Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400327/4/Gf/Km

Linz, 26.01.1995

VwSen-400327/4/Gf/Km Linz, am 26. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des M.

B. H. J., vertreten durch die RAe Dr. G. S. und Dr. A. W., .............., ............., wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion ..... zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit dem 20. Jänner 1995 als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bund (Bundespolizeidirektion .....) hat dem Beschwerdeführer Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung in Höhe von 7.533 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 52 FrG iVm § 67c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am 9. Mai 1993 in das Bundesgebiet ein. Seither hält er sich - mit kleineren Unterbrechungen an seinem polizeilich gemeldeten Wohnsitz in Österreich auf.

Am 30. Juli 1993 hat er in ..... eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Am 4. August 1993 wurde ihm vom Arbeitsamt ..... ein bis zum 3. August 1998 befristeter Befreiungsschein ausgestellt. Seit dem 7. Oktober 1993 ist der Beschwerdeführer bei einer Pizzeria in ..... als Pizzakoch beschäftigt, wobei er monatlich 8.700 S netto verdient. Am 25. März 1994 hat der Beschwerdeführer bei der österreichischen Botschaft in ............ einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.

1.2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion ..... vom 4.

Juli 1994, Zl. Fr-86059, wurde über den Beschwerdeführer die Ausweisung verfügt. Gegen diesen Bescheid, mit dem kein Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung verfügt wurde, hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhoben. Diese Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Dezember 1994, Zl. St-218-2/94, abgewiesen.

1.3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion ..... vom 12.

Jänner 1995, Zl. Fr-86059, wurde über den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese durch Festnahme und Anhaltung im Polizeigefangenenhaus Linz seit dem 20. Jänner 1995 vollzogen.

1.4. Mit einer am 24. Jänner 1994 unmittelbar beim Oö.

Verwaltungssenat eingebrachten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die mit dem oben unter 1.3. angeführten Bescheid verhängte Schubhaft.

2.1. Im oben unter 1.3. angeführten Schubhaftbescheid legt die belangte Behörde begründend dar, daß der Beschwerdefüh rer am 4. Juli 1994 aus Österreich ausgewiesen wurde, sich sohin seither unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte und offensichtlich nicht gewillt sei, freiwillig seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, weshalb zur Sicherung der zwangsweisen Außerlandesschaffung im Wege der Abschiebung die Schubhaft zu verhängen gewesen sei.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er über geordnete Lebensverhältnisse verfüge und es deshalb für ihn unverständlich sei, daß er einerseits, insbesondere in Ansehung seiner Verheiratung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung habe, sein dementsprechender Antrag jedoch rechtsirrig abgewiesen worden sei. Derartige behördliche Fehler könnten jedoch nicht zu seinen Lasten gehen.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verhängung der Schubhaft beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. In dieser wird insbesondere darauf hingewiesen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers von Anfang an rechtswidrig gewesen sei und seine Weigerung, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, dadurch offenliege, daß er stets niederschriftlich vorgebracht habe, bei seiner Gattin in Österreich bleiben zu wollen.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion ..... zu Zl. Fr-86059; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs. 1 FrG hat derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

Nach § 41 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

4.2.1. Eine der - vorliegendenfalls nur in Betracht kommenden - Voraussetzungen der zulässigen Schubhaftverhängung und damit der Erlassung eines Schubhaftbescheides (§ 41 Abs.

1 FrG) ist, entweder das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder deren Durchsetzung im Wege der Abschiebung zu sichern; die Schubhaft ist damit jedenfalls insofern akzessorisch, als sie die Rechtmäßigkeit der Ausweisung voraussetzt (vgl. z.B. statt vieler das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20.6.1994, B 2245/93, m.w.N., wonach der unabhängige Verwaltungssenat dazu verpflichtet ist, die Rechtmäßigkeit der Schubhaft nach jeder Richtung hin zu überprüfen), bzw. anders gewendet: Eine offensichtlich unzulässige Ausweisung darf keinesfalls im Wege der Schubhaftverhängung gesichert werden.

4.2.2. Der vom oben unter 1.3. angeführten Schubhaftbescheid zu seiner Tragfähigkeit herangezogene Ausweisungsbescheid der Bundespolizeidirektion ..... vom 4. Juli 1994, Zl.

