Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160838/3/Br/Wü

Linz, 14.10.2005

VwSen-160838/3/Br/Wü Linz, am 14. Oktober 2005

DVR. 0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn O K,O, S, vertreten durch RA Dr. J P, S, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 13. September 2005, Zl. VerkR96-3061-2005, nach der am 14. Oktober 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1,
§ 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 8 Euro auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wegen der Übertretungen nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 40 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden verhängt, weil er am 14.3.2005, um 14.38 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet von Weng, auf der B 142 bei Strkm. 10.680 lenkte und dabei die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten habe.

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus:

"Gegen die ha. Strafverfügung vom 3.6.2005, Zahl VerkR96-3061-2005 erhoben Sie innerhalb offener Frist unter anwaltschaftlicher Vertretung einen unbegründeten Einspruch. Gleichzeitig ersuchten Sie um Akteneinsicht.

Nach einem Einspruch gegen eine Strafverfügung tritt diese außer Kraft und ist das Ermittlungsverfahren einzuleiten, welches, wenn die Tat erwiesen ist, mit der Erlassung eines Straferkenntnisses abzuschließen ist. Der im Straferkenntnis vorgeschriebene Verfahrenskostenbeitrag von 10 % gründet im § 64 VStG.

Ihrem Ersuchen um Akteneinsicht wurde mit Schreiben vom 15.7.2005 entsprochen.

Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert sich binnen einer Frist von 14 Tagen, ab Zustellung zu

rechtfertigen.

Mit Schreiben vom 1.8.2005 rechtfertigten Sie sich im wesentlichen dahingehend, dass die gegenständliche Bestrafung Sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK verletzen würde, zumal die Behörde in diesem Verfahren auf einen Beweis zurückgreife, welcher mittels Druck und Zwang zustande gekommen sei, da in der Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG vom 28.4.2005 Sie verpflichtet worden seien, sich selbst als Lenker bekannt zu geben, zumal Sie ansonsten wegen Nichterteilung der Auskunft bestraft worden wären.

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilten, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.

Die geltende Rechtslage ist von der Behörde zu beachten.

Aus der Aktenlage geht hervor,

1 . dass mittels Messung festgestellt wurde, dass der unbekannte Lenker/die unbekannte Lenkerin des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen die im Ortsgebiet von W/I. erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten hat.

2. dass die Messung mittels Laser-Geschwindigkeitsmessgerät LTI 20.20 TS/KM-E,
Nr. 7079, mit Eichdatum 18.5.2004 vorgenommen wurde,

3. dass die erlaubte Geschwindigkeit 50 km/h betrug, dass beanstandete Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 72 km/h gemessen wurde und sich daher nach Abzug der Verkehrsfehlergrenze von 3 km/h eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 19 km/h ergibt.

4. dass Sie der Lenker des ggst. Kraftfahrzeuges waren.

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof geht, davon aus, dass ein Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit darstellt. Ebenso wie bei der Radarmessung (vgl. ua. das Erkenntnis vom 30.10.1991, 91/03/0154) ist auch einem mit der Geschwindigkeitsmessung mittels Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser betrautem Beamten auf Grund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Gerätes zuzumuten und bedarf es im Verwaltungsstrafverfahren - ohne ausdrückliche und konkrete Behauptung des/der Beschuldigten über Fehler des Gerätes oder Fehler bei dessen Bedienung - keiner weiteren Ermittlung der Behörde.

Auf Grund der Aktenlage ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass eine Fehlmessung bzw. eine nicht bestimmungsgemäße Handhabung des Messgerätes vorliegt und wurde diese von Ihnen nicht konkret behauptet.

Gemäß § 20 Abs.2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gem.
§ 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Die im Spruch zur Last gelegte Verwaltungsübertretung wird daher auf Grund der in sich widerspruchsfreien und daher unbedenklichen Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Altheim, vom 18.3.2005, GZ: AI0000000326/01/2005 festgestellt und als erwiesen angenommen und haben Sie diese so hin zu verantworten.

Zur Strafbemessung ist anzuführen, dass Grundlage hiefür gem. § 19 VStG idgF. stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Weiters sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen. Der gesetzliche Strafrahmen des § 99 Abs.3 lit. a StVO reicht bis zu 726 Euro.

Bei der Bemessung der Strafe wurde auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und

Familienverhältnisse (lt. Schätzung ca. 1.000 Euro mtl. Nettoeinkommen, kein Vermögen, Sorgepflichten) Bedacht genommen. Straferschwerend war eine einschlägige rechtskräftige Vormerkung zu werten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung wird folgendes ausgeführt:

"Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 13.09.2005, VerkR96-3061-2005, erhebe ich nachstehende

B E R U F U N G

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Ich erachte mich im einfachgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, dass ich nicht wegen der mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO bestraft werde, weiters in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art. 7 Abs.1 BV-G und Art. 2 StGG, auf ein Rechtsmittel im Strafverfahren an ein Tribunal nach Art. 2 des
7. ZP zur EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Unverletzlichkeit des Eigentums und verstößt die über mich verhängte Bestrafung gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie gegen den Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs.2 B-VG und gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK.

In meinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht wegen der mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestraft zu werden, erachte ich mich deshalb verletzt, weil eine Strafe nach § 23 VStG wegen einer Verwaltungsübertretung nur aufgrund eines nach diesem Bundesgesetz durchgeführten Verfahrens verhängt werden darf.

Verwaltungsübertretungen sind mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu verfolgen, die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden (Verfahrensgrundsätze der Gesetzmäßigkeit (Legalitätsprinzip) sowie der Amtswegigkeit des Verfahrens (Offizialmaxime) sowie der materiellen Wahrheit nach § 25 Abs.1 und 2 VStG).

Nach § 37 AVG, welcher iSd § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Mit Schreiben vom 28.04.2005 fordert mich die Bezirkshauptmannschaft Braunau als Zulassungsbesitzer des Pkw auf, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens mitzuteilen, wer dieses am 14.03.2005 um 14.38 Uhr auf der B 142 bei Kilometer 10,680 in W Richtung M gelenkt hat. Ich wurde aufgefordert, das dem Schreiben beiliegende Formular zu verwenden und belehrt, dass ich verpflichtet bin, der Behörde den Namen und die vollständige Adresse der Person bekanntzugeben, die die Auskunft erteilen kann, wenn ich die Auskunft nicht selbst erteilen könne, diese treffe dann die Auskunftspflicht. Ich wurde auch darüber belehrt, dass gegen mich ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung der Auskunftspflicht eingeleitet wird, wenn ich die Auskunft nicht fristgerecht erteile, dies gelte auch, wenn ich eine ungenaue oder unrichtige Auskunft erteile, als Rechtsgrundlage wird die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG herangezogen. Dem Lenker liegt eine Verwaltungsübertretung zur Last (69 statt 50 km/h im Ortsgebiet).

Am 06.05.2005 habe ich die geforderte Lenkerauskunft erteilt und darin mitgeteilt, dass das Fahrzeug damals von mir selbst gelenkt wurde und ich mich wegen des sehr hohen Strafrahmens betreffend Verweigerung der Lenkerauskunft gezwungen sehe, mich selbst zu belasten.

Daraufhin wurde das Verwaltungsstrafverfahren wegen der Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO gegen mich als Beschuldigter weitergeführt und wurde ich wegen dieses Deliktes im Sinne des Erkenntnisses der belangten Behörde auch bestraft.

Im Urteil vom 08.04.2004 im Fall Weh gegen Österreich ruft der EGMR in Erinnerung, dass das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, voraussetzt, dass die Behörden beim Versuch, den Beschuldigten zu überführen, nicht auf Beweise zurückgreifen, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Verdächtigen erlangt wurde. Der dortige Beschwerdeführer hat sich nicht etwa selbst belastet, sondern entlastet, indem er gegenüber der Behörde eine dritte Person als Lenker angab und ist die Bestrafung nach § 103 Abs.2 KFG deshalb erfolgt, weil seine der Behörde gegebenen Informationen wegen der fehlenden Adresse des Lenkers unzureichend waren. Das Abstimmungsergebnis war in diesem
Urteil 4 : 3, auf die drei Sondervoten erlaube ich mir hinzuweisen.

Genauso gelagert war der Fall G R (Abstimmungsverhältnis im EGMR-Urteil

5 : 2 mit inhaltsgleichen Sondervoten). Im Urteil vom 24.03.2005 im Fall G R gegen Österreich, Beschwerdenummer 63.207/00 hat der EGMR die im Urteil Weh dargelegten Gründe aufrecht erhalten, auch diese Beschwerdeführerin hat die ihr von der Behörde abverlangte Lenkerauskunft unvollständig erteilt.

Im vorliegenden Fall habe ich im Gegensatz zum Fall W gegen Österreich mich nicht etwa durch die Bekanntgabe einer dritten Person als Lenker des auf meine Person zugelassenen Pkw entlastet, sondern die mir von der Erstbehörde abverlangte Lenkerauskunft auf behördliches Verlangen und unter Strafandrohung dahingehend erteilt, dass ich selbst das Fahrzeug zum angefragten Zeitpunkt am angegebenen Ort gelenkt habe. Damit habe ich mich selbst belastet, indem ich dem behördlichen Auftrag zur Lenkerbekanntgabe pflichtgemäß und wahrheitsgemäß Folge geleistet habe.

