Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161156/6/Br/Ps

Linz, 21.03.2006

 

 

 

VwSen-161156/6/Br/Ps Linz, am 21. März 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn N T, F, R, vertreten durch RA Dr. W S, S, R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 16. Jänner 2006, Zl. VerkR96-11050-2003, nach der am 20.3.2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I. Die Berufung wird im Schuldspruch abgewiesen; im Strafausspruch wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 30 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden ermäßigt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51 idF BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52 idF BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 3 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 190 Euro verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe am 14.11.2003 um 10:47 Uhr das Sattelkraftfahrzeug Scania mit dem Kennzeichen in Vorchdorf auf der Westautobahn A 1 in Fahrtrichtung Wien gelenkt, wobei er auf Höhe des Strkm. 210,500 beim Nachfahren hinter einem Sattelkraftfahrzeug (Fahrzeug mit größeren Längsabmessungen) nicht einen Abstand von 50 m eingehalten habe, obwohl der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten hat. Der Abstand betrug nur 22 m.

 

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Sie haben das Sattelkraftfahrzeug am 14.11.2003 um 10:47 Uhr auf der Westautobahn A 1 in Fahrtrichtung Wien gelenkt, wobei Sie mit einem Abstand von lediglich 22 m anstelle der vorgeschriebenen 50 m hinter einem Sattelkraftfahrzeug nachgefahren sind.

 

Der angeführte Sachverhalt wurde mit dem Messsystem VKS 3.0 unter Beachtung der Eichvorschriften und Verwendungsbestimmungen festgestellt und am 21.11.2003 von R S, Verkehrsabteilung Oberösterreich, der Bezirkshauptmannschaft Gmunden angezeigt. Über Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden erteilte die Zulassungsbesitzerin, R GmbH, S, die Auskunft, dass Sie der Lenker des o. a. Sattelkraftfahrzeuges waren.

Gegen die Strafverfügung vom 15.12.2003 erhoben Sie fristgerecht Einspruch und führten dazu aus, dass ein Nachfahren im Sinne des § 18 Abs. 4 StVO 1960 gar nicht vorgelegen sei. Der Abstand von gemessenen 22 m zwischen den Kraftfahrzeugen resultiere daraus, dass unmittelbar vor der Messung ein Überholmanöver durchgeführt worden sei.

In seiner Stellungnahme vom 09.02.2004 gab der Meldungsleger an, dass sich der Überwachungsbereich über eine Wegstrecke von mindestens 300 m bzw. 14 Sekunden erstreckte und dabei kein Überholvorgang vorgenommen noch eingeleitet worden sei. Die beiden Sattelkraftfahrzeuge seien im Messbereich (Mindestwegstrecke: 80 m) mit annähernd gleicher Geschwindigkeit gefahren, widrigenfalls würde es schon systembedingt zu keinem verwertbaren Messergebnis kommen. Es wäre dem Beschuldigten als Lenker des nachfahrenden Fahrzeuges leicht möglich gewesen, im Überwachungszeitraum den erforderlichen Sicherheitsabstand herzustellen ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden oder zu behindern. Der Stellungnahme waren vier Fotoausarbeitungen der Überwachungskamera vom Zeitraum 14-03-2003 10:47:44:15 bis 10:47:58:02 Uhr beigelegt.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde Ihnen diese Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. In Ihrer Stellungnahme vom 01. 03. 2004 blieben Sie bei Ihrer Rechtfertigung und führten aus, dass ein Geschwindigkeitsunterschied von 3 % auf einer Strecke von 80 m gar nicht mehr messbar sei.

Über Auftrag der Behörde erstattete der Amtssachverständige für Verkehrstechnik Ing. R H zum festgestellten Sachverhalt bzw. zu Ihren Rechtfertigungsangaben am 02. 10. 2005 ein Gutachten und kam dabei zum Schluss, dass es Ihnen - geht man davon aus, dass das von Ihnen behauptete Überholmanöver zeitlich vor dem filmisch dokumentierten Überwachungszeitraum gelegen sei - durch eine leichte Bremsung Ihres Fahrzeuges (1-1,5 m/s²) auf einer Strecke von ca. 300 m den Tiefenabstand auf ca. 72 m zu vergrößern. In Ihrer Stellungnahme vom 22. 11. 2005 bezeichneten Sie die Prämissen, die dem Gutachten zugrunde gelegt worden seien als nicht nachvollziehbar. Der Gutachter sei davon ausgegangen, dass der Sicherheitsabstand auf einer Wegstrecke von 300 m wieder herzustellen gewesen sei (das stimmt so nicht!). Weiters gehe der SV ausdrücklich davon aus, dass während der gesamten Dauer des Nachfahrens über diese 300 m jeweils durchgehend die Geschwindigkeit des vorausfahrenden LKW größer war (stimmt auch nicht!). Sie verwiesen weiters auf die in einer vorausgehenden Stellungnahme zitierte Judikatur (diese bezieht sich jedoch gemäß Ihren Ausführungen auf die Pflicht des Überholenden beim Wiedereinordnen genügend Abstand zu lassen).

