Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161088/9/Ki/Da

Linz, 15.03.2006

 

 

 

VwSen-161088/9/Ki/Da Linz, am 15. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des R S, S, K, vertreten durch M B, S, O, vom 24.11.2005, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 9.11.2005, GZ 4736/ST/05, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 9.3.2006 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit Straferkenntnis vom 9.11.2005, GZ. 4736/ST/05, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 5.7.2005 in der Zeit zwischen 23.25 Uhr und 23.30 Uhr in 4400 Steyr, auf der B122 (Haratzmüllerstraße) von Strkm 29,3 bis Strkm 29,5 und von Strkm 29,8 bis Strkm 30,3 als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem pol. Kennzeichen SR- die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um etwa 25 km/h überschritten, wobei die Überschreitung durch Nachfahrt im gleichbleibendem Abstand mit dem Dienstkraftfahrzeug festgestellt wurde. Die Geschwindigkeit wurde vom nicht geeichten, jedoch periodisch überprüften Tachometer des Dienstkraftfahrzeuges abgelesen. Die hiefür vorgeschriebene Verkehrsfehlergrenze wurde in Abzug gebracht. Er habe dadurch § 20 Abs.2 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3a (richtig wohl: Abs.3 lit.a) StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 30 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 3 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

Zufolge der Berufung hat die Bundespolizeidirektion Steyr zunächst mit Bescheid vom 27.12.2005, GZ. 4736/ST/05, eine Berufungsvorentscheidung entlassen, diese Berufungsvorentscheidung ist jedoch nach Erhebung eines Vorlageantrages durch den Berufungswerber vom 6.1.2006 außer Kraft getreten.

 

I.2. In seiner Berufung gegen das Straferkenntnis bestreitet der Rechtsmittelwerber in aufwendigen Ausführungen im Wesentlichen die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung.

 

I.3. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat den Vorlageantrag samt Berufung und Verfahrensakt nunmehr dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt, dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 9.3.2006 im Bereich des vorgeworfenen Tatortes. Der Vertreter des Berufungswerbers sowie eine Vertretung der Bundespolizeidirektion Steyr waren an der Teilnahme der Verhandlung verhindert, auf die Einvernahme des Berufungswerbers wurde per Telefax am Verhandlungstag verzichtet. Als Zeugen wurden die beiden Polizeibeamten AI L B und GI M G einvernommen, die Tatörtlichkeit wurde in Augenschein genommen.

 

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Verkehrsinspektion Tomitzstraße des Stadtpolizeikommandos Steyr vom 7.7.2005 zu Grunde. In dieser Anzeige ist - relevant für die Beurteilung der vorliegenden Frage - u.a. festgehalten, dass die Meldungsleger festgestellt hätten, wie auf der Punzerstraße zur Haratzmüllerstraße ein dunkler PKW mit offensichtlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und bei Strkm 4,0 der B122a den Fahrstreifen von rechts auf links gewechselt habe. Der Meldungsleger habe, da er auf diesen PKW aufmerksam geworden sei, mit dem Dienst-KFZ die Nachfahrt in gleichbleibendem Abstand begonnen. Bei der Nachfahrt in gleichbleibendem Abstand auf der Haratzmüllerstraße sei vom nicht geeichten, jedoch periodisch überprüften Tachometer des Dienstkraftfahrzeuges eine Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h abgelesen worden, was jedoch einer tatsächlichen Geschwindigkeit von 75 km/h entspreche. Diese Übertretung der Fahrgeschwindigkeit hätten sie auf der Haratzmüllerstraße (B122) von Strkm 29,3 bis Strkm 29,5 und von Strkm 29,8 bis Strkm 30,3 festgestellt. Bei Strkm 29,4 der B122 habe der Angezeigte den Fahrstreifen von links nach rechts gewechselt und weiters die Fahrgeschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt auf 60 km/h gedrosselt, da er nicht überholen habe können. Diese Geschwindigkeit habe vom Tachometer des Dienstkraftfahrzeuges abgelesen werden können. Bei Strkm 29,8 der B122 habe der Angezeigte erneut den Fahrstreifen von rechts nach links gewechselt und seine Geschwindigkeit wieder erhöht. Der Angezeigte sei dann auf der Pachergasse zur Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten worden.

 

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung im Bereich der verfahrensrelevanten Fahrtstrecke des Berufungswerbers konnten die Angaben in der Anzeige, was die festgestellten Tatörtlichkeiten anbelangt, verifiziert werden.

