Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160609/2/Fra/He

Linz, 22.07.2005

 

 

 VwSen-160609/2/Fra/He Linz, am 22. Juli 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn JB vertreten durch die Herren Rechtsanwälte Dr. LP, Dr. PL Dr. AP gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 17. Mai 2005, VerkR96-3849-2004, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG; § 66 Abs.1 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw)

  1. wegen Übertretung des § 11 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) und
  2. wegen Übertretung des § 7 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil er

am 20.6. um 18.57 Uhr in Linz, auf der Unionstraße den Bus, MAN, Kz.: L-........... gelenkt und dabei ca. 20 bis 30 Meter nach Unionstraße 92 den Fahrstreifen von rechts nach links gewechselt habe, ohne sich vorher zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und ca. 30 bis 80 Meter nach Unionstraße Nr. 106 bis kurz vor der Kreuzung mit der Landwiedstraße nicht so weit rechts gelenkt habe, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen, möglich war, da er das genannte Kraftfahrzeug in der Mitte der beiden Fahrstreifen lenkte. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

 

2. Über die dagegen durch die ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) erwogen:

 

Zum Faktum 1. (§ 11 Abs.1 StVO 1960):

Nach dieser Bestimmung darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

Unstrittig ist, dass der Bw den in Rede stehenden Bus zu der im Spruch des angeführten Straferkenntnisses angeführten Örtlichkeit und zur angeführten Zeit gelenkt hat. Die belangte Behörde stützt den inkriminierten Tatbestand auf die Angaben des Herrn EM sowie auf die Aussage der Frau ML.

 

Der Bw bringt vor, der Vorwurf sei unzutreffend. Zum Vorfallszeitpunkt sei er mit dem Bus der LL GesmbH im Linienverkehr auf der Unionstraße stadtauswärts gefahren. Unmittelbar vor dem Haus Unionstraße 92 bzw. auch sogar etwas weiter stadtauswärts befindet sich die Bushaltestelle "Untergaumberg", wo er einen Fahrgastwechsel durchführen ließ. Nach Abschluss des Fahrgastwechsels sei sowohl die VLSA für Busse als auch die VLSA für den übrigen Verkehr auf Rot geschaltet gewesen. Aufgrund der Ampelschaltung sei die Situation dabei so, dass das Signal "Freie Fahrt für Busse" einige Sekunden vor dem Gelb- bzw. Grünlicht für die übrigen Verkehrsteilnehmer erscheine, um den Bussen der LL GesmbH ein ungestörtes Ausfahren aus dem Haltestellenbereich zu ermöglichen. Er sei daher bei Aufleuchten des Signals "Freie Fahrt für Busse" aus der Haltestelle Untergaumberg normal beschleunigend ausgefahren, wobei er unmittelbar im Zuge dieses Ausfahrmanövers bereits - links blinkend - auf den linken Fahrstreifen der Unionstraße wechseln habe müssen, da am rechten Fahrstreifen, in etwa vor dem Haus Unionstraße 96 ein Fahrzeug verkehrsbehindernd abgestellt gewesen sei, sodass ein Passieren zur Gänze auf dem rechten Fahrstreifen jedenfalls nicht möglich gewesen wäre. Zu Beginn seines Spurwechsels, dh zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Leitlinie überfahren habe, sei der erste nachfolgende Pkw - der Anzeiger - noch deutlich hinter dem von ihm gelenkten Bus gewesen, insbesondere weil ja - wie bereits erwähnt - die Ampel für den "normalen" Fahrzeugverkehr erst einige Sekunden nach der "Ampel für Busse" Grünlicht zeigt. Der Lenker dieses Fahrzeuges habe jedoch sein Spurwechselmanöver übersehen (oder nicht beachtet) und versucht, den von ihm gelenkten Bus, der sich schon zu einem großen Teil auf dem linken Fahrstreifen befand, zu überholen. Der Anzeiger habe dabei aber offensichtlich das Beschleunigungsvermögen seines Fahrzeuges und/oder die Fahrbahnbreite und/oder sein Augenmaß deutlich überschätzt, sodass er dabei über die doppelte Sperrlinie auf den für den Gegenverkehr bestimmten Fahrstreifen gekommen ist. Er habe, als er bemerkte, dass der andere Fahrzeuglenker rechtswidrig (und aus seiner Sicht gefährlich) zu überholen versucht habe, selbstverständlich seinen Fahrstreifenwechsel abgebrochen und, um eine Kollision zu verhindern (er habe ja nicht gewusst, ob der andere Fahrzeuglenker sein waghalsiges Manöver abbricht), den Bus angehalten. Dabei sei er nach wie vor zum Teil auf dem linken und zum Teil auf dem rechten Fahrstreifen gestanden. Der andere Fahrzeuglenker habe sodann aufgrund eines dort befindlichen Fahrbahnteilers sein Fahrzeug ebenfalls - zum Teil auf der Gegenfahrbahn - angehalten, ausgiebig gehupt und durch wildes Gestikulieren seinen Unmut - worüber auch immer - zum Ausdruck gebracht. Nachdem auch das andere Fahrzeug angehalten hatte, habe er seine Fahrt fortgesetzt und in weiterer Folge - wiederum mit entsprechendem Blinkzeichen - zur Gänze auf den linken Fahrstreifen gewechselt, zumal er aufgrund der Linienführung nach links in die Landwiedstraße einbiegen habe müssen. Der - wohl immer noch unmütige - andere Fahrzeuglenker habe daraufhin von der Mitte der Fahrbahn über den linken auf den rechten Fahrstreifen gewechselt (und dabei andere Fahrzeuglenker ausgiebig behindert bzw. geschnitten) und ihn sodann - noch immer wildestens gestikulierend - rechts überholt.

