Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160878/2/Br/BnVwSen160879/2/Br/Bn VwSen160880/2/Br/Bn

Linz, 18.10.2005

VwSen-160878/2/Br/Bn

VwSen-160879/2/Br/Bn

VwSen-160880/2/Br/Bn Linz, am 18. Oktober 2005

DVR. 0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn O K, O, S, vertreten durch RA Dr. J P, S, M, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, vom 20. September 2005, Zl. VerkR96-5141-2005, VerkR96-5145-2005 und 2. September 2005, VerkR96-5146-2005, zu Recht:

I. Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen; hinsichtlich der erstgenannten Aktenzahl wird das Straferkenntnis mit der Maßgabe abgeändert, dass dessen Spruch in präzisierender Abänderung zu lauten hat, das bezeichnete KFZ, am Marktplatz, "gegenüber dem Gasthaus Kaiser - Umkehrschleife der Busse, abgestellt" zu haben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für die Berufungsverfahren jeweils 8 (acht) Euro auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit den oben bezeichneten Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis wegen der Übertretungen nach § 24 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 jeweils eine Geldstrafe von 40 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden verhängt, weil er

  1. am 17.5.2005, um 11.00 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen in Ried im Innkreis, im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" am Marktplatz, abgestellt habe;
  2. am 25.5.2005, um 10.58 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen in Ried im Innkreis, Marktplatz gegenüber dem Gasthaus Kaiser (Durchfahrtsschleife der Busse) im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" abgestellt habe;
  3. am 24.5.2005, um 10.45 Uhr bis 11.00 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen in Ried im Innkreis, Kirchenplatz 5, abgestellt habe, wobei er während der angeführten Zeit keine Ladetätigkeit durchgeführt habe;

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte die Schuldsprüche jeweils auf eine dienstliche Wahrnehmung eines Organs der Stadtpolizei der Stadt Ried. Der Berufungswerber habe folglich die wider ihn (als Zulassungsbesitzer) erlassene Organstrafverfügung nicht binnen zwei Wochen beglichen.

Im Rahmen der nachfolgend bei ihm als Zulassungsbesitzer eingeholten Lenkerauskunft benannte er sich selbst als Lenker bzw. als jene Person die das Fahrzeug an der fraglichen Örtlichkeit abgestellt hatte.

Betreffend die per Schriftsatz vom 16.8.2005 erstattete Rechtfertigung erachtete die Behörde erster Instanz als am Tatvorwurf vorbeigehend und "völlig ungeeignet".

Weiter verwies die Behörde erster Instanz auf die entsprechend kundgemachte Halteverbotszonen - im Fall 3. mit Zusatztafel "ausgenommen Ladetätigkeit". Ebenfalls wurde dezidiert auf die als "Geständnis gleichkommende Lenkerbekanntgabe" verwiesen. Zum Verschulden wurde auf § 5 Abs.1 VStG Bezug genommen. Demnach seien keine Gründe bekannt geworden, welche auf ein fehlendes Verschulden schließen lassen könnten. Die Ausführungen des Berufungswerbers zur Problematik der im § 103 Abs.2 KFG erblickten konventionswidrigen Durchbrechung des Selbstbeschuldigungsverbotes wurden unter Hinweis auf die Rechtssprechung der Höchstgerichte als unbeachtlich bezeichnet.

Die Strafzumessung wurde unter Hinweis auf § 19 VStG, sowie den bis zu 726 Euro reichenden Strafrahmen unter der Annahme eines Monatseinkommens des Berufungswerbers in der Höhe von 1.500 Euro und der gesonderten Feststellung, dass mit der Tat keine nachteiligen Folgen verbunden gewesen sind, begründet.

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung tritt der Berufungswerber dem Schuldspruch im Ergebnis damit entgegen, sich im einfachgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu erachten, weil er nicht wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs.1 lit.a StVO bestraft werde dürfe, wenn der zu dieser Bestrafung führende Sachverhalt in konventionswidriger Weise erlangt wurde. Die wider ihn verhängte Strafe verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie gegen den Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs.2 B-VG und gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK.

Seit der Erhebung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG in den Verfassungsrang sei dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit entzogen im Sinne der Erkenntnisse VfSlg 9950, 10.394 und 10.505 seine Rechtsprechung aufrecht zu erhalten. Der Verfassungsgerichtshof konnte den Art. 6 EMRK lediglich nur mehr in seiner innerstaatlichen Maßstabsfunktion anwenden, wofür aber die EMRK keine Handhabe biete.

