Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160682/8/Br/Gam

Linz, 12.08.2005

VwSen-160682/8/Br/Gam Linz, am 12. August 2005

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn E K, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 17. Juni 2005, Zl. VerkR96-9444-1-2004-Fs, nach der am 12. August 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird dem Berufungswerber für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von 14,40 Euro (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wegen der Übertretungen nach § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 72 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen (D) trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 29.3.2005, Zahl: VerkR96-9444-2004, zugestellt am 5.4.2005, nicht binnen zwei Wochen der Behörde darüber Auskunft erteilt habe, wer dieses oa. Kraftfahrzeug am 3.10.2004 um 16.25 Uhr, im Gemeindegebiet von Polling, auf der B 141, bei Strkm 38.330, in Fahrtrichtung Altheim gelenkt habe oder wer diese Auskunft erteilen könne.

1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses verweist die Behörde erster Instanz im Ergebnis auf die in Österreich herrschende Rechtslage, welche zur Bekanntgabe eines Fahrzeuglenkers über Anfrage der Behörde verpflichte. Ebenfalls verwies die Behörde erster Instanz auf die Anwendbarkeit des österreichischen Rechts, dies mit dem Hinweis, dass die Rechte zu schweigen bzw. sich nicht selbst oder nahe Angehörige beschuldigen zu müssen, gegenüber dem Recht der Behörde auf Auskunftsverlangen zurücktrete.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung - fälschlich als Einspruch bezeichnet - bringt der Berufungswerber im Wesentlichen vor, dass es ihm einfach unmöglich sei, nach so vielen Monaten festzustellen, wer das Fahrzeug damals gelenkt habe. Aus dem Radarfoto sei nicht erkennbar ob es sich beim Lenker um einen Mann oder eine Frau handle.

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der am 12.8.2005 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm der Berufungswerber trotz persönlicher Ladung nicht teil. Ebenfalls entsandte er auch keinen Vertreter.

Diesbezüglich ist jedoch auf die mit dem Berufungswerber per E-Mail geführte Korrespondenz zu verweisen. Er wurde neben abermaliger Darlegung der Rechtslage auch auf seine Mitwirkungspflichten, und in Verbindung damit auf die Möglichkeit sich vertreten zu lassen, hingewiesen.

Der Berufungswerber erklärte dazu dem Termin zur Verhandlung nicht Folge leisten zu können und sich auch nicht vertreten lassen zu wollen. Er wollte keines seiner Familienmitglieder belasten. Dies jedoch würde er sofort tun, wenn auf einem Foto der Lenker identifizierbar wäre. Zur Sachaufklärung könne er selbst nichts mehr beitragen.

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

4.1. Unbestritten ist die Präsenz des vom Berufungswerber gehaltenen Fahrzeuges an jener Örtlichkeit auf die sich die Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers bezog. Faktum ist ferner auch, dass auf dem Radarfoto ein Lenker nicht erkennbar ist. Dies ist u.a. auch der Grund für die hier an den Berufungswerber als Fahrzeughalter herangetragene Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe. Diese, dem Berufungswerber am 5.4.2005 zugestellte Aufforderung, enthielt auch den Hinweis der Strafbarkeit der Nichterteilung dieser Auskunft. Mit Blick darauf kann sich der Berufungswerber jedenfalls nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Die Berufungsbehörde übersieht durchaus nicht, dass ein derartiges Rechtsinstitut der Bundesrepublik Deutschland fremd ist.

Ebenfalls vermag sich der Berufungswerber auch mit dem Hinweis nicht zu entschuldigen, nach einigen Monaten nicht mehr sagen zu können wer der Lenker zum fraglichen Zeitpunkt war. Selbst dieses müsste mit einigem guten Willen möglich sein, weil wohl nicht alle Tage und ebenfalls nicht ein unüberschaubarer Personenkreis mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers in Österreich unterwegs sein wird.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers zumindest noch keine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren noch nicht erfolgt und daher ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen eine durch diese Anfrage namhaft zu machende (gemachte) Person jedenfalls (noch) nicht unmittelbar präjudiziert wird, scheinen vorerst auch keine Gegensätze zu den Grundsätzen der EMRK gegeben.

In diesem Sinne ist auch die jüngste Entscheidung des EGMR v. 8.4.2004, Nr. 38544/97 - WEH gegen Österreich begründet worden. Danach ist mit der Benennung des Fahrzeuglenkers noch nicht zwingend eine "strafrechtliche Anklage" und damit keine Konventionswidrigkeit hinsichtlich der wohl damit zum Teil verbundenen Durchbrechung des Rechtes im Falle einer drohenden Selbstbeschuldigung schweigen zu dürfen, verbunden.

Kein Widerspruch zur EMRK wurde bereits im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - VfGH v. 29.09.1988, Zl. G72/88, zumindest nicht aus innerstaatlicher Sicht erblickt.

Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint.

In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156).

5.1.2. Wenngleich dem Berufungswerber in seinem Vorbringen durchaus gefolgt werden kann, wonach der deutschen Rechtslage eine solche Pflicht nicht nur fremd, sondern diese darüber hinaus dort mit dem Grundgesetz nicht in Einklang steht, gewinnt er damit nichts angesichts der hier anzuwendenden österreichischen Rechtslage. Wegen des Hinweises der Strafbarkeit bereits im Auskunftsbegehren vermag er sich trotz des Hinweises auf § 52 und § 55 d StPO - wonach ein Zeugenentschlagungsrecht auch bei bloßen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten besteht, falls mit einer solchen Zeugenaussage die Gefahr wegen eines solchen Deliktes belangt zu werden einherginge - nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum oder ein mangelndes Verschulden mit Erfolg berufen.

Auch dem sinngemäß erhobenen Einwand auf die Einschränkung des staatlichen Gebotsbereiches (Territorialitätsprinzip) muss ein Erfolg versagt bleiben (VwGH 26.5.1999, 99/03/0074).

Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig zumindest vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung seines Pkw`s im Bundesgebiet der Republik Österreich. Aus dieser Verwendung leiten sich jedenfalls Ingerenzpflichten gegenüber der österreichischen Rechtsordnung ab (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Ausgelöst wurde die Lenkeranfrage durch die mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers vermutlich begangene Verletzung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung ist einerseits gemäß der obzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88) bindend, andererseits ergibt sich mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ein Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates was wiederum einem ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund begründet. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfassten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Ebenfalls könnte sich der Berufungswerber angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe bereits in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass die von der Behörde erster Instanz verhängte Strafe in der Höhe von 72 Euro als sehr niedrig bemessen bewertet werden muss. Selbst wenn hier angesichts des Vertrauens auf die in Deutschland herrschende Rechtslage bloß von einem geringen Verschulden auszugehen sein mag, kann der hier verhängten Geldstrafe nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.

Immerhin reicht der Strafrahmen bis 2.180 Euro. Selbst das hier nicht zur Verfolgung gelangende Grunddelikt wäre - trotz eines nur bis 728 Euro reichenden Strafrahmens - durchaus höher zu bestrafen gewesen. Der Unwertgehalt einer Verweigerung der Lenkerbekanntgabe kann wegen des öffentlichen Interesses, insbesondere dem Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit und der sich daraus ableitenden Pflicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, in einer solcherart herbeigeführten Vereitelung der Strafverfolgung nicht bloß als geringfügig abgetan werden. Daher kann hier trotz des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit eine Überschreitung des Ermessensspielraumes in der Strafzumessung seitens der Behörde erster Instanz trotzdem nicht erblickt werden.

Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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