Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160466/7/Sch/Pe

Linz, 05.07.2005

 

 

 VwSen-160466/7/Sch/Pe Linz, am 5. Juli 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des Herrn W G vom 30. März 2005, vertreten durch Dr. W M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18. März 2005, VerkR96-243-2005-Br, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 250 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage herabgesetzt werden.
  2.  

  3. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 25 Euro; für das Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18. März 2005, VerkR96-243-2005-Br, wurde über Herrn W G wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs.1 und § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 300 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen verhängt, weil er am 28. Oktober 2004 um 15.03 Uhr in Linz auf der A 7, Richtungsfahrbahn Nord bei Abkm. 15,7, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre und er dadurch ein Verhalten gesetzt habe, das an sich geeignet gewesen sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, weil er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 139 km/h laut Videomessung nur einen Abstand von 9 m eingehalten habe, was einem zeitlichen Abstand von 0,23 Sekunden entspreche.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 30 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben, welche anlässlich der o.a. Berufungsverhandlung auf das Strafausmaß eingeschränkt wurde. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Der Anhalteweg für den Lenker eines Fahrzeuges besteht bekanntlich aus dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Als Abstand beim Hintereinanderfahren ist zumindest der Reaktionsweg einzuhalten, welcher die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke darstellt. Die Reaktionszeit (die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung) beträgt ca. eine Sekunde. Sie umfasst die (vermeidbare) "Schrecksekunde" (bis zu einer halben Sekunde) und die eigentliche (nicht vermeidbare) Reaktionszeit.

 

Die Reaktionszeit ist von persönlichen und äußeren Umständen abhängig, wobei durch persönliche Umstände eine Verkürzung, etwa durch eingeschliffene Reaktionshandlungen, gute Disposition (z.B. Ausgeruhtsein), überdurchschnittliche Veranlagung, Jugendlichkeit, Erwartungsspannung, etc. erfolgen kann. Andererseits ist auch eine Verlängerung möglich, etwa aufgrund Ermüdung, minderer Begabung, Unaufmerksamkeit (z.B. Unterhaltung mit einem Beifahrer) etc.

 

Äußere Faktoren, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit führen können, sind übersichtliche Verkehrssituationen, prägnanter Wahrnehmungsgegenstand, etc. Demgegenüber kann eine Verlängerung der Reaktionszeit bewirkt werden durch komplizierte und seltene Verkehrssituationen, weniger auffällige Wahrnehmungsgegenstände, etc.

 

Bei diesem Durchschnittswert von einer Sekunde verbleibt naturgemäß kaum eine Sicherheitsreserve, weshalb bei der Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern in Fahrschulen ein Mindestabstand von zwei Sekunden für den Regelfall als geboten angesehen und daher entsprechend vermittelt wird.

 

Eine Unterschreitung des Ein-Sekunden-Abstandes bewirkt sohin grundsätzlich eine potenzielle Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, und zwar nicht nur des vorausfahrenden Fahrzeuglenkers, sondern auch anderer, die bei Auffahrunfällen lebensnah zudem zu Schaden kommen können.

 

Der Berufungswerber hat gegenständlich zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker lediglich einen Sicherheitsabstand von 0,23 Sekunden eingehalten, welcher bei einer Fahrgeschwindigkeit von 139 km/h einen Abstand von ca. 9 m darstellt.

Auf der anlässlich der Berufungsverhandlung eingesehenen Videoaufzeichnung ist einwandfrei erkennbar, dass sich dieser Vorgang über eine längere Wegstrecke abgespielt hat.

 

Angesichts des damit verbundenen beträchtlichen Gefährdungspotenziales kann keinesfalls von einem geringfügigen Unrechtsgehalt dieser Übertretung ausgegangen werden. Dazu kommt noch, dass solche Delikte in der Regel einem Fahrzeuglenker nicht nur fahrlässig unterlaufen, sondern - zumindest bedingt - vorsätzlich in Kauf genommen werden.

 

Zu berücksichtigen war zugunsten des Berufungswerbers allerdings sehr wesentliche Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit. Dieser lässt erwarten, dass auch mit der herabgesetzten Geldstrafe noch das Auslangen gefunden werden kann, um ihn künftighin wiederum zur Beachtung dieser wichtigen Bestimmung der StVO 1960 zu bewegen. Auch dürfte sich, wie anlässlich der Berufungsverhandlung zum Ausdruck gebracht wurde, bei ihm zwischenzeitig Einsichtigkeit dahingehend eingestellt haben, dass solche Delikte eine beträchtliche Gefahr für den Straßenverkehr darstellen und durch keinerlei Rechtfertigung, etwa Zeitdruck, die selbstgefällige Einstellung andere Verkehrsteilnehmer hätten umgehend Platz zu machen, wenn man einen bestimmten Fahrstreifen mit einer höheren Geschwindigkeit als der Vordermann benützen will etc., gelten gelassen werden kann.

 

Auch konnte nicht gänzlich unberücksichtig bleiben, dass der Berufungswerber über ein monatliches Nettoeinkommen von lediglich ca. 750 Euro verfügt, auf welchen Umstand bei der Strafbemessung gleichfalls Bedacht zu nehmen war.

 

Wenn der Berufungswerber rügt, die Erstbehörde sei auf seine Einwendungen nicht konkret eingegangen, so ist zu bemerken, dass der Oö. Verwaltungssenat keinerlei Einfluss darauf hat, inwieweit eine Behörde bei der Formulierung ihrer Entscheidung auf den konkreten Fall eingeht oder lediglich die üblichen, allgemein gehaltenen Textbausteine verwendet. Auch auf die offenkundig völlig unterschiedlichen Strafhöhen bei Abstandsdelikten, die, wie hier anhängig gewesene Fälle belegen, von beispielsweise 70 Euro bis 660 Euro reichen, hat der Verwaltungssenat keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten und wäre dies, wie es überhaupt für generelle Angelegenheiten der Vollziehung gilt, Sache der Oberbehörde, die Angelegenheit aufzugreifen, wenn ein Handlungsbedarf erblickt wird.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 
 

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