Wenn der Verfassungsgerichtshof im Fall K S im Ablehnungsbeschluss vom 11.03.2005,

B 203/05, etwa das Erkenntnis des EGMR vom 08.04.2004 im Fall W gegen Österreich, Beschwerdenummer 38.544/97 zitiert, so leite ich aus dieser Zulassungsentscheidung des EGMR für den vorliegenden Fall das Gegenteil ab.

Dies deshalb, weil darin zum Ausdruck kommt, dass eine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK deshalb nicht vorlag, weil sich der dortige Beschwerdeführer nicht selbst belastet, sondern sich damit entlastet hat, dass er eine dritte Person als Lenker bekanntgab, dies aber unter nicht vollständiger Angabe der Wohnadresse. Überdies ist gegen den dortigen Beschwerdeführer kein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes geführt worden.

Dies war im vorliegenden Fall sehr wohl der Fall, ich bin nur deshalb wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 bestraft worden, weil die Behörde unter Zwang und Druck zu einem Beweis, nämlich meiner Lenkereigenschaft, gekommen ist, weil in der Lenkeranfrage angedroht wurde, dass ansonsten ein Verwaltungsstrafverfahren nach § 103 Abs.2 KFG gegen mich geführt wird.

Ich war in Kenntnis davon, dass der Strafrahmen betreffend dieses Deliktes bis zum dreifachen jener Strafe reicht, welche nach § 99 Abs.3 lit.a StVO verhängt werden kann, was mich neben der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG, welche die Verpflichtung zur Erteilung der Lenkerauskunft vorsieht und der behördlichen Aufforderung samt der angedrohten Rechtshilfe dazu animiert hat, die mir abverlangte Auskunft zu erteilen, was aber nicht meinem Willen entsprach, ich wollte mich damit lediglich vor einer strengeren Strafe schützen.

Solche Beweise dürfen aber im Sinne des Beweisverwertungsverbotes einer Bestrafung nicht zugrundegelegt werden (vgl. VwGH vom 22.11.1984, 84/02/0113, vom 19.04.1988, 87/11/0214, vom 10.12.1990, 90/03/0223 sowie VwGH verstärkter Senat vom 27.11.1979,
Zl. 855/79 sowie VfGH vom 06.12.1988, B 1092/87 und UVS des Landes Oberösterreich vom 15.07.1998, VwSen-105202/6/Bi/FB).

Dass der österreichische Vorbehalt zur Verfassungsbestimmung des Art. 6 EMRK ungültig ist, ist längst unbestritten (vgl. EGMR vom 03.10.2000 im Fall Eisenstecken gegen Österreich sowie vom 21.12.2001 im Fall E B gegen Österreich sowie VfGH vom 13.12.2001, B 227/99).

Nicht nur deshalb ist Art. 6 EMRK (als Verfassungsbestimmung) seinem gesamten Inhalt nach und in seiner vollen Tragweite als innerstaatliches (Verfassungs-)Recht anzuwenden, im Sinne der unten noch darzustellenden Judikatur verbietet ein faires Verfahren den Zwang, sich selbst belasten zu müssen. Dies ergibt sich schon aus der (Verfassungs)bestimmung des Art. 1 EMRK klar.

Im Erkenntnis vom 24.03.1993, 92/03/0229, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche allenfalls auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nur dann unzulässig ist, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche (84/10/0191 und 0192 vom 08.10.1984).

Die Verfassungsbestimmung des Art. 6 EMRK (fair trial) verbietet, Beweise gegen sich selbst liefern zu müssen, das Gesetz - hier sogar eine Verfassungsbestimmung - ordnet somit das Verbot an, dass die Behörde beim Versuch, den Beschuldigten zu überführen, auf Beweise zurückgreift, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Verdächtigen erlangt wurden (vgl. EGMR vom 08.04.2004 im Fall W gegen Österreich).

Die Verwertung eines solchen Beweisergebnisses würde somit auch dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widersprechen; es liegen somit beide alternative Voraussetzungen für das Beweisverwertungsverbot iSd Erkenntnisses des VwGH vom 24.03.1993, 92/03/0229, vor.

Nach § 46 AVG - diese Bestimmung findet gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung - kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel darf nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht so verstanden werden, dass durch ihn jegliche Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote außer Kraft gesetzt werden (VwSlg. 9975/A und 91/10/0130 vom 05.07.1993).

Die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche allenfalls auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, ist zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nur dann unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche (VwGH vom 24.03.1993, 92/03/0229).

