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des Landes Oberösterreich
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VwSen-160032/12/Br/Gam

Linz, 23.12.2004

 VwSen-160032/12/Br/Gam Linz, am 23. Dezember 2004

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J K, R S, vertreten durch Dr. R H, Rechtsanwalt, S Z S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 6. September 2004, Zl.: S-40732/02 VP, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 3. November und 21. Dezember 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen, zu Recht:

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
  2.  

    Rechtsgrundlage:

    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I
    Nr. 117/2002 - VStG;

     

  3. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretungen nach § 4/1 a und § 4 Abs.2 StVO 1960 je eine Geldstrafe von 200 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit je vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 23.10.2002 um 12.30 Uhr in Linz, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen von der Kreuzung Volksgartenstraße kommend, im Bereich der Kreuzung, Volksgartenstraße - Stelzhamerstraße - Rainerstraße - Gärtnerstraße,


1. es als Lenker dieses Kfz unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, sein Fahrzeug sofort anzuhalten und

2. es als Lenker dieses Kfz an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden und somit als Person, deren Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt habe.

 

 

2. In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses tätigte die Behörde erster Instanz folgende Erwägungen:

"Der dem Spruch zugrunde liegende Sachverhalt ist durch die Verkehrsunfallanzeige vom 23.10.2002, sowie das durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei erwiesen. Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen begangen haben.
 

Gegen die Strafverfügung vom 23.1.2003 haben Sie binnen offener Frist Einspruch erhoben. Auf Grund Ihres Einspruches wurde das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und Ihrem Rechtsvertreter im Wege der Bezirkshauptmannschaft Zell am See Akteneinsicht gewährt. Ihr Rechtsvertreter teilte daraufhin im Schreiben vom 24.03.2003 mit, dass gegen Sie ein Strafverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet worden sei und er deswegen den Antrag stellen würde, das Verwaltungsstrafverfahren bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Bezirksgerichtes Linz zu unterbrechen, da in diesem Gerichtsverfahren eine umfangreiche Klärung des Sachverhaltes erfolgen würde.
 

Im Schreiben vom 14.07.2004 teilte dann das Bezirksgericht Linz, Abteilung 18, mit, dass das Strafverfahren gegen den Beschuldigten am 14.07.2004 gern. § 90c Abs 5 StPO iVm. § 90 b StPO eingestellt worden sei, d.h. dieses in der Form einer sogenannten Diversion erledigt worden ist.
 

Eine Einsichtnahme in den Gerichtsakt ergibt, dass dieser in einem Schreiben, datiert mit 12.01.2004, verfasst von seinem Rechtsvertreter, den Vorfall, nämlich den gegenständlichen Verkehrsunfall mit Körperverletzung, bedauert. Bedingt durch seine Ortsunkenntnis sei er in seiner Aufmerksamkeit offensichtlich durch das Suchen des richtigen Straßennamens kurz abgelenkt worden, sodass er den Fußgänger H J nicht wahrgenommen hat. Den Ausführungen des vom Gericht beigezogenen Verkehrssachverständigen Dipl.-Ing.
Dr. S und dem Institut für gerichtliche Medizin sei jedoch zu entnehmen, dass der Beschuldigte den Fußgänger nicht frontal auf dem Schutzweg erfasst habe, sondern der Fußgeher H J im Zuge des Einbiegevorganges vom seitlichen Fahrzeugteil gestreift worden sei, wobei Fußgänger nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigengutachtens dann nur leichte Verletzungen erlitten hätte. Im Hinblick auf diesen vorbeschriebenen Sachverhalt, den geringen Grad der Fahrlässigkeit und der leichten Verletzung des Fußgängers J würde der Beschuldigte den Antrag stellen, auf nachträgliche Einleitung eines gerichtlichen Diversionsverfahrens gemäß den Bestimmungen des § 90b StVO und Einstellung des Strafverfahrens. Weiters würde der Beschuldigte seine Bereitschaft zur Schadensgutmachung und zur Leistung eines vom Gericht festzusetzenden Bußgeldes erklären.

