Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160624/2/Br/Wü

Linz, 20.06.2005

VwSen-160624/2/Br/Wü Linz, am 20. Juni 2005

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn F K, M-O-S, B, vertreten durch S, Anwaltsbüro, P S, B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 4. Mai 2005, Zl. VerkR96-BauR96-81-2004, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

  1. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 80 Euro auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem o.a. Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 400 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen, sowie an Verfahrenskosten in Höhe von 40 Euro verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 24.1.2004, nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt habe, wer dieses KFZ am 10.4.2002 (richtig wohl 2004) um 10.40 Uhr auf der A8, Innkreisautobahn bei Strkm 75,20 lenkte.

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte den Schuldspruch im Ergebnis auf den Inhalt der Aktenlage, wonach der Berufungswerber der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe nicht entsprochen habe.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber durch die von seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung.

Darin verweist er im Ergebnis auf die fehlende Verstreckungsmöglichkeit einer auf einer solchen Verweigerung gestützten Bestrafung. Den Tatvorwurf selbst stellt der Berufungswerber in keiner wie immer gearteten Form in Abrede. Vielmehr verweist er diesbezüglich auf seine spezifische Rechtsanschauung sich hierzu nicht verpflichtet gesehen zu haben.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte hier angesichts der sich ausschließlich in einer Rechtsfrage erschöpfenden Aktenlage unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

4. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

4.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

4.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers wohl noch keine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren erfolgt und jedenfalls damit ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft zu machende (gemachte) Person jedenfalls (noch) nicht unmittelbar präjudiziert wird, scheinen im Lichte der bisherigen Judikatur keine Gegensätze zu den Grundsätzen der EMRK erblickt zu werden.

In diesem Sinne ist auch die jüngste Entscheidung des EGMR v. 8.4.2004, Nr. 38544/97 - WEH gegen Österreich begründet worden. Danach ist mit der Benennung des Fahrzeuglenkers noch nicht zwingend eine "strafrechtliche Anklage" und damit keine Konventionswidrigkeit hinsichtlich der wohl damit zum Teil verbundenen Durchbrechung des Rechtes im Falle einer drohenden Selbstbeschuldigung schweigen zu dürfen, verbunden.

Kein Widerspruch zur EMRK wurde bereits im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - VfGH v. 29.09.1988, Zl. G72/88, zumindest nicht aus innerstaatlicher Sicht erblickt.

Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint.

In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156).

4.1.2. Wenngleich dem Berufungswerber in seinem Vorbringen durchaus gefolgt werden kann, wonach der deutschen Rechtslage eine solche Pflicht nicht nur fremd, sondern diese darüber hinaus dort mit dem Grundgesetz nicht in Einklang steht, und darauf gestützte Strafen in Deutschland nicht vollstreckt zu werden scheinen, gewinnt er damit angesichts der hier anzuwendenden österreichischen Rechtslage nichts.

Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung seines Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich. Aus dieser Verwendung leiten sich jedenfalls Ingerenzpflichten gegenüber der österreichischen Rechtsordnung ab (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Ausgelöst wurde die Lenkeranfrage durch die mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers vermutlich begangene Verletzung Abgabenrechtlicher Vorschriften. Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung ist einerseits gemäß der obzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88) bindend, andererseits ergibt sich mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ein Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates was wiederum einem ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund begründet. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfassten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Selbst wenn der Berufungswerber einwenden wollte, dass der Tatort nicht im (österreichischen) Inland gelegen sei und von ihm nicht verlangt werden könne die Bestimmungen des § 103 Abs. 2 KFG 1967 oder "sonstige Pflichten eines österreichischen Zulassungsbesitzers zu kennen", weil es im deutschen Recht keine vergleichbare Bestimmung gebe, ist ihm zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof - wie oben bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt - mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156, als Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 den Sitz der anfragenden Behörde erkannt hat. Aus diesem Grund gelangt das hier einschlägige nationale Recht zur Anwendung, sodass die Berufung auf die deutsche Rechtslage jedenfalls ins Leere geht (vgl. VwGH 26.2.2000, 99/03/0294 mit Hinweis auf VwGH 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0074).

5. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

5.1. Ausgehend von einer durchschnittlichen Einkommenslage ist zur Strafzumessung auszuführen, dass mit Blick auf den bis zu 2.180 Euro reichenden Strafrahmen die von der Erstbehörde verhängte Strafe in der Höhe von 400 Euro innerhalb des gesetzlichen Ermessensspielraumes liegend erachtet werden kann.

Der Unwertgehalt einer Verweigerung der Lenkerbekanntgabe kann wegen des öffentlichen Interesses, insbesondere dem Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit und der sich daraus ableitenden Pflicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, in einer solcherart herbeigeführten Vereitelung der Strafverfolgung nicht bloß als geringfügig abgetan werden. Daher kann hier trotz des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit dennoch eine Überschreitung des Ermessensspielraumes in der Strafzumessung seitens der Behörde erster Instanz nicht erblickt werden.

Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

II. Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von
180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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