Darf somit eine dem Art. 8 EMRK widersprechende Blutalkoholanalysierung (VfSlg. 11.923) nicht verwertet werden, gilt dies auch für einen Beweis, welcher entgegen dem verfassungsgesetzlich geregelten fair trial nach Art. 6 EMRK zustande gekommen ist und dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs.2 B-VG widerspricht, ebenso der auf Verfassungsstufe stehenden Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK.

Der Grundsatz eines fairen Verfahrens ("in billiger Weise") verlangt unter anderem, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (vgl. VfSlg. 10.291). Ein Beschuldiger darf insbesondere nicht gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern (VfSlg. 12.454, EGMR vom 25.02.1993 im Fall Funke, ÖJZ 1993, 532), der Beschuldigte hat ein Recht zu schweigen (EGMR vom 08.02.1996, ÖJZ 1996, 627 und EGMR vom 17.12.1996 im Fall Saunders, ÖJZ 1998, 32). Auch der Grundsatz der Waffengleichheit (EGMR vom 23.06.1993, ÖJZ 1994, 105 und EGMR vom 22.02.1996, ÖJZ 1996, 430 und EGMR vom 23.10.1996, ÖJZ 1997, 475 und VfSlg. 13.702 und 15.840). Vgl. Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3,
S 607.

Wenn somit aufgrund der dargestellten Judikatur ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich Beweisen besteht, welche unter Druck bzw. Zwang entgegen dem Willen des Beschuldigten zustande gekommen sind, ist es unzulässig, jemanden zu bestrafen, der sich weigert, Beweise gegen sich selbst zu liefern und sich dabei auf verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte - wie im vorliegenden Fall - zu stützen vermag und welche die Behörde unter Strafandrohung zu erlangen versucht hat.

Die über mich verhängte Bestrafung ist gleichheitswidrig (VfSlg. 9950 und 10.394) und widerspricht der auf Verfassungsstufe stehenden Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 sowie einem fairen Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK und steht in Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip aber auch zum Anklageprinzip nach Art. 90 Abs.2 B-VG und damit meines Erachtens im Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechtes (Art. 44 Abs.3 B-VG; VfSlg. 15.215 und VfGH vom 11.10.2001, G 12/00 u.a.).

Unter Bezugnahme auf das Urteil des OGH SSt 37/54 und RZ 1977, 109, führt der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 9950 etwa aus, dass jede Beeinflussung der freien Entschließung des Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten darüber, ob oder was er aussagen will, rechtswidrig ist. Es muss dem Tatverdächtigen stets unbenommen bleiben, bei seiner Vernehmung auf Fragen zu antworten oder nicht (§§ 203 und 245 Abs.2 StPO). Auch muss es jederzeit seinem freien Willensentschluss überlassen werden, ob er wahrheitsgemäß aussagen will.

Nach den Grundsätzen des österreichischen Strafverfahrens ist jede Einflussnahme auf einen Angeklagten, Verdächtigen oder Beschuldigten rechtswidrig, die dessen freie Entscheidung darüber, ob und was er aussagen will, beeinträchtigt. Der Angeklagte muss stets kontrollieren können, welche Informationen er dem Gericht bei einer Vernehmung geben will. Alle Methoden, seinen freien Willen auszuschalten, sind unzulässig und zwar sogar dann, wenn er ihrer Anwendung zustimmt. Auf die Aussageverweigerung und auf die Ablegung einer falschen Aussage setzt das geltende Strafverfahrensrecht keinerlei Sanktionen gegen den Tatverdächtigen.

Im Erkenntnis VfSlg. 14.987 stellt der VfGH klar, dass in ständiger Judikatur aus den in Art. 90 Abs.2 B-VG verankerten Anklageprinzip (in seiner materiellen Bedeutung) das sowohl an die Gesetzgebung als auch die Vollziehung gerichtete Verbot abgeleitet wird, den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines (gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen) Strafverfahrens durch Androhung (oder Anwendung) rechtlicher Sanktionen dazu verhalten, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

Der Beschuldigte ist somit einem Zeugen, der die Aussage nach § 49 Abs.1 AVG bzw. § 38 VStG bei Gefahr der Selbstbelastung verweigern darf, in unsachlicher Weise schlechter gestellt.