In letzter Konsequenz wurde diesem Antrag des Beschuldigten vom Landesgericht Linz im Beschluss vom 19.05.2004 stattgegeben und dem Erstgericht aufgetragen im Sinne des IXa Hauptstückes der Strafprozessordnung vorzugehen, d. h. eine Diversion durchzuführen.

Um dem Beschuldigten den aktuellen Verfahrensstand bekanntzugeben bzw. um ihm die Möglichkeit einzuräumen, seiner Entlastung dienende Beweismittel anzugeben, wurde dem ausgewiesenen Rechtsvertreter Akteneinsicht gewährt. Bemerkt wird, dass wesentliche Teile des zugehörigen Gerichtsaktes in Kopie dem Verwaltungsstrafakt vorher beigefügt worden sind.
 

In einem daraufhin von seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter verfassten Schreiben, datiert mit 25.08.2004, informierte der Rechtsvertreter des Beschuldigten darüber, dass das Gerichtsverfahren mit Diversion erledigt worden sei. Ausschlaggebend dafür sei der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 19.05.2004 gewesen, wonach dem Beschuldigten kein Reaktionsverzug angelastet werden konnte und aus den Handlungen des Geschädigten auch nicht klar gewesen sei, ob es überhaupt zu einer Streifung gekommen sei. Daher würde er den Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens stellen.
 

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
 

Gemäß § 4 Abs. 2 StVO haben die im Absatz 1 genannten Personen Hilfe zu leisten, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben Sie nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Wenn bei einem Verkehrsunfall, an dem ein Schienenfahrzeug oder ein Omnibus des Kraftfahrlinienverkehrs beteiligt ist, sich erst nach dem Wegfahren des Schienenfahrzeuges bzw. des Omnibusses nach dem Unfall eine verletzte Person meldet, kann auch das Unternehmen, dem das Schienenfahrzeug bzw. Omnibus gehört, die Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigen.

Gemäß § 99 Abs. 2 lit.a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von Euro 36,00 bis Euro 2.180,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt; insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.
 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass an der Richtigkeit des zugrunde liegenden Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser vom Beschuldigten im Schreiben vom 12.01.2004, gerichtet an das Bezirksgericht Linz und verfasst von seinem Rechtsvertreter, eingestanden worden ist.
 

In diesem Zusammenhang erscheint bemerkenswert, dass der Beschuldigte in seinem Schreiben vom 25.08.2004, nach erfolgter Akteneinsicht, Informationen weitergibt, welche sich ohnehin aus dem Inhalt des Verwaltungsstrafaktes ergibt. Zudem übermittelt er Beilagen, wie eine Kopie des Beschlusses des Landesgericht Linz vom 19.05.2004, sowie eine Kopie des ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 23.07.2003, welche bereits vor seiner abschließenden Akteneinsicht Bestandteil des gegenständlichen Verwaltungsstrafaktes gewesen sind.

In der Sache selbst ist zu bemerken, dass eine Übertretung nach § 4 Abs. 2 in der Schuldform der Fahrlässigkeit (§ 5 Abs.1 1. Satz VStG) begangen werden kann. (VWGH vom 09.05.1980, ZFVB 1981/2/561; vom 13.02.1979, ZFVB 1979/5/2008). Dasselbe gilt für § 4 Abs. 1 lit. a (VwGH vom 09.09.1981, ZFVB 1982/5/1802; vom 30.10.1981, ZFVB 1982/6/2288).
 

Der Tatbestand der §§ 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 StVO ist schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles, insbesondere aber die Möglichkeit der Tötung oder Verletzung einer Person zu Erkennen vermocht hätte. Bereits in diesen Fällen setzt die Verständigungspflicht im Sinne des § 4 StVO ein.
 

Dass dem Beschuldigten solche Umstände sehr wohl zu Bewusstsein gekommen sind, gesteht er in dem von seinem Rechtsvertreter verfassten Schreiben vom 12.01.2004 ein, in welchem er die Einleitung eines gerichtlichen Diversionsverfahrens beantragt.
 