Der Fall "Weh gegen Österreich" vom 08.04.2004 unterscheide sich von diesen Fällen in entscheidungswesentlichen Gesichtspunkten. Dort habe sich der Bw nicht selbst belastet, sondern eine Dritte Person als Lenker benannt. In diesem Fall sei es zu keiner Verfolgung des Grunddeliktes gekommen.

Die Verfassungsbestimmung des Art. 6 EMRK (fair trial) verbiete es, Beweise gegen sich selbst liefern zu müssen, das Gesetz ordne hier aber vielmehr - per Verfassungsbestimmung - dies an. Die Behörde greife demnach auf Beweise zurück, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Verdächtigen erlangt wurden (Hinweis auf EGMR vom 8.4.2004, Fall Weh gg. Österreich).

Wörtlich der Berufungswerber sodann:

"Nach § 46 AVG - diese Bestimmung findet gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung - kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel darf nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht so verstanden werden, dass durch ihn jegliche Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote außer Kraft gesetzt werden (VwSlg. 9975/A und 91/10/0130 vom 05.07.1993).

Die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche allenfalls auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, ist zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nur dann unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche (VwGH vom 24.03.1993, 92/03/0229).

Darf somit eine dem Art. 8 EMRK widersprechende Blutalkoholanalysierung (VfSlg. 11.923) nicht verwertet werden, gilt dies auch für einen Beweis, welcher entgegen dem verfassungsgesetzlich geregelten fair trial nach Art. 6 EMRK zustande gekommen ist und dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs.2 B-VG widerspricht, ebenso der auf Verfassungsstufe stehenden Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK.

Der Grundsatz eines fairen Verfahrens ("in billiger Weise") verlangt unter anderem, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (vgl. VfSlg. 10.291). Ein Beschuldiger darf insbesondere nicht gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern (VfSlg. 12.454, EGMR vom 25.02.1993 im Fall Funke, ÖJZ 1993, 532), der Beschuldigte hat ein Recht zu schweigen (EGMR vom 08.02.1996, ÖJZ 1996, 627 und EGMR vom 17.12.1996 im Fall Saunders, ÖJZ 1998, 32). Auch der Grundsatz der Waffengleichheit (EGMR vom 23.06.1993, ÖJZ 1994, 105 und EGMR vom 22.02.1996, ÖJZ 1996, 430 und EGMR vom 23.10.1996, ÖJZ 1997, 475 und VfSlg. 13.702 und 15.840). Vgl. Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3, S 607."

Abschließend beantragt der Berufungswerber, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wolle seinen Berufungen Folge geben und die oa. Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

3. Da jeweils keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung von Berufungsverhandlungen konnten hier mangels gesonderten Antrages und im Ergebnis unstrittiger Faktenlage unterbleiben (51e Abs.3 Z1 VStG).

Ob der Gleichartigkeit der Verfahren wurden aus verwaltungsökonomischen Erwägungen diese Berufungsentscheidungen in einer einzigen Bescheidausfertigung zusammengefasst.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die erstbehördlichen Verfahrensakte. Betreffend das Parkdelikt in der Kirchengasse 5 wurde der Status der entsprechenden Verordnung im Wege der Behörde erster Instanz in Erfahrung gebracht.

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

4.1. Unbestritten ist, dass in den genannten Fällen der Berufungswerber sein Fahrzeug an den fraglichen Örtlichkeiten abgestellt hatte.

Dem Berufungswerber kann in seinem Berufungsvorbringen aber darin gefolgt werden, wenn er angibt sich nur angesichts der im § 103 Abs.2 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 für die Verweigerung der Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers normierten Strafdrohung, zu dieser Auskunftserteilung und somit im Ergebnis zur präsumtiven Selbstbeschuldigung veranlasst gesehen zu haben.

Diese im Ergebnis unter Strafandrohung erwirkte Selbstbeschuldigung geschah jeweils durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit dem per Schriftsatz erfolgten Benennungen seiner Person als Lenker bzw. jene Person die das Fahrzeug an den jeweiligen Örtlichkeiten abstellte. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers verweist schon darin auf die vermeintliche Konventionswidrigkeit einer unter Strafandrohung erzwungenen Herbeiführung von Beweismittel zur eigenen Strafverfolgung.

Mit dieser im Sinne der Rechtslage sich selbst als Lenker zum fraglichen Zeitpunkt benennenden Mitteilung, wurde hier von der Behörde erster Instanz in zutreffender Weise die Grundlage des Tatbeweises erblickt und darauf die Bestrafung gestützt. Der Berufungswerber bestritt zu keinem Zeitpunkt die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen.

Mit seinem Vorbringen, sich letztendlich unter Strafsanktion zu dieser Lenkerauskunft entschlossen zu haben und sich damit im Ergebnis selbst beschuldigt zu haben, vermag jedoch angesichts der herrschenden Rechtslage für ihn nichts gewonnen werden.

Auf das Grunddelikt, nämlich die den Anfragegrund nach § 103 Abs.2 KFG bildenden Übertretungen der Vorschrift des ruhenden Verkehrs, ist hier mangels eines bestreitenden Vorbringens nicht mehr weiter einzugehen. Diesbezüglich kann auf die Feststellungen im Akt und die Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen werden.

Zum Straferkenntnis (VerkR96-5146-2005), hg. Aktenzahl VwSen-160880, ist festzustellen, dass die mit Erkenntnis des VfGH v. 2.12.2004, B 101/04 aufgehobene Verordnung des fraglichen Halteverbotes "Kirchenplatz 5" durch Gemeinderatsbeschluss (der Stadtgemeinde Ried) vom 3.3.2005, durch die Oö. Landesregierung genehmigt am 19.5.2005, abermals und wohl gesetzeskonform verordnet wurde.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Zur Bestrafung wegen § 24 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen abermals auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen werden.

Zum 1. Berufungsfall war iSd § 44a Abs.1 VStG eine entsprechende Präzisierung der Tatortbezeichnung und Tatumschreibung vorzunehmen.

Nach § 103 Abs.2 KFG 1967, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 175/2004, kann Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. .......... Letzter Satz: (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete folglich der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof verwies auf das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt. Sehr wohl hebt der Verfassungsgerichtshof gleichzeitig auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses hervor (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.).

Hinzuweisen ist im Zusammenhang auch, wonach es der Verfassungsgerichtshof mit dem Grundsatz "nemo tenetur" als unvereinbar erkannte, wenn ein Gesetz die Partei zwingt, ein allenfalls den Gegenstand der Beschlagnahme bildendes Beweismittel zu schaffen, welches im Verfahren gegen die Partei selbst verwendet werden kann. Dies - so der Gerichtshof - würde im Ergebnis einer unfreiwilligen Selbstbeschuldigung gleichkommen. Laut Verfassungsgerichtshof gilt für den Anklageprozess, dass der Beschuldigte nicht Objekt des Verfahrens, sondern Subjekt, also Prozesspartei ist. Dem Anklageprinzip würde es demnach widersprechen den Beschuldigten durch Zwang zu einem Geständnis der strafbaren Handlung zu veranlassen. Dies sei mit der Parteistellung des Beschuldigten unvereinbar. Aus den dargelegten Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass etwa eine Regelung des Finanzstrafgesetzes über die Beschlagnahme im Ergebnis dem aus Art. 90 Abs.2 B-VG abzuleitenden Verbot eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung widersprach (VfSlg 10291 mit Hinweis auf VfSlg. 5235/1966).

Nach bisher ständiger Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichtshofes liegt aber der Zweck der Regelung des § 103 Abs.2 KFG in der jederzeitigen Feststellungsmöglichkeit eines Kfz-Lenkers (vgl. u.a. VwGH 29. September 1993, 93/02/0191).

Der unabhängige Verwaltungssenat übersieht demnach durchaus nicht, dass dieses Staatsziel zwischenzeitig sogar verstärkt in unlösbarem Spannungsverhältnis zu verfassungsrechtlich garantierten Werten stehen konnte. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass dieses der europäischen Rechtskultur weitgehend fremde Rechtsinstitut mit Blick auf den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ableitenden Harmonisierungsbedarf, zwischenzeitig zu einer anderen rechtlichen bzw. rechtspolitischen Wertigkeit geführt haben konnte.

Diesbezüglich erweist sich das Rechtsinstitut der Lenkerauskunft wahrlich als Fremdkörper, indem darauf gestützte Bestrafungen etwa in Deutschland nicht vollstreckt werden.

Wenn der EGMR im o.a. Urteil (Weh gg. Österreich) nur deshalb (noch) keine Konventionsverletzung in der Fallgestaltung der Auskunftspflicht feststellte, weil darin keine "ausreichend konkrete Verbindung zwischen dem Auskunftsbegehren und einer damit zu erwartenden Bestrafung des Verweigerers bestand", trifft dies im gegenständlichen Fall offenkundig nicht zu.