Fr86059, stützt sich darauf, daß sich der Beschwerdeführer zu Erwerbszwecken in Österreich aufhält und hiefür einer Aufenthaltsbewilligung bedarf, die ihm jedoch nicht erteilt wurde; die im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK gebotene Abwägung wird in der Bescheidbegründung im übrigen nicht (bzw. bloß formal) vorgenommen. Der Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Dezember 1994, Zl. St-218-2/94, führt darüber hinaus aus, daß nicht damit zu rechnen sei, daß dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Berufungsverfahren stattgegeben werden wird, weil "die Quote für das heurige Jahr schon seit längerem erschöpft ist"; zudem sei aufgrund der bereits kurz nach der Einreise am 22. September 1993 erfolgten Arbeitsaufnahme (nämlich am 8. Oktober 1993) zu schließen, daß der Beschwerdeführer die zur Erleichterung des Tourismus geschaffene Lockerung der Sichtvermerkspflicht rechtswidrig umgangen habe.

4.2.3. Nach § 3 Abs. 1 Z. 1 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. 466/1992 (im folgenden: AufenthaltsG), haben Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung; im Hinblick auf die in § 2 AufenthaltsG festgelegte sog. "Quotenregelung" sind für den Fall, daß die Quote in einem Jahr bereits erschöpft ist, anhängige Anträge i.S.d. § 3 AufenthaltsG ein solcher liegt im gegenständlichen Fall vor - gemäß § 9 Abs. 3 AufenthaltsG auf das folgende Jahr zu verschieben.

Vorliegendenfalls kann daher nicht ohne weiteres damit argumentiert werden, daß für den Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung im Hinblick auf die Erschöpfung der Quote ohnehin nicht erlangbar erscheint, weil sein Antrag eben ex lege als auf das folgende Jahr verschoben gilt, wobei hier die neue Quote für das Jahr 1995 ohnehin bereits 12 Tage nach Zustellung des Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zum Tragen gekommen wäre. Mit der Berufungsentscheidung wäre daher zweckmäßigerweise diese wenigen Tage zuzwarten gewesen bzw. hätte die belangte Behörde diesen das gesamte Ausweisungs- und Schubhaftverfahren tragenden Aspekt von Amts wegen wahrnehmen müssen, insbesondere auch deshalb, weil der Beschwerdeführer über geordnete Wohnsitzverhältnisse und über ein geregeltes Einkommen verfügt, ein Versagungsgrund i.S.d. § 5 Abs. 1 AufenthaltsG somit offensichtlich nicht vorliegt. Schon im Hinblick darauf, insbesondere aber auch unter Bedachtnahme auf das in § 19 FrG normierte, aus Art. 8 Abs. 2 MRK erfließende Abwägungsgebot war die im gegenständlichen Fall verfügte Ausweisung materiell unhaltbar.

4.2.4. Darüber hinaus ist auch selbst dann, wenn man die Auffassung vertritt, daß die belangte Behörde zumindest formal insoweit im Recht ist, als der Beschwerdeführer einstweilen eben noch über keine definitive Aufenthaltsberechtigung verfügt und sich daher widerrechtlich im Bundesgebiet aufhält [nach der Aktenlage spricht jedoch alles dafür bzw. hat die belangte Behörde jedenfalls jegliche Ermittlungen in die Gegenrichtung unterlassen -, daß dem Beschwerdeführer materiell betrachtet die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist; dies hat auch die belangte Behörde selbst erkannt, indem sie ihre fremdenpolizeilichen Maßnahmen stets unter dem Vorbehalt, daß noch keine formelle Aufenthaltsbewilligung für den Beschwerdeführer vorliegt, gesetzt hat; vgl. z.B. den entsprechenden Hinweis auf dem Fahndungsauftrag vom 13. Jänner 1995, Zl. Fr-86059], im gegenständlichen Fall keinerlei Sicherungsinteresse, wie dies § 41 Abs. 1 FrG für die Inschubhaftnahme voraussetzt, erkennbar. Weshalb überhaupt und noch dazu bereits am 13. Jänner 1995 ein Fahndungsauftrag erging, der Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion ..... vom 12. Jänner 1995 dem Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertretern jedoch erst am 20. Jänner 1995 bei der Festnahme (um 21.09 Uhr) bzw. erst kurz danach (um 21.38 Uhr) zugestellt wurde, wo die Festnahme um 21.00 Uhr doch ohnehin am Arbeitsplatz erfolgte und anschließend den zutreffenden Angaben des Beschwerdeführers entsprechend auch in dessen Wohnung sein Reisepaß vorgefunden werden konnte, bleibt völlig unerfindlich.

4.3. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft erweist sich daher aus den genannten Gründen als rechtswidrig; der gegenständlichen Beschwerde war daher gemäß § 52 FrG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a AVG antragsgemäß Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung in Höhe von 7.533 S zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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