Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160147/9/Sch/Pe

Linz, 31.05.2005

 

 

 VwSen-160147/9/Sch/Pe Linz, am 31. Mai 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn Dr. G H vom 5. Dezember 2004 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 19. Oktober 2004, VerkR96-7321-2004, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 24. Mai 2005 zu Recht erkannt:
 

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt ergänzt wird: "... wäre, da der zeitliche Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug 0,43 Sekunden betragen hat."
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 14 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 19. Oktober 2004, VerkR96-7321-2004, wurde über Herrn Dr. G H, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 70 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil er am 28. Juli 2004 um 9.56 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf der Westautobahn A 1 im Gemeindegebiet von Vorchdorf in Fahrtrichtung Salzburg gelenkt habe, wobei er auf Höhe Strkm. 210,400 beim Fahren hinter dem nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 7 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Anlässlich der eingangs erwähnten Berufungsverhandlung wurde in die relevante Videoaufzeichnung Einsicht genommen und diese vom beigezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen fachlich erläutert. Hierauf ist ersichtlich, dass der Berufungswerber über die gesamte Aufzeichnungslänge hin, etwa 10 Sekunden, den gleichbleibend geringen Abstand zum Vordermann einhält. Weder ein Abbremsmanöver dieses Fahrzeuglenkers noch ein allfälliger Fahrstreifenwechsel des selben oder eines anderen vor dem Fahrzeug des Berufungswerbers sind auf dem Film dokumentiert. Vielmehr ist ersichtlich, dass der Berufungswerber die Lichthupe betätigt hat, also offenkundig auf den Vordermann einwirken wollte, dass dieser möglicherweise schneller fahren oder einen Fahrstreifenwechsel - die Fahrzeuge benützen den linken Fahrstreifen - durchführen sollte.

 

Vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen wurde die gegenständliche Abstandsermittlung aus fachlicher Sicht einwandfrei gestützt und diese Aussage auch schlüssig begründet. Damit war sie von der Berufungsbehörde ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.

 

Generell ist noch Folgendes anzufügen:

Der Anhalteweg für den Lenker eines Fahrzeuges besteht bekanntlich aus dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Als Abstand beim Hintereinanderfahren ist zumindest der Reaktionsweg einzuhalten, welcher die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke darstellt. Die Reaktionszeit (die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung) beträgt ca. eine Sekunde. Sie umfasst die (vermeidbare) "Schrecksekunde" (bis zu einer halben Sekunde) und die eigentliche (nicht vermeidbare) Reaktionszeit.

 

Die Reaktionszeit ist von persönlichen und äußeren Umständen abhängig, wobei durch persönliche Umstände eine Verkürzung, etwa durch eingeschliffene Reaktionshandlungen, gute Disposition (z.B. Ausgeruhtsein), überdurchschnittliche Veranlagung, Jugendlichkeit, Erwartungsspannung, etc. erfolgen kann. Andererseits ist auch eine Verlängerung möglich, etwa aufgrund Ermüdung, minderer Begabung, Unaufmerksamkeit (z.B. Unterhaltung mit einem Beifahrer) etc.

 

Äußere Faktoren, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit führen können, sind übersichtliche Verkehrssituationen, prägnanter Wahrnehmungsgegenstand, etc. Demgegenüber kann eine Verlängerung der Reaktionszeit bewirkt werden durch komplizierte und seltene Verkehrssituationen, weniger auffällige Wahrnehmungsgegenstände, etc.

 

Bei diesem Durchschnittswert von einer Sekunde verbleibt naturgemäß kaum eine Sicherheitsreserve, weshalb bei der Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern in Fahrschulen ein Mindestabstand von zwei Sekunden für den Regelfall als geboten angesehen und daher entsprechend vermittelt wird.

 

Eine Unterschreitung des Ein-Sekunden-Abstandes bewirkt sohin grundsätzlich eine potenzielle Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, und zwar nicht nur des vorausfahrenden Fahrzeuglenkers, sondern auch anderer, die bei Auffahrunfällen lebensnah zudem zu Schaden kommen können.

 

Der Berufungswerber hat gegenständlich zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker lediglich einen Sicherheitsabstand von 0,43 Sekunden eingehalten, welcher bei einer Fahrgeschwindigkeit von 104 km/h einen Abstand von ca. 12 m darstellt.

Auf der anlässlich der Berufungsverhandlung eingesehenen Videoaufzeichnung ist einwandfrei erkennbar, dass sich dieser Vorgang über eine längere Wegstrecke abgespielt hat.

 

Angesichts des damit verbundenen beträchtlichen Gefährdungspotenziales kann keinesfalls von einem geringfügigen Unrechtsgehalt dieser Übertretung ausgegangen werden. Dazu kommt noch, dass solche Delikte in der Regel einem Fahrzeuglenker nicht nur fahrlässig unterlaufen, sondern - zumindest bedingt - vorsätzlich in Kauf genommen werden.

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Für die Berufungsbehörde besteht kein Zweifel, dass - entgegen der offenkundigen Ansicht des Rechtsmittelwerbers - er eine Übertretung dieser Bestimmung zu verantworten hat.

 

Für den Fall, dass entsprechend dem Berufungsvorbringen, diese Nachfahrt ("Drängelei") schon längere Zeit stattgefunden haben sollte und darin begründet gewesen wäre, dass der Lenker des vor dem Berufungswerber fahrenden Fahrzeuges vorher (auf der Aufnahme jedenfalls nicht dokumentiert) unmotivierte Abbrems- und Beschleunigungsmanöver durchgeführt haben sollte, so wäre das Verhalten des Berufungswerbers damit auch nicht entschuldigt. Im Gegenteil:

Zur Vermeidung einer zusätzlichen Gefahr wäre von einem nachfahrenden Fahrzeuglenker vielmehr zu erwarten, dass er zu einem solchen im Sinne des Vertrauensgrundsatzes bzw. der im Gesetz definierten Ausnahmen davon eben nicht knapp auffährt.

 

Hinsichtlich Strafbemessung wird auf das angefochtene Straferkenntnis verwiesen. Angesichts der obigen Ausführungen zum Unrechtsgehalt der Tat und zum Verschulden des Berufungswerbers kann die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von 70 Euro keinesfalls als unangemessen - jedenfalls nicht als unangemessen hoch, eher im gegenteiligen Sinn - angesehen werden.

 

Die Ergänzung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses ist in § 44a VStG und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet. Hiezu war die Berufungsbehörde aufgrund einer fristgerechten Verfolgungshandlung, die die relevanten Tatbestandselemente enthalten hat, nämlich die Strafverfügung vom 30. Juli 2004, berechtigt.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

 
 

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