Weiters liegt eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisten Recht nach Art. 2 des
7. ZP zur EMRK und nach Art. 47 der Grundrechte-Charta der EU auf ein Rechtsmittel in Strafsachen an ein Tribunal vor, weil nach der Rechtsprechung des EGMR zwar der Unabhängige Verwaltungssenat Tribunalqualität iSd Art. 6 EMRK aufweist, nicht jedoch der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof (vgl. EGMR vom 23.10.1995 im Fall G gegen Österreich und vom 20.12.2001 im Fall E B gegen Österreich sowie VwGH vom 20.09.2001, 99/12/0198, sowie W-M, Bundesverfassungsrecht9, Rn. 1003/2, wonach in Strafverfahren zwei gerichtliche Instanzen mit voller Kognition bestehen müssen).

Im Gegensatz zum gerichtlichen Strafprozess (§ 19 StGB) und etwa zum Bußgeldverfahren in der BRD, welches mit dem österreichischen Verwaltungsstrafrecht vergleichbar ist, kennt das VStG das Tagessatzsystem nicht.

Das Tagessatzsystem des § 19 StGB ist eine tragende Säule einer gerechten Strafrechtspflege. Dieses leistet Gewähr, dass Geldstrafen jeden Rechtsbrecher mit annähernd derselben Härte treffen. Die in der Geldstrafe alter Prägung gelegene "Opferungleichheit" wird durch das im skandinavischen Rechtskreis seit langem bestehende System der Tagessätze vermindert. Danach wird im Urteil als erster Schritt eine Tatschuld angemessene bestimmte Anzahl von Tagessätzen ausgesprochen. Im selben Urteil wird dann als zweiter Schritt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt des Urteiles erster Instanz bemessen. Geldstrafen sollen nicht konfiskatorisch wirken (vgl. Foregger-Fabrizy, StGB7, S. 94 ff).

Meines Erachtens ist das Tagessatzsystem für eine gerechte Strafrechtspflege unverzichtbar und in einem modernen Rechtsstaat unabdingbar. Im Fall der Anwendung des Tagessatzsystems wäre die über mich verhängte Geldstrafe milder ausgefallen.

Die über mich verhängte Bestrafung ist aus den genannten Gründen inhaltlich rechtswidrig und verletzt auch mein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZP zur EMRK.

Weiters verweise ich auf den Inhalt des Erkenntnisses des UVS des Landes Oberösterreich vom 09.05.2005, VwSen-160476/5/Br/Sta; in diesem Verfahren hat der UVS beschlossen, den letzten Satz des § 103 Abs.2 KFG beim Verfassungsgerichtshof mittels eines Gesetzesprüfungsantrages nach Art. 140 Abs.1 B-VG anzufechten, wovon deshalb Abstand genommen wurde, weil am Tag nach der mündlichen Berufungsverhandlung fünf Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes in von meinem Rechtsanwalt vertretenen Fällen zugestellt wurden, in welchen die Behandlung von Beschwerden betreffend Übertretungen des § 103 Abs.2 KFG unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 11.829 und auf das Urteil des EGMR vom 08.04.2004 im Fall W L W gegen Österreich abgelehnt wurde.

Überdies verweise ich auf das Erkenntnis des UVS des Landes Oberösterreich vom 25.05.2005, VwSen-160.406/6/Zo/Pe, worin der UVS die Rechtsansicht vertritt, dass das Recht auf ein faires Verfahren und die Unschuldsvermutung dem Beschuldigten das Recht geben, sich nicht selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen zu müssen. Er hat das Recht zu schweigen, weshalb die Behörde nicht auf Beweise zurückgreifen darf, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Beschuldigten erlangt werden. Zum Zeitpunkt der damaligen Lenkeranfrage war bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes (Geschwindigkeitsüberschreitung) anhängig, insoweit unterscheidet sich der dortige Fall nach Ansicht des UVS tatsächlich vom Fall W gegen Österreich, allerdings war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, ob der Berufungswerber überhaupt der Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges zum Zeitpunkt der angezeigten Geschwindigkeitsüberschreitung war. Dies ist im vorliegenden Fall klar.

Dies ist im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufforderung zur Lenkerauskunft vom 28.04.2005 war das Verwaltungsstrafverfahren gegen mich wegen des Grunddeliktes, eine Geschwindigkeitsüberschreitung, anhängig (Strafverfügung vom 03.06.2005) und habe ich in meiner Eingabe vom 01.08.2005 ausgeführt, dass ich mich aufgrund der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG und des Umstandes, dass eine Bestrafung wegen des letztgenannten Deliktes dreimal so hoch ausfallen kann wie eine solche wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung, veranlasst sehe, die mir abverlangte Auskunft zu erteilen und mich selbst zu belasten und habe bekanntgegeben, dass ich der Lenker dieses Pkw war.

