Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160702/12/Fra/He

Linz, 18.01.2006

 

 

 

VwSen-160702/12/Fra/He Linz, am 18. Jänner 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn H B, L, R im Mühlkreis, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. M R, H, F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28. Juni 2005, VerkR96-2411-2004-Br, betreffend Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3. November 2005 und weiteren Erhebungen, zu Recht erkannt:

 

  1. Die Berufung wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Tatörtlichkeit wie folgt zu lauten hat: "ca. Autobahn Kilometer 15,550".
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe (29 Euro) zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 44a Z1 VStG; §§ 16 und 19 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 145 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 9.7.2004 um 12.37 Uhr in Linz auf der A 7, Richtungsfahrbahn Nord, bei Autbahnkm 15,7, als Lenker des Pkw`s zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten hat, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, weil er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 129 km/h lt. Videomessung nur einen Abstand von 15 Meter eingehalten hat, was einem zeitlichen Abstand von 0,43 Sekunden entspricht. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

 

I.2. In der dagegen durch den ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig eingebrachten Berufung bringt der Bw unter dem Aspekt des Verstoßes gegen die Begründungspflicht vor, dass die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses mangelhaft sei. Es sei mit keinem Satz auf seine Rechtfertigung vom 27.9.2004 sowie auf seine Stellungnahme vom 21.2.2005, wonach er ua vorgebracht habe, dass eine "Reaktionssekunde" im Gesetz nicht enthalten ist, eingegangen worden. Die belangte Behörde habe auch keine Feststellungen über seine konkrete individuelle Reaktionsfähigkeit getroffen. Das Gesetz stelle aber eindeutig auf die individuelle Reaktionszeit ab, welche bei positiven sachlichen und persönlichen Umständen auf bis zu 0,3 Sekunden verkürzt sein könne, aber auch bei negativen Dispositionen sich bis zu 1,7 Sekunden verlängern könne (Pürstl-Sommereder, StVO, 11. Auflage, Anmerkung 35 zu § 20 StVO 1960). Erst dann, wenn man wisse, wie schnell ein betroffener Fahrzeuglenker grundsätzlich reagieren könne, kann ein konkret festgestellter Nachfahrabstand einer Beurteilung unterzogen werden. Da der angefochtene Bescheid weder zu den sachlichen noch zu den persönlichen Umständen, welche die Reaktionszeit beeinflussen können, irgendwelche Feststellungen enthält, sei er mangelhaft begründet.

 

Unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringt der Bw vor, die Rechtsmeinung der belangten Behörde, ein Einhalten eines Abstandes zum Vorderfahrzeug von 15 Meter bei einer Fahrgeschwindigkeit von 129 km/h auf einer Autobahn - dies entspricht einem zeitlichen Abstand von 0,43 Sekunden - stelle einen Verstoß gegen § 18 Abs.1 StVO 1960 dar, sei falsch. Er weise noch einmal darauf hin, dass im Gesetz die Einhaltung einer "Reaktionssekunde" wie sie in der Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz vom 17.7.2004 angeführt ist, expressis verbis nicht gefordert wird. Es werde nur die Einhaltung eines solchen Abstandes gefordert, der einem Fahrzeuglenker das jederzeitige Anhalten ermöglicht. Die Reaktionszeit stelle ein subjektive Größe dar, welche unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des VwGH bei sehr geübten Fahrern nur 0,3 Sekunden betragen könne. Mangels bewiesener längerer Reaktionszeit sei in seinem Fall von einer Reaktionszeit von maximal 0,3 Sekunden auszugehen, wobei noch zu berücksichtigen sei, dass die äußeren Faktoren für die Verkürzung der Reaktionszeit, nämlich eine einfache, übersichtliche und vorausberechenbare Verkehrssituation gegeben gewesen sein und auch seine persönlichen Umstände, nämlich seine psychische und physische Gesundheit sowie sein bremsbereites Fahren, gegeben gewesen seien. Der Gesetzgeber habe dies auch in der 7. FSG-Novelle zu Ausdruck gebracht, indem er § 99 Abs.2c der StVO 1960 novellierte und eine Verwaltungsübertretung nunmehr gemäß Z4 leg.cit nur derjenige begehe, der den erforderlichen Sicherheitsabstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug gemäß § 18 Abs.1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr, aber weniger als 0,4 Sekunden beträgt. Ebensowenig sei die vom VwGH in seinem Erkenntnis vom 18.11.2003, GZ: 2001/03/0297, statuierte Untersuchungspflicht für Messgeräte, die nicht dem Maß- und Eichgesetz unterliegen, berücksichtigt worden. Das verfahrensgegenständliche Messsystem wird in § 13 Abs.2 MEG nicht aufgezählt, da dort kein Messgerät zur Bestimmung des Abstandes zwischen zwei Fahrzeugen aufscheint. Die Behörde hätte somit die Tauglichkeit des Gerätes zur verlässlichen Abstandsmessung untersuchen müssen. Weiters hätte sie im Falle einer Tauglichkeit prüfen müssen, ob das Gerät von dem mit der Messung befassten Sicherheitsorgan entsprechend der Betriebsanleitung bedient wurde.

