bei Ablösen der Vignette deren Selbstzerstörungseffekt verhindert wird, den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung verwirkt, nicht bekannt gewesen.

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

Laut Anzeige der Zollwachabteilung F/MÜG vom 10. Oktober 2000 um 8.50 Uhr sei anlässlich einer Zollkontrolle auf dem Parkplatz P, F bei Stkm 2,5 festgestellt worden, dass die Mautvignette am Fahrzeug des verdächtigen Lenkers nicht vorschriftsmäßig angebracht war. Die Vignette sei mittels Klebstoff an der Windschutzscheibe befestigt gewesen. Die Sicherheitsmerkmale seien nicht beschädigt gewesen, jedoch habe sich die Vignette ganz leicht von der Scheibe lösen lassen. Dabei seien die Klebespuren festgestellt worden. Herr G habe bestätigt, dass sich die Vignette problemlos von der Scheibe ablösen ließ und wurde nach Rücksprache mit der Fa. A bekannt, dass es durchaus möglich ist, dass die Vignette anlässlich eines Scheibenwechsels herabgelöst und da diese nicht beschädigt wurde, wieder auf die neue Scheibe geklebt wurde.

Mit Schreiben vom 21. November 2000 erhob der Bw Einspruch gegen die Strafverfügung vom 3. November 2000 und beantragte die Einleitung des ordentlichen Verfahrens. In der auf Aufforderung vom 10.1.2001 hin erfolgten Rechtfertigung vom 15. Februar 2001 brachte der Bw vor, er habe das gegenständliche Fahrzeug lediglich für Überstellungszwecke gelenkt. Es sei zu Beginn der Fahrzeuglenkung sowie auch bei der Rückfahrt ordnungsgemäß eine Vignette am Fahrzeug angebracht gewesen. Es sei nicht feststellbar gewesen, dass die Vignette beschädigt ist. Er habe keine Kenntnis gehabt, dass die Vignette mittels Klebstoff seitens der Werkstätte angebracht wurde. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Bw schuldhaft gegen Bestimmungen des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes verstoßen hat. Außerdem sei den Bestimmungen des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes nicht zu entnehmen, dass die Anbringung der Vignette mit Klebstoff nicht den Vorschriften entspricht.

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung betonte die Vertreterin des Bw, dass der Bw als Angestellter nichts mit der Vignettenbewirtschaftung seiner Firma zu tun habe. Eine Wiederverwendung der "alten" Vignette sei dem Bw nicht bekannt gewesen. Die Vignette habe in der Zeit zwischen dem Austausch der Windschutzscheibe und dem Betretungstag keine "Beschädigungen" aufgewiesen, weshalb dem Bw nicht einmal Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne.

Das Betretungsorgan bestätigte zeugenschaftlich, dass anhand der Sicherheitsmerkmale keine Manipulation an der Vignette ersichtlich gewesen sei. Eine solche sei lediglich aus der leichten Ablösbarkeit der Vignette zu erschließen gewesen. Der Bw habe auf den Zeugen den Eindruck gemacht, nichts von einer mautordnungswidrigen Manipulation gewusst zu haben.

Der Zeuge B (Firma A, Reparaturwerkstätte) sagte aus, dass seines Wissens in seiner Firma (genauer: in der Spenglerei mit 15 Mitarbeitern) nicht Vignetten von gebrochenen Scheiben abgelöst und auf neue Scheiben mittels spezieller Klebetechnik wieder angebracht würden. Es werde weisungsgemäß entsprechend einer ÖSAG-Richtlinie vorgegangen. In der Regel würden die Kunden eine Bestätigung über den Bruch der Windschutzscheibe erhalten, mit der sie eine Ersatzvignette besorgen könnten, deren Kosten ihnen erstattet würden. Denkbar wäre aus seiner Sicht, dass die neue Vignette aufgrund von Silikonresten auf der neuen Windschutzscheibe nicht gut gehalten hat.

Die Richtigkeit der Behauptung der Reparatur der Windschutzscheibe in der fraglichen Zeit wurde durch amtswegige Erhebungen des Unabhängigen Verwaltungssenates bestätigt.

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

5.1. Im vorliegenden Fall ist das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 (BStFG 1996, BGBl. Nr. 201 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung (BGBl. Nr. 107/1999) anzuwenden.

§ 7 Abs. 1 leg. cit. bestimmt, dass die Benützung von Bundesstraßen gemäß § 1 Abs. 1 (das sind Bundesstraßen A [Bundesautobahnen], Bundesstraßen S [Bundesschnellstraßen] und andere dort genannte Straßen) mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich 3,5 t beträgt, einer zeitabhängigen Maut unterliegt. Die Maut ist vor der mautpflichtigen Straßenbenützung durch Anbringung einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

Nach § 13 Abs. 1 leg. cit. begehen Kraftfahrzeuglenker, die gemäß § 7 Abs. 1 zeitabhängig bemautete Bundesstraßen benützen, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 3.000 S bis zu 30.000 S zu bestrafen.

Nach Abs. 3 wird die Tat straflos, wenn der Täter bei der Betretung, wenngleich auf Aufforderung, eine in der Mautordnung festzusetzende Ersatzmaut zahlt, die den Betrag von 3.000 S samt Umsatzsteuer nicht übersteigen darf; hierüber ist dem Täter sofort eine Bescheinigung auszustellen.

5.2. Ordnungsgemäß entrichtet ist die Maut nur dann, wenn die Vignette vor der mautpflichtigen Straßenbenützung entsprechend den unmittelbar verbindlichen Regelungen der als Durchführungsverordnung iSd Art.18 Abs.2 B-VG zu qualifizierenden Mautordnung angebracht wurde (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 20.9.2001, Zl. 2002/06/0096). Somit ist auch Punkt 8 der Mautordnung ("Die Vignette ist nach Ablösung von der Trägerfolie innen auf der Windschutzscheibe gut sichtbar und unbeschädigt anzukleben. Eine chemische oder auch technische Manipulation des originären Vignettenklebers derart, dass bei Ablösen der Vignette deren Selbstzerstörungseffekt verhindert wird, verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung".) für den Bw verbindlich. Ferner ist davon auszugehen, dass dem Bw als Kraftfahrer die Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften des BStFG, aber auch der Mautordnung, grundsätzlich zuzumuten ist (vgl. hinsichtlich des BStFG zB VwGH 18.12.1997, Zl. 97/06/0253; hinsichtlich der Mautordnung zB implizit das oben zitierte Erkenntnis des VwGH).

5.3. Eine Zurechnung der - im gegenständlichen Fall wegen vermutlicher Nichtverwendung der vorgesehenen Klebetechnik - aller Wahrscheinlichkeit nach mautordnungswidrigen Anbringung der Vignette zum Bw setzt voraus, dass dieser davon zumindest wissen musste. Gegen den Bw spricht, dass er vom Windschutzscheibenbruch Kenntnis hatte und er daraus folgern musste, dass eine Ersatzvignette ordnungsgemäß anzubringen war, wobei der Unabhängige Verwaltungssenat im Zweifel davon ausgeht, dass der Bw nicht selbst mit der Anbringung einer Ersatzvignette befasst war. Andererseits ist nicht aus den Augen zu verlieren, dass die Vignette, als der Bw das Kfz wieder übernahm, keine äußeren Merkmale der mautordnungswidrigen Wiederverwendung aufwies (zu fordern, dass der Bw bei der einer dem äußeren Erscheinungsbild nach intakten Vignette die Klebefähigkeit zu überprüfen hat, wäre überzogen) und es sich um ein Firmenfahrzeug handelte, sodass der Bw - so er guten Glaubens war - auch annehmen konnte, dass die von ihm nicht beobachteten Vorgänge, an denen die Werkstätte, der Arbeitgeber des Bw und gegebenenfalls Weitere beteiligt waren, korrekt waren. Dem Bw ist unter diesen Umständen die Unkenntnis der mautordnungswidrigen Manipulation nicht anzulasten. Ohne zu verkennen, dass die Ermittlungsergebnisse auch andere - für den Bw ungünstigere - Deutungsmöglichkeiten des Sachverhalts zulässt, geht der Unabhängige Verwaltungssenat - im Zweifel - von einer unverschuldeten Unkenntnis der mautordnungswidrigen Anbringung der Vignette aus, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht  2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. Langeder

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