Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-160129/6/Br/Gam

Linz, 22.12.2004

 VwSen-160129/6/Br/Gam Linz, am 22. Dezember 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau M K, H B S M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, vom 19. November 2004, VerkR96-27784-2004, nach der am 22. Dezember 2004 im Rahmen eines Ortsaugenscheines durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
 
 

I. Der Berufung wird in Bestätigung des Schuldspruches mit der Maßgabe Folge gegeben, dass in Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen wird.
 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 10/2004 - AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 Abs.1 VStG.
 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 38 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 36 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Stunden verhängt, weil sie am 6.10.2004 um 16.05 Uhr mit dem Pkw mit dem Kennzeichen in Kirchdorf von der Schmideggstraße an der Kreuzung mit der B 138 trotz Gelblicht an der Verkehrslichtsignalanlage nach links abgebogen sei, anstatt an der Haltelinie anzuhalten. Dieses wäre für sie noch sicher möglich gewesen.

 

 

2. Die Behörde erster Instanz stützte ihre Entscheidung substantiell auf die dienstliche Wahrnehmung des Meldungslegers, welcher in einer Fahrzeugkolonne auf der B 130 in Richtung Kirchdorf fahrend mit seinem Dienstmotorrad angehalten hatte. Dabei habe er beobachtet, dass die Berufungswerberin noch nach links in die B 138 eingebogen habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Ampel auf der B 138 "auf Grün umgesprungen" sei.
 
 

3. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht am 25.11.2004 bei der Bezirkshauptmannschaft protokollarisch eingebrachten Berufung. Darin wird unter Hinweis auf einen Zeugen im Ergebnis ausgeführt, dass in die Kreuzung noch bei grün blinkendem Licht eingefahren worden sei.
 

3.1. Die Erstbehörde hat den Akt in Form eines ungebundenen und nicht durchnummerierten Konvoluts zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Da sich das Berufungsvorbringen in der Substanz gegen den Tatvorwurf in seiner Gesamtheit richtet, war in Wahrung der gemäß Art. 6 MRK intendierten Rechte eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und auszugsweise Verlesung des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung; bereits vor der Berufungsverhandlung wurde die Kreuzung hinsichtlich der Breite des Kreuzungstrichters durch Beischaffung eines Ortsfotos (Luftbild) nachvollzogen. Vor Ort wurde die Schaltphase vom Aufleuchten des Gelblichtes in Fahrtrichtung die Berufungswerberin bis zum Grünlicht auf der B 138 festgestellt. Anlässlich der Berufungsverhandlung, an welcher sowohl die Berufungswerberin als auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teilnahm, wurde der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen. Auch die Berufungswerberin wurde zur Sache vernommen bzw. ihr Gelegenheit eröffnet, den Sachverhalt aus ihrer Sicht nochmals darzutun.

 

5. In der Sache war folgender Sachverhalt als erwiesen anzunehmen:

 
Zur Vorfallsörtlichkeit und zum Verhaltensablauf:

Die Fahrbahnbreite beträgt im Schutzwegbereich sowohl in der Schmideggasse als auch der B 138 etwa 10 m. Der Standort des Meldungslegers auf der B 138 hat sich zum Zeitpunkt der Beobachtung des Linksabbiegevorganges die Berufungswerberin ca. 75 m hinter dem Kreuzungsmittelpunkt befunden. Der Zeuge hatte keine Sicht auf die 20 m hinter die von der Verkehrslichtsignalanlage (Schutzweg) 20 m zurückgesetzte Haltelinie der Schmideggstraße. Im Zuge des Einbiegevorganges haben sich drei Fahrzeuge vor dem Fahrzeug die Berufungswerberin befunden, sodass diese zwangsläufig bereits die Haltelinie passiert haben musste ehe sie den Abbiegevorgang einleiten konnte. Im Rahmen des Ortsaugenscheins wurde festgestellt, dass in der Ampelschaltung keine zeitliche Überschneidung in den Phasen gegeben sind, d.h. bei Aufleuchten des Rotlichtes an der Schmideggstraße - der eine etwa vier Sekunden währende Gelblichtphase vorausgeht - schaltet die Ampel auf der B 138 auf Grünlicht. Der Meldungsleger erblickte, wie er im Zuge des Ortsaugenscheins ausführte, beim Umschalten der Lichtanlage auf der B 138 auf "Grün" die Berufungswerberin im Abbiegevorgang auf Höhe der rechten Fahrspur der B 138. Wenn nun, wie im Rahmen des Ortsaugenscheins ebenfalls festgestellt wurde, der Abbiegevorgang etwa vier Sekunden in Anspruch nimmt und gleichzeitig die Gelblichtphase ebenfalls vier Sekunden dauert, besagt dies, dass die Berufungswerberin erst bei schon ca. 1,5 Sekunden aufleuchtenden Gelblicht die Schutzwegkante erreicht haben konnte. Auf Grund der sich zwingend ergebenden geringen Fahrgeschwindigkeit beim Abbiegevorgang nach links oder rechts, besteht kein Zweifel daran, dass hier die Berufungswerberin noch vor dem Schutzweg hätte anhalten können, was hier jedoch im Sinne der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs - insbesondere mit Blick auf einen allenfalls einbiegenden Bus - kontraproduktiv gewesen wäre (Berechnung siehe unten). Diese Überlegungen lassen einerseits die der Anzeigeerstattung grundgelegten Schlussfolgerungen als schlüssig nachvollziehen, wenngleich andererseits von hier nicht über die Zweckmäßigkeit der zu diesem Verfahren führenden Vorgehensweise des Anzeigelegers zu befinden ist.

Im Rahmen des Ortsaugenscheins war nämlich auch festzustellen, dass wegen der zwanzig Meter hinter der Kreuzung liegenden Haltelinie (dies wegen der Abbiegemöglichkeit der Linienbusse) und einer nur 35 Sekunden währenden Grünphase auf der Schmideggstraße, in der Praxis zahlreiche Fahrzeuge "noch bei Gelblicht" den Abbiegevorgang in die B 138 ausführen [müssen]. Dies ergibt sich aus der kurzen Zeitspanne die zwischen dem Passieren der zwanzig Meter zurückversetzen Haltelinie bis zum Erreichen des Fahrbahnrandes verbleibt. Es ergibt sich somit zwingend aus der hier geschaffenen Realität, dass im Falle mehrerer in der Schmideggstraße die Grünphase abwartender Fahrzeuglenker ein weiter hinten eingereihter Fahrzeuglenker ab dem Überqueren der Haltelinie häufig nicht die Zeitspanne bis zum Einbiegen absehen wird können. Ergibt sich demnach bei einem Vorderfahrzeug - etwa durch einen auf dem Schutzweg die B 138 überquerenden Fußgänger - eine Verzögerung, führt dies fast zwangsläufig zu einem Ein- bzw. Durchfahren der Kreuzung bei Gelblicht, widrigenfalls ein bis zwei Fahrzeuge zwischen der Haltelinie und dem Schutzweg "hängen blieben" was jedoch im Falle eines von der B 138 nach rechts in die Schmiedeggstraße abbiegenden Linienbusses diesen Vorgang erschweren oder gar verunmöglichen könnte und zwangsläufig zu einer Verkehrsbehinderung führen würde. Im Rahmen der Berufungsverhandlung konnten keine Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass die Berufungswerberin mit ihrem offenkundig bei Gelblicht noch eingeleiteten Abbiegevorgang eine Behinderung und schon gar eine Gefährdung des auf der
B 138 noch vor der Haltelinie stehenden Fahrzeuges verursacht haben könnte.

 

5.1. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Gelbes blinkendes Licht gilt unbeschadet der Vorschriften des § 53 Z10a StVO 1960 über das Einbiegen der Straßenbahn bei gelbem Licht als Zeichen für "Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des Abs.7 (Anm.: Spurensignale) anzuhalten:

a) wenn eine Haltelinie vorhanden ist, vor der Haltelinie;

b) wenn ein Schutzweg ohne Haltelinie vorhanden ist, vor dem Schutzweg;

c) wenn eine Kreuzung ohne Schutzweg und ohne Haltelinie vorhanden ist, vor der Kreuzung;

d) ansonsten vor dem Lichtzeichen....... (§ 38 Abs.1 StVO 1960).

 

5.1.1. Dazu ist noch zu bemerken, dass selbst bei Aufleuchten des gelben Lichtes noch nicht unter allen Umständen die Pflicht zum Anhalten des Fahrzeuges besteht; vielmehr darf in jenen Fällen, in denen ein Anhalten nicht mehr (sicher) möglich ist, die Kreuzung noch durchfahren werden. Es ist also von ausschlaggebender Bedeutung, in welchem Punkt vor der Kreuzung sich das Fahrzeug befand, als der Wechsel des Lichtes von Grün auf Gelb erfolgte. So ist ein verkehrssicheres Anhalten dann nicht mehr möglich, wenn bei Beginn der Gelbphase die Entfernung des Fahrzeuges von der Kreuzung (Abs.1 lit.a bis lit.d) geringer ist als die Länge des Bremsweges zuzüglich des halben Reaktionsweges (verkürzt wegen der Grünblinkphase); das entspricht bei einer hier beim Abbiegevorgang mit 10 km/h anzunehmenden Fahrgeschwindigkeit etwa 2,2 m (0,8 m + 1,4 m) [vgl. Benes-Messiner, Kommentar zur StVO, 8. Auflage, Seite 510 ff., Anm. 2, sowie E 1, 4 und 5]. Dies belegt, dass die Berufungswerberin sehr wohl beim Aufleuchten des Gelblichtes bei einer Dauer des Anhalteweges von 1,47 Sekunden noch leicht vor dem Schutzweg hätte anhalten können, wenngleich dies, wie oben bereits festgestellt, sich im konkreten Fall eher kontraproduktiv auswirken hätte können und demnach die Entscheidung die Berufungswerberin durchaus als praxisnah qualifiziert werden kann.

 

5.2. Nach § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde auch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den/die Beschuldigte(n) jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines/ihres Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den/die Beschuldigte(n) von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Wohl bedarf es hier aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates einer Ermahnung um die Berufungswerberin die einschlägige Rechtslage bewusst zu machen künftighin ihr Bewusstsein zur Gelblichtproblematik zu schärfen. Dies vor allem mit Blick darauf, weil die Berufungswerberin in unzutreffender Weise davon ausgegangen zu sein scheint noch bei Grün in die Kreuzung eingefahren zu sein. Unter den hier gegebenen Umständen ergibt sich andererseits ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG (vgl. dazu VwGH 27.2.1992, 92/02/0033).

Wie selbst aus dem Tenor des o.a. Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hervorleuchtet, zielt die Rechtsnorm des § 21 VStG auf eine zu ermöglichende Einzelfallgerechtigkeit ab.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Ergeht an:

 

 

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum