Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160808/9/Kof/He

Linz, 05.12.2005

 

 

 

VwSen-160808/9/Kof/He Linz, am 5. Dezember 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn LS vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. HV gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 8.8.2005, VerkR96-1474-2005-Gg, wegen Übertretungen des GGBG, nach Durchführung der mündlichen Verhandlungen vom 13.10.2005 und 5.12.2005 einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung gegen Punkt 1. ("Beförderungspapier") wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat 20 % der verhängten Geldstrafe zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19 und 24 VStG.

§ 64 Abs.1 und 2 VStG.

Der Berufung gegen Punkt 2. ("schriftliche Weisung") wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt. Der Berufungswerber hat weder eine Geldstrafe, noch Verfahrenskosten zu bezahlen.

Rechtsgrundlage: RN 1.1.3.6.2 ADR

Der Berufungswerber hat somit insgesamt zu entrichten:

  • Geldstrafe ........................................................................................... 726,00 Euro

  • Verfahrenskostenbeitrag I. Instanz ................................................. 72,60 Euro

  • Verfahrenskostenbeitrag II. Instanz ................................................ 145,20 Euro

943,80 Euro

Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt 16 Stunden.

 

 

Entscheidungsgründe:

Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis - auszugsweise - wie folgt erlassen:

"Sie haben es als die zur selbständigen Vertretung nach außen berufene Person (§ 9 VStG) der Firma S., etabliert in H-1076 Budapest,......., in dessen Eigenschaft als Beförderer des gefährlichen Gutes:

UN 3082 UMWELTGEFÄHRDENDER STOFF, FLÜSSIG, n.a.g. Klasse 9, VG III,
8 Kanister aus Kunststoff zu je 25 Liter, Versandstücke, Bruttomasse 216 kg

UN 1805 PHOSPHORSÄURE, FLÜSSIG, Klasse 8, VG III, 2 Kanister aus Kunststoff zu je 20 Liter, Versandstücke, Bruttomasse 40 kg

UN 1760 ÄTZENDER FLÜSSIGER STOFF, n.a.g., Klasse 8, VG III, 2 Kanister aus Kunststoff zu je 5 Liter, Versandstücke, Bruttomasse 16 kg

zu verantworten, dass das gefährliche Gut am 28.10.2004 um 17.15 Uhr im Gemeindegebiet Leopoldschlag auf der Mühlviertler Straße B310, Strkm 55,250 in Fahrtrichtung Tschechien, mit der Beförderungseinheit, LKW, Kennz.......(H) mit einer Gesamtmasse von mehr als 3,5 t gelenkt von Herrn H. T., befördert wurde und der Beförderer es unterlassen hat, im Rahmen des § 7 Abs.1 GGBG (Sicherheitsvorsorgepflicht) sich zu vergewissern, dass die vorgeschriebenen Unterlagen in der Beförderungseinheit mitgeführt werden, weil

  1. für das Gefahrengut UN 3082 UMWELTGEFÄHRDENDER STOFF, FLÜSSIG, n.a.g., Klasse 9, VG III, kein Beförderungspapier mitgeführt wurde
  2. (Absatz 5.4.1.1.1 und Absatz 1.4.2.1 lit.b ADR) und

  3. für das Gefahrengut UN 3082 UMWELTGEFÄHRDENDER STOFF, FLÜSSIG, n.a.g., Klasse 9, VG III, keine schriftliche Weisung mitgeführt wurde.

(Abschnitt 5.4.3 und Absatz 1.4.2.2.1 lit.b ADR).

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1. § 7 Abs. 1 u. 2 iVm § 13 Abs. 1 a Z. 2 u. § 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG

zu 2. § 7 Abs. 1 u. 2 iVm § 13 Abs. 1 a Z. 2 u. § 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

zu 1. 726,00 Euro

zu 2. 726,00 Euro

falls diese uneinbringlich

Ersatzfreiheitsstrafe von

16 Stunden

16 Stunden

ist

Gemäß

§ 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG

§ 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

145,20 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/........) beträgt daher 1597,20 Euro."

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 30.8.2005 eingebracht.

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:

Am 13.10.2005 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Rechtsvertreter des Bw sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen haben.

Am 5.12.2005 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Rechtsvertreter des Bw und der Zeuge, RI. M.P., Grenzpolizeiinspektion Wullowitz, teilgenommen haben.

Zu den Einwendungen des Bw wird im Einzelnen festgestellt:

Der Bw bringt zutreffend vor, dass sein Name "L..... S.......s" lautet.

Die "Aufforderung zur Rechtfertigung" der belangten Behörde vom 25.4.2005, VerkR96-1474-2005 wurde an Herrn "L..... S...an....s"

zH Rechtsanwälte Dr. H. V. - Dr. G. G. (= die Rechtsvertreter des Bw) adressiert.

In der Aufforderung zur Rechtfertigung wurde der Vorname des Bw richtig bezeichnet.

Im Familiennamen des Bw - dieser besteht aus neun Buchstaben - wurden zwischen dem vierten und dem fünften Buchstaben irrtümlicherweise die Buchstaben "an" eingefügt und dadurch der Familienname irrtümlicherweise mit "S...an....s" anstelle richtigerweise mit "S.......s" bezeichnet.

Dabei handelt es sich um einen rechtlich belanglosen, berichtigungstauglichen
(Ab-)Schreibfehler, welcher für den Rechtsvertreter des Bw klar erkennbar war;

siehe dazu VwGH vom 11.8.2004, 2004/17/0002; vom 18.3.2004, 2004/05/0033; vom 15.5.2002, 2002/08/0130.

Für die Verjährungsunterbrechung kommt es darauf an, dass sich die Amtshandlung gegen eine individuell bestimmte Person richtet, die nach dem sie beschreibenden Merkmal unverwechselbar erkennbar ist. Unterlaufene Schreibfehler schaden daher nicht, wenn aus den sonstigen Umständen eindeutig hervorgeht, gegen wen sich die Amtshandlung gerichtet hat; VwGH vom 14.11.1996, 96/16/0217.

Das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde am 16. August 2005 dem Rechtsvertreter des Bw zugestellt und dadurch mit diesem Tag erlassen.

Auf den vorliegenden Fall ist gemäß § 1 Abs.2 VStG nicht die GGBG-Novelle 2005, BGBl. I/118/2005 - ausgegeben am 27. Oktober 2005 - sondern das GGBG idF. vor der Novelle 2005, somit das GGBG, BGBl. I/145/1998 idF BGBl. I/61/2003 anzuwenden.

 

 

Zu 1.: ("Beförderungspapier")

Der Bw hat bei der mündlichen UVS-Verhandlung vom 5.12.2005 nachfolgende Stellungnahme abgegeben:

"Dass der Lenker des gegenständlichen Gefahrguttransportes zum Zeitpunkt der Anhaltung das Beförderungspapier für den Stoff UN 3082,

Bruttomasse 216 kg nicht mitgeführt hat, wird von mir nicht bestritten.

Eine Überprüfung der beförderten Güter und der mitzuführenden Papiere vor Ort ist mir nicht zumutbar. Es werden von mir explizit Anweisungen und Einschulungen vorgenommen und wurden bislang die Transporte immer ordnungsgemäß durchgeführt. Es hat noch nie Beanstandungen gegeben, woraus zu schließen ist, dass das Kontrollsystem des Unternehmens funktioniert.

Es wird beantragt der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu wird eine Strafherabsetzung begehrt."

Der Bw verweist in der Berufung zutreffend darauf, dass gemäß § 13 Abs.1a letzter Satz GGBG der Beförderer auf die ihm von anderen Beteiligten (zB vom Absender) zur Verfügung gestellten Informationen und Daten vertrauen darf.

Diese gesetzliche Bestimmung kann zB relevant sein, falls der Absender dem Beförderer ein Beförderungspapier übergibt, welches nicht in allen Punkten vollständig und richtig ausgefüllt ist.

§ 13 Abs.1a letzter Satz GGBG ist jedoch nicht anzuwenden, falls der Absender dem Beförderer (überhaupt) kein Beförderungspapier übergibt und dadurch der Beförderer kein Beförderungspapier mitführt!

Unbestrittene Tatsache ist, dass beim gegenständlichen Gefahrguttransport für das Gefahrgut UN 3082 das - gem. Rechtslage erforderliche - Beförderungspapier nicht mitgeführt wurde.

Beim vorliegenden Delikt als Ungehorsamsdelikt ist gemäß § 5 Abs.1 VStG Fahrlässigkeit anzunehmen, es sei denn, der Bw macht glaubhaft, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Dies ist nach einschlägiger Judikatur des VwGH dann der Fall, wenn der Bw im Betrieb ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte.

Nur ein solches, durch den Bw eingerichtetes Kontrollsystem hätte daher exkulpierende Wirkung.

Ein solches liegt aber nur dann vor, wenn dadurch die Überwachung des Zustandes aller im Betrieb eingesetzten Fahrzeuge jederzeit sichergestellt werden kann. VwGH vom 20.7.2004, 2002/03/0191 mwH

 

 

Es obliegt dem Beförderer, durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen, dass seinen Anordnungen auch entsprochen wird, wobei er der Behörde bei einem Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften dieses System im Einzelnen darzulegen hat.

Der Beförderer muss Maßnahmen getroffen haben, welche unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, um von einem wirksamen Kontrollsystem auszugehen;

Es ist somit Aufgabe des Beförderers, das angewendete wirksame Kontrollsystem der Behörde im Einzelnen darzulegen und obliegt es nicht der Behörde, von Amts wegen diesbezügliche Ermittlungen vorzunehmen;

VwGH vom 17.6.2004, 2002/03/0200 mit Judikaturhinweisen.

Auch Schulungen der Lenker ersetzen nicht die Durchführung tatsächlich wirksamer Kontrollen, ob sich die Lenker auch entsprechend der in den Schulungen enthaltenen Anweisungen verhalten; VwGH vom 8.6.2005, 2004/03/0166.

Der Bw hat zwar bei der mündlichen UVS-Verhandlung vom 5.12.2005 vorgebracht, über ein funktionierendes Kontrollsystem zu verfügen, das in seinem Betrieb bestehende bzw. angewendete Kontrollsystem jedoch nicht im Einzelnen dargelegt.

Insbesondere hat der Bw nicht dargelegt, welche Maßnahmen er - in seiner Funktion als Beförderer von Gefahrguttransporten - getroffen hat, um zu verhindern, dass bei einem Gefahrguttransport das Beförderungspapier nicht mitgeführt wird.

Die Berufung war daher hinsichtlich des Schuldspruchs als unbegründet abzuweisen.

Wer als Beförderer gefährliche Güter entgegen § 13 Abs.1a GGBG befördert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 27 Abs.1 Z1 GGBG mit einer Geldstrafe von mindestens 726 Euro zu bestrafen.

Bei Nichtmitführen des Beförderungspapiers hat der VwGH diese Mindestgeldstrafe von 726 Euro in mehreren Entscheidung als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen;

Erkenntnisse vom 8.6.2005, 2004/03/0166; vom 19.3.2003, 2001/03/0025; vom 15.11.2000, 2000/03/0143; vgl. auch VwGH vom 17.6.2004, 2002/03/0200.

Die Berufung war daher auch hinsichtlich der verhängten Geldstrafe als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 64 Abs.2 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz 10 % und für das Berufungsverfahren weitere 20 % der verhängten Strafe (= 72,60 Euro bzw. 145,20 Euro).

 

 

 

Zu 2: ("Schriftliche Weisungen)

Mit dem gegenständlichen Gefahrguttransport wurden insgesamt (216 + 40 + 16 =) 272 kg Gefahrgut der Beförderungskategorie 3 transportiert.

Dabei handelt es sich iSd RN 1.1.3.6 ADR um eine freigestellte Menge.

Gemäß RN 1.1.3.6.2 ADR ist beim Transport einer freigestellten Menge das Mitführen der schriftlichen Weisung nicht erforderlich.

Es war daher der Berufung stattzugeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen. Der Bw hat weder eine Geldstrafe, noch Verfahrenskosten zu bezahlen.

Zu 1. und 2.:

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Kofler

 

Beschlagwortung: GGBG; Beförderungspapier, schriftliche Weisung; freigestellte Menge

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