Ich stelle somit höflich den

A N T R A G ,

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge dieser Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 13.09.2005 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

Mattighofen, am 19.9.2005 O W. K"

KammOl/Vws.X. vwstraf.rtf

Dr.P/In

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung schien hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte durchaus geboten.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der am 14.10.2005 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm sowohl der Berufungswerber in Vertretung seines Rechtsfreundes als auch eine Vertreterin der Behörde erster Instanz teil.

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

4.1. Dem Berufungswerber kann in seinem Berufungsvorbringen durchaus dahingehend gefolgt werden, dass er sich angesichts der im § 103 Abs.2 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 für die Verweigerung der Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers normierten Strafdrohung, zu dieser Auskunftserteilung und somit im Ergebnis zur präsumtiven Selbstbeschuldigung veranlasst gesehen hat.

Diese im Ergebnis zwangsweise Selbstbeschuldigung erfolgte durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit der Benennung seiner Person als Lenker per Schreiben vom 6.5.2005. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers verweist diesbezüglich auf drei in diesem Zusammenhang von ihm beim EGMR gegen die Republik Österreich anhängig gemachten Beschwerdeverfahren. Diesbezüglich liege aber derzeit noch keine Zulässigkeitsentscheidung vor.

Mit dieser im Sinne der Rechtslage sich selbst als Lenker zum fraglichen Zeitpunkt benennenden Mitteilung, wurde hier von der Behörde erster Instanz in zutreffender Weise die Grundlage des Tatbeweises erblickt und darauf die Bestrafung gestützt. Der Berufungswerber bestritt zu keinem Zeitpunkt die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung.

Mit seinem Vorbringen, sich letztendlich unter Strafsanktion zu dieser Lenkerauskunft entschlossen zu haben und sich damit im Ergebnis selbst beschuldigt zu haben, vermag jedoch angesichts der herrschenden Rechtslage für ihn nichts gewonnen werden.

Auf das Grunddelikt, nämlich die den Anfragegrund nach § 103 Abs.2 KFG bildende Lasermessung und die damit festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung, ist hier mangels eines bestreitenden Vorbringens nicht mehr weiter einzugehen. Diesbezüglich kann auf die Feststellungen im Akt bzw. die Behörde erster Instanz verwiesen werden.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof verwies auf das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt. Sehr wohl hebt er gleichzeitig auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses hervor (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.).

Hinzuweisen ist im Zusammenhang auch, wonach es der Verfassungsgerichtshof mit dem Grundsatz "nemo tenetur" als unvereinbar erkannte, wenn ein Gesetz die Partei zwingt, ein allenfalls den Gegenstand der Beschlagnahme bildendes Beweismittel zu schaffen, das im Verfahren gegen die Partei selbst verwendet werden kann. Dies - so der Gerichtshof - würde im Ergebnis einer unfreiwilligen Selbstbeschuldigung gleichkommen. Laut Verfassungsgerichtshof gilt für den Anklageprozess, dass der Beschuldigte nicht Objekt des Verfahrens, sondern Subjekt, also Prozesspartei ist. Dem Anklageprinzip würde es widersprechen, den Beschuldigten durch Zwang zu einem Geständnis der strafbaren Handlung zu veranlassen. Dies sei mit der Parteistellung des Beschuldigten unvereinbar. Aus den dargelegten Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass etwa eine Regelung des Finanzstrafgesetzes über die Beschlagnahme im Ergebnis dem aus Art. 90 Abs.2
B-VG abzuleitenden Verbot es eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung widersprach (VfSlg 10291 mit Hinweis auf VfSlg. 5235/1966).

Nach bisher ständiger Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichtshofes liegt aber der Zweck der Regelung des § 103 Abs.2 KFG in der jederzeitigen Feststellungsmöglichkeit eines Kfz-Lenkers (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Der unabhängige Verwaltungssenat übersieht demnach durchaus nicht, dass dieses Staatsziel zwischenzeitig allenfalls verstärkt in unlösbarem Spannungsverhältnis zu verfassungsrechtlich garantierten Werten steht. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass dieses der europäischen Rechtskultur weitgehend fremde Rechtsinstitut mit Blick auf den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ableitenden Harmonisierungsbedarf zwischenzeitig zu einer anderen rechtlichen bzw. rechtspolitischen Wertigkeit geführt haben mag.

Diesbezüglich erweist sich das Rechtsinstitut der Lenkerauskunft wahrlich als Fremdkörper, indem darauf gestützte Bestrafungen etwa in Deutschland nicht vollstreckt werden.

Wenn der EGMR im o.a. Urteil (Weh gg. Österreich) nur deshalb (noch) keine Konventionsverletzung in der Fallgestaltung der Auskunftspflicht feststellte, weil darin keine "ausreichend konkrete Verbindung zwischen dem Auskunftsbegehren und einer damit zu erwartenden Bestrafung des Verweigerers bestand", trifft dies im gegenständlichen Fall offenkundig nicht zu.