 

Über diesen Sachverhalt hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als Organ der Landesverwaltung in I. Instanz erwogen:

 

Die Angaben des Meldungslegers in Anzeige und Stellungnahme sind schlüssig und in sich nachvollziehbar und wurden durch die vorgelegten Lichtbilder untermauert, sodass die Behörde hinsichtlich der dem Spruch zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen keine Zweifel hegte. Ebenso wird das Gutachten des Amtssachverständigen als schlüssig und der Sachverhaltsfeststellung dienlich gewertet. Die von Ihnen behaupteten Mängel liegen nicht vor.

Demgegenüber waren Ihre Ausführungen nicht geeignet, eine Änderung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts herbeizuführen. Ihre Tatsachenbehauptungen werden aufgrund der darin enthaltenen Widersprüchlichkeiten als Schutzbehauptungen gewertet. Es sei lediglich darauf verwiesen, dass Sie in Ihrer Stellungnahme vom 27. 01. 2004 noch behauptet hatten, Sie seien im Begriff gewesen ein Überholmanöver einzuleiten (Zit.: 'Ein Nachfahren im Sinne des § 18 StVO hat somit nicht stattgefunden. Wer hinter einem KFZ schnell nachfährt um es zu überholen, fährt nicht hintereinander...'), heißt es in der Stellungnahme vom 22.11.2005 dezidiert: 'Wie schon in den beiden Stellungnahmen dargelegt, wurde der Einschreiter von dem vorausfahrenden LKW überholt, .......'.

 

Gemäß § 18 Abs. 4 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse u. dgl.) auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten.

 

Das oben dargestellte Verhalten erfüllt das objektive Tatbild der Ihnen angetasteten Verwaltungsübertretung und ist auch durch die umfangreiche Videodokumentation hinreichend bewiesen.

Weiters wird festgehalten, dass das Messsystem VKS 3.0 lediglich dann ein gültiges Messergebnis erzielt, wenn die beiden gemessenen Fahrzeuge innerhalb der Messstrecke (im vorliegenden Fall ca. 80 m) mit annähernd gleicher Geschwindigkeit fahren. Bei einer Verzögerung bzw. Beschleunigung eines der beiden Fahrzeuge kommt es systembedingt zu keinem verwertbaren Messergebnis. Gemäß Ihren (zuletzt gemachten) Angaben wurden Sie von dem zum Zeitpunkt der Messung vor Ihnen fahrenden Fahrzeug überholt und sei dadurch der vorgeschriebene Abstand verringert worden. Dieser Überholvorgang müsste sich bereits vor dem Messbereich ereignet haben. Gemäß den Ausführungen des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik hätten Sie - ohne andere Fahrzeuglenker zu gefährden oder zu behindern - den Abstand wieder vergrößern können. Dazu hätten Sie Ihre Fahrgeschwindigkeit jedoch verringern müssen, was dazu geführt hätte, dass im Messbereich keine annähernd gleiche Geschwindigkeit der beiden Fahrzeuge festgestellt hätte werden können, was Voraussetzung für ein verwertbares Messergebnis ist. Sie haben es daher offenbar schuldhaft unterlassen, der Sie als Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen treffenden Verpflichtung gemäß § 18 Abs. 4 StVO 1960 nachzukommen.

Da keine Schuldausschließungsgründe geltend gemacht wurden, ist auch das subjektive Tatbild des § 18 Abs. 4 StVO 1960 gegeben und ist daher der strafbare Tatbestand erfüllt.

 

Bei der Strafbemessung wurden die Bestimmungen des § 19 Abs. 1 und 2 VStG in ihrem gesamten Umfange entsprechend berücksichtigt. Mildernd konnte Ihre bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertete werden. Erschwerende Umstände lagen nicht vor.

 

Die gegen Sie verhängte Geldstrafe erscheint dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Grad des Verschuldens und auch Ihren persönlichen Verhältnissen (da Sie diese trotz Aufforderung nicht bekannt gaben, wird Ihr monatliches Nettoeinkommen von der Behörde auf 1100 Euro geschätzt bzw. wird davon ausgegangen, dass Sie über kein Vermögen verfügen und auch keine Sorgepflichten zu tragen haben) angepasst und erforderlich, um Sie in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Straftaten abzuhalten."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit folgenden dagegen fristgerecht getätigten Berufungsausführungen:

"In außen bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Beschuldigte gegen das Straferkenntnis der BH Gmunden vom 16.01.2006 zur Zahl VerkR96-11050-2003, zugestellt am 20.01.2006 durch seinen bereits ausgewiesenen Anwalt innerhalb offener Frist das Rechtsmittel

 

BERUFUNG

 

Der genannte Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten und seine Abänderung dahingehend beantragt, dass das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt, in eventu die verhängte Strafe erheblich reduziert werde.