Bei der Meldepflicht, insbesonders nach § 4 Abs. 2 kommt es weder auf das Verschulden noch auf die Art oder Schwere der Verletzung einer Person an, sondern einzig allein darauf, ob ein Unfall mit Personenverletzung vorlag (VWGH vom 12.04.1973, 1833/72).
 

Da es zudem einen strafbaren Tatbestand "Nichtanhalten nach einem Verkehrsunfall" im allgemeinen Strafrecht nicht gibt, fällt dessen Ahndung ausschließlich in die Kompetenz der Verwaltungsbehörden (VWGH vom 13.02.1974, ZVR 1975/2).
 

Zuwiderhandeln gegen § 4 Abs. 1 lit. a ist nach der höchstgerichtlichen Judikatur vom Tatbestand z.B. des § 88 StGB verschieden, bildet keine in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Tatbestand und wird durch die Bestrafung des Täters im gerichtlichen Verfahren demnach nicht absorbiert. Eine Straffreiheit im Sinne des § 99 Abs. 6 lit. c liegt daher nicht vor. (VWGH vom 21. 01.1983, 3461/80, ZFV 1983/2714). Sogar wenn der Beschuldigte vom Gereicht von der wegen eines Unfalles erhobenen Anklage nach § 94 StGB freigesprochen wurde, hindert dies die Behörde nicht, ihm gemäß § 4 Abs. 1 lit. a Schuld zu sprechen, weil dieser Tatbestand von dem des § 94 StGB verschieden ist (VwGH vom 22.11.1983, 82/03/0166).
 

In Anbetracht dieser höchstgerichtlichen Judikatur, sowie des vom Beschuldigten selbst eingestandenen Sachverhaltes, war daher spruchgemäß zu entscheiden und eine Bestrafung im Sinne des § 4 StVO vorzunehmen.
 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.
 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.
 

Als mildernd bei der Strafbemessung war das Fehlen verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen zu werten; erschwerende Umstände lagen keine vor.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass der Beschuldigte kein hiefür relevantes Vermögen besitzt, für 1 Kind sorgepflichtig ist und ein Einkommen von Euro 1.200,-- monatlich bezieht.

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

 

2.1. In der dagegen fristgerecht durch die ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung wird ausgeführt wie folgt:

" In umseits bezeichnetem Verwaltungsstrafverfahren erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Machthaber gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 6.9.2oo4, Zahl S-4o732/o2 VP, zugestellt am 8.9.2oo4, innerhalb offener Frist die

 

BERUFUNG

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und führe hierzu wie folgt aus:

 

Geltend gemacht werden die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

 

Das Straferkenntnis stützt sich in erster Linie darauf, dass ich mit dem von meinem Rechtsvertreter am 12.1.2oo4 an das Bezirksgericht Linz übermittelten Schreiben mein Verschulden eingestanden habe und somit für die Behörde keinerlei Anlass bestand, an der Richtigkeit des zugrunde liegenden Sachverhaltes zu zweifeln.

 

Von der Behörde blieb jedoch vollkommen unberücksichtigt, dass in dem vom Institut für gerichtliche Medizin am 23.7.2003 erstellten Gutachten sehr wohl Zweifel geäußert wurden, ob es überhaupt zu einer Berührung des von mir zum Vorfallszeitpunkt gelenkten Fahrzeuges und Herrn H J gekommen ist. Auch wurde von der Bundespolizeidirektion der Sachverhalt keiner entsprechenden Würdigung unterzogen, dass Herr J vom Fahrzeug nicht frontal auf dem Zebrastreifen erfasst wurde, sondern - wenn überhaupt - dass es seitlich zu einer Streifung gekommen ist. Es wurde sich daher nicht im entferntesten mit der Frage beschäftigt, inwieweit der Fußgänger bei gehöriger Aufmerksamkeit seine Vorwärtsbewegung stoppen hätte können, um den Unfall zu vermeiden.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz vermag auch keinen plausiblen Grund anzuführen, woraus ich den Schluss hätte ziehen müssen, dass es zu einer Streifung mit dem Fußgänger gekommen ist, bzw. dass jemand verletzt wurde. Da im Straferkenntnis mehrfach auf den Inhalt des Strafaktes des Bezirksgerichtes Linz verwiesen wird, müsste der Behörde auch aufgefallen sein, dass im Erstbehandlungsbericht des Krankenhauses der Stadt Linz ausdrücklich festgehalten wurde, dass keine Verletzungszeichen sichtbar und auch keine Hämatomverfärbung feststellbar war.