In diesem Verfahren führte die Erteilung der Lenkerauskunft zur Bestrafung wegen einer Übertretung der StVO.

So hat der Verfassungsgerichtshof schon im Zuge der Aufhebung einer früheren Fassung dieser Rechtsvorschrift, die unter Wahrheitspflicht gegebene Antwort des Zulassungsbesitzers, er habe das Fahrzeug zum betreffenden Zeitpunkt nicht einem Dritten zum Lenken überlassen, den dahinter stehenden materiellen Zwang zu einer Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung, die unter Hinweis auf die im Verfahren zu G7/80 näher dargelegten Gründe als verfassungsrechtlich verpönt erachtet (VfSlg. 10394).

In der nachfolgend geänderten Fassung dieser Rechtsvorschrift wollte der Verfassungsgesetzgeber mit der Ermächtigung zur Einholung bestimmter Auskünfte in § 103 Abs.2 KFG idF der 10. KFG-Novelle (versehen mit einer Verfassungsbestimmung), die Realisierung eines bestimmten rechtspolitischen Anliegens ermöglichen, von dem er - ob zu Recht oder zu Unrecht, was der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen hatte - annahm, diesem nur durch die sogenannte Lenkerauskunft entsprechen zu können.

Der Verfassungsgesetzgeber durchbrach mit dieser Ermächtigung den aus dem Anklageprinzip des Art.90 Abs.2 B-VG - auch für Verwaltungsstrafverfahren - erfließenden Grundsatz, dass niemand unter Strafsanktion gezwungen werden dürfe, ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen (Hinweis auf VfSlg. 9950/1984, 10394/1985). Er nahm damit die Durchbrechung von an sich verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien in Kauf. Auf eine Verpflichtung zur Selbstbeschuldigung liefen nämlich die damals in Prüfung gezogenen Bestimmungen ebenso hinaus, wie die bereits durch VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 aufgehobenen Vorgängerbestimmungen des § 103 Abs.2 KFG idF BGBl. 106/1986; Der Verfassungsgerichtshof blieb zuletzt bei seinem in der bisherigen Judikatur (VfGH 23.06.88, V29/88 ua.) eingenommenen Standpunkt, dass - angesichts der Verpflichtung zur baugesetzkonformen Interpretation einer Verfassungsbestimmung (Hinweis auf VfGH 01.07.87, G78/87) - im Zweifel kein Inhalt beizumessen ist, der sie in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts (Art. 44 Abs.3 B-VG) stellen würde.

Ein solcher möglicher Widerspruch wäre in Eingriffen erblickbar - so der Verfassungsgerichtshof - die Grundprinzipien der Bundesverfassung, wie etwa eine Einschränkung dessen Gesetzesprüfungskompetenz oder nicht nur zu einer Durchbrechung der Grundrechtsordnung führten, wenn schwerwiegende und umfassende Eingriffe in die Grundprinzipien vorgenommen würden (Hinweis auf VfGH 23.06.88, V29/88 ua.).

Wenn - wie durch den VfGH in B 210/05-3 unverändert beurteilte - diese Bestimmung abermals keinen Anlass für ein Gesetzesprüfungsverfahren bildete, gilt weiterhin das schon vor zwanzig Jahren mit der Verfassungsbestimmung definierte rechtspolitische Ziel dieses Rechtsinstituts. Die Lenkerauskunft ist demnach am Maßstab der innerstaatlichen Verfassungsordnung zu beurteilen. Neue Sachargumente gegen diese ursprüngliche Betrachtung greifen offenbar nicht.

Solche könnten allenfalls im Ergebnis der Auswertung der jüngst auf einen Autobahnabschnitt in Oberösterreich eingerichtet gewesenen "Section Control Strecke" erblickt werden, dem zur Folge 60 % der Verwaltungsübertretungen durch nicht mit Lenkererhebung zu "überführende" (ausländische) Fahrzeuglenker begangen wurden. Dies führt in der Vollzugspraxis zur Ungleichbehandlung der inländischen Kraftfahrer durch die exklusive Anwendung des "§ 103 Abs.2 KFG". Keinesfalls trifft es zu und das belegen die Verkehrsüberwachungssysteme anderer Länder, dass es unbedingt der Lenkererhebung bedarf um den vom Gesetzgeber in dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Bestimmung intendierten Zweck zu erreichen.