 

Zur Begründung wird vorgebracht wie folgt:

 

Im angefochtenen Straferkenntnis wird dem Einschreiter zum Vorwurf gemacht, er habe am 14.11.2003 um 10:47 Uhr das Sattelkraftfahrzeug S mit dem Kennzeichen in Vorchdorf auf der Westautobahn A 1 in Fahrtrichtung Wien gelenkt "und dabei auf Höhe Strkm. 210,5 als Nachfahrender hinter einem Sattelkraftfahrzeug den gesetzlich geforderten Mindestabstand von 50 m nicht eingehalten. Der Abstand habe nur 22 m betragen. Hiedurch sei die Verwaltungsvorschrift des § 18 Abs 4 StVO verletzt worden, wofür eine Geldstrafe in Höhe von € 190,- zu verhängen gewesen sei, wobei sich unter Berücksichtigung der Kosten des Strafverfahrens im Betrag von € 19,- eine Gesamtbelastung in Höhe von € 209,- errechnet.

 

Im Rahmen der Begründung führt die Behörde aus, der angeführte Sachverhalt sei mit einem Messsystem VKS 3.0 unter Beachtung der Eichvorschriften und Verwendungsbestimmungen festgestellt worden. Die vom Beschuldigen dargelegten Bedenken, hinsichtlich der Überholstrecken seien nicht nachvollziehbar. Aufgrund des vom Amtsachverständigen erstatteten Gutachtens, sei die Übertretung nach § 18 Abs 4 StVO eindeutig erwiesen.

 

Diese Begründung der Behörde erster Instanz hält einer näheren Überprüfung zweifelsohne nicht stand. Das angefochtene Straferkenntnis ist sowohl materiell- als auch verfahrensrechtlich verfehlt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist folgendes festzuhalten:

 

Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide dann zu begründen, wenn dem Standpunkt des Beschuldigten nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wurde. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach gesicherter Judikatur (VwSlg.1559 A, 5917 A, 6787 A, 7022 A u.a.) und herrschender Lehre (z.B. Mannlicher/Quell Seite 318) ist die Pflicht zur Begründung eines der wichtigsten Erfordernisse eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Jede strittige Sach- und Rechtsfrage von Relevanz soll in der Begründung eines Bescheides ausreichend beantwortet sein. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihrer rechtlichen Erwägungen zu schaffen (VwGH 14.11.1947, Slg. 206 A). Eine Begründung, die sich auf die Wiedergabe eines gesetzlichen Tatbestandes beschränkt, aber die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht im einzelnen darlegt und der sich daher nicht entnehmen lässt, auf Grund welcher Sachverhaltsannahmen die Behörde zu ihrem Erkenntnis gelangt, ist unzulänglich (VwGH, Erkenntnis vom 24.01.1948 in Slg. 285 A).

 

Dabei ist die Behörde von der ihr gemäß § 58 AVG 1950 obliegenden Pflicht zur Begründung der Bescheide durch die Freiheit der Beweiswürdigung nicht enthoben. Es ist vielmehr ihre Pflicht darzutun, aus welchen Gründen sie bei widersprechenden Zeugenaussagen dazu gekommen ist, dem einen Zeugen mehr zu glauben als dem anderen (BGH, Erkenntnis vom 11. Dezember 1935, A 786/35). Wenn die Behörde dem Vorbringen des Beschuldigten keinen Glauben schenkt, hat sie die Gründe für diese Beweiswürdigung auszuführen (VwGH, Erkenntnis vom 30.11.1948, Slg. 606 A).

 

Daraus, dass freie Beweiswürdigung nicht mit Willkür gleichbedeutend ist, ergibt sich die Pflicht der Behörde, in ihren Entscheidungen die Erwägungen, von denen sie sich bei der Würdigung leiten ließ, zu begründen, dass heißt, die Gedankengänge und Eindrücke aufzudecken, die dafür maßgebend waren, dass sie das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen hat und eine Tatsache für wahr oder unwahr gehalten hat (VwGH, Erkenntnis vom 14.01.1952, Slg. 2411 A).

 

Schon diese Ausführungen zeigen, dass der angefochtene Bescheid den verfahrensrechtlichen Mindesterfordernissen nicht gerecht wird. Ausdrücklich gerügt wird, dass die erkennende Behörde offensichtlich im Widerspruch zu den §§ 25 VStG und 45 AVG den Grundsatz der Amtswegigkeit - also die Offizialmaxime - bei der Ermittlung des Sachverhalts nicht berücksichtigt hat.

 

Die Behörde hat sich mit dem in den Stellungnahmen dargelegten Argumenten des Einschreiters nicht hinreichend auseinandergesetzt, und aus diesem Grund das Sachverständigengutachten einer fälschlichen Interpretation unterzogen. In der Begründung selbst (Bescheid Seite 2) führt die belangte Behörde aus, die in der letzten Stellungnahme vom 22.11.2005 angegebenen Argumente des Beschuldigten würden den Ausführungen des Gutachters widersprechen. Nach Ansicht der Behörde erster Instanz, ist das Gutachten des Amtsachverständigen schlüssig und kann als Grundlage des Sachverhaltsdarstellungen dienen.

 

Die belangte Behörde verkennt dabei die Argumente des Einschreiters, welcher in seiner Stellungnahme keinesfalls die Unschlüssigkeit des Sachverständigengutachtens gerügt hat, sondern vielmehr die vom Sachverständigen aufgrund des unvollständigen Sachverhalts für die Ermittlung seiner Werte zusätzlich angenommen Prämissen. Auch wenn die belangte Behörde die Prämissen, welche der SV zur Ermittlung der Werte dem bekannten Sachverhalt hinzufügen musste nicht erkannte, sind diese dennoch sowohl im Gutachten als auch in der Stellungnahme vom 22.11.2005 klar deklariert!

 

Die Würdigung des Sachverhalts durch die belangte Behörde ist weiters verfehlt, zumal die Behörde in ihrem Bescheid selbst deklariert, dass sie die Stellungnahme vom 27.01.2005 irrtümlich missverstanden hat (Bescheid Seite 3). Wenn aber die Behörde eine Stellungnahme missversteht ist, sie nach den Bestimmungen des AVG verpflichtet, den Einschreiter aufzufordern sein Anbringen richtig oder schlüssig zu stellen. Die fehlende Aufforderung zur Schlüssigstellung stellt einen Verfahrensmangel aufgrund eines Manuduktionsfehlers dar, welcher gleichzeitig einen Eingriff in das kardinale Recht des Parteiengehörs darstellt. Die belangte Behörde verneint im Schriftsatz vom 27.01.2004 die Behauptung zu erkennen, der Einschreiter selbst habe eine Überholmanöver ansetzen wollen. Diese Annahme ist verfehlt. Tatsächlich hat der Einschreiter in seiner Stellungnahme vom 27.01.2004 den Begriff des Hintereinanderfahrens im Sinne der Judikatur erklärt, wobei ausdrücklich auf das Kommentar von P und S, StVO Kommentar, RZ 1 zu § 18 StVO verwiesen wurde. Der Stellungnahme ist eindeutig zu entnehmen, dass der vorausfahrende Sattel KFZ durch ein selbst eingeleitetes Überholmanöver den erforderlichen Abstand zwischen vorausfahrenden, gerade das Überholmanöver einleitenden LKW und dem Einschreiter, der seinen LKW bereits auf den linken Fahrstreifen lenkte, verringerte. Der Einschreiter hat sogar ausdrücklich dargelegt, dass er aufgrund des Fahrmanövers des vorausfahrenden LKW nicht zu einer starken Bremsung angehalten werden kann. Zur Vermeidung von Unklarheiten wird in der gegenständlichen Berufung das Zitat nochmals in Kursiv abgedruckt:

 

'Wer hinter einem Fahrzeug schnell nachfährt, um es zu Überholen, fährt nicht hintereinander. Hintereinanderfahren heißt, mit gleicher Geschwindigkeit fahren (P und S, Kommentar zu § 18 StVO; RZ 1).''

 

Daraus abzuleiten, der Einschreiter habe behauptet er selbst hätte das vorausfahrende Sattelkraftfahrzeug überholen wollen, ist schlichtweg verfehlt und aktenwidrig. Der Bescheid ist aus den genannten Gründen aber rechtswidrig, zumal die Behörde aufgrund dieses Fehlers die Argumente des Einschreiters nicht behandelt hat, was materiellrechtlich einer Missachtung des Parteiengehörs gleichkommt. Aufgrund dieses Missverständnisses ist der Beweiswürdigung der belangten Behörde die Grundlage entzogen und ist die Schlussfolgerung der Behörde, wonach es sich bei den Argumenten des Einschreiters um Schutzbehauptungen gehandelt habe, widerlegt. Der gegenständliche Bescheid ist aus den genannten Gründen, aufgrund des Formfehlers aufzuheben und aus verfahrensökonomischen Gründen an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

 

Aufgrund des Missverständnisses bzw. der Fehlinterpretation der Stellungnahme vom 27.01.2004, hat sich die belangte Behörde auch nicht mit der ständigen Judikatur zur Frage des notwendigen Abstandes auseinandergesetzt. Wie der Stellungnahme vom 27