Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-160912/2/Bi/Be

Linz, 03.11.2005

 

 

 

VwSen-160912/2/Bi/Be Linz, am 3. November 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn M O, vertreten durch G K P L Rechtsanwälte OEG, vom 10. Oktober 2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 5. September 2005, VerkR96-8078-2004-Pi, wegen Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochten Straferkenntnis in allen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils eingestellt, wobei Verfahrenskostenbeiträge entfallen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 52a Z10 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) §§ 11 Abs.3 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 3) Art.III Abs.5 lit.a 3. KFG-Novelle iVm 134 Abs.1 KFG 1967 und 4) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 181 Euro (72 Stunden EFS), 2) und 3) je 36 Euro (je 24 Stunden EFS) und 4) 87 Euro (48 Stunden EFS) verhängt, weil er mit dem Pkw, Kz. xx, Opel Vectra weiß,

  1. am 21. März 2004, 4.50 Uhr, Gemeinde Traun, Landesstraße Freiland Nr.1 bei km 194.000, Beschränkung von der ehemaligen Fa Ebenseer bei km 194.00 bis unmittelbar vor der Trauner Kreuzung "Alt" bei km 192.500 die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 45 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden;
  2. am 21. März 2004, 4.51 Uhr, Gemeinde Traun, Landesstraße Freiland Nr.1 bei km 192.500, Trauner Kreuzung "Alt" als Lenker die Änderung der Fahrtrichtung nicht mit den hiefür bestimmten, am Fahrzeug angebrachten Vorrichtungen angezeigt habe;
  3. am 21. März 2004, 4.51 Uhr, Gemeinde Traun, Landesstraße Freiland Nr.1 bei km 192.500, Trauner Kreuzung "Alt", als Lenker eines Kfz den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet habe. Dies sei bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt worden. Er habe die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert, obwohl ihm eine solche angeboten worden sei;
  4. am 21. März 2004, 4.50 Uhr, Gemeinde Hörsching, Landesstraße Ortsgebiet Linzerstraße Nr.1 bei km 195.000 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 34,40 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in keinem Punkt überschritten. Es sei bereits völlig dunkel gewesen, die angegebene Strecke sei 1,5 km lang. Eine Feststellung einer Überschreitung über eine Strecke von 2 km sei daher nicht erfolgt, sondern die Nachfahrt sei viel kürzer gewesen. Die Beamten hätten sich auch nicht im Fahrzeug befunden, sondern aus dem Stillstand nachgefahren, wobei sie eine wesentlich höhere Geschwindigkeit als er einhalten hätten müssen. Schon das Einpacken der Radarpistole habe länger gedauert, als er bei der angegebenen Geschwindigkeit für die Strecke gebraucht hätte. Eine zuverlässige Vergleichsmessung sei daher unmöglich bei Zugrundlegung der durchschnittlichen Beschleunigung bei Dieselkfz. Allein aufgrund der Scheinwerfer sei im Dunklen eine verlässliche Schätzung der Geschwindigkeit nicht möglich, wobei auf die Judikatur des VwGH verwiesen wird. Auch eine Messtoleranz sei nicht abgezogen worden, zumal der Tacho des Dienstkfz nicht geeicht gewesen sei und daher nicht 10% sondern 30 % abzuziehen gewesen wären. Ob dort tatsächlich eine 70 km/h-Beschränkung besteht, sei nicht festgestellt worden.

Im Punkt 2) wird eingewendet, dass die Einreihung auf die rechte Abbiegespur an der Kreuzung keine Änderung der Fahrtrichtung darstelle, sondern die B1 sei dort völlig gerade und die von ihm benützte Fahrspur münde eben gerade in die rechte der beiden Abbiegespuren.

Im Punkt 3) wird geltend gemacht, er habe den Gurt sehr wohl verwendet, aber da es völlig dunkel gewesen sei und in seinem Fahrzeug keine Innenbeleuchtung bestehe, hätten die Beamten den Gurt nicht sehen können, sodass zumindest nicht erwiesen sei, dass er den Gurt tatsächlich nicht angelegt gehabt habe. Eine Beweiswürdigung sei nicht erfolgt, sondern nur die Aussagen wiederholt worden.

Im Punkt 4) wird auf die Argumente zu Punkt 1) verwiesen. In den möglichen Geschwindigkeitsbereichen von 80 bis ca 100 km/h liege eine so hohe Fehlerquote, dass die Schätzungen der Beamten für eine Bestrafung nicht ausreichten. Außerdem seien die Augen eines Beamten ohne Zuhilfenahme technischer Mittel keinen technischen Abweichungen wie Messgeräte unterworfen. Eine Messtoleranz sei nicht abgezogen worden. Beantragt wird die Einholung eines KFZ-SV-Gutachtens und seine Einvernahme.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw als Lenker des Pkw am 21. März 2004 um ca 4.50 Uhr zwei Gendarmeriebeamten auffiel, die gerade damit beschäftigt waren, im Ortsgebiet von Neubau ein Lasergerät aufzustellen. Sowohl der Meldungsleger AI Klaus Biemann, GP Hörsching, als auch RI G M, GP Wilhering, bestätigten als Zeugen am 30. Juni 2004 bzw am 26. Juli 2004 vor der Erstinstanz, der Pkw sei wegen der hohen Geschwindigkeit aufgefallen, sodass sie sich zur Nachfahrt entschlossen hätten. Der Pkw sei von der ehemaligen Fa E bis zur Trauner Kreuzung Alt mit ca 125 km/h unterwegs gewesen, wobei die Geschwindigkeit vom Tacho des Gendarmeriewagens abgelesen worden sei. Die Nachfahrt sei in gleichbleibendem Abstand über 2 km erfolgt. Bei der Trauner Kreuzung Alt habe sich der Lenker auf dem rechten Fahrstreifen zum Linkseinbiegen eingeordnet, das Gendarmeriefahrzeug daneben auf dem linken Fahrstreifen, sodass das Nichtanlegen des Gurtes und die Nichtanzeige der Fahrtrichtungsänderung erkennbar gewesen seien. AI Biemann bestätigte, er sei bei km 195.000 in Neubau im Bereich der Fahrertür des abgestellten Gendarmeriefahrzeuges gestanden und sei wegen des Fahrgeräusches und der sich schnell nähernden Scheinwerferlichter auf den Pkw aufmerksam geworden. Seine Schätzung von 90 bis 100 km/h entspreche der Wahrscheinlichkeit, weil er oft im Dunkeln Lasermessungen und zum Vergleich Schätzungen durchführe. Um genügend Messtoleranz abzuziehen, sei eine Geschwindigkeit von 80 km/h zur Anzeige gebracht worden. Die Nachfahrt sei ohne Blaulicht über ca 2 km von km 194.000 bis unmittelbar vor der Trauner Kreuzung Alt durchgeführt worden, sodass sei dem Bw diese nicht erkannt habe.

