Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160544/11/Bi/Be

Linz, 28.06.2005

 

 

 VwSen-160544/11/Bi/Be Linz, am 28. Juni 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn B P, vom 30. März 2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 23. März 2005, VerkR96-4694-2005, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 16. Juni 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:
 
 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in allen drei Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskosten eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

  1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960, 2) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 und 3) §§ 52 lit.a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 130 Euro (30 Stunden EFS), 2) 90 Euro (36 Stunden EFS) und 3) 40 Euro (24 Stunden EFS) verhängt, weil er am 2. Februar 2005 gegen 15.05 Uhr die Sattelzugmaschine (HR) und den Sattelauflieger (HR) auf der Reibersdorfer Straße in Richtung L gelenkt habe und nebst dem Haus Reibersdorf 7 mit dem linken hinteren Eck des Unterfahrschutzes des Sattelaufliegers gegen den linken vorderen Kotflügel des Pkw VB-508CV (A) gestoßen sei, welcher dadurch beschädigt worden sei. Obwohl sein Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, habe er

1) nicht sofort angehalten und

  1. nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl er dem Geschädigten gegenüber seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen habe.
  2. Er habe die Reibersdorfer Straße befahren, obwohl dies aufgrund deutlich sichtbar aufgestellter Vorschriftszeichen "Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t" verboten sei.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von 26 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 16. Juni 2005 wurde am Unfallsort eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Erstinstanz Frau I B sowie der Zeugen P S, M M und Insp. M W durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe den Unfall nicht bemerkt, sonst wäre er stehen geblieben. Er habe in L einen Ladeauftrag gehabt. Bei heftigem Schneefall und heftigem Wind seien die Straßenverhältnisse sehr schlecht gewesen. Als er bei der Ladestelle angekommen sei, sei die Polizei gekommen und habe ihm gesagt, er habe einen Pkw gestreift. An seinem Lkw seien keine Anzeichen eines Kontaktes vorhanden gewesen. Die Polizei habe eine Mandatsstrafe von 270 Euro verlangt. Er habe das Geld beim Bankomat abgehoben und bezahlt. Niemand habe ihm das beschädigte Auto gezeigt. Er sei seit vielen Jahren Kraftfahrer und habe noch nie einen solchen Vorfall gehabt. Er sei verheiratet und habe einen Sohn und zwei Enkelkinder im gemeinsamen Haushalt bei einem Nettoverdienst von 2.300 Kn, ds etwa 300 Euro. Die Bescheinigung über die vorläufige Sicherheit von 270 Euro war der Berufung angeschlossen.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle, bei der die Angaben des Bw ebenso wie die Ausführungen der Erstinstanz berücksichtigt und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht einvernommen wurden.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am 2. Februar 2005 gegen 15.05 Uhr das angeführte Sattelzugfahrzeug auf der ständig leicht bergauf führenden Reibersdorfer Straße aus Richtung A1 kommend in Richtung L AG, wo er einen Ladeauftrag hatte. Das Ortsgebiet Reibersdorf ist sehr eng, zumal auch Hausecken die Durchfahrt behindern. Die Wetter- wie die Straßenverhältnisse waren sehr schlecht; es schneite und es lag Schnee auf der Fahrbahn und am Straßenrand. Aus der Sicht des Bw gesehen vor der Ortsdurchfahrt von Reibersdorf wich der dem Bw entgegenkommende Zeuge S mit seinem Pkw dem Sattelzugfahrzeug aus, indem er auf einen rechts gelegenen Schneehaufen hinauffuhr. Wegen der engen Verhältnisse in der Ortsdurchfahrt kam es durch hinter beiden Fahrzeugen wartende Fahrzeuge zu einem Stau. Die hinter dem Sattelzugfahrzeug nachfahrende Zeugin M beobachtete, dass der Pkw des Zeugen S auf einen Schneehaufen hinauffuhr, während das Sattelzugfahrzeug die Fahrt langsam fortsetzte. Als das Sattelzugfahrzeug den Pkw schon fast passiert hatte, rutschte der Pkw mit dem vorderen Teil von Schneehaufen in Richtung Straße, wobei der linke vordere Kotflügel gerade noch den letzen Teil des Sattelanhängers, nämlich die linke Seite des Unterfahrschutzes, streifte. Der Kotflügel des Pkw S trug eine Delle davon, am Unterfahrschutz des Sattelanhängers, der von Insp. W fotografiert wurde, zeigte eine leichte Schleifspur. Der Bw blieb nach Eindruck der beiden Zeugen S und M kurz darauf stehen, setzte dann aber die Fahrt fort. Die Zeugin M teilte dem Zeugen S das Kennzeichen des Sattelanhängers mit und bot sich als Zeugin an. Der Bw erstattete beim GP L Anzeige gegen den Lenker des Sattelzugfahrzeuges.