Mit der Bestätigung dieses Schuldspruches ist der Berufungsbehörde durchaus evident, dass letztere Überlegungen ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müssen, ob die möglichst leichte Überführung von Verwaltungsstraftätern durch deren Selbstbenennung als Straftäter mit gleich- oder höherwertigen Staatszielen im Einklang gesehen werden kann.

So könnte etwa auch mit der verpflichtenden Führung eines Fahrtenbuches - wie dies etwa in Deutschland angeordnet werden kann - eine nachfolgende Lenkereigenschaft eines vom Zulassungsbesitzer verschiedenen Lenkers sachgerechter möglich sein. Dies würde zu keiner selektiven Selbstbeschuldigung führen, einen Lenker aber dennoch über entsprechende Aufzeichnungen in Erfahrung bringen lassen. Durchaus legitim muss die Frage gestellt werden, ob sich unter Bedachtnahme auf die Einzigartigkeit dieses Rechtsinstitutes in Europa die verfassungsrechtliche Durchbrechung des Selbstbeschuldigungsverbotes mit dem Hinweis auf das Staatsziel auch heute noch rechtfertigen lässt.

Bereits im Rahmen der zur Gesetzeswerdung des BGBl Nr. 289/1982 ergangenen Stellungnahmen, hat etwa der ÖAMTC im Rahmen des Begutachtungsverfahrens dem damaligen BMöWV (heute BMVIT) unter Hinweis auf die in der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Schweiz bestehenden Regelungen vorgeschlagen, zwar eine Verpflichtung des Zulassungsbesitzers zur Erteilung der Lenkerauskunft einzuführen, wobei aber dem Zulassungsbesitzer in Übereinstimmung mit den vom VfGH anerkannten verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechten ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt werden sollte, falls der Zulassungsbesitzer durch seine Auskunft sich oder seine nahen Angehörigen belasten müsste. Es sei nämlich nicht zu erwarten, dass die Mehrheit der Kfz-Lenker von diesem Zeugnisverweigerungsrecht wahrheitswidrig Gebrauch machen würden.

Daneben - so der damalige Vorschlag - sollte durch verstärktes - nötigenfalls zwangsweise durchgeführtes - Anhalten von Fahrzeuglenkern, die eine strafbare Handlung begangen haben, vorgegangen werden und sogenannte "Kennzeichenanzeigen" sollten möglichst reduziert werden. Diese Maßnahme hätte einen nicht zu unterschätzenden pädagogischen Wert, der weitaus größer wäre als die Ahndung von Verwaltungsübertretungen einige Monate nach Begehung der Tat mittels Strafverfügung (Anonymverfügung) oder Straferkenntnis auf Grund sogenannter "Kennzeichenanzeigen" (s. Messiner, Die Lenkerauskunft und das "fair trial", in ZVR 1985, 290, mit Hinweis auf ZVR 1984/183 und ZVR 1985/137);

Diese damals schon im Sinne eines vermeidbaren Grundrechtseingriffes getroffenen Überlegungen liegen nun zwanzig Jahre zurück, wobei zwischenzeitig Überwachungs- und Täterermittlungsmethoden verfügbar sind, welche auf ein Zurückgreifen auf ein System, welches dem Bürger und Strafandrohung bis 2.180 Euro zur Selbstbeschuldigung verpflichtet, in einem geänderten Sachlichkeitszusammenhang stehen.

Daher teilt der unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich das Berufungsvorbringen dahingehend, dass sich hier der Berufungswerber mit der Erteilung seiner Lenkerauskunft der auf § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO gestützten Bestrafung auslieferte.

Da hier jedoch die verfassungsrechtlich abgesicherte Rechtslage nicht in Frage zu stellen ist und in diesem Rahmen die Bestrafung als zu Recht festzustellen ist, muss die Behauptung der Konventionsverletzung auf sich bewenden. Dies aufzugreifen wird - unter Hinweis auf den o.a. Beschluss des Verfassungsgerichtshofes letztlich jedoch den europäischen Instanzen anverwahrt zu bleiben haben, ob - anders als im Fall Weh - der Berufungswerber hier durch die wegen der "erzwungenen Lenkerauskunft" gegen ihn möglich gewordenen Bestrafung, in einem von der EMRK geschützten Recht verletzt wurde.

Das diesbezügliche Vorbringen des Berufungswerbers ist durchaus von inhaltlicher Substanz, deren Berücksichtigung jedoch an der realen Rechtslage scheitern muss.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Konkret ist daher zur Strafzumessung auszuführen, dass in der wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 19 km/h von der Behörde erster Instanz in der Höhe von 40 Euro verhängten Geldstrafe ein Ermessensfehler nicht erblickt und daher grundsätzlich nicht mit Erfolg entgegen getreten werden kann.

Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von
180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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