 

AI B, welcher Lenker des Dienstkraftwagens war, bestätigte die in der Anzeige festgehaltenen Angaben im Wesentlichen und erklärte, dass trotz den mehrmaligen Fahrstreifenwechsel durch den Berufungswerber einen gleichbleibenden Abstand zu seinem Fahrzeug einhalten konnte. Auf Vorhalt, er habe in der Anzeige bezüglich Fahrtstrecke zwischen km 29,8 und 30,3 der B122 hinsichtlich der Geschwindigkeit keine konkreten Angaben gemacht, erklärte er, dass der Beschuldigte in diesem Bereich mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h unterwegs gewesen wäre, dies habe er durch Ablesen des analogen Tachometers des Dienstfahrzeuges verifizieren können.

 

GI G, welcher als Beifahrer im Dienstfahrzeug war, bestätigte im Wesentlichen die Angaben seines Kollegen, führte jedoch bezüglich der Fahrtstrecke zwischen km 29,8 und 30,3 aus, dass der Beschuldigte in diesem Bereich im Zuge der Beschleunigung des Fahrzeuges die angezeigte Geschwindigkeit erreicht habe.

 

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Auffassung, dass die Angaben der Meldungsleger grundsätzlich nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen widersprechen. Allgemein betrachtet ist jedoch im Detail der Aussage des GI G zu folgen, aus welcher abzuleiten ist, dass der Beschuldigte im Bereich zwischen km 29,8 und 30,3 der B122 sein Fahrzeug wieder beschleunigt und er erst allmählich die festgestellte Geschwindigkeit von 80 km/h wieder erreicht hat. Dementsprechend finden sich auch in der Anzeige vom 7.7.2005 bezüglich dieser Tatstrecke keine exakten Angaben hinsichtlich der vom Beschuldigten eingehaltenen Geschwindigkeit.

 

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet grundsätzlich nicht schneller als 50 km/h fahren.

 

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, er habe die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Dazu wird zunächst festgestellt, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, d.h. wenn dem Beschuldigten die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach Aufnahme sämtlicher Beweise nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, ist eine Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen.

 

Zur Feststellung der Geschwindigkeit eines fahrenden Fahrzeuges können verschiedene Methoden angewendet werden. So auch ein Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug und Ablesen des Tachometers bei gleichbleibendem Abstand, auch wenn es sich um einen ungeeichten Tachometer handelt.

 

Allerdings sind bei der Feststellung der Geschwindigkeit durch Nachfahren und Ablesen des Tachometers laut genereller Aussage eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung (Ing. H) verschiedene Kriterien zu berücksichtigen. Dieser hat festgestellt, dass durch verschiedene Parameter, wie Reifendruck, Beladung, Profil, sich Änderungen und damit verschiedene Werte beim Nachfahren ergeben können. Der Sachverständige hat festgestellt, dass jedenfalls eine Mindestnachfahrtstrecke von 300 m in gleichbleibendem Abstand erforderlich ist, um eine beweistaugliche Feststellung der zur Last zu legenden Geschwindigkeit feststellen zu können, darüber hinaus sind bei einer Geschwindigkeit bis zu 100 km/h noch 15 km/h in Abzug zu bringen.

 

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass die vom Meldungsleger zunächst angeführte Nachfahrtstrecke zwischen Strkm 29,3 bis 29,5 der B122 (200 m) nicht ausreichend war, um eine beweistaugliche Geschwindigkeitsüberschreitung feststellen zu können. Danach hat der Beschuldigte die Geschwindigkeit laut Angaben in der Anzeige auf 60 km/h reduzieren müssen und dann habe er zwischen Strkm 29,8 und 30,3 (500 m) die Geschwindigkeit wieder erhöht. Wohl wäre in diesem zweiten Bereich die Nachfahrtstrecke ausreichend, doch erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass nach der vorliegenden Beweislage nicht als erwiesen angesehen werden kann, dass der Beschuldigte in diesem Bereich tatsächlich mit einer solchen Geschwindigkeit unterwegs gewesen ist. Insbesondere finden sich in der Anzeige vom 7.7.2005 diesbezüglich keine konkreten Feststellungen und es sind auch die Angaben der Meldungsleger (generell betrachtet) im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung nicht geeignet, hier eine konkrete Feststellung zu treffen.

 

In Erwägung des festgestellten Sachverhaltes gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher zur Auffassung, dass im vorliegenden konkreten Fall die dem Beschuldigten zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit als erwiesen angesehen werden kann.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Nachdem die dem Beschuldigten zur Last gelegte Verwaltungsübertretung, wie das oben dargelegte Ermittlungsverfahren ergeben hat, nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit als erwiesen angesehen werden kann, war, zumindest nach dem Grundsatz "in dubio pro reo", in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

Feststellen der Geschwindigkeit durch Nachfahren mit Fzg. mit ungeeichtem Analogtachometer - Mindestnachfahrstrecke 300 m

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