In diesem Verfahren führte die Erteilung der Lenkerauskunft zur Bestrafung wegen einer Übertretung der StVO.

So hat der Verfassungsgerichtshof schon im Zuge der Aufhebung einer früheren Fassung dieser Rechtsvorschrift, die unter Wahrheitspflicht gegebene Antwort des Zulassungsbesitzers, er habe das Fahrzeug zum betreffenden Zeitpunkt nicht einem Dritten zum Lenken überlassen, den dahinter stehenden materiellen Zwang zu einer Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung, die unter Hinweis auf die im Verfahren zu G7/80 näher dargelegten Gründe als verfassungsrechtlich verpönt erachtet (VfSlg. 10394).

In der nachfolgend geänderten Fassung dieser Rechtsvorschrift wollte der Verfassungsgesetzgeber mit der Ermächtigung zur Einholung bestimmter Auskünfte in § 103 Abs.2 KFG idF der 10. KFG-Novelle (versehen mit einer Verfassungsbestimmung), die Realisierung eines bestimmten rechtspolitischen Anliegens ermöglichen, von dem er - ob zu Recht oder zu Unrecht, was der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen hatte - annahm, diesem nur durch die sogenannte Lenkerauskunft entsprechen zu können.

Der Verfassungsgesetzgeber durchbrach mit dieser Ermächtigung den aus dem Anklageprinzip des Art.90 Abs.2 B-VG - auch für Verwaltungsstrafverfahren - erfließenden Grundsatz, dass niemand unter Strafsanktion gezwungen werden dürfe, ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen (Hinweis auf VfSlg. 9950/1984, 10394/1985). Er nahm damit die Durchbrechung von an sich verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien in Kauf. Auf eine Verpflichtung zur Selbstbeschuldigung liefen nämlich die damals in Prüfung gezogenen Bestimmungen ebenso hinaus, wie die bereits durch VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 aufgehobenen Vorgängerbestimmungen des § 103 Abs.2 KFG idF BGBl. 106/1986; Der Verfassungsgerichtshof blieb aber bei seinem in der bisherigen Judikatur (VfGH 23.06.88, V29/88 ua.) eingenommenen Standpunkt, dass - angesichts der Verpflichtung zur baugesetzkonformen Interpretation einer Verfassungsbestimmung (Hinweis auf VfGH 01.07.87, G78/87) - im Zweifel einem Gesetz kein Inhalt beizumessen ist, der sie in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts (Art. 44 Abs.3 B-VG) stellen würde.

Ein solcher möglicher Widerspruch wäre in Eingriffen erblickbar - so der Verfassungsgerichtshof abermals - die Grundprinzipien der Bundesverfassung, wie etwa eine Einschränkung dessen Gesetzesprüfungskompetenz oder nicht nur zu einer Durchbrechung der Grundrechtsordnung führten, wenn schwerwiegende und umfassende Eingriffe in die Grundprinzipien vorgenommen würden (Hinweis auf VfGH 23.06.88, V29/88 ua.).

Wenn - wie durch den VfGH in B 210/05-3 unverändert beurteilte - diese Bestimmung abermals keinen Anlass für ein Gesetzesprüfungsverfahren bildete, gilt daher weiterhin das schon vor zwanzig Jahren mit der Verfassungsbestimmung definierte rechtspolitische Ziel dieses Rechtsinstituts. Die Lenkerauskunft ist demnach am Maßstab der innerstaatlichen Verfassungsordnung zu beurteilen. Neue Sachargumente gegen diese ursprüngliche Betrachtung greifen offenbar nicht.

Solche könnten allenfalls im Ergebnis der Auswertung der jüngst auf einen Autobahnabschnitt in Oberösterreich eingerichtet gewesenen "Section Control Strecke" erblickt werden, dem zur Folge 60 % der Verwaltungsübertretungen durch nicht mit Lenkererhebung zu "überführende" (ausländische) Fahrzeuglenker begangen wurden. Dies führt in der Vollzugspraxis zur Ungleichbehandlung der inländischen Kraftfahrer durch die exklusive Anwendung des "§ 103 Abs.2 KFG". Keinesfalls trifft es zu und das belegen die Verkehrsüberwachungssysteme anderer Länder, dass es unbedingt der Lenkererhebung bedarf um den vom Gesetzgeber in dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Bestimmung intendierten Zweck zu erreichen.