 

Auch der Zeuge M M führte aus, dass er eine Streifung des Fußgängers nicht sehen konnte, sondern lediglich bemerkte, wie der Fußgänger mit der Faust gegen die seitliche Wagenscheibe schlug. Außerdem führte dieser Zeuge aus, dass der Fußgänger nach dem Überqueren des Schutzweges nur sein Handy betätigte, sonst aber keine Zeichen setzte, die auf eine Verletzung schließen hätten können. Herr J bestätigte, dass mein Fahrzeug langsamer wurde und sowohl mein Beifahrer als auch ich uns umgedreht hätten. Wahrnehmen konnten wir dabei lediglich einen Fußgänger, der den Schutzweg überquert hatte und konnte daraus wohl beim besten Willen nicht der Schluss gezogen werden, es wäre jemand verletzt worden. Es widerspricht wohl jeglicher Lebenserfahrung, dass ein tatsächlich Verletzter nicht durch irgend eine Geste auf sich aufmerksam machen würde.

 

Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt darin begründet, dass die Bundespolizeidirektion Linz all diese Fakten bei der Erlassung des Straferkenntnisses nicht entsprechend berücksichtigt hat.

 

In rechtlicher Hinsicht verkennt die Behörde auch die Grundsätze einer diversionellen Erledigung eines Strafverfahrens, da sie das Straferkenntnis ausschließlich auf die Ausführungen im Schreiben vom 12.1.2oo4 stützt. Um eine diversionelle Erledigung eines Strafverfahrens vornehmen zu können, bedarf es einer Schuldeinsicht des Beschuldigten. Ich habe stets betont, dass mir der Vorfall leid tut und ich um Schadensgutmachung bemüht bin. Dies jedoch immer unter dem Gesichtspunkt, dass es zu einer Verletzung von Herrn J gekommen ist, welche ich ja selbst nicht wahrgenommen habe und auf Grund der geschilderten Umstände auch nicht wahrnehmen konnte. Wie der medizinische Sachverständige in seinem Gutachten ausführte, hätte das Gericht erst im Zuge der Beweiswürdigung feststellen können, ob es zu einer Streifung gekommen ist oder nicht, da die von Herrn J vorgenommene Bewegungsschilderung mit der Verletzung nicht zweifelfrei in Einklang gebracht werden konnte.

 

Diese Fakten hat jedoch die Bundespolizeidirektion Linz auch bei der rechtlichen Beurteilung vollkommen unberücksichtigt gelassen und ist daher die verhängte Verwaltungsstrafe weit überhöht, da die zu einem allfälligen Unrechts- und Schuldgehalt des Vergehens in keinem Verhältnis steht.

 

Sogar das Landesgericht Linz hat in seiner Entscheidung berücksichtigt, dass die von mir angeführte Beschimpfung durch Herrn J unter Berücksichtigung der im Gutachten beschriebenen Persönlichkeit des Vorgenannten durchaus glaubwürdig ist. Da ich mir zum Vorfallszeitpunkt keines Vergehens bewusst war und aus dem Verhalten des Fußgängers nicht den Schluss ziehen konnte, dieser wäre gar verletzt worden, bestand nach meinen damaligen Wahrnehmungen auch kein Grund, die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen.

 

Aus all diesen Gründen wird der

 

BERUFUNGSANTRAG

gestellt, die Berufungsbehörde wolle der Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 6.9.2oo4, Zahl S 4o732/o2 VP, wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen Rechtswidrigkeit aufheben.

 

Zell am See, 2oo4-o9-21 J K

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt nach Übermittlung der Berufung durch den Oö. Verwaltungssenat den Verfahrensakt zur Berufungsvorentscheidung vorgelegt. Dem Akt sind Lichtbilder und die Einvernahme des unfallbeteiligten Fahrzeuglenkers seines Beifahrers und des Zweitbeteiligten Fußgängers, sowie die im Gerichtsverfahren eingeholten (medizinisch, technisch) Gutachten angeschlossen.

