Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160531/3/Zo/Pe

Linz, 06.07.2005

 

 

 VwSen-160531/3/Zo/Pe Linz, am 6. Juli 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn M E, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. R G, Dr. R P, vom 28.4.2005, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 6.4.2005, VerkR96-8435-2004, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2.  

  3. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, dass er am 25.10.2004 um 10.00 Uhr den Lkw mit dem Kennzeichen in St. Johann/Walde auf der Oberinnviertler Landesstraße gelenkt habe und bei Strkm. 24,700 als Lenker eines Fahrzeuges, das überholt wurde, die Geschwindigkeit erhöht habe, obwohl ihm der Überholvorgang angezeigt wurde oder er diesen nach den Verkehrsverhältnissen sonst wahrgenommen haben musste. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs.5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 3,60 Euro verpflichtet.

Dieses Straferkenntnis wurde damit begründet, dass die Angaben des privaten Anzeigers glaubwürdiger seien, als die Rechtfertigungsangaben des Berufungswerbers.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher der Berufungswerber vorbringt, dass sich entgegen der Ansicht der Erstinstanz aus seiner Rechtfertigung keinesfalls ergeben würde, dass er den Überholvorgang wahrgenommen habe. Wesentlich sei im Übrigen die Frage, ob er nach dem Wahrnehmen des Überholvorganges seine Geschwindigkeit erhöht hätte. Dies könne aber objektiv keinesfalls festgestellt werden und er sei nicht verpflichtet, bei Erkennen des Überholvorganges seine Geschwindigkeit zu reduzieren. Es hätte ein Ortsaugenschein durchgeführt werden müssen, um festzustellen, dass die Angaben des Anzeigers objektiv nicht richtig sind, was seine Glaubwürdigkeit erschüttert hätte. Die Angaben des Anzeigers würden auch darauf hinweisen, dass er ein voreingenommener Verkehrsteilnehmer sei. Auch nach seinen Angaben sei das Überholmanöver an der angeführten Straßenstelle nur unter Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich gewesen und es hätte eigentlich ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Anzeiger durchgeführt werden müssen. Der Anzeiger habe in seinen Angaben auch verschwiegen, dass während seines Überholmanövers Gegenverkehr geherrscht habe und sein Verhalten beinahe zu einem Verkehrsunfall geführt hätte. Aufgrund all dieser Umstände sei der Anzeiger keineswegs glaubwürdig.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau/Inn hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung eines Lokalaugenscheines am 23.6.2005.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 25.10.2004 um 10.00 Uhr seinen Lkw mit dem Kennzeichen auf der L 503 aus Richtung Maria Schmolln kommend in Fahrtrichtung Höhnhart. Er wurde von einem anderen Verkehrsteilnehmer angezeigt, weil er bei Strkm. 24,700 seinen Pkw plötzlich beschleunigt hätte, obwohl er vom Anzeiger überholt worden sei. Der Angezeigte habe dadurch den Abstand zu dem vor diesem fahrenden Pkw absichtlich verringert und es sei dem Anzeiger deshalb nicht möglich gewesen, sich in den Verkehr einzuordnen. Dieser Vorfall habe sich nach den Angaben des Anzeigers nach einer scharfen Linkskurve (nach der Abzweigung St. Johann) auf einer längeren geraden Straßenstrecke mit ausreichender Überholsicht abgespielt. Als Tatort wurde in der Anzeige die L 503 bei Strkm. 24,700 angeführt.

 

Der Berufungswerber bestritt bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Angaben des Anzeigers und beantragte die Durchführung eines Ortsaugenscheines, um die angebliche Gefährlichkeit des vom Anzeigers versuchten Überholmanövers darzulegen und so seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern.

