Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160620/5/Zo/Pe

Linz, 22.06.2005

 

 

 VwSen-160620/5/Zo/Pe Linz, am 22. Juni 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn G D, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, vom 30.5.2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 2.5.2005, VerkR96-1560-2005, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) zu Recht erkannt:

 

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in Höhe von 18,80 Euro (20 % der verhängten Geldstrafen) zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, dass er am 9.2.2005 um 15.32 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet Helpfau-Uttendorf auf der B 147 gelenkt habe und

  1. sich bei Strkm. 25,100 auf dem Fahrstreifen für Linksabbieger eingeordnet habe, die Fahrt jedoch nicht im Sinne der auf der Fahrbahn angebrachten Richtungspfeile fortgesetzt habe,
  2. bei Strkm. 25,0 die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren habe.

Der Berufungswerber habe dadurch Verwaltungsübertretungen gemäß § 9 Abs.6 StVO 1960 zu 1. bzw. gemäß § 9 Abs.1 StVO 1960 zu 2. begangen, weshalb über ihn Geldstrafen von 36 Euro zu 1. bzw. 58 Euro zu 2. und jeweils entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von Insgesamt 9,40 Euro verpflichtet.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit welcher der anwaltlich vertretene Berufungswerber eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK vorbringt. Der Grundsatz eines fairen Verfahrens verlange, dass niemand gezwungen werden dürfe, Beweise gegen sich selbst zu liefern. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn habe das von ihm vertretene Unternehmen als Zulassungsbesitzerin des Pkw unter Strafandrohung aufgefordert, den damaligen Lenker des Autos bekannt zu geben. Dies habe er mit Schreiben vom 14.3.2005 pflichtgemäß getan und sich damit selbst belastet, weil er eben das Fahrzeug selbst gelenkt habe. Die einzige Alternative wäre die Verweigerung der Lenkerauskunft gewesen, wozu er sich aber nicht entschlossen habe, weil der Strafrahmen dafür dreimal so hoch sei wie jener für die Übertretungen der StVO 1960. § 103 Abs.2 KFG 1967 habe ihn unter Strafsanktion gezwungen, ein Geständnis betreffend sein strafbares Verhalten abzulegen, was dem Anklageprinzip widerspreche. Im Erkenntnis VfSlg. 11.829 hat der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung der gegenständlichen Bestimmung Art.6 EMRK bloß in seiner innerstaatlichen Maßstabsfunktion angewendet.

 

Das Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung gelte unbestritten auch für das Verwaltungsstrafverfahren und das Anklageprinzip schütze den Rechtsunterworfenen auch schon vor Einleitung eines Strafverfahrens davor, durch Androhung rechtlicher Sanktionen dazu verhalten zu werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

 

Der Berufungswerber verwies auf das Urteil vom 8.4.2004 im Fall Weh gegen Österreich und führte dazu aus, dass sich der gegenständliche Fall von diesem dadurch unterscheidet, dass er eben pflichtgemäß die Lenkerauskunft wahrheitsgemäß erteilt habe und sich deshalb selbst belasten musste. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn sei unter Anwendung von Zwang und Druck zu der Information gelangt, dass er damals den Pkw selbst gelenkt habe, weshalb ein Beweisverwertungsverbot bestehe.

 

