Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160496/8/Br/Wü

Linz, 18.05.2005

 VwSen-160496/8/Br/Wü Linz, am 18. Mai 2005

DVR.0690392

 

 

ERKENNTNIS

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über Berufung des Herrn A K,
S, G, vertreten durch RA Dr. M L,
Z, F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 22. März 2005, Zl. Verkr96-943-2003-Br, nach der am 18. Mai 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 10/2004 - AVG, iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 117/2002 - VStG;

 

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren € 20,-- (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.


Rechtsgrundlage:
§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat wider den Berufungswerber mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt und ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 9.4.2003 um 18.05 Uhr auf der B310 bei Strkm. 25,250 in Richtung Freistadt, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen
einen Lkw in der dortigen Rechtskurve überholt, wobei andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden konnten, weil der entgegenkommende Lenker des Pkw´s mit dem Kennzeichen (der Zeuge)
um einen Zusammenstoß zu verhindern zu einer Vollbremsung genötigt wurde.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte ihre Entscheidung auf die Angaben des Zeugen G. Diese erachtete sie als glaubwürdig und fand keine Gründe an diesen zu zweifeln. Die Strafzumessung begründete sie mit der Gefährlichkeit von derartigen Überholmanövern, wobei sie nur von einem Monatseinkommen in der Höhe von 800 Euro ausging.

 

 

2. In der gegen das Straferkenntnis - welches wegen einer zwischenzeitig der Behörde nicht bekannt gegebenen Wohnsitzänderung nicht sofort zustellbar war - fristgerecht erhobenen Berufung bestreitet der zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten gewesene Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Übertretung.

 

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den o.a. Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt und deren auszugsweisen Verlesung anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten Berufungsverhandlung. Beigeschafft wurden ferner Übersichtsaufnahmen aus dem System Doris und durch Anfertigung von Fotos über die Sichtverhältnisse vom Bereich Strkm. 25,200. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Vernehmung des Anzeigers O G als Zeugen und des zur Berufungsverhandlung mit seinem bevollmächtigten Rechtsvertreter erschienenen Berufungswerbers.

 

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat erachtet folgendes Geschehen als erwiesen:

 

 

4.1. Der Berufungswerber lenke zum o.a. Zeitpunkt sein Fahrzeug auf der B310 in Richtung Freistadt. Die B310 verläuft in dieser Fahrtrichtung bis zum Bereich des Strkm. 25,2 in einer Linkskurve und in einem Gefälle und steigt bis zum Strkm. 25,4 wieder flach an. Am Standort des Strkm. 52,2 kann die Gefahrensichtweite bis ca.
80 m hinter dem Strkm. 25,4 angenommen werden, wobei dort rechts der Fahrbahn ein Baum als ein visuell markanter Punkt die Horizontlinie bildet. Sohin ergibt sich vom Bereich des Strkm. 25,2 eine Gefahrensichtweite von etwa 300 m. Die Fahrbahn ist etwa sechs Meter breit und verfügt über zwei mit einer Leitlinie getrennte Fahrstreifen.

Dies konnte im Rahmen des Ortsaugenscheins in Verbindung mit den beigeschafften Luftbildern und der darauf exakt dargestellten Straßenkilometrierung nachvollzogen werden.


Der Anzeiger, es handelt sich um einen Buslenker mit umfangreicher Fahrpraxis, schilderte eingangs den Grund seiner Anzeige mit einem wenige Wochen vorher in einer fast identen Situation erlittenen Unfall an dieser Örtlichkeit. Der Zeuge schilderte vor Ort, dass er sich mit etwa 70 bis maximal 80 km/h dem Strkm. 25,4 genähert habe, wobei ihm in diesem Bereich plötzlich ein überholender Pkw auf seiner Fahrbahnseite entgegen kam. Nur durch eine Vollbremsung sei es ihm noch gelungen eine Kollision mit diesem Fahrzeug zu vermeiden bzw. diesem noch das Einordnen vor einem überholten Lkw zu ermöglichen.

