Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160842/5/Br/Wü

Linz, 19.10.2005

VwSen-160842/5/Br/Wü Linz, am 19. Oktober 2005

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn T T, A, K, vertreten durch Dr. M H, Rechtsanwalt, H E-G, B. M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 29. August 2005, Zl. VerkR96-2101-2005Ga, nach der am 19. Oktober 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der Schuldspruch in Abänderung zu lauten hat:

"Sie haben am 22.03.2005 um 11.41 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen auf der A8 - Innkreisautobahn - im Bereich von Km. 19,200 im Gemeindegebiet von Pichl bei Wels in Fahrtrichtung Linz gelenkt, wobei Sie über eine Wegstrecke von etwa 300 m nur einen Abstand von etwa zehn Meter zum Vorderfahrzeug einhielten, wodurch Ihnen im Falle eines plötzlichen Abbremsens des Vorderfahrzeuges ein rechtzeitiges Anhalten Ihres Fahrzeuges nicht möglich gewesen wäre;"

Als Strafnorm gelangt § 99 Abs.3 lit.a StVO iVm § 18 Abs.1 StVO zur Anwendung;

Die Geldstrafe wird auf 250 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 116 Stunden ermäßigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr.52, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 117/2002 - VStG.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskostenbeiträge ermäßigen sich auf 25 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen einer nach § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 qualifizierten Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von 360 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 5 Tagen verhängt, weil er am 22.03.2005 um 11.41 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen auf der A8 Innkreisautobahn im Bereich von Km. 19,200 im Gemeindegebiet von Pichl bei Wels in Fahrtrichtung Linz gelenkt habe, wobei er keinen solchen Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, und zwar auch dann wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre. Dieses Fahrmanöver habe er unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gesetzt, da er bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 100 km/h lediglich einen Sicherheitsabstand von 0,08 Sekunden zu dem vor ihm Fahrenden eingehalten habe.

1.1. Die Behörde erster Instanz traf in der Begründung des Straferkenntnisses folgende Erwägungen:

"Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Mit Strafverfügung vom 08.04.2005 wurde Ihnen die Tat zur Last gelegt. Gegen die Strafverfügung haben Sie Einspruch erhoben und gaben an, dass während Sie zwei LKW's überholten, plötzlich zwischen 1. und 2. LKW ein weißer Transit auf die Überholspur wechselte, dadurch konnten Sie den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht einhalten. In weiterer Folge überholte der Transit, der sich später als Gendarmeriefahrzeug herausstellte, den LKW, wechselte, obwohl der Fahrstreifen frei war, nach dem Überholvorgang nicht nach rechts ein und verringerte plötzlich und ohne ersichtlichen Grund die Geschwindigkeit. Dadurch waren Sie wiederum gezwungen ihr Kraftfahrzeug abzubremsen, wodurch sich wiederum der Sicherheitsabstand reduzierte.

Mit diesem Einspruch trat die Strafverfügung außer Kraft und es war das Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Zu Ihren Einspruchsangaben wurden am 23.05.2005 die beiden meldungslegenden Gendarmeriebeamten als Zeugen einvernommen.

RI G G gab unter Hinweis auf seine Wahrheitsverpflichtung Folgendes an:

Der Verdächtige dürfte die damalige Situation falsch in Erinnerung haben, da ich weder zwischen, noch hinter zwei LKW's gefahren bin. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich überhaupt keine LKW's in unserer Nähe. Vielmehr war die Situation so, wie in der ggst. Anzeige geschildert. Der Verdächtigte vergrößerte auch nicht zwischendurch (wie nun angegeben) den Abstand, sondern behielt diesen permanent bei, sodass ich beinahe mit einer Berührung unserer Fahrzeuge rechnen musste. Bezüglich der von mir gefahrenen Geschwindigkeit kann ich angeben, dass diese lt. Tachometer des Dienst-KFZ's 100 km/h betrug, sie konstant beibehalten und keinesfalls abrupt verringert wurde. Der Verdächtigte hatte sehr wohl Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben. Diese ist auch in der ggst. Anzeige nachzulesen.