 

Der Bw beantragt sohin zum Beweis für seine Rechtfertigung die Durchführung eines Lokalaugenscheines an Ort und Stelle, um darzulegen, dass die für die Verkürzung der Reaktionszeit maßgebenden äußeren Faktoren, nämlich eine einfache, übersichtliche und vorausberechenbare Verkehrssituation vorgelegen sei. Weiters beantragt der Bw die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass auch die persönlichen Umstände, die zur Verkürzung seiner Reaktionszeit führen, vorliegen. Weiters beantragt der Bw, seiner Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben.

 

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am
3. November 2005 sowie durch Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Bw hinsichtlich seiner Reaktionszeit.

 

Der Oö. Verwaltungssenat ist nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Bw die ihm zur Last gelegte Übertretung begangen hat.

 

I.4.1. Unstrittig ist, dass der Bw das in Rede stehende Kraftfahrzeug zur dem im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Zeitpunkt an der angeführten Örtlichkeit gelenkt hat. Weiters ist unstrittig, dass mittels des Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerätes VKS 3.0 der spruchgegenständliche Nachfahrabstand festgestellt wurde.

 

Der Bw verweist - siehe oben - in seinem Rechtsmittel ua auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.11.2003, 2001/03/0297. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol aufgehoben. Es ging in diesem Verfahren ebenfalls um eine Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960, welche mit einem Gerät der Bauart VIDITVKS festgestellt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in diesem Erkenntnis die Ansicht, dass ein solches Gerät gemäß dem Maß- und Eichgesetz nicht eichpflichtig ist, da dieses Messsystem der Messung von Abständen dient. Das vorliegende Messsystem stelle weder ein Messgerät zur Bestimmung der Länge (iSd § 8 Z1 Maß- und Eichgesetz) dar, noch liegt iSd § 13 Abs.2 Z2 und 3 Maß- und Eichgesetz (betreffend Messgeräte im Sicherheits- und Verkehrswesen) ein Messgerät zur Bestimmung der Geschwindigkeit (Z2) oder der Beschleunigung (Z3) vor. Der Verwaltungsgerichtshof bemängelte, dass das in Rede stehende Gerät nicht mit einem Stempel für eine EWG-Ersteichung bzw. mit einem Zeichen für die EWG-Bauartzulassung im Sinne der Richtlinie 71/361/EWG des Rates vom 26.7.1971 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend gemeinsame Vorschriften über Messgeräte sowie über Mess- und Prüfverfahren versehen worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof fordert in diesem Erkenntnis, dass ausgehend davon der UVS Tirol anhand der von der Physikalisch-technischen Bundesanstalt in Braunschweig beizuschaffenden Unterlagen über die Zulassung des Gerätes oder einer vom Hersteller einzuholenden und detaillierten Beschreibung sowie der Bedienungsanleitung des Gerätes und der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach für Messtechnik die Tauglichkeit des Gerätes zur verlässlichen Abstandsmessung untersuchen hätte müssen. Im Falle der Bejahung seiner Tauglichkeit hätte geprüft werden müssen, ob das Gerät im Beschwerdefall von den mit der Messung befassten Sicherheitsorganen entsprechend der Betriebsanleitung bedient wurde. Erst aufgrund dieser weiteren Ermittlungen hätte die Verlässlichkeit der im Beschwerdefall vorgenommenen Abstandmessung abschließend beurteilt werden können.

 

Der Oö. Verwaltungssenat stellt hiezu fest:

Entgegen den Ausführungen im oa Erkenntnis handelt es sich beim gegenständlichen System um ein Geschwindigkeitsmessgerät. Dies ergibt sich aus der ausnahmsweisen Zulassung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen zur Eichung GZ: 3192/2002 vom 4. Juni 2002 und vom 1. April 2003, GZ: 2447/2003. Nach dem technischen Funktionsprinzip dieses Systems können verlässlich auch Abstände gemessen werden. Ausgehend davon ist es nicht erforderlich, von der Physikalisch-technischen Bundesanstalt in Braunschweig Unterlagen beizuschaffen, um auf deren Grundlage die Verlässlichkeit der vorgenommenen Abstandsmessung beurteilen zu können.

 

Der österreichweit anerkannte und mit dem VKS-System 3.0 bestens vertraute und versierte Amtsachverständige Ing. X hat bei der Berufungsverhandlung die Funktionsweise des Gerätes genauestens erläutert und sämtliche Fragen beantwortet, welche der Vertreter des Bw ohne fachlichen Einwand auch zur Kenntnis genommen hat. Der Sachverständige hat mit einem eigens vom Amt der Landesregierung angekauften Auswertegerät unabhängig vom Messbeamten eine Auswertung durchgeführt und bei der Berufungsverhandlung erläutert und vorgezeigt. Insbesondere führte der Sachverständige aus, dass die Beobachtungszeit ca. 11 Sekunden beträgt, das sieht man auch auf dem Videofilm. Insofern ist auch das Argument des Bw, dass der Abstand zwischen seinem und dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nur einen kurzen Moment 0,43 Sekunden betragen hat, widerlegt. Weiters führte der Sachverständige aus, dass der Km 15,7 auf Höhe des Fußgängerüberganges Koglerweg liegt. Die Messung erfolgte ca. 150 Meter vor diesem Straßenkilometer. Das Messgerät war auf dem Koglerweg sohin bei Strkm. 15,700 positioniert. Die erste Kalibrierungsstelle bzw. der erste Markierungsbefund befindet sich ca. 50 Meter von der Brücke entfernt. Die Kalibrierungspunkte werden vom Amt der Landesregierung, Abteilung Verkehrstechnik, eingemessen. Für jede Messstelle gibt es ein Abnahmeprotokoll. Voraussetzung ist, dass geeichte Maßbänder für die Einmessung verwendet werden. Es werden nur geeichte Maßbänder hiefür verwendet. Auf den im Akt befindlichen Lichtbildern sieht man die Kalibrierungspunkte am rechten Bildrand. Der Abstand von Kalibrierungspunkt zu Kalibrierungspunkt beträgt ca. 50 Meter. Die Messstrecke erstreckt sich sohin ca. von Strkm. 15,550 bis Strkm. 15,650. Bei der Auswertung des Videos liefert die Maske ein System, sodass unter Zugrundelegung der Ausgangslinie beim Aufstellungsort des Gerätes durch Subtraktion der Abstand errechenbar ist.

 

Wie oben ausgeführt, war sohin das Gerät auf dem Koglerweg oberhalb der Autobahn positioniert, wobei eine Kamera das Kennzeichen fotografiert, die andere die Lichtbilder lt. Anzeige gemacht hat. Für jeden Messplatz liegt ein Protokoll vor, in welchem ausgewiesen ist, dass dieser für eine taugliche Messung geeignet ist; Hauptkriterium ist ein ausreichender Sichtbereich. Der Sachverständige verfügt über ein eigenes System, mit welchem er - siehe oben - die Messung der Polizei nachvollzieht. Er hat dasselbe Videoband und macht mit einem von der Polizei unabhängigen Messsystem eine Nachkontrolle. Über die Bildanzahl wird die Zeit genommen, dann wird die Geschwindigkeit durch Zeit gerechnet und daraus resultiert der Abstand. Die weiße Markierungslinie ist der Nullpunkt und von dort geht der Messbeamte nach hinten. Das Maß von der Hinterachse des Vorderfahrzeuges zur Vorderachse des Hinterfahrzeuges werde als Sicherheitsabstand vorgeworfen, wobei die Überhänge nicht berücksichtigt werden.

 

Aus der Zulassung zur Eichung des BEV vom 4.6.2002 ergibt sich, dass die eichtechnische Überprüfung die Verifikation der verwendeten Software umfasst, die Überprüfung der Zeitmessgenauigkeit sowie die Richtigkeit der Koordinatenbestimmung am Bildschirm. Lt. Punkt 6.2.4. der Zulassung sind die Berechnungen so konzipiert, dass allfällige Unsicherheiten jedenfalls zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt werden.

 

Es ist sohin abschließend festzustellen, dass die Messung beweiskräftig ist und sohin die zur Last gelegte Übertretung in objektiver Hinsicht zweifelsfrei erwiesen ist.

 

I.4.2. Mit seinem Berufungsvorbringen hinsichtlich der Reaktionszeit versucht der Bw die Fahrlässigkeitsvermutung iSd § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG zu entkräften. Die ist ihm jedoch aus folgenden Gründen nicht gelungen:

 

Im Hinblick auf den Antrag des Bw seine Reaktionszeit zu überprüfen, ersuchte der Oö. Verwaltungssenat das Kuratorium für Verkehrssicherheit, die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Bw hinsichtlich seiner Reaktionszeit festzustellen. Beim Bw wurde eine derartige Untersuchung am 14.12.2005 mit folgenden Ergebnissen durchgeführt:

Sekunden Prozentrang

Mittlere Reaktionszeit im Test 0,67 86

Kürzeste Reaktionszeit im Test 0,56

Längste Reaktionszeit im Test 0,77

Mittlere Entscheidungszeit im Test 0,48 92

Kürzeste Entscheidungszeit im Test 0,36

Längste Entscheidungszeit im Test 0,60

Anzahl Ausgelassene Reaktionen 0 100

Anzahl Entscheidungsfehler 4 20

Anzahl Reaktionsfehle^ 0 100

Interpretiert wurden diese Testergebnisse folgendermaßen: "Die erhöhte Anzahl von Entscheidungsfehlern spricht für ein hohes Aktivierungsniveau des Untersuchten bei der Testdurchführung. Dementsprechend zeigt sich auch ein überdurchschnittlich schnelles Reaktionstempo (Prozentränge über 75)."

 

Mit diesem Untersuchungsergebnis ist sohin die Behauptung des Bw, es sei in seinem Fall von einer Reaktionszeit von max. 0,3 Sekunden auszugehen, eindeutig widerlegt. Beim Bw wurde eine mittlere Reaktionszeit von 0,67 Sekunden und eine kürzeste Reaktionszeit von 0,56 Sekunden festgestellt. Zu bedenken ist bei diesem Test, dass er unter Laborbedingungen durchgeführt wurde, wobei sich der Bw offensichtlich "auf Schnelligkeit getrimmt hat", woraus auch die erhöhte Anzahl von Entscheidungsfehlern resultiert. Im realen Verkehrsgeschehen ist von einer wesentlich längeren Reaktionszeit auszugehen, da der Lenker durch die Aufnahme zahlreicher Sinneswahrnehmungen abgelenkt ist, wobei noch die Disposition zu berücksichtigen ist.

 

Es ist sohin festzustellen, dass der Bw - unter Ausklammerung der Entscheidungsfehler - unter Laborbedingungen eine mittlere Reaktionszeit von 0,67 Sekunden und eine kürzeste Reaktionszeit von 0,56 Sekunden erreicht hat. Würde man davon ausgehen, dass der Bw diese Reaktionszeit auf den konkreten Sachverhalt bezogen - was unwahrscheinlich ist - ebenfalls erreicht hat, liegt sohin eindeutig ein Verschulden an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung vor, da beim gemessenen Abstand von 0,43 Sekunden für den Bw im Falle eines Bremsmanövers des vorausfahrenden Fahrzeuges keine Chance besteht, rechtzeitig selber ein Bremsmanöver einzuleiten. Unter einer Zeit von mind. 0,7 Sekunden erfolgt im realen Verkehrsgeschehen praktisch keine Reaktion eines Autolenkers. Auch bei besonderer Aufmerksamkeit muss bei einem Durchschnittslenker eine Reaktionszeit von 0,8 Sekunden zugrunde gelegt werden. Bei einem Sicherheitsabstand von 0,43 Sekunden - wie im gegenständlichen Fall - kann auf allfällige, auch unerwartete Bremsmanöver des vorausfahrenden Fahrzeuges nicht mehr reagiert werden. Ein (Auffahr-)Unfall wäre demnach nicht mehr zu vermeiden gewesen (vgl. das bereits in erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten vom 17.1.2005, VT-01000/5828-2004-LJ).

 

Die Berufung war daher auch in der Schuldfrage abzuweisen.

 

I.4.3. Aufgrund des Verhandlungsergebnisses war die Tatörtlichkeit zu spezifizieren. Eine Verletzung des § 44 a Z1 VStG hinsichtlich der Tatörtlichkeit liegt nicht vor, weil das Erfordernis der Konkretisierung des Tatortes in Verbindung mit der Tatzeitangabe zu betrachten ist (vgl. zB VwGH 29.11.1989, 88/03/0154). Bei 129 km/h wird in der Sekunde eine Strecke von 35,8 Meter zurückgelegt. Der Bw benötigt sohin für eine Strecke von 150 m 4 - 5 Sekunden. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht § 31 Abs.1 VStG einer bloßen Spezifizierung der Tatumstände durch die Berufungsinstanz - so auch einer relativ geringfügigen Berichtigung der Tatörtlichkeit - nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist nicht entgegen. Der Oö. Verwaltungssenat kann auch nicht erkennen, inwiefern diese Spezifizierung den Bw in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigen würde.

 

Entsprechend den gesetzlichen Vorschriften des § 66 Abs.4 AVG iVm § 44a Z1 VStG war daher der Schuldspruch hinsichtlich der Tatörtlichkeit zu konkretisieren bzw. zu spezifizieren.

 

I.4.4. Strafbemessung:

Die Strafe ist unter Bedachtnahme auf die Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten im Rahmen des gesetzlichen Strafsatzes entsprechend dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat festzusetzen. Bei der Strafbemessung ist sohin auf objektive und subjektive Kriterien der Tat iSd § 19 VStG Bedacht zu nehmen.

 

Der Oö. Verwaltungssenat legt der Strafbemessung zugrunde, dass der Bw ein monatliches Einkommen von 1.000 Euro bezieht, vermögenslos und für niemanden sorgepflichtig ist. Das Einkommen wurde mangels Angaben des Bw geschätzt. Der Bw ist verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten. Ein Milderungsgrund kann sohin nicht festgestellt werden, ebenso kein Erschwerungsgrund. Mit der verhängten Geldstrafe wurde der gesetzliche Strafrahmen lediglich zu einem Fünftel ausgeschöpft und ist die verhängte Strafe aufgrund des gravierenden Unrechts- und Schuldgehaltes tat- und schuldangemessen festgesetzt sowie aus Gründen der General- und Spezialprävention notwendig. Es handelt sich bei der im Rede stehenden Übertretung um eine schwere Übertretung der Straßenverkehrsordnung im Fließverkehr, die immer wieder zu Verkehrsunfällen, bei denen Menschen oft schwer und sogar tödlich verletzt werden, führt.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. F r a g n e r

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