An diesen Darstellungen vermag der unabhängige Verwaltungssenat keine Zweifel zu hegen. Der als qualifiziert zu betrachtende Zeuge machte einen sachlichen und soliden Eindruck. Es wird ihm daher sehr wohl eine Beurteilungsfähigkeit zugeordnet, die Gefährlichkeit bzw. diese von ihm geschilderte Situation in einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit darzustellen. Diese Darstellung ist im Übrigen logisch und durchaus in der Realität nachvollziehbar. Geht man nämlich davon aus, dass der Berufungswerber im Bereich der Senke oder allenfalls schon knapp vorher seinen Überholentschluss an einem oder mehreren in Richtung Freistadt fahrenden Fahrzeugen (Lkw- oder Lkw-Zug) einleitete, ergibt sich unter der Annahme einer zumindest mit 60 km/h als realistisch anzunehmenden Fahrgeschwindigkeit des oder der überholten LKW´s und der Grundlegung des
300 PS starken Pkw des Berufungswerbers (Beschleunigungsvermögen unter günstiger Annahme von 4 m/sek2) ein Überholweg von immer noch 178,5 m. Dabei wurden die der Berechnung zu Grunde gelegten Annahmen alle zu Gunsten des Berufungswerbers getroffen. (Berechnung mit Analyzer von Pro 4,5). Wenn demnach der Anzeiger seiner subjektiven Wahrnehmung nach den Berufungswerber erst 50 m vor seinem Fahrzeug, nämlich im Bereich der Einfahrt in den kupierten Bereich bei Strkm. 25,450 auftauchen sah, folgt einerseits, dass er bei einer Vollbremsung sein Fahrzeug nach 37 m aus 70 km/h und nach 46 m aus 80 km/h zum Stillstand bringen konnte, wodurch er dem Berufungswerber noch die Beendigung des Überholvorganges (Einscheren vor dem überholten Lkw oder Lkw-Zug) ermöglichte. Damit ist andererseits aber auch der sich über eine Wegstrecke von etwa 200 m erstreckende Vorfallsbereich mit der Bezeichnung "bei Strkm. 25,250" durchaus zutreffend und mit einer für ein Strafverfahren erforderlichen Genauigkeit umschrieben. Dies entspricht nämlich etwa jenem Bereich wo es 150 m weiter in Richtung Freistadt zur Sichtbarkeit und Begegnung mit dem Zeugen gekommen ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich bei dem beschriebenen Überholvorgang - an dessen Darstellung wie schon erwähnt kein Grund für Zweifel gesehen werden kann - um ein äußerst gefährliches Manöver handelte, welches wirklich an der vorausschauenden und soliden Fahrweise des Zeugen zu danken ist, dass ein Frontalzusammenstoß mit wohl verheerenden Folgen für beide Beteiligten und allenfalls auch noch weiteren entgegen kommenden Fahrzeugen geführt hätte, letztendlich noch vermieden wurde.

Der Berufungswerber räumt selbst ein an der genannten Örtlichkeit unterwegs gewesen zu sein. Dies bekundete er letztlich auch in seiner Lenkerbekanntgabe. Wenn der den Vorfall bestreitet tritt er damit jedoch nicht wirksam den Angaben den auf unmittelbare Wahrnehmung beruhenden Angaben des Zeugen gegenüber. Wenn dieser lt. seiner Darstellung in der Lage war das Kennzeichen noch abzulesen, scheint dies angesichts des fast gänzlichen zum Stillstand kommen durch diesen Vorfall ebenfalls nicht unwahrscheinlich (siehe Bildbeilage).

Völlig ausgeschlossen wird seitens der Berufungsbehörde, dass der Zeuge diesen Vorfall übertreibend geschildert od. gar frei erfunden hätte.

 

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

5.1.1. § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 besagt:

Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

5.1.2. Der Zweck der allgemeinen Überholverbotsnormen ist der Ausschluss der Gefährdung von Straßenbenützern. Die Strafnorm des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 lässt in ihrer generalisierenden Form in Verbindung mit den Tatbildern des § 16 StVO keinen Unterschied erkennen, welch anderer Aspekt den Überholverboten innewohnen sollte.

