Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160151/2/Fra/He

Linz, 09.02.2005

 

 

 VwSen-160151/2/Fra/He Linz, am 9. Februar 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn AA, H-........, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25. November 2004, VerkR96-26438-2004, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis - ohne Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens - behoben wird.

 

II. Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG.

zu II.: §§ 66 Abs.1 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 600 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 192 Stunden) verhängt, weil er am 25.11.2004 um 10.55 Uhr im Gemeindegebiet Ansfelden auf der A1 bei Kilometer 169,290 in Richtung Salzburg das Kraftfahrzeug entgegen dem Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 100 km/h" mit einer Geschwindigkeit von 170 km/h gelenkt hat. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

 

I.3. Der Bw bringt in seiner Berufung vor, dass bei der Anhaltung sein Fahrgast beim Übersetzen geholfen hätte. Die Polizisten hätten ihm alle seine Dokumente, sein Geld und seine Autoschlüssel weggenommen. Darüber habe er keine Quittung bekommen. Während die zwei Polizisten ihn wegen einer unbewiesenen Verkehrssünde bedroht haben, dass sein Führerschein und Reisepass eingezogen werden und dass er eingesperrt werde, sei er nach Linz zum Kommissariat gebracht worden. Man habe hier keine Dolmetscher zur Verfügung gestellt, er habe sein Handy auch nicht benützen dürfen. Die Polizisten hätten 660 Euro ohne seine Zustimmung aus seinem Geld für eine Strafe weggenommen. Auch seinem Fahrgast seien seine Dokumente weggenommen worden, obwohl dieser mit dieser Sache nichts zu tun gehabt hat. Er habe ihm auch den Autoschlüssel nicht geben dürfen und habe drei Stunden in einem ungeheizten Vorraum der Autobahnpolizei warten müssen. Erst als ihm zuhause das Protokoll übersetzt wurde, sei ihm klar geworden, dass dies nichts anderes als ein Geständnis ist. Da er praktisch zum Unterschreiben gezwungen worden sei, ohne den Inhalt dessen zu kennen - dies habe er auf Seite 2 auch bekannt gegeben - könne er auch mit dessen Inhalt nicht einverstanden sein.

 

I.4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

I.4.1. Auf Seite 2 des angefochtenen Straferkenntnisses ist ein Rechtsmittelverzicht beurkundet. Aus dem Akt geht hervor, dass der Bw nach der Anhaltung über Auftrag von Dr. Z vorgeführt wurde. Daraus resultiert, dass er noch "angehalten" war, weshalb gemäß § 51 Abs.4 VStG der unterzeichnete Berufungsverzicht nicht wirksam ist. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass im Hinblick auf die zumindest vorläufige Freiheitsbeschränkung der Begriff "Anhaltung" iSd § 51 Abs.4 VStG nicht zu rigide interpretiert werden kann, zumal diese Bestimmung den Zweck verfolgt, jeden Druck von einem Vorgeführten zu nehmen. Da sohin der abgegebene Rechtsmittelverzicht aus diesem (rechtlichen) Grund nicht wirksam ist, war im Hinblick darauf, dass der Bw offenbar der deutschen Sprache hinlänglich nicht mächtig ist, um sich der Tragweite eines Rechtsmittelverzichtes bewusst zu sein, nicht näher zu untersuchen, ob bei der Abgabe dieses Rechtsmittelverzichtes (auch) ein Willensmangel vorgelegen ist.

 

I.4.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat in ständiger Rechtsprechung bereits mehrfach betont, dass es ihm schon von verfassungswegen verwehrt ist, substanzielle Versäumnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens aus Eigenem zu substituieren und so die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und statt dessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Art.6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozess (vlg. Art.90 Abs.2 B-VG) und damit die strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates ist so zu verstehen, dass das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann. Ein vom Unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw. korrigierender Art sein.

 

§ 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert kann daher nur bedeuten, dass der Unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs.2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstinstanz begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstinstanz lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet) berechtigt ist, ohne dass damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden ist. Daraus ergibt sich auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des VwGH, der - wie etwa im Erkenntnis vom 4.9.1992, 92/18/0353, deutlich wird - davon auszugehen scheint, dass mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vlg. zB VwGH vom 8.10.1992, 92/18/0391, 0392). Hinzuzufügen ist, dass, auch wenn der Unabhängige Verwaltungssenat als Tatsacheninstanz konzipiert ist, diesem nicht das gesamte Beweisverfahren aufgebürdet werden kann. Der Beschuldigte hat einen Anspruch auf zwei Instanzen. Dieser Rechtsanspruch darf auch durch das Unterlassen eines erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens nicht verkürzt werden. Das erstinstanzliche "Verfahren" besteht lediglich aus der Anzeige der Verkehrsabteilung- Außenstelle H sowie aus dem Geständnis des Bw, welches jedoch auf Grund seiner mangelnden Sprachkenntnisse und der Nichtbeiziehung eines Dolmetschers zu relativieren ist.

 

Die Erstinstanz wird daher das Verfahren durch zeugenschaftliche Einvernahme der Meldungsleger und/oder allenfalls weiterer Beweisaufnahmen zu führen haben, woraus entweder die Einstellung des Verfahrens oder die Erlassung eines Straferkenntnisses resultieren wird. Sollte das Verfahren mittels Straferkenntnis abgeschlossen werden, steht es dem Bw frei, dagegen ein Rechtsmittel zu ergreifen.

 
II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Dr. F r a g n e r

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