BI G W gab unter Hinweis auf seine Wahrheitsverpflichtung Folgendes an:

Aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Dienstfahrzeug (VW-Bus) für mich als Beifahrer nach hinten überhaupt keine Sicht besteht, habe ich die gegenständliche Übertretung erst wahrgenommen, als mich mein Kollege RI G G ersuchte, den hinter uns fahrenden Lieferwagen anzuhalten. Wir fuhren zu diesem Zeitpunkt auf dem linken Fahrstreifen, auf welchen RI G ca. bei der Auffahrt Pichl wegen einiger auf die Autobahn auffahrenden Pkws gewechselt war, um diesen ein Einreihen in den Verkehr zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich meiner Erinnerung nach keine LKW's auf dem rechten Fahrstreifen.

Mit Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 06.06.2005 wurde Ihnen der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht. In Ihrer Stellungnahme bestreiten Sie den Sachverhalt, bezweifeln die Richtigkeit der Aussagen der Gendarmeriebeamten und ersuchen um Erhebung beim Autobahnbetreiber, wie viele dem Road-Pricing unterliegende LKWs am 22.03.2005 im Zeitraum zwischen 11.00 und 12.00 Uhr die A 8 im Gemeindegebiet von Pichl bei Wels frequentiert haben.

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land geht davon aus, dass der Gendarmeriebeamte eine genügende Strecke und Zeitspanne zur Verfügung hatte, um den von Ihnen eingehaltenen Abstand feststellen zu können. Beide Zeugen unterliegen, da eine Zuwiderhandlung der gerichtlichen Strafbarkeit unterliegt, der Wahrheitsverpflichtung, während Sie in Verwaltungsstrafverfahren dadurch, dass Sie sich bei Ihrer Anhörung oder förmlichen Vernehmung nicht an die Wahrheit zu halten brauchen, keinerlei Rechtsnachteile zu befürchten haben. Weiters wurde berücksichtigt, dass die Beamten des Verkehrsaufsichtsdienstes eine besondere Schulung über richtige Wahrnehmungen von Verkehrsvorgängen genossen haben, und keine Veranlassung gesehen werden kann, dass die Beamten eine ihnen unbekannte Person wahrheitswidrig belasten wollen. Die Zeugenaussagen waren genau und schlüssig und es besteht kein Zweifel darüber, dass Sie die Ihnen zur Last gelegte Tat begangen haben.

Auf die Erhebung beim Autobahnbetreiber, wie viele dem Road-Pricing unterliegende LKW's am 22.03.2005 im Zeitraum zwischen 11.00 und 12.00 Uhr die A 8 im Gemeindegebiet von Pichl bei Wels frequentiert haben konnte verzichtet werden, da sich aus einem allfälligen Ergebnis keinesfalls ableiten ließe, dass sich um 11.41 Uhr von Km. 19,200 bis ca. 18,800 sehr wohl LKW's befanden.

Da sich der Sachverhalt schlüssig darstellt und Sie nichts einbringen konnten, das die Angaben der Gendarmeriebeamten widerlegt, wurden Ihre Angaben als Schutzbehauptung gewertet. Es steht demnach fest, dass Sie gegen die oben zitierte Bestimmung verstoßen haben und Gründe, die ein schuldhaftes Verhalten Ihrerseits ausschließen würden, im Verfahren nicht mehr dargelegt wurden.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Straferschwerend sowie strafmildernd wirkte kein Umstand. Die verhängte Geldstrafe erscheint unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände schuld- und unrechtsangemessen, Ihren Einkommens- Familien und Vermögensverhältnissen (lt. Schätzung 1.500 Euro, keine Sorgepflichten, Vermögen lt. Grundbuchsauszug: Wohnungseigentum) entsprechend und erscheint ausreichend, um Sie in Hinkunft von der Übertretung dieser Normen abzuhalten.

Bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe waren die Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse nicht zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle."

