Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160454/10/Kei/Ps

Linz, 28.02.2006

 

 

 

VwSen-160454/10/Kei/Ps Linz, am 28. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung der S W, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. J P, S, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 22. Februar 2005, Zl. VerkR96-7119-2003, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2006, zu Recht:

 

  1. Der Berufung wird im Hinblick auf die Schuld keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die Strafe wird der Berufung insoferne teilweise Folge gegeben als die Geldstrafe auf 140 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Stunden herabgesetzt wird.
  2.  

    Rechtsgrundlage:

    § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 51 Abs.1 VStG.

     

  3. Die Berufungswerberin hat als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 % der verhängten Strafe, das sind 14 Euro, zu leisten. Die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat hatte hingegen zu entfallen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses lautet (auszugsweise Wiedergabe):

"Sie haben als Zulassungsbesitzerin des Kombis mit dem Kennzeichen trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 3.4.2003, Zl. VerkR96-3095-2003, hinterlegt am 8.4.2003, nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der Behörde Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug am 30.3.2003 um 09.12 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilten kann, zumal Sie am 17.4.2003 bekannt gaben, dass Herr J W, S, S, diese Auskunft erteilen kann, Herr W jedoch am 15.7.2003 angab, dass Sie die Auskunft erteilen können.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 103 Abs. 2 KFG 1967

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

170 Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

72 Stunden

Gemäß

§ 134 Abs. 1 KFG 1967

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

17 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 187 Euro".

 

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

Die Berufungswerberin (Bw) brachte in der ausführlichen Berufung im Wesentlichen vor, dass sie die über sie verhängte Geldstrafe verletze in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und auch wegen Anwendung der baugesetzwidrigen Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG und auch wegen Verstoßes gegen den ordre public.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 1. April 2005, Zl. VerkR96-7119-2003, und in das Schreiben der Bw vom 3. Februar 2006 Einsicht genommen und am 13. Februar 2006 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Oö. Verwaltungssenat zweifelt nicht am Vorliegen des Sachverhaltes, der durch die im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), zum Ausdruck gebracht wird.

Die Gestaltung des letzten Satzes der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen der Bundesverfassung und nicht im Widerspruch zu Art. 6 EMRK. Der Verfassungsgerichtshof verwies auf das in dieser Bestimmung normierte rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft (iSd § 103 Abs.2 KFG 1967) nachkommen zu können glaubt. Sehr wohl hob der Verfassungsgerichtshof auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gemäß Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses hervor (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985, VfGH vom 29.9.1988, Zl. G72/88 u.a. Erkenntnisse).

Hingewiesen wird darauf, dass der Verfassungsgerichtshof mit dem Grundsatz "nemo tenetur" als unvereinbar hervorhob, wenn ein Gesetz die Partei zwingt, etwa ein allefalls den Gegenstand einer Beschlagnahme bildendes Beweismittel zu schaffen, welches im Verfahren gegen die Partei selbst verwendet werden kann. Dies - so der Verfassungsgerichtshof - würde im Ergebnis einer unfreiwilligen Selbstbeschuldigung gleichkommen. Laut Verfassungsgerichtshof gilt für den Anklageprozess, dass der Beschuldigte nicht Objekt des Verfahrens sondern Subjekt, also Prozesspartei, ist. Dem Anklageprinzip würde es demnach widersprechen, den Beschuldigten durch Zwang zu einem Geständnis der strafbaren Handlung zu veranlassen. Dies sei mit der Parteistellung des Beschuldigten unvereinbar. Aus den dargelegten Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass etwa eine Regelung des Finanzstrafgesetzes über die Beschlagnahme im Ergebnis dem aus Art. 90 Abs.2 B-VG abzuleitenden Verbot eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung widersprach (VfSlg. 10291 mit Hinweis auf VfSlg. 5235/1966). Nach bisher ständiger Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichtshofes liegt aber der Zweck der Regelung des § 103 Abs.2 KFG 1967 in der jederzeitigen Feststellungsmöglichkeit eines KFZ-Lenkers (siehe z.B. VwGH vom 29.9.1993, Zl. 93/02/0191).

Der objektive Tatbestand der der Bw vorgeworfenen Übertretung wurde verwirklicht.

Das Verschulden der Bw wird - ein Rechtfertigungsgrund oder ein Schuldausschließungsgrund liegt nicht vor - als Vorsatz qualifiziert. Diese Beurteilung ergibt sich daraus, dass die Bw im Schreiben vom 3. Februar 2006 zum Ausdruck gebracht hat, dass sie selbst im gegenständlichen Zusammenhang das KFZ gelenkt hat. Die Schuld der Bw ist nicht geringfügig iSd § 21 Abs.1 erster Satz VStG.

 

Zur Strafbemessung:

Dem gegenständlichen Verwaltungsakt ist nicht zu entnehmen, dass eine die Person der Bw betreffende Vormerkung in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht, die zur gegenständlichen Tatzeit in Rechtskraft erwachsen gewesen ist und die noch nicht getilgt ist, vorliegt. Der Oö. Verwaltungssenat geht davon aus, dass keine solche Vormerkung vorliegt. Diese Beurteilung hat zur Konsequenz, dass der Milderungsgrund des § 34 Abs.1 Z2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG zum Tragen kommt. Das gegenständliche Verfahren hat aus einem nicht von der Bw oder von ihrem Vertreter zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert.

Deshalb kommt der Milderungsgrund des § 34 Abs.2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG zum Tragen. Ein weiterer Milderungsgrund liegt nicht vor. Ein Erschwerungsgrund liegt nicht vor.

Durch die Tatsache, dass ein Lenker nicht bekannt gegeben wird, ist es der Behörde nicht möglich, die Person, die das Grunddelikt begangen hat, festzustellen. Dadurch wird der Strafanspruch des Staates beeinträchtigt.

Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretung ist beträchtlich.

Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Bw wird von folgenden Grundlagen ausgegangen: Einkommen: 1.100 Euro netto pro Monat, Vermögen: keines, Sorgepflicht: keine.

Auf das Ausmaß des Verschuldens wird Bedacht genommen.

Der Aspekt der Generalprävention wird berücksichtigt. Der Aspekt der Spezialprävention wird nicht berücksichtigt.

Die Strafe wurde herabgesetzt, weil der Oö. Verwaltungssenat bei der Strafbemessung von für die Bw günstigeren Grundlagen ausgegangen ist als dies durch die belangte Behörde erfolgt ist.

Es war spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorzuschreiben. Da der Berufung teilweise Folge gegeben wurde, sind für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Kosten zu leisten (§ 65 VStG).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Keinberger

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 21.04.2006, Zl.: 2006/02/0075-2

 

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