Mit der Bestätigung dieses Schuldspruches ist der Berufungsbehörde durchaus evident, dass letztere Überlegungen ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müssen, ob die möglichst leichte Überführung von Verwaltungsstraftätern durch deren präsumtive Selbstbenennung als Straftäter mit gleich- oder höherwertigen Staatszielen im Einklang gesehen werden kann.

So könnte etwa auch mit der verpflichtenden Führung eines Fahrtenbuches - wie dies etwa in Deutschland angeordnet werden kann - eine nachfolgende Lenkereigenschaft eines vom Zulassungsbesitzer verschiedenen Lenkers sachgerechter möglich sein. Dies würde zu keiner selektiven Selbstbeschuldigung führen, einen Lenker aber dennoch über entsprechende Aufzeichnungen in Erfahrung bringen lassen. Durchaus legitim muss die Frage gestellt werden, ob sich unter Bedachtnahme auf die Einzigartigkeit dieses Rechtsinstitutes in Europa die verfassungsrechtliche Durchbrechung des Selbstbeschuldigungsverbotes mit dem Hinweis auf das Staatsziel auch heute noch rechtfertigen lässt.

Bereits im Rahmen der zur Gesetzeswerdung des BGBl Nr. 289/1982 ergangenen Stellungnahmen, hat etwa der ÖAMTC im Rahmen des Begutachtungsverfahrens dem damaligen BMöWV (heute BMVIT) unter Hinweis auf die in der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Schweiz bestehenden Regelungen vorgeschlagen, zwar eine Verpflichtung des Zulassungsbesitzers zur Erteilung der Lenkerauskunft einzuführen, wobei aber dem Zulassungsbesitzer in Übereinstimmung mit dem vom VfGH anerkannten verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechten ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt werden sollte, falls der Zulassungsbesitzer durch seine Auskunft sich oder seine nahen Angehörigen belasten müsste. Es sei nämlich nicht zu erwarten, dass die Mehrheit der Kfz-Lenker von diesem Zeugnisverweigerungsrecht wahrheitswidrig Gebrauch machen würden.

Daneben - so der damalige Vorschlag - sollte durch verstärktes, nötigenfalls zwangsweise durchgeführtes Anhalten von Fahrzeuglenkern, die eine strafbare Handlung begangen haben vorgegangen werden und sogenannte "Kennzeichenanzeigen" sollten möglichst reduziert werden. Diese Maßnahme hätte einen nicht zu unterschätzenden pädagogischen Wert, der weitaus größer wäre als die Ahndung von Verwaltungsübertretungen einige Monate nach Begehung der Tat mittels Strafverfügung (Anonymverfügung) oder Straferkenntnis auf Grund sogenannter "Kennzeichenanzeigen" (s. Messiner, Die Lenkerauskunft und das "fair trial", in ZVR 1985, 290, mit Hinweis auf ZVR 1984/183, sowie ZVR 1985/137);

Daher teilt der unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich das Berufungsvorbringen dahingehend, dass sich hier der Berufungswerber mit der Erteilung seiner Lenkerauskunft ex ante besehen bereits substanziell dazu beizutragen verhalten wurde, wider ihn die auf § 24 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO gestützte Bestrafungen auszusprechen zu können.

Da hier jedoch die verfassungsrechtlich abgesicherte Rechtslage nicht in Frage zu stellen und in diesem Rahmen die Bestrafung als zu Recht festzustellen ist, muss das umfassende Vorbringen zur vermeintlichen Konventionsverletzung auf sich bewenden. Dies aufzugreifen wird - unter Hinweis auf den o.a. Beschluss des Verfassungsgerichtshofes letztlich jedoch den europäischen Instanzen anverwahrt zu bleiben haben, ob - anders als im Fall Weh - durch die wegen der "erzwungenen Lenkerauskunft" gegen ihn möglich gewordenen Bestrafungen, in einem von der EMRK geschützten Recht verletzt wurde.

Das diesbezügliche Vorbringen des Berufungswerbers ist durchaus von inhaltlicher Substanz, deren Berücksichtigung jedoch an der realen Rechtslage scheitern muss.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Konkret ist hinsichtlich der Strafzumessung auf fehlende Milderungsgründe hinzuweisen, sodass in den wegen der Verletzung eines Halteverbotes ausgesprochenen Geldstrafen in der Höhe von jeweils 40 Euro, ein Ermessensfehler nicht erblickt werden kann. Daher kann auch dem Strafausspruch nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.

Der Berufung musste somit ein Erfolg versagt bleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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