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner nachstehend wiedergegebenen fristgerecht durch seine ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung:

"In außen bezeichneter Rechtssache erhebt der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Vertreter Dr. M H, Rechtsanwalt, H E-G, B M, gegen das Straferkenntnis der BH vom 29.8.2005, eingelangt am 1.9.2005, innerhalb offener Frist, das Rechtsmittel der

BERUFUNG

an die sachlich und örtlich zuständige Rechtsmittelbehörde und gibt die Erklärung ab, das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach zu bekämpfen. Es wird beantragt, in Stattgebung der Berufung, das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben, sowie das wider den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren ebenso ersatzlos einzustellen.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe am 22.3.2005 um 11.41 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen auf der A8 Innkreisautobahn im Bereich des Straßenkilometers 19,200 im Gemeindegebiet von Pichl bei Wels in Fahrtrichtung Linz gelenkt, wobei er keinen ausreichenden Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten hätte. Es wäre lediglich ein Sicherheitsabstand von 0,08 Sekunden zu dem davor fahrenden Fahrzeug eingehalten worden. Hiefür wurde eine Geldstrafe in Höhe von € 360,00 verhängt.

In der Begründung führt die belangte Behörde aus, daß aufgrund der Anzeige des LGK Oberösterreich, Verkehrsabteilung, die Verwaltungsübertretung als erwiesen anzunehmen wäre.

Die Aussagen der Gendarmeriebeamten werden wörtlich wiedergegeben, zum Beweisantrag hinsichtlich der dem Road-Pricing unterliegenden LKWs zum Tatzeitraum im Tatort wird lediglich ausgeführt, daß darauf verzichtet werden konnte, da sich hieraus keinesfalls ableiten ließe, daß sich zum Vorfallszeitpunkt am exakten Vorfallsort LKWs befunden hätten.

Bereits damit ist eine hinreichende Präjudizialität der belangten Behörde zu Lasten des Beschuldigten erkennbar, auch die formelhafte Wiedergabe über besondere Wahrheitsverpflichtungen der einschreitenden Gendarmeriebeamten ist nicht geeignet, ein gehöriges Ermittlungsverfahren sowie eine nachvollziehbare Beweiswürdigung darzulegen.

Sehr wohl hätte die beantragte Anfrage beim Autobahnbetreiber objektivieren können, inwieweit im damaligen Zeitraum LKW-Verkehr bestanden hat, wie weit dieser LKW-Verkehr als dicht zu bezeichnen gewesen wäre. Dies hätte sehr wohl deutliche Rückschlüsse auf die Plausibilität der Angaben des Beschuldigten zugelassen und wiederum deutlich objektiviert, wie gänzlich unplausibel die Angaben der Meldungsleger sind, wenn diese meinen, daß überhaupt keine LKWs, damals unterwegs gewesen wären.

Zum Beweise für die Richtigkeit des Beschuldigtenvorbringens wird also neuerlich gestellt der

ANTRAG

auf Einholung einer Auskunft beim Autobahnbetreiber über die dem Road-Pricing unterliegenden Teilbereich der Innkreisautobahn gemäß Tatortangabe im Tatzeitraum frequentiert haben, darüber hinaus wird beantragt, die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung unter Ladung des Beschuldigten.

Es hat sohin die belangte Behörde zu Unrecht ein verurteilendes Erkenntnis gefällt, weshalb gestellt werden nachstehende

BERUFUNGSANTRÄGE:

Die sachlich und örtlich zuständige Rechtsmittelbehörde möge dieser Berufung Folge geben und das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 29.8.2005, Aktenzeichen: VerkR96-2101-2005 Ga, ersatzlos beheben, sowie das wider den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren ersatzlos einstellen, in eventu die angefochtene Entscheidung aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverweisen.

Die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung unter Ladung des Beschuldigten und seines ausgewiesenen Vertreters wird ausdrücklich beantragt.