Der Meldungsleger RI A erfuhr, dass das genannte Sattelzugfahrzeug in die L AG gefahren war und suchte dort den Bw auf, der angab, er habe von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden nichts bemerkt.

Die Zeugen S und M bestätigten in der mündlichen Verhandlung, dass die Straßenverhältnisse äußerst schlecht waren und der Bw mit dem von ihm gelenkten Sattelzugfahrzeug erhebliche Schwierigkeiten bei der Durchfahrt durch Reibersdorf hatte. Der Zeuge S bestätigte, er habe den Schaden an seinem Pkw bereits vom Versicherungsverband ersetzt bekommen. Beide Zeugen hatten den Eindruck, dass der Bw den Unfall bemerkt haben müsse, weil er kurz darauf stehengeblieben sei. Dann habe er aber die Fahrt fortgesetzt und sei vom Meldungsleger in der L AG angetroffen worden.

Der Ortsaugenschein hat ergeben, dass die Reibersdorfer Straße in Fahrtrichtung des Bw leicht bergauf führt, wobei nachvollziehbar ist, dass das Sattelzugfahrzeug, wäre der Bw stehen geblieben, bei der geschilderten Schneelage vermutlich hängen geblieben wäre. Geht man von der Länge eines Sattelzugfahrzeuges von 18 m aus und berücksichtigt man die Anstoßstelle ganz hinten am Sattelanhänger, so ergibt sich, dass sich im 18 m-Bereich danach zum einen eine leichte Rechtskurve befindet, die dem Bw keine Sicht vom Lenkerplatz aus auf den Pkw S links hinten ermöglichte, sodass nachvollziehbar der Anstoß nicht im Blickwinkel des Bw lag, noch dazu wenn der Pkw S, der sich an sich in ausreichendem Abstand zum bereits fast zur Gänze vorbeigefahrenen Sattelzugfahrzeug befand, gerade noch vorne vom Schneehaufen in Richtung Fahrbahn rutschte. Dass der Bw den Anstoß hören hätte können, ist ebenfalls nicht glaubhaft, weil der Unterfahrschutz kein Teil der Karosserie ist. Damit ist schlüssig, dass der Bw aufgrund der leichten Rechtskurve die Anstoßstelle nicht mehr einsehen konnte vom Lenkerplatz aus. Beim Unterfahrschutz handelt es sich um eine kleine Fläche seitlich, dh der Anstoß war nicht an der Karosserie, daher höchstwahrscheinlich für den Bw auch nicht hörbar. Dass dieser kurz nach dem Anstoß stehen geblieben ist, wie die Zeugin M aussagte, ist dadurch erklärbar, dass sich kurz danach in der Ortsdurchfahrt eine Engstelle durch vorstehende Hausecken befindet, sodass der Bw vor der Engstelle möglicherweise warten musste, wenn hinter dem Pkw S, wie die Zeugen S und M aussagten, schon Pkw warteten. Die Engstelle kann von zwei Fahrzeugen unmöglich gleichzeitig befahren werden, noch dazu wenn eines davon ein Sattelzugfahrzeug ist. Damit ist aber auch schlüssig, dass der Bw nicht wegen des Anstoßes das Sattelzugfahrzeug zum Stehen gebracht hat, sondern um eine freie Durchfahrmöglichkeit abzuwarten. Daraus ist aber nicht zwingend der Schluss zu ziehen, er habe den Unfall doch bemerkt. Damit ist die Verantwortung des Bw jedenfalls schlüssig.

In rechtlicher Hinsicht war daher im Hinblick auf die Tatvorwürfe des Nichtanhaltens nach einem Verkehrsunfall ebenso wie des Nichtmeldens eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden bei der nächsten Gendarmeriedienststelle zumindest im Zweifel davon auszugehen, dass der Bw den Verkehrsunfall und den Sachschaden am Pkw S tatsächlich nicht bemerkt hat und aufgrund der örtlichen Lage und des fehlenden Anstoßgeräusches vom Lenkerplatz aus auch tatsächlich nicht bemerken musste.

Hinsichtlich des Fahrverbotes für Lastkraftfahrzeuge über 7,5 t höchst zulässiges Gesamtgewicht hat sich in der Verhandlung ergeben, dass dieses am 2. Februar 2005 nicht mehr in Geltung stand, obwohl die entsprechenden Verkehrszeichen, wie beim Ortsaugenschein festgestellt wurde, noch immer angebracht sind.

Auf dieser Grundlage war mit der Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses in allen drei Punkten und Verfahrenseinstellung vorzugehen, wobei naturgemäß auch keine Verfahrenskostenbeiträge vorzuschreiben waren. Die vom Bw bei der Beanstandung bereits bezahlte vorläufige Sicherheit in Höhe von 270 Euro wird daher rückabzuwickeln sein.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

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