Schließlich machte der Berufungswerber noch geltend, dass im vorliegenden Verfahren nur der Oö. Verwaltungssenat nicht aber der Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof im Sinne der EMRK-Judikatur ein Tribunal im Sinne des Art.6 EMRK ist, weshalb auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nach Art.2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK auf ein Rechtsmittel in Strafsachen an ein Tribunal verletzt werde. Auch nach der Lehre müssten im Strafverfahren zwei gerichtliche Instanzen mit voller Kognition bestehen, was nicht der Fall sei. Der Verwaltungsgerichtshof sei kein Tribunal, der von der Republik Österreich zu Art.2 des 7. Zusatzprotokolls erklärte Vorbehalt sei ungültig und darüber hinaus könne der Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Verfahren die Behandlung der Beschwerde nach § 33a VwGG ablehnen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau/Inn hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie eine Anfrage an den Berufungswerber dahingehend, ob der von der Gendarmerie angezeigte Sachverhalt sowie dessen rechtliche Beurteilung oder die Strafbemessung bekämpft würden.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Von einem Organ des Gendarmeriepostens Mauerkirchen wurde Anzeige erstattet, weil der Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen am 9.2.2005 um 15.32 Uhr auf der B 147 bei Strkm. 25,100 im Kreuzungsbereich der B 142 mit der Mauerkirchner Landesstraße in Fahrtrichtung Schalchen einen vor ihm fahrenden Lkw überholte. Bei diesem Überholvorgang befuhr der Fahrzeuglenker einen Linksabbiegestreifen bei km 25,100, wobei er die Fahrt nicht im Sinne der auf der Fahrbahn angebrachten Richtungspfeile fortsetzte. In weiterer Folge überfuhr er bei Strkm. 25,0 die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie.

 

Zulassungsbesitzerin des gegenständlichen Pkw ist die H D GmbH & Co KG in. Mit Schreiben vom 3.3.2005 wurde sie von der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn aufgefordert, benannt zu geben, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen am 9.2.2005 um 15.32 Uhr gelenkt hat. Dazu gab der Berufungswerber als außenvertretungsbefugtes Organ der Zulassungsbesitzerin bekannt, dass er selbst das Fahrzeug zum damaligen Zeitpunkt gelenkt hatte.

 

Mit Schreiben vom 30.3.2005 erlies die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung wegen der ihm nunmehr vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen. Dagegen erhob dieser rechtzeitig Einspruch und führte nach Akteneinsicht aus, dass er die Lenkerauskunft nur deshalb erteilt habe, weil er eben unter Strafandrohung dazu aufgefordert worden sei. Die von der Erstinstanz verhängten Geldstrafen würden ihn daher in dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren nach Art.6 EMRK verletzten, weil die Behörde nicht auf Beweise zurückgreifen dürfe, welche sie unter Druck und mittels Ausübung von Zwang erlangt habe. In weiterer Folge erging das unter Punkt 1. angeführte Straferkenntnis, gegen welches der Berufungswerber die in Punkt 2. dargestellte Berufung erhoben hat.

 

Mit Schreiben vom 17.6.2005 teilte der Berufungswerber auf Anfrage des Oö. Verwaltungssenates mit, dass er den Sachverhalt nicht bestreitet und die Strafhöhe nicht bekämpft sowie eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht beantragt.

 

Er führte nochmals aus, dass seine Lenkerauskunft, welche er unter Strafandrohung erteilt habe, im Sinne des Beweisverwertungsverbotes der Bestrafung nicht zugrunde gelegt werden dürfe. Der österreichische Vorbehalt zu Art.6 EMRK sei ungültig, weshalb diese Bestimmung in seiner vollen Tragweite als innerstaatliches Verfassungsrecht anzuwenden sei. Art.6 EMRK verbiete eben, dass die Behörde beim Versuch, den Beschuldigten zu überführen, auf Beweise zurückgreift, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Verdächtigen erlangt wurden. Ein solches Beweisergebnis (im konkreten Fall seine Lenkerauskunft) dürfe daher nicht verwertet werden.

 

5. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Sind auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt Richtungspfeile angebracht, so haben die Lenker ihre Fahrzeuge gemäß § 9 Abs.6 StVO 1960 je nach der beabsichtigen Weiterfahrt einzuordnen. Die Lenker von Fahrzeugen müssen jedoch auch dann im Sinne der Richtungspfeile weiterfahren, wenn sie sich nicht der beabsichtigten Weiterfahrt entsprechend eingeordnet haben.

 

Gemäß § 9 Abs.1 StVO 1060 dürfen Sperrlinien nicht überfahren, Sperrflächen nicht befahren werden.

 

5.2. Von einem Gendarmeriebeamten wurde festgestellt, dass sich der Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen am 9.2.2005 um 15.32 Uhr an der im Spruch angeführten Straßenstelle auf dem Linksabbiegestreifen eingeordnet, die Fahrt aber entgegen der Richtungspfeile geradeaus fortgesetzt hat. Weiters hat er die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren. Dieser Sachverhalt wurde vom Berufungswerber nicht bestritten. Der gegenständliche Pkw wurde bei diesem Vorfall vom Berufungswerber gelenkt. Er hat daher die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht zu verantworten. Umstände, welche Zweifel an seinem Verschulden begründen würden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, weshalb gemäß § 5 Abs.1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen ist.

 

Zum Vorbringen des Berufungswerbers, wonach seine Lenkerauskunft dem Verwaltungsstrafverfahren nicht zugrunde gelegt werden dürfe, ist vorerst darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Lenkeranfrage durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn (3.3.2005) noch gar kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet war. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem Berufungswerber keine bestimmte strafbare Handlung vorgeworfen und er war noch nicht "Beschuldigter".

 

Die Lenkeranfrage vom 3.3.2005 bezieht sich auf eine bloße Tatsache, nämlich darauf, wer den Pkw mit dem Kennzeichen am 9.2.2005 um 15.32 Uhr gelenkt hat. Damit war der Berufungswerber keinesfalls verhalten, ein "Geständnis" hinsichtlich der ihm erst später vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen abzugeben. Er war lediglich verpflichtet, wahrheitsgemäß anzugeben, wer dieses Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat. Er hätte im weiteren Verfahren die Möglichkeit gehabt, den angezeigten Sachverhalt zu bekämpfen oder hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung oder auch der Strafbemessung allenfalls mögliche Fehler geltend zu machen. Dies hat er jedoch nicht getan, sondern hat im Gegenteil mit Schreiben vom 17.6.2005 auf Aufforderung mitgeteilt, dass er den Sachverhalt eben nicht bestreitet. Erst mit dieser Mitteilung hat der Berufungswerber die Verwaltungsübertretung eingestanden, wobei anzumerken ist, dass er diesbezüglich unter keinerlei Zwang oder Druck gestanden ist. Hätte er die entsprechende Anfrage der Berufungsinstanz nicht beantwortet, so hätte dies lediglich zur Folge gehabt, dass eben die Berufungsentscheidung aufgrund des bisherigen Akteninhaltes ergangen wäre. Die Lenkeranfrage vom 3.3.2005 hatte im Gegensatz dazu lediglich zum Inhalt, den Fahrzeuglenker eines bestimmten Fahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt festzustellen, ohne dass dies untrennbar mit dem Vorwurf einer konkreten Verwaltungsübertretung verbunden war. Der Berufungswerber musste also nur eine einfache Tatsache mitteilen, nämlich wer sein Fahrzeug gelenkt hatte (vgl. das Urteil vom 8.4.2004, Weh gegen Österreich). Die vom Berufungswerber erteilte Lenkerauskunft konnte daher dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden, weshalb seiner Berufung aus diesen Gründen nicht Folge gegeben werden konnte.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen sieht § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Höchststrafe von jeweils 726 Euro vor. Die verhängten Geldstrafen betragen daher lediglich 5 bzw. 8 % des gesetzlichen Strafrahmens. Es wird davon ausgegangen, dass der Berufungswerber diese Übertretungen lediglich fahrlässig begangen hat und dabei andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind die von der Erstinstanz verhängten Geldstrafen durchaus angemessen. Aufgrund einer rechtskräftigen Vormerkung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vom 3.10.2002 ist der Berufungswerber nicht unbescholten. Als strafmildernd ist sein Geständnis zu werten. Sonstige Straferschwerungs- oder Strafmilderungsgründe liegen nicht vor.

 

Bei Abwägung dieser Umstände und unter Berücksichtigung der von der Erstinstanz geschätzten Vermögensverhältnisse des Berufungswerber (monatliches Einkommen ca. 1.000 Euro, kein Vermögen und Sorgepflichten), welcher der Berufungswerber nicht widersprochen hat, erscheinen die verhängten Strafen durchaus angemessen, weshalb die Berufung auch hinsichtlich der Strafhöhe abzuweisen war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Z ö b l

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