B/M, am 15.9.2005 T T"

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht nur wegen des gesonderten Antrages, sondern alleine schon in Wahrung der gem. Art. 6 EMRK intendierten Rechte zwingend erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des vorgelegten Verwaltungsaktes. Ergänzend wurde aus dem System Doris ein Übersichtsbild vom fraglichen Bereich mit der dort ersichtlichen Straßenkilometrierung beigeschafft. Beweis erhoben wurde ferner durch Einvernahme des Meldungslegers RevInsp. G und dessen Beifahrer BezInsp. W als Zeugen und des persönlich an der Berufungsverhandlung teilnehmenden Berufungswerbers als Beschuldigten.

Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ebenfalls teil.

4.1. Folgender Sachverhalt kann als erwiesen gelten:


Der Berufungswerber lenkte zur o.a. Zeit und Örtlichkeit einen Kleinlastkraftwagen auf der A8 in Richtung Wels. Im Bereich der Auffahrt Pichl betrug seine Fahrgeschwindigkeit 130 km/h, als das im Bereich der Auffahrtspur von Pichl, vom Zeugen G mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 100 km/h gelenkte Polizeidienstfahrzeug wegen einiger auf die A8 auffahrender Pkw´s einen Spurwechsel nach links ausführte.

Dadurch kam es in der Folge zu einem vorübergehend sehr knappen Sicherheitsabstand zum Polizeifahrzeug.

In der Folge wurde der Berufungswerber vom Lenker des Dienstkraftfahrzeuges angehalten und angezeigt.

4.2. Im Rahmen der Berufungsverhandlung räumt der Berufungswerber durchaus eine kurzzeitige Verkürzung des Sicherheitsabstandes ein, wobei er diesen auf das Umspuren des Vorderfahrzeuges zurückführte. Diesen habe er jedoch sogleich wieder korrigiert bzw. normalisiert.

Der Zeuge RI G vermeinte dazu über den Rückspiegel den Abstand als auf "wenige Meter" und in einer Zeitdauer von etwa zehn Sekunden einzuschätzen vermocht zu haben. In der Niederschrift beim Gemeindeamt Klaus am 23.5.2005 - im Rechtshilfeersuchen der Behörde erster Instanz - vermeinte der Meldungsleger, der bezeichnete Abstand sei permanent aufrecht erhalten worden und "er hätte beinahe mit einer Berührung der Fahrzeuge rechnen müssen." In der Anzeige ist der Abstand mit ein bis zwei Meter und auf einer Wegstrecke von 600 m dargetan (von Strkm. 19.200 bis Stkm. 19.800).

Die Zeitangabe von zehn Sekunden lässt sich jedoch nicht unbedingt mit einer Wegstrecke von 600 m in Einklang bringen, zumal für diese bei 100 km/h mehr als zwanzig Sekunden benötigt würden. Wenn ferner der Zeuge vermeinte nach seinem Umspuren auf Höhe der Auffahrt dem Nachfolgeverkehr vorerst keine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, dann aber den Klein LKW im knappen Abstand wahrgenommen zu haben, lässt dies nicht auf den knappen Abstand über 600 m schließen. Damit sei aufgezeigt, dass der schlüssigen Darlegung einer Vielzahl von Faktoren die hier für den Tatbeweis festzustellen sind, durch den Lenker eines Fahrzeuges Grenzen gesetzt sind.

Zusammenfassend lässt sich somit der hier dezidiert auf einer bloß rudimentären Schätzung basierende zur Last gelegte Sicherheitsabstand von nur "0,08 Sekunden" welcher auf der Annahme eines Abstandes von zwei Meter basieren würde, nicht als erwiesen erachten. Selbst beim Einparken lässt sich bei Fahrzeugen mit schlechter Sicht nach hinten der Abstand oft nur schwer abschätzen. Umso mehr trifft dies bei einer Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h zu. Sehr wohl aber wird dem Meldungsleger zugemutet das beträchtliche Unterschreiten des erforderlichen Sicherheitsabstandes, welcher mit einer Sekunde ca. 28 m betragen hätte müssen, durch Schätzung über den Rückspiegel vorzunehmen. Wenn der Zeuge im Rahmen der Berufungsverhandlung von "wenigen Metern" sprach, so kann dahinter jedoch in einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit ein Abstand von zehn Meter wohl sachgerechter angenommen werden. Nicht geklärt konnte, letztlich werden warum das Polizeifahrzeug doch relativ lang die linke Fahrspur blockierte.

