Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400251/4/Gf/La

Linz, 18.02.1994

VwSen-400251/4/Gf/La Linz, am 18. Februar 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des S vertreten durch RA, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 11.

Dezember 1993 bis zum 9. Februar 1994 war rechtswidrig.

II. Die Bundespolizeidirektion Linz als belangte und im gegenständlichen Fall für den Bund tätig gewordene Behörde ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit 7.533,33 S als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 52 Abs. 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein ghanesischer Staatsangehöriger, ist am 8. August 1991 am Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet eingereist, ohne im Besitz eines Sicht vermerkes zu sein.

In der Folge hat er einen Asylantrag gestellt und wurde in die Bundesbetreuung aufgenommen; diese hat er am 26. März 1993 ohne Abmeldung verlassen.

Der Asylantrag wurde schließlich mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1993, Zl.

4321123/2-III/13/91, rechtskräftig seit 9. September 1993, abgewiesen.

1.2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 11.

Dezember 1993, Zl. Fr-, wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus Linz sofort vollzogen.

1.3. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. Dezember 1993, Zl. St 487/93-B, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von insgesamt 9.400 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 9 Tage) verhängt, weil er in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrrad gelenkt und die Durchführung eines Alkotestes verweigert habe, sowie weil er sich ohne gültigen Sichtvermerk und ohne polizeiliche Meldung im Bundesgebiet aufgehalten habe.

1.4. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 27.

Dezember 1993, Zl. Fr-84787, wurde über den Beschwerdeführer ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet verhängt.

1.5. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 27.

Dezember 1993, Zl. Fr-84787, wurde gemäß § 54 des Fremdenge setzes, BGBl.Nr. 838/1992 (im folgenden: FrG) festgestellt, daß der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ghana keine der in § 37 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gründe entgegenstehen.

1.6. Am 9. Februar 1994 wurde der Beschwerdeführer vom Flughafen Wien-Schwechat aus nach Ghana abgeschoben.

1.7. Gegen die mit dem oben unter 1.2. angeführten Bescheid über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 8. Februar 1993 unmittelbar beim O.ö.

Verwaltungssenat eingebrachte und auf § 51 Abs. 1 FrG gestützte Beschwerde.

2.1. Im oben unter 1.2. angeführten Schubhaftbescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe, er sich auch nicht ausweisen könne, er über keine finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfüge und schließlich keine Angaben über seinen Aufenthalt mache, weshalb wegen Gefahr in Verzug zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bzw. zur Sicherung der Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung die Schubhaft zu verhängen gewesen sei.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß der Schubhaftbescheid nicht an eine bestimmte, sondern lediglich an eine "unbekannte männliche Person" adressiert gewesen sei und er sich daher ohne Rechtsgrundlage in Schubhaft (Haft) befunden habe. Außerdem gehe aus dem Spruch des Bescheides nicht klar hervor, zu welchem konkreten Zweck die Schubhaft verhängt worden sei. Schließlich habe die Schubhaft auch unverhältnismäßig lange gedauert.

Aus allen diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr-84787 und in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Klagenfurt zu Zl.

Fr-5190/93; da aus diesen in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs. 2 Z. 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs. 1 FrG hat derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Sofern die Anhaltung nicht mehr andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat lediglich im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs. 4 FrG).

Nach § 41 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern; die Schubhaft ist grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

4.2. Die formalen Anforderungen, die das - auch im gegenständlichen Verfahren anzuwendende - AVG an einen nach Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG) erlassenen Bescheid stellt, gelten grundsätzlich auch für einen Mandatsbescheid. Als ein in diesem Zusammenhang konstitutives Bescheidmerkmal, dessen Fehlen zum Nichtvorliegen der Bescheidqualität des gesetzten Verwaltungsaktes führt, erweist sich in diesem Zusammenhang die Anführung eines individuell bestimmten Adressaten (vgl. zB F. Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Wien 1986, 472 und 462 f).

Der mit der gegenständlichen Beschwerde unter einem angefochtene Schubhaftbescheid ist an eine "unbekannte männliche Person" adressiert.