In rechtlicher Hinsicht ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates zu sagen, dass Gendarmeriebeamte keine Messtoleranzen aufweisen, die abgezogen werden könnten, und ungeeichte Tachometer, auch wenn sie in Gendarmeriefahrzeugen eingebaut sind, die gleichen Fehlerquoten haben wie die in herkömmlichen Fahrzeugen, nämlich solche, die einem aus der Luft gegriffenen "Toleranzabzug" nicht wirklich zugänglich sind. Schätzungen im Dunkeln anhand von "sich schnell nähernden Scheinwerferlichtern" und "auffälligen Fahrgeräuschen" sind kein geeignetes Mittel zur Feststellung einer Geschwindigkeit als Grundlage für den Tatvorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens.

Dem Argument des Bw, der Meldungsleger, der bei der Fahrertür gestanden sei und mit dem Lasergerät zwecks dessen Aufstellung hantiert, dieses aber offensichtlich nicht als solches zur Feststellung einer Geschwindigkeit verwendet habe, habe erst einsteigen, das Lasergerät irgendwie verstauen, das Fahrzeug starten und die Nachfahrt nach Erreichen einer "Nachfahrgeschwindigkeit" beginnen und über eine gewisse Strecke durchhalten müssen, um verlässliche Aussagen über die Geschwindigkeit des Pkw des Bw treffen zu können, wozu aber die gesamte Strecke von der Fa E bis zur Trauner Kreuzung Alt zu kurz gewesen sei, sind nicht von der Hand zu weisen. Im Punkt 3) handelt es sich bei der angeblichen "Geschwindigkeitsfeststellung unter Abzug der Messtoleranz" um eine rein subjektive Schätzung, deren Verlässlichkeit auch nicht mit einem SV-Gutachten nachvollzogen werden kann. Nachträgliche großzügige Abzüge machen die zugrundgelegte Geschwindigkeit nicht glaubwürdiger.

Eine verlässliche Aussage über die Nichtverwendung eines Sicherheitsgurtes im Dunkeln ist auch bei nebeneinander stehenden Fahrzeugen fast unmöglich, zumal im ggst Fall auch nicht angeführt ist, welche Kleidung der Bw getragen hat, über der ein Sicherheitsgurt nicht sichtbar gewesen sei. Da normalerweise niemand im Pkw während der Fahrt die Innenbeleuchtung eingeschaltet hat, sind die Angaben der beiden Zeugen schwer nachvollziehbar. Dass dem Bw ein Organmandat angeboten worden wäre, geht aus dem Verfahrensakt, auch aus dem Zeugenaussagen, nicht hervor, wobei auch nicht erkennbar ist, ob und wo gegebenenfalls eine Anhaltung des Bw nach § 97 Abs.5 StVO erfolgt wäre. Die Verweigerung der Bezahlung eines Organmandates ist nicht strafbar.

Zum Vorwurf des Nichtanzeigens der Fahrtrichtungsänderung steht nur fest, dass beide Pkw zum Linkseinbiegen nebeneinander gestanden sind, nämlich der Bw rechts, die Beamten links. Dass sich durch das Verhalten des Bw - ob ein Blinker eingeschaltet ist, ist wohl von außen bei Dunkelheit erkennbar - jemand nicht auf seine beabsichtigte Fahrtrichtung einstellen hätte können, wurde nicht behauptet und steht auch nicht fest, ob überhaupt jemand in der Nähe war, der sich darauf einstellen hätte müssen.

Auf dieser Grundlage war davon auszugehen, dass nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit von der tatsächlichen Erfüllung der dem Bw zur Last gelegten Tatvorwürfe ausgegangen werden kann. Diesbezüglich erfordert es konkretere Feststellungen von Geschwindigkeiten mit entsprechend geeichten, zugelassenen und technisch überprüften Geräten - gerade Lasermessgeräte sind dafür vorgesehen, die früher üblichen unzuverlässigen Schätzungen mit seriöseren Mitteln zu ersetzen.

Im gegenständlichen Fall ist die Einholung eines Kfz-technischen SV-Gutachtens fast zwei Jahre nach dem Vorfall schon aufgrund der unzureichenden Ausführungen der beiden Zeugen entbehrlich.

Aus all diesen Überlegungen war gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG im Zweifel mit der Einstellung des Verfahrens in allen Punkten vorzugehen, wobei sich rechtliche Ausführungen - zB zur übertretenen Norm im Punkt 2), zur Strafnorm im Punkt 3), zum unrichtig angeführten Kennzeichen usw - erübrigen.

Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß auch die Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen entfiel.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

Tatvorwürfe nicht erweisbar

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum