Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150194/12/Lg/Ni

Linz, 20.12.2002

VwSen-150194/12/Lg/Ni Linz, am 20. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 13. Dezember 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des Dr. J L, vertreten durch Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 4. Oktober 2002, Zl. BauR96-128-2002, wegen einer Übertretung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen. Die Geldstrafe wird jedoch
auf 110 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herabgesetzt. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist außerdem dahingehend
zu korrigieren, dass als Rechtsgrundlage § 7 Abs.1 iVm § 13 Abs.1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996 idF BGBl. I Nr. 50/2002 zitiert wird.

  1. Der Beitrag zu den Kosten des erstbehördlichen Verfahrens ermäßigt sich auf 11 Euro. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16 Abs.2, 19, 20 VStG.

Zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2, 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 218 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 65 Stunden verhängt, weil er am 1.6.2002 um 20.17 Uhr als Lenker des Pkw die mautpflichtige Bundesstraße A 8 Innkreisautobahn, im Gemeindegebiet von Ort im Innkreis bei km 62,000 benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, weil er vor der mautpflichtigen Straßenbenützung keine Mautvignette am Fahrzeug angebracht habe.
  2. In der Begründung verweist das angefochtene Straferkenntnis auf die Anzeige des LGK vom 3.6.2002. Der Bw habe sich im behördlichen Verfahren nicht gerechtfertigt. Als strafmildernd sei die Unbescholtenheit zu werten. Es sei deshalb die gesetzliche Mindeststrafe von 220 Euro verhängt worden.

  3. In der Berufung wird geltend gemacht, der Bw habe eine gültige Vignette an der Windschutzscheibe montiert gehabt. Es sei jedoch die Vignette möglicherweise im Zuge einer Windschutzscheibenreparatur beschädigt worden. Beigelegt wird eine Rechnung über einen Windschutzscheibenwechsel vom 7.6.2002.
  4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Bw den Sachverhalt wie
    folgt dar:
  5. Die Rechnung für den Windschutzscheibenwechsel stamme zwar vom 7.6.2002, also aus der Zeit nach der Tat. Der Windschutzscheibenwechsel selbst sei aber kurz vor der Tat erfolgt. Bei diesem Windschutzscheibenwechsel habe die Werkstatt die Vignette von der alten auf die neue Windschutzscheibe umgeklebt. Dem Bw, der vor dem Windschutzscheibenwechsel auf die Vignette aufmerksam gemacht habe, habe die Werkstatt versichert, dass dieses Verfahren in Ordnung sei. Erst nach der Beanstandung sei dem Bw aufgefallen, dass auf der Vignette das Merkmal "UNGÜLTIG" zu lesen war.

    Der Bw sei gebürtiger Slowake und Arzt in Deutschland. Bei der gegenständlichen Fahrt habe er ein krankes Mädchen von der Slowakei nach Deutschland gebracht und sei wegen Geschwindigkeitsübertretung beanstandet worden, wobei die Ungültigkeit der Mautvignette aufgefallen sei.

    Der Bw legte außerdem die Zahlungsbestätigung für die Jahresvignette vor.

    Das Kontrollorgan RevInsp. H bestätigte, dass sich an der Windschutzscheibe eine ungültige Vignette befunden hatte.

  6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

4.1. Im vorliegenden Fall ist das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 (BStFG 1996), BGBl.Nr. 201, anzuwenden, und zwar in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2002.

§ 7 Abs.1 leg.cit. Abs.1 leg.cit. bestimmt, dass, für die Benützung der Bundesstraßen mit einspurigen Kraftfahrzeugen, mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen und mit von diesen gezogenen Anhängern, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht allein oder in Kombination weniger als 12 t beträgt, sowie mit Omnibussen dem Bund als Entgelt eine zeitabhängige Maut zu leisten ist. Die Maut ist vor der mautpflichtigen Straßenbenützung durch Anbringung einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

Nach § 13 Abs.1 leg.cit. begehen Kraftfahrzeuglenker, die gemäß § 7 Abs.1 zeitabhängig bemautete Bundesstraßen benützen, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 220 Euro bis zu 2.200 Euro zu bestrafen.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist klarzustellen, dass von einer ordnungsgemäßen Mautenrichtung nur dann die Rede sein kann, wenn eine gültige Mautvignette an der Windschutzscheibe angebracht ist. Ferner obliegt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch einem ausländischen Kfz-Lenker, sich über die einschlägigen Rechtsvorschriften zu informieren. Kfz-Lenker haben sich vor der Benützung einer mautpflichtigen Straße von der Gültigkeit der Vignette zu überzeugen (vergleiche etwa VwSen-150174 vom 28.2.2002).

Geht man daher vom vom Bw selbst geschilderten Sachverhalt aus, ist ihm die Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

Im vorliegenden Fall ist allerdings davon auszugehen, dass relativ wenig Zeit zwischen dem Windschutzscheibenwechsel und der Betretung lag. Ferner schenkte der Bw (als Nichtösterreicher) einer (deutschen) Werkstatt Glauben, dass die gegenständliche Vorgangsweise unbedenklich ist. Überdies steht fest, dass der Bw die Mautgebühr entrichtet hatte und eine Gebührenansprüche verkürzende Manipulation mit der Vignette nicht beabsichtigt war. Diese Umstände im Zusammenhalt mit der Unbescholtenheit des Bw und seinem kooperativen Verhalten bei der Wahrheitsfindung (er reiste als Arzt aus Deutschland zur öffentlichen mündlichen Verhandlung an, um den Sachverhalt klarzustellen) bewirkt ein Überwiegen von Milderungsgründen, sodass unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts (§ 20 VStG) die Herabsetzung der Geldstrafe auf die Hälfte der gesetzlichen Mindeststrafe gerechtfertigt erscheint.

Eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG scheitert zum einen daran, dass das Verhalten des Bw nicht entsprechend weit hinter dem deliktstypischen Schuldgehalt zurückbleibt. Es ist auch ausländischen Kfz-Lenkern zuzumuten, bei einem Windschutzscheibenwechsel einen Blick auf die Vignette zu werfen (unabhängig davon, ob ihnen, entsprechend den einschlägigen Regeln, der Selbstzerstörungseffekt der Vignette bei solchen Manipulationen bekannt ist), liegt doch, wie auch das Nachfragen des Bw bei der Werkstatt zeigt, die Möglichkeit des Ungültigwerdens der Vignette bei "Umkleben" nicht außerhalb des Bereichs der Lebenserfahrung im Sinne einer durchschnittlichen allgemeinen Orientierungsfähigkeit eines Verkehrsteilnehmers. Zum anderen ist zu bemerken, dass der Kauf der Vignette den Unrechtsgehalt der Tat nicht beseitigt, hat doch das Erfordernis der ordnungsgemäßen Anbringung ihren besonderen Sinn in einer einfachen Kontrollierbarkeit, mithin einer Voraussetzung der praktischen Durchführbarkeit des Systems. So betrachtet, bleibt die Tat auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechtsgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG gerechtfertigt wäre.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Langeder

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