Dies ist zum einen unzutreffend, denn der Beschwerdeführer war der belangten Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung sehr wohl persönlich bekannt; er hatte bis dahin lediglich seinen wahren Namen verschwiegen und einen offensichtlich falschen Namen angegeben. Der Bescheid hätte daher richtigerweise an eine "namentlich nicht bekannte männliche Person" adressiert werden müssen.

Zum anderen ist die Adressierung überdies unvollständig.

Denn daß als Grundlage der Verhängung der Schubhaft von Gesetzes wegen zwingend die Erlassung eines Mandatsbescheides gefordert ist, bedeutet nicht, daß diesem nicht wenig stens kursorische Ermittlungen vorausgehen dürften. Laut Anzeige der Meldungsleger erfolgte die Festnahme des Beschwerdeführers durch die Sicherheitswacheorgane am 11.

Dezember 1993 um 15.45 Uhr und dessen Vorführung vor die belangte Behörde um 17.15 Uhr, also etwa eineinhalb Stunden später; das Original des Schubhaftbescheides soll laut dem sich auf dessen Durchschrift befindenden behördlichen Vermerk vom Beschwerdeführer (aber bereits) um 17.10 Uhr desselben Tages übernommen worden sein. Einerlei, ob nun die Vorführung tatsächlich bereits um 17.10 Uhr oder die Übergabe des Schubhaftbescheides tatsächlich erst um 17.15 Uhr erfolgte: Insgesamt wird daraus zweifelsfrei jedenfalls deutlich, daß zwischen dem Zeitpunkt der Vorführung und jenem der Bescheiderlassung keine weiteren Ermittlungen getätigt wurden (werden konnten), obwohl hiefür gemäß § 44 Abs. 1 FrG noch ausreichend Zeit gewesen wäre. Innerhalb dieser 48-Stunden-Frist wurde in der Folge übrigens auch tatsächlich, nämlich am 13. Dezember 1993 zwischen 9.30 Uhr und 11.00 Uhr, eine Vernehmung des Beschwerdeführers durchgeführt, in deren Zuge die Identität des Beschwerdeführers anscheinend mühelos - festgestellt werden konnte (vgl. die Niederschrift der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. Dezember 1993, Zl. Fr-84787).

Aus den genannten Gründen fehlte es daher dem gegenständlichen Schubhaftbescheid der erforderlichen individuellen Adressierung, womit sich der als Bescheid intendierte Verwaltungsakt als absolut nichtig erweist, also einen Nicht-Bescheid darstellt.

Der O.ö. Verwaltungssenat huldigt damit keineswegs einem übertriebenen Formalismus und verkennt auch die Situation, in der sich eine Behörde bei rasch gebotenem Handeln (§ 57 Abs. 1 AVG: "Gefahr in Verzug") grundsätzlich befindet, nicht; im konkreten Fall muß die Behörde jedoch den ihr von Gesetzes wegen eingeräumten zeitlichen Spielraum auch für zweckentsprechende, nämlich unabdingbare Ermittlungen nutzen.

4.3. In Ermangelung eines Schubhaftbescheides als notwendiger gesetzlicher Voraussetzung der Verhängung jeder Schubhaft erweist sich diese sohin im gegenständlichen Fall als rechtswidrig; dies hatte der O.ö. Verwaltungssenat gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

Hinzuzufügen bleibt, daß sich die Schubhaftverhängung bei rein materieller Betrachtung hingegen offensichtlich als rechtmäßig erwiesen hätte, weil die Prognose der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer der Vollstreckung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes in Ermangelung eines festen Wohnsitzes und fehlender finanzieller Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes durch Untertauchen in der Anonymität entziehen oder diese zumindest erschweren könnte, von Beginn an jedenfalls nicht unvertretbar war und sich auch während der Dauer der Schubhaft keine Anhaltspunkte für deren Entkräftung ergeben haben.

4.4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung in Höhe von 7.533,33 S (Schriftsatzaufwand und Barauslagen) zuzusprechen; das Mehrbegehren in Höhe von 17.081,07 S war hingegen abzuweisen (vgl. VwGH v. 23. September 1991, Zl. 91/19/0162).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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