Das Schutzziel des § 16 Abs.1 lit.a StVO gründet dem klaren Wortlaut nach vor allem in der Vermeidung der Gefährdung und Behinderung entgegenkommender Fahrzeuge und schließt wohl gleichzeitig auch den abstrakten Gefährdungsaspekt von "anderen" Straßenbenützer noch mit ein. Daher vermag hier am Verstoß gegen dieses Schutzziel kein Zweifel übrig bleiben.

Die Zulässigkeit des Überholens ist nicht vom Endpunkt des Überholmanövers, sondern von dessen Beginn aus zu beurteilen (VwGH 20.11.1967, ZVR 1969/11 u.v.a.). Dabei setzt für eine diesbezügliche Entscheidung grundsätzlich die Feststellung jener Umstände voraus, die für die Länge der für den Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung ist, das sind in erster Linie die Geschwindigkeiten des Überholenden und des (der) zu überholenden Fahrzeuge(s). Ebenso sind vor dem Überholmanöver Umstände zu beurteilen, welche einem Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten (VwGH 12.3.1986, 85/03/0152). Wenn nun ein Überholentschluss trotz eines zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht sichtbaren Gegenverkehrs gefasst wurde und sich hier in der Folge ergab, dass auf Grund der Nähe des eine Vollbremsung durchführenden Gegenverkehrs, allenfalls auch noch das überholte Fahrzeug "geschnitten werden musste", wäre damit zusätzlich auch noch dem Schutzziel des § 16 Abs.1 lit.c StVO zuwidergehandelt worden (vgl. auch OGH 23.11.1977, 8 Ob 160/77, ZVR 1979/120),

 

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

6.1. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass knappe Überholmanöver gefährliche Fahrmanöver darstellen welche darauf schließen lassen, dass damit die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer leichtfertig, routinemäßig und wohl als Folge einer auf wenig Geduld schließen lassende Neigung in Kauf genommen werden. Von einer Inkaufnahme einer zumindest abstrakten Gefährdung muss bei einem Überholentschluss wie er hier vorlag - bei vermeintlich ausreichender Überholsichtweite angesichts des überdurchschnittlich leistungsstarken Fahrzeuges - und der damit zwingenden erforderlichen Vollbremsung des Gegenverkehrs, bei sonst drohender Kollision, ausgegangen werden.

Derartige Verhaltensmuster könnten im Wiederholungsfall durchaus auch die Frage nach der Verkehrszuverlässigkeit im Rahmen eines Administrativverfahrens aufwerfen.

Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass angesichts des hohen Gefährdungspotentials riskanter Überholmanöver bei bloßer Ausschöpfung des Strafrahmens im Bereich von etwas über einem Zehntel sehr niedrig angesetzt wurde. Insbesondere aus Gründen der Generalprävention wäre es geboten derartige Fehlverhalten im Straßenverkehr, die auf mangelhaftes Unrechtsbewusstsein und einer erhöhten Neigung zur Rücksichtslosigkeit schließen lassen, durch entsprechende Ausschöpfung des Strafrahmens verstärkt zu ahnden. Unerfindlich bleibt auch, dass angesichts der Leistungs- und Preisklasse jener Fahrzeuge(s) [mit Wechselkennzeichen] deren Zulassungsbesitzer der Berufungswerber ist, eine Einkommensschätzung mit nur 800 Euro zu Grunde gelegt werden konnte, wenn offenbar diesbezüglich sehr wohl konkrete Erhebungen zu den "allseitigen Verhältnissen" gepflogen wurden.

Wenn etwa diverse an der ziffernmäßigen Überschreitung einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit ohne konkreten Gefährdungsbezug mit einem mehrfachen des hier verhängten Strafausmaßes sanktioniert werden, soll es eigentlich keines Hinweises bedürfen, dass ein derart gefährliches Fahrverhalten im Straßenverkehr mit nur 100 Euro als unangemessen niedrig geahndet anzusehen ist.

Angesichts des Grundsatzes der reformatio in peius (des Verschlechterungsverbotes im Berufungsverfahren) war eine der Tatschuld angemessene Korrektur der Geldstrafe nicht mehr möglich.

 

Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

H i n w e i s:
 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 
 

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