 

Aufgrund der Berufungsausführungen wurde vorerst in ein Luftbild der gegenständlichen Örtlichkeit Einsicht genommen, wobei bereits aus diesem Luftbild ersichtlich ist, dass hier möglicherweise bei der Festlegung des Tatortes mit Strkm. 24,700 ein Fehler unterlaufen sein könnte. Es wurde daher ein Lokalaugenschein durchgeführt, welcher ergab, dass die L 503 von Maria Schmolln in Richtung Höhnhart absteigend kilometriert ist. Die Kreuzung mit der Straße nach St. Johann befindet sich bei Strkm. 24,6. In Annäherung an diese Kreuzung beschreibt die L 503 aus Maria Schmolln kommend eine langgezogene Rechtskurve, deren Scheitelpunkt sich etwa bei km 24,770 befindet. In etwa zwischen km 24,650 und 24,550 beschreibt die L 503 eine starke Linkskurve. In Annäherung an diese Linkskurve beträgt die Sichtweite maximal 100 m. Im Kurvenauslauf dieser Linkskurve in etwa bei km 24,550 beträgt die Sichtweite mindestens 400 m. Wenn man die Angaben des Anzeigers - wonach er den Überholvorgang erst nach der Kreuzung mit der Straße nach St. Johann (bei km 24,600) begonnen hat - mit den örtlichen Verhältnissen vergleicht, so kann der Überholvorgang bei realistischer Betrachtung erst im Bereich von km 24,500 eingeleitet worden sein. Erst in diesem Bereich ist dann auch die vom Anzeiger geschilderte ausreichende Sichtweite gegeben. Ein Überholmanöver bei dem in der Anzeige angeführten Strkm. 24,700 kann schon wegen der dort nur sehr kurzen Sichtweite ausgeschlossen werden. Schließlich hat auch der Anzeiger klar angegeben, dass er das Überholmanöver erst nach der Kreuzung mit der Straße nach St. Johann begonnen hat. Warum dennoch in der Anzeige der Gendarmerie als Strkm. 24,700 angegeben ist, kann nicht nachvollzogen werden.

 

5. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 44a Abs.1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss einem Beschuldigten die Verwaltungsübertretung so konkret vorgehalten werden, dass er einerseits in der Lage ist, sich wegen des ihm vorgeworfenen Verhaltens zielgerichtet zu verteidigen und er andererseits davor geschützt ist, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Dieses Erfordernis für die Konkretisierung des Tatvorwurfes gilt auch für alle Verfolgungshandlungen.

 

Der durchgeführte Lokalaugenschein hat ergeben, dass der Berufungswerber an der in der Anzeige angeführten Straßenstelle bei Strkm. 24,700 die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung mit Sicherheit nicht begangen hat. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse muss der gegenständliche Überholvorgang später und zwar vermutlich im Bereich von Strkm. 24,500 stattgefunden haben. Ein diesbezüglicher Tatvorwurf, nämlich die angebliche Verwaltungsübertretung bei km 24,500 begangen zu haben, wurde dem Berufungswerber aber nie vorgehalten. Dies hatte aber auch Einfluss auf seine Verteidigungsmöglichkeiten, weil sich das angebliche Überholmanöver aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse zwischen Strkm. 24,700 und 24,500 völlig anders darstellt.

 

Letztlich kann nicht festgestellt werden, warum in der Anzeige der Gendarmerie als Tatort der Strkm. 24,700 vermerkt ist. Es ist aber auszuschließen, dass an dieser Stelle das angebliche Überholmanöver stattgefunden hat. Ein Tatvorwurf, welcher sich auf das vom Angezeigten geschilderte Überholmanöver (welches in etwa im Bereich von Strkm. 24,500 stattgefunden haben muss) bezieht, wurde dem Berufungswerber aber nicht gemacht, weil die Erstinstanz eben die Daten aus der Gendarmerieanzeige übernommen hat. Nachdem dieser Vorfall bereits mehr als sechs Monate zurückliegt und dem Berufungswerber der richtige Tatort nie vorgehalten wurde, ist bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb der Berufung stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Z ö b l

 
 

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