Der bislang gänzlich unbescholtene Berufungswerber hinterließ persönlich einen soliden Eindruck. Den hier fehlenden verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen kommt insbesondere bei einem Berufskraftfahrer, welcher täglich unterwegs ist und empirisch besehen daher ein vielfach höheres Risiko für die Begehung einer Verwaltungsübertretung besteht, erhöhte positive Aussagekraft über dessen Verkehrsverhalten zu. Dies besagt, dass sich der 35-jährige Berufungswerber bislang offenbar unauffällig im Straßenverkehr verhielt und dieser Fall weniger auf eine aggressive Inntendenz des Drängens, sondern allenfalls aus der Fahrdynamik heraus in Verbindung mit der Erwartung des Umspurens des Vordermanns erfolgte.

Diesbezüglich ist auf das Erk. des Oö. Verwaltungssenates vom 16.2.2004, VwSen-109509 hinzuweisen, worin auch die Problematik der Abstandsverkürzung durch ein Umspuren hervorgehoben wurde. Da eine starke Bremsung zur Wiederherstellung des Sicherheitsabstandes sich im Einzelfall durchaus auch problematisch erweisen könnte, wird zumindest eine Zeit- bzw. Toleranzspanne von fünf Sekunden bis Herstellung des Sicherheitsabstandes einzuräumen sein. Würde dies übersehen, könnte leicht eine Neutralisierung des Verschuldensprinzips im Strafrecht die Folge sein.

Auf eine eingeschränkte Beobachtungsmöglichkeit durch den Rückspiegel, auch wenn dieser verzerrungsfrei gewesen sein mag, muss hier darüber hinaus im Rahmen der Beweiswürdigung Bedacht genommen werden. Der Zeuge BI W konnte von diesem Ablauf übrigens nichts wahrnehmen, sondern wurde lediglich durch den Lenker auf einen "knappen Auffahrer" aufmerksam gemacht. Dies verbunden mit dem Ersuchen ihm die Anhaltekelle zu geben. Die Darstellung dieser Situation in einer besonderen Dramatik war darüber hinaus dessen Zeugenaussage ebenfalls nicht zu entnehmen.

All diese Umstände lassen in sorgfältiger und rechtsstaatlicher Würdigung des Beweisergebnisses nicht den Beweis einer Abstandsverkürzung auf einer Wegstrecke von 600 m und im Abstand von nur einen bis zwei Meter zu. Ebenfalls nicht, dass hierdurch konkret eine "besondere Rücksichtslosigkeit und Gefährlichkeit" als erwiesen gelten könnte. Der hohe Anspruch an das Sorgfaltsgebot einer rechtsstaatlich tragfähigen Beweiswürdigung ist hier überdies vor dem Hintergrund eines drohenden Entzuges der Lenkberechtigung in der Mindestdauer von drei Monaten zu erblicken. Dies unter Hinweis auf den Verlust der beruflichen Existenz für den Berufungswerber.

Kein Anhaltspunkt ergab sich nämlich für die Annahme einer konkreten Erwartung einer plötzlichen Geschwindigkeitsreduzierung des Polizeifahrzeuges. Dies insbesondere mit Blick auf fehlende Fahrzeuge vor diesem. Die Verkürzung des Abstandes reduziert sich somit auf dem im § 18 Abs.1 StVO als Schutznorm vertypten Unwertgehalt, wobei hier die Umstände zumindest zum Teil auch noch auf die Fahrdynamik zurückgeführt werden können.

4.3. Dem Beweisantrag auf Erhebungen des LKW-Verkehrs im Weg der Datenerfassung aus dem sogenannten Road-pricing-system war mangels jeglicher Relevanz für die hier zu beurteilende Tatsachenfrage nicht nachzukommen.