 

Der Anzeiger behauptet hingegen, dass, als der Bus vom rechten auf den linken Fahrstreifen gewechselt habe, die VLSA Grünlicht zeigte und er sich nach ca. 20 bis 30 Metern, nachdem der Busfahrer die Haltestelle verlassen hatte und sich auf dem rechten Fahrstreifen befand, bereits auf gleicher Höhe, ziemlich mittig mit dem Gelenksbus befunden habe, als dieser den Fahrstreifen gewechselt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er eine Geschwindigkeit von ca. 40 bis 50 km/h eingehalten.

 

Im Hinblick auf die plausible Verantwortung des Bw sind die Angaben des Anzeigers zu relativieren. Um Aussagen von Zeugen beurteilen zu können, muss man vor allem die Fehlerquellen von Aussagen kennen. Psychologen, Soziologen, Mediziner, Linguisten, Technologen ua forschen ständig über die Probleme der Wahrnehmung des Erlebens, über Kommunikationsmöglichkeiten usw. Beim Autofahren nimmt der Lenker oder sein Beifahrer zahlreiche Sinneswahrnehmungen auf. Dies erfordert auch ständig eine drastische Auswahl jener Wahrnehmungen, die den höheren Hirnzentren zugeleitet werden, da diese sonst mit unwesentlicher Information überschwemmt und von ihr blockiert würden (vgl. Watzlawik/Beavien/Jackson, Menschliche Kommunikations-Formen, Störungen, Paradoxien, 4. Auflage 1974, Seite 92). Würde man im gegenständlichen Fall ein aufwendiges Ermittlungsverfahren führen, kann wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Argumente - wie bereits vorgebracht - lediglich wiederholt würden. Die Beischaffung des Ampelschaltplanes sowie die feinmikroskopische Auswertung des Tachographenblattes - wie vom Bw beantragt - scheint im Hinblick auf den gegenständlichen Tatbestand ein untaugliches Beweismittel zu sein, weil er selbst bei Kenntnis der gefahrenen Geschwindigkeit sowie bei Kenntnis des Ampelphasenplanes entscheidend darauf ankommt, ob die Wahrnehmung des Anzeigelegers oder die Wahrnehmungen des Beschuldigten als erwiesen gelten können. Mit einer formalen Beweiswürdigung unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht gemäß § 289 StGB kommt man im gegenständlichen Fall der Wahrheit nicht näher auf den Grund; dies insbesonders deshalb, weil wenn - wie der Bw behauptete - das Signal "freie Fahrt für Busse" aufgeleuchtet hat, während die normale VLSA noch "Rot" zeigte, der Anzeigeleger die von ihm behauptete Fahrgeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h, wenn er bei Rot weggefahren ist, wohl nicht erreichen hätte können. Der Anzeiger könnte also auch bei "Grün" gefahren sein. Dies ist jedoch aufgrund des plausiblen Vorbringens des Bw nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit als Beweis feststellbar, weshalb in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" entschieden wurde.

 

Zum Faktum 2. (§ 7 Abs.1 StVO 1960):

Bei der gegenständlichen Tatörtlichkeit handelt es sich um ein Ortsgebiet mit zwei durch Leitlinien gekennzeichnete Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung. Da hier gemäß § 7 Abs.3a StVO 1960 die freie Fahrstreifenwahl gilt, hat der Bw nicht tatbildlich gehandelt, weshalb schon aus diesem rechtlichen Grund diesbezüglich der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.

 
4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 
 

Dr. F r a g n e r

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