 

3.1. Da jeweils keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war hier trotz jeweils 500 Euro nicht übersteigender Geldstrafen in Wahrung der sich aus Art. 6 der MRK ergebenden Rechte auf ein faires Verfahren geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme und auszugsweise Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Insbesondere der im Akt erliegenden Gutachten des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Linz, 18 U 49/03h. Im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3.11.2004, an welcher der Berufungswerber wegen eines Kosovoaufenthaltes und auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz aus dienstlichen Gründen nicht teilnehmen konnte, wurde als Zeuge H J als vorfallsbeteiligter Fußgänger einvernommen. Über Antrag wurde schließlich ein weiterer Termin zur Berufungsverhandlung zwecks unmittelbarer Anhörung des Berufungswerbers anberaumt und am 21.12.2004 durchgeführt. Der Berufungswerber reiste mit seinem Rechtsvertreter aus Kitzbühel zur Berufungsverhandlung an.

 

5. Klar gestellt wurden durch den Berufungswerber die Umstände und Motive die für eine diversionelle Regelung des gerichtlichen Verfahrens ausschlaggebend waren. Vom Berufungswerber wurde letztlich die objektive Möglichkeit einer Wahrnehmung bzw. einer Rückschlussmöglichkeit der angeblichen Tatsache des Kontaktes mit dem Fußgänger im Zuge dessen Überquerens des Schutzweges in Abrede gestellt.

Der Berufungswerber erklärte im Rahmen der Berufungsverhandlung glaubwürdig und mit seinen bisherigen Darstellungen gut im Einklang stehend, dass er von einem Kontakt mit dem Fußgänger (J) nichts bemerkt habe. Vielmehr habe er nur - nachdem er mit der Fahrzeugfrontseite den Schutzweg bereits passiert hatte - einen Schlag gegen seine Fahrzeugrückseite vernommen. Als er daraufhin in den Rück- bzw. Außenspiegel geblickt habe, habe er einen wild gestikulierenden Fußgänger wahrgenommen. Er habe sodann sehr wohl angehalten, sei aus dem Fahrzeug gestiegen, woraufhin ihn dieser Mann beschimpft habe, nichts aber von einer Streifung erwähnte. Nachdem er sein Fahrzeug im dortigen Bereich einparkte, weil dort in unmittelbarer Nähe sein Fahrziel war, er nochmals an der genannten Örtlichkeit vorbeikam, habe sich dort der Fußgänger nicht mehr befunden. Erst als er abends wieder nach Salzburg zurückkehrte wurde er von der Polizei über diesen angeblichen Unfall informiert. Selbst dort habe man noch den Handabdruck an der Fahrzeugrückseite vom Schlag des Passanten J feststellen können.

Die Vorfallsschilderungen des Berufungswerbers im Rahmen der Berufungsverhandlung decken sich im Ergebnis auch mit seinen Angaben am 25.10.2002 bei der Bundespolizeidirektion Salzburg. Demnach hielt der Berufungswerber nach etwa 10 m sein Fahrzeug an und nahm mit dem gestikulierenden Passanten verbalen Kontakt auf. Dieser habe ihn einen "Trottel und Depp" genannt und auf die Frage des Berufungswerbers, "ob etwas passiert sei geantwortet , er solle schauen, dass er weiterkomme".

Im Rahmen der persönlichen Befragung des Berufungswerbers, welcher immerhin durch seine weite Anreise seine subjektive Unschuldsüberzeugung zusätzlich illustrativ verdeutlichte, war ihm in seiner Verantwortung zu folgen gewesen. Er machte auch vor dem Oö. Verwaltungssenat persönlich einen sehr soliden Eindruck, sodass ihm geglaubt werden konnte, vom angeblichen Kontakt mit dem Fußgänger nichts bemerkt zu haben. Die Berufungsbehörde gelangt daher zur Überzeugung, dass der Berufungswerber von der angeblichen Streifung nichts bemerkte und auch aus der sich ihm bietenden Situation auch nichts merken musste.