Einem bloß auf einen Erkundungsbeweis hinauslaufenden Beweisantrag muss nicht gefolgt werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 339, E 6a zu § 46 AVG zitierte Rechtsprechung des VwGH).

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass bei einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 100 km/h ein Abstand von etwa einer Fahrzeuglänge bzw. maximal zehn Meter nur einer Wegzeit im Bereich von 0,3 bis 0,4 Sekunden entspricht. Ein plötzliches Abbremsen eines Vorderfahrzeuges führt angesichts einer solchen Situation immer noch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Auffahrunfall, weil selbst bei der geringsten Reaktionszeit auf ein solches Manöver nicht mehr rechtzeitig und wirkungsvoll reagiert werden könnte (s. unter vielen VwGH 30.9.1999, 98/02/0443).

Zum Tatbestandsmerkmal des § 99 Abs.2 lit.c StVO ist festzustellen, dass es im Verhalten des Täters gegenüber den anderen Straßenbenützern ein besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme und zusätzlich gefährdender Aspekte - beispielsweise in Verbindung mit einem starken Verkehrsaufkommen oder schlechten Sicht- und Straßenverhältnissen - hinzukommen müssen (VwGH 14.7.2000, 98/02/0019). Für diese Beurteilung spricht nicht zuletzt der Regelungsinhalt des § 30a Abs.2 Z5 FSG mit Hinweis auf § 99 Abs.2c StVO In dieser Bestimmung wird darüber hinaus auf die Feststellung des Abstandes mit einem technischen Messgerät abgestellt.

Dafür war hier die Beweislage keineswegs ausreichend.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt zur freien Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG und den Ansprüchen an ein faires Verfahren die Auffassung, an einen Beweis einen strengeren Maßstab zu legen, als etwa bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372)

Die Neufassung des Spruches war demnach gemäß der im Berufungsverfahren festgestellten Beweislage iSd § 44a Abs.1 VStG vorzunehmen.

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Betreffend die auf den Tatvorwurf nach § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 getätigte Strafzumessung ist grundsätzlich festzustellen, dass dennoch ein hohes abstraktes Gefährdungspotenzial in jeder Abstandsunterschreitung erblickt werden muss. Die Festsetzung einer empfindlichen Geldstrafe erscheint daher dennoch geboten. Hinzuweisen ist etwa auf ein in jüngerer Zeit von einem Gericht in Deutschland erlassenes Urteil wegen unfallskausalen Drängens iVm anderen gefährlichen Verhaltensmustern im Straßenverkehr. Dort wurde eine Freiheitsstrafe von 11/2 Jahren ausgesprochen.

Der persönlich an der Berufungsverhandlung teilnehmende Berufungswerber zeigte sich hier alleine schon durch sein persönliches Erscheinen problemeinsichtig. Er ist in seinem Fahrverhalten bislang noch nicht negativ in Erscheinung getreten und er machte auf die Berufungsbehörde einen soliden und gegenüber der Problemlage aufgeschlossenen Eindruck. Angesichts des Einkommens des Berufungswerbers in der Höhe von 1.500 Euro trifft ihn wohl auch die Geldstrafe von 250 Euro immer noch hart und bringt den sich nun als reduziert erweisenden Unwertsgehalt eines derartigen Fehlverhaltens immer noch nachhaltig genug zum Ausdruck, sodass bei objektiver Beurteilung erwartet werden kann, der Berufungswerber werde sich künftighin in nunmehr ausführlicher Darstellung der Problemlage rechtskonform im Straßenverkehr verhalten.

Daher kann auch mit dieser Geldstrafe dem Strafzweck, insbesondere dem Gedanken der Generalprävention, noch ausreichend Rechnung getragen werden. Die Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dem sich aus § 99 Abs.3 lit.a StVO ergebenden Verhältnis zu dem vorgesehenen Strafrahmen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Rücksichtslosigkeit, besondere Gefährlichkeit

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