Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161094/9/Sch/Hu

Linz, 21.03.2006

 

 

 

VwSen-161094/9/Sch/Hu Linz, am 21. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn F H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G K, vom 13.1.2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28.12.2005, VerkR96-9186-2005/BE, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 17.3.2006 zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses die Wortfolge von "Diese Tatbestände" bis "verhindern konnte" zu entfallen hat.
  2. Des weiteren entfällt die Zitierung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, an dessen Stelle tritt § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 (Faktum 1.) bzw. § 99 Abs.2c StVO 1960 (Faktum 2).

    Die verhängten Geldstrafen werden auf 70 Euro (Faktum 1.) bzw. 100 Euro (Faktum 2.) und die Ersatzfreiheitsstrafen auf 12 Stunden bzw. 18 Stunden herabgesetzt.

    Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

     

  3. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 17 Euro (10 % der verhängten Geldstrafen).

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28.12.2005, VerkR96-9186-2005/BE, wurde über Herrn F H, K, M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G K, R, W, wegen Verwaltungsübertretungen nach a) § 17 Abs.3 StVO 1960 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, b) § 9 Abs.2 StVO 1960 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, Geldstrafen von a) 150 Euro, b) 200 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von a) 48 Stunden und b) 72 Stunden, verhängt, weil er am 12.7.2005 um 16.20 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen ... im Ortsgebiet von Linz auf der Landwiedstraße vor dem Haus Helmholtzstraße Nr. 15 beim dortigen Schutzweg gelenkt habe, wobei er

  1. an einem Fahrzeug, das vor einem Schutzweg anhielt, um einem Fußgänger das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen, verbotenerweise vorbeifuhr und
  2. als Lenker eines Fahrzeuges einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befand, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht habe.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 35 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Vorweg ist anzumerken, dass die Berufungsbehörde die entsprechende Verordnung des relevanten Schutzweges beigeschafft hat. Demzufolge ist Rechtsgrundlage des Schutzweges die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 27.3.1997, Gz. 101-5/19-330052087.

 

In der Sache selbst ist auszuführen, dass anlässlich der eingangs erwähnten und mit einem Lokalaugenschein verbundenen Berufungsverhandlung der entscheidungsrelevante Sachverhalt eingehend erörtert wurde.

 

Die dabei einvernommene Zeugin S S hat sowohl einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen als auch die Geschehnisabläufe schlüssig geschildert. Demnach hatte sie als zweite Pkw-Lenkerin vor dem in Rede stehenden Schutzweg angehalten. Sie konnte einwandfrei wahrnehmen, dass ein Kind die Fahrbahn von rechts nach links in ihre Blickrichtung betrachtet überqueren wollte. Der vor ihr befindliche Fahrzeuglenker hatte offenkundig aus diesem Grund vor dem Schutzweg angehalten. Das Kind bewegte sich also in Richtung Fahrbahnmitte hin, war aber in der Folge gezwungen, auf dem Schutzweg anzuhalten. Dies deshalb, da sich der Berufungswerber als Lenker eines Pkw auf dem zweiten in die Fahrtrichtung der Zeugin vorhandenen Fahrstreifen von hinten näherte und den Schutzweg befuhr, ohne dem Kind das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Die Zeugin schilderte, dass sie den Vorgang des Vorbeifahrens des Berufungswerbers an den beiden erwähnten Fahrzeugen in dem Moment wahrnahm, als auch das Kind gerade begonnen hatte, die Fahrbahn auf dem Schutzweg zu überqueren.

 

In der Folge hatte sie ihre Wahrnehmungen auf dem (damals noch) daneben befindlichen Polizeiwachzimmer zur Anzeige gebracht.

 

Dem gegenüber hat der Berufungswerber angegeben, von einem Kind, das die Fahrbahn überqueren wollte, nichts wahrgenommen zu haben. Es habe für ihn daher auch kein Grund bestanden, zumal sein Fahrstreifen frei war, den Schutzweg nicht zu passieren.

 

Es kann letztendlich dahingestellt bleiben, ob der Berufungswerber das Kind tatsächlich wahrgenommen hat oder nicht. Nach der von der Zeugin geschilderten Sachlage wäre es ihm aber bei gehöriger Aufmerksamkeit jedenfalls möglich gewesen, das Kind zu bemerken und auch entsprechend zu reagieren. Gerade bei Annäherung an einen Schutzweg, vor dem schon zwei Fahrzeuge angehalten haben, auf einem daneben gelegenen Fahrstreifen muss ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit an den Tag gelegt werden. Für die Berufungsbehörde sind keinerlei Anhaltspunkte zutage getreten, die die Annahme rechtfertigen würden, der Berufungswerber hätte trotz entsprechender Aufmerksamkeit das Kind nicht wahrnehmen können.

 

Damit hat er die ihm zur Last gelegten Übertretungen dem Grunde nach zu verantworten.

 

Entgegen der Ansicht der Erstbehörde kann ihm im Hinblick auf die Begehung der beiden Übertretungen aber keine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern angelastet werden. Hiefür wäre es nämlich nötig, dass zu dem an sich strafbaren Verhalten des Täters noch zusätzliche Sachverhaltselemente hinzukommen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit begangen wurde (VwGH 9.3.2001, 2000/02/0128). Im gegenständlichen Fall liegen solche zusätzlichen Sachverhaltselemente nicht vor, insbesondere etwa keine auffällig überhöhte Geschwindigkeit. Die Tatbestände nach § 17 Abs.3 StVO 1960 und nach § 9 Abs.2 leg.cit. decken das Verhalten des Berufungswerbers ab, da ersterer Bestimmung immanent ist, dass das Vorbeifahren an einem Fahrzeug, das, wie im gegenständlichen Fall, zur Ermöglichung des Überquerens eines Schutzweges durch einen Fußgänger angehalten worden war, verboten ist. Es bedarf also eines zumindest potentiellen Schutzwegbenützers. Ebenso wenig ist das Delikt des Nichtanhaltens vor einem Schutzweg bei gleichzeitiger Nichtermöglichung des ungehinderten und ungefährdeten Überquerens der Fahrbahn durch einen Fußgänger verwirklichbar, wenn kein entsprechender Fußgänger vorhanden ist. Der behinderte oder gefährdete Fußgänger darf also nicht zweimal - eben zusätzlich zur Begründung der Anwendung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 - quasi "verwertet" werden.

 

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses war daher um das strafsatzändernde Tatbestandsmerkmal der besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern zu reduzieren.

 

Es ergibt sich damit auch eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafen. In diesem Zusammenhang ist zudem besonders hervorzuheben, dass dem Berufungswerber der sehr wesentliche Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute kommt. Dieser lässt erwarten, dass mit den nunmehr festgesetzten Geldstrafen das Auslangen gefunden werden kann, um ihn künftighin wiederum zur Einhaltung der entsprechenden Vorschriften der StVO 1960 zu bewegen.

 

Auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers war nicht weiter einzugehen, da von jedermann, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt, erwartet werden muss, dass er zur Bezahlung von Verwaltungsstrafen, zumindest bis zu einer gewissen Höhe, in der Lage ist.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

 

 

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