Auch der im Fahrzeug des Berufungswerbers mitfahrende Sicherheitsdienstangestellte, F K bestätigte vor der Bundespolizeidirektion Salzburg am 29.10.2002 die Darstellungen des Berufungswerbers hinsichtlich der verbalen Interaktion mit dem Fußgänger inhaltsgleich. Dies bekräftigt einmal mehr die damals sachgerechte Einschätzung des Berufungswerbers, dass es für ihn keinen objektiven Anlass gab von einem Verkehrsunfall ausgehen zu müssen.

Der ebenfalls von der Berufungsbehörde einvernommene Zeuge J vermeinte, der Berufungswerber hätte die von ihm behauptete Streifung merken müssen. Die diversionelle Erledigung des strafgerichtlichen Verfahrens und der zivilrechtlichen Belange können für dieses sachlich nicht als präjudiziell herangezogen werden. Selbst der im gerichtlichen Verfahren beigezogene technische Kfz-Sachverständige, Dipl.-Ing. Dr. H S, verweist hinsichtlich der Verantwortung des Berufungswerbers hinsichtlich des Anhaltens nach dem Queren des Schutzweges auf die Beweiswürdigung. Auch aus dem medizinischen Gutachten lässt sich ein Nachweis eines Körperkontaktes nicht zwingend ableiten, er wird dort lediglich als nicht ausgeschlossen bezeichnet, wobei ebenfalls auf die richterliche Beweiswürdigung verwiesen wird (Seite 59 des Aktes).

Abschließend kann nur als gesichert davon ausgegangen werden, dass der nach rechts abbiegende Berufungswerber den Fußgänger nächst dem Schutzweg nicht wahrgenommen hat. Eine eingeschränkte Sicht könnte auch in der Beschaffenheit des kastenförmig und geschlossenen Fahrzeuges ergeben haben.

Ob letztlich die Darstellungen des Zeugen J hinsichtlich des Kontaktes mit dem Fahrzeug überhaupt den Tatsachen entsprechen ist hier nicht weiter zu untersuchen. Selbst wenn man davon aus ginge, dass der Fußgänger bei Grünlicht den Schutzweg betrat und er dabei vom Fahrzeug des Berufungswerbers mit dessen rechten Außenspiegel am linken Oberarm gestreift worden wäre, besagt dies nicht, dass im Verhalten des Zeugen nach diesem angeblichen Vorfall ein Rückschluss auf einen Unfall gezogen werden hätte müssen. Wie oben ausgeführt war dies offenkundig nicht der Fall.

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

6.1. Nach § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen,

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Voraussetzung für die Erfüllung der Tatbestände iSd § 4 Abs.1 lit. a und c, sowie § 4 Abs.5 StVO ist der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden sowie die Kenntnis des Täters hievon. Hinsichtlich des letzteren Umstandes genügt es wohl bereits, wenn ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit "eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden" zu erkennen vermocht hätte. Es reicht schon die Schuldform der Fahrlässigkeit - für das Erkennen müssen eines VU mit Sachschaden aus (VwGH 11.9.1979, ZfVB 1980/4/1233).

Voraussetzung für die Hilfeleistungspflicht und für die Anhaltepflicht sowie für die Meldepflicht ist der Eintritt einer unfallskausalen - auf das Verschulden kommt es nicht an - Verletzung einer anderen Person und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt dieser Verletzung, wobei der Tatbestand schon dann erfüllt ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen können, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Personenverletzung zu erkennen vermocht hätte (VwGH 12.9.1984, mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 und VWGH 15.4.1983, 81/02/0248).

Da hier - wie im Rahmen der obigen Feststellungen ausführlich würdigend dargelegt - der Berufungswerber mit dem Fußgänger nachweislich Kontakt aufgenommen hat, er aber von diesem nur gröblich beschimpft wurde, wobei es naheliegend gewesen wäre bei dieser Gelegenheit eine Erwähnung vom Unfall bzw. der Streifung zu machen, können diese Voraussetzungen hier nicht angenommen werden.

 

6.2. Rechtlich folgt hier iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG, dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 
 

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