Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160465/6/Ki/An

Linz, 19.05.2005

 

 

 VwSen-160465/6/Ki/An Linz, am 19. Mai 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des J S, P, P, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W D und Dr. H M, K, L vom 18.3.2005 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 1.3.2005, VerkR96-4720-2002-Gg, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 17.5.2005, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, dass die verhängte Geldstrafe auf 150 Euro bzw. die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass nach der Wortfolge "..... 0,35 sec. entspricht" anstelle des Beistriches ein Punkt gesetzt wird und der restliche Satzteil entfällt.

 

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der erstinstanzlichen Behörde wird auf 15 Euro herabgesetzt. Für das Berufungsverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu entrichten.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG

zu II: §§ 64 und 65 VStG

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Straferkenntnis vom 1.3.2005, VerkR96-4720-2002-Gg, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 2.10.2002 um 16.21 Uhr im Gemeindegebiet Linz, auf der Mühlkreisautobahn A7 auf Höhe Strkm 15,7 in Fahrtrichtung Nord den PKW, Kennz. FR, gelenkt und beim Fahren hinter dem nächst vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 105 km/h nur einen Abstand von 10 Meter eingehalten habe, was einem Sekundenabstand von 0,35 sec. entspricht, obwohl ein Mindestabstand von 29,17 m, was einem Sekundenabstand von einer Sekunde entspricht, einzuhalten gewesen wäre. Er habe dadurch § 18 Abs.1 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 181 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 18,10 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 18.3.2005 Berufung mit dem Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wolle dieser Berufung nach Durchführung der beantragten Beweismittel Folge geben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Bemängelt wird im Wesentlichen die Nichtdurchführung diverser beantragter Beweisaufnahmen.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 17.5.2005. An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber im Beisein einer Rechtsvertreterin teil, die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat sich entschuldigt. Als technischer Amtssachverständiger wurde als technischer Amtsrat Ing. R H beigezogen.

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der BPD Linz vom 4.10.2002 zu Grunde. Die verfahrensgegenständliche Messung erfolgte im Rahmen eines Verkehrsüberwachungsdienstes mit einem stationär aufgebauten Videoaufzeichnungsgerät VKS 3.0. Die Messung der Geschwindigkeit ergab einen Messwert von 109 km/h, abzüglich der vorgesehenen Toleranz (4 km/h) ergibt sich ein vorwerfbarer Wert von 105 km/h. Daraus errechnete sich ein Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug von 10 Meter (bzw. 0,35 sec.). Die Verwaltungsübertretung wurde auf Video aufgezeichnet.

 

Das Messgerät war zum Vorfallszeitpunkt geeicht, der verkehrstechnische Amtssachverständige hat dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat zunächst gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung (VerkR96-4720-2002 vom 30.12.2002) erlassen und dem Berufungswerber die in der Anzeige angeführten Werte bezüglich des eingehaltenen Abstandes (10 Meter bzw. 0,35 sec.) vorgehalten.

 

Zu Folge eines Einspruches wurde das Ermittlungsverfahren eingeleitet und das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat bereits im erstbehördlichen Verfahren den Vorfall gutächtlich beurteilt und die Richtigkeit der Messung bestätigt. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung erläuterte der technische Amtssachverständige diese gutächtliche Beurteilung und führte weiters die Videofrequenz des gegenständlichen Vorfalles vor. Er habe die Messung anhand eines von der Gendarmerie bzw. von der Polizei unabhängigen Systems überprüft und ein Vergleich habe Übereinstimmung ergeben, weshalb die in der Anzeige festgestellten Werte richtig sind. Danach ergibt sich, dass der Berufungswerber tatsächlich einen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug von 0,35 sec. (unter Berücksichtigung sämtlicher Toleranzwerte) eingehalten hat.

 

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug abgebremst wird.

 

Es ist allgemein bekannt, dass der Reaktionsweg von Reaktionszeit und Geschwindigkeit linear abhängig ist. Für die Reaktionszeit gilt laut Ausführung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in der Regel ein von den äußeren Umständen abhängiger Richtwert von etwa 0,8 bis 1,2 Sekunden, bei längeren monotonen Fahrten bis zu 2,5 Sekunden. Von Gerichten werden in Fällen, in denen vom Lenker erhöhte Aufmerksamkeit erwartet werden kann, auch niedrigere Werte (0,6 bis 0,8 Sekunden) angenommen, dies aber bei Kraftfahrern, die besonders vorsichtig und bremsbereit fahren müssen.

 

Allgemein muss auch festgestellt werden, dass, wenn der Abstand kleiner als die Reaktionszeit ist, es unweigerlich zu einem Auffahrunfall kommt, wenn das vordere Fahrzeug voll abgebremst wird, wobei das Kuratorium für Verkehrssicherheit einen Abstand von weniger als einer Sekunde grundsätzlich als sehr bedenklich erachtet.

 

Im gegenständlichen Falle hat die Messung bzw. die Videosequenz eindeutig belegen können, dass der Berufungswerber tatsächlich nur einen Abstand von 0,35 Sekunden zum vorderen Fahrzeug eingehalten hat. An der Richtigkeit der Messung hegt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich keine Zweifel und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche die Funktionstüchtigkeit des - geeichten - Messgerätes in Frage stellen würden. Die diesbezüglich vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen getroffenen gutächtlichen Äußerungen werden als schlüssig anerkannt.

 

Geht man davon aus, dass jederzeit mit Situationen gerechnet werden muss, welche auch eine Verlängerung der Informationsverarbeitungszeit bedingen könnten, kann bei einer ex ante Betrachtung keinesfalls gesagt werden, dass der festgestellte Abstand ausreichend wäre, dies auch nicht bei geübten Fahrern und sonstigen optimalen Voraussetzungen.

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich kommt daher zum Ergebnis, dass der Berufungswerber den ihm zur Last gelegten Sachverhalt in objektiver Hinsicht verwirklicht hat. Was die subjektive Tatseite anbelangt, so sind keine Umstände hervorgekommen, welche den Berufungswerber entlasten würden.

 

Die Spruchmodifizierung wurde vorgenommen, zumal diese Merkmale für den Schuldspruch nicht wesentlich sind.

 

I.7. Was die Straffestsetzung (§ 19 VStG) anbelangt, so ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

 

Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Dazu wird zunächst festgestellt, dass das Nichteinhalten des erforderlichen Sicherheitsabstandes eine gravierende Übertretung der Straßenverkehrsordnung darstellt. Das geringe Ausmaß eines Sicherheitsabstandes bedingt, dass unter Umständen ein Auffahrunfall mit gravierenden Folgen unvermeidlich werden könnte. Im Interesse der Verkehrssicherheit, insbesondere zum Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit, ist daher aus generalpräventiven Gründen eine entsprechend strenge Strafe geboten.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat bei der Strafbemessung die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers berücksichtigt, diese wurden bei der mündlichen Berufungsverhandlung nicht bestritten. Mildernd wurde die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet, Erschwerungsgründe wurden keine festgestellt.

 

Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass bei dem vorgesehenen Strafrahmen die von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vorgenommene Strafbemessung im Rahmen des Ermessens gesehen werden könnte. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass seit der Tatbegehung und der nunmehr endgültigen Berufungsentscheidung ein Zeitraum von mehr als 2 1/2 Jahren liegt. Art.6 Abs.1 EMRK bestimmt, dass jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache innerhalb angemessener Frist gehört wird. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass es gemäß § 19 VStG iVm § 34 Abs.2 StGB auch ein Milderungsgrund ist, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lang gedauert hat (VfGH D4/01 vom 5.12.2001). Nachdem im vorliegenden Falle die lange Verfahrensdauer nicht vom Berufungswerber bzw. seinem Verteidiger zu vertreten ist, hat diese bei der Strafbemessung als Milderungsgrund Berücksichtigung zu finden, weshalb aus diesem Grunde eine Herabsetzung der Geld- bzw. der Ersatzfreiheitsstrafe geboten war.

 

Zu berücksichtigen sind bei der Festlegung des Strafausmaßes ferner spezialpräventive Gründe. Durch eine entsprechend strenge Bestrafung soll dem Täter das Unrechtmäßige seines Verhaltens spürbar vor Augen geführt werden und es soll überdies die Bestrafung dazu führen, den Beschuldigten vor weiteren Übertretungen gleicher Art abzuhalten. Aus diesem Grunde ist eine weitere Herabsetzung der Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe im vorliegenden Falle nicht vertretbar.

 

I.8. Zusammenfassend wird festgestellt, dass der Berufungswerber weder durch den Schuldspruch noch durch die nunmehr festgesetzte Strafbemessung in seinen Rechten verletzt wird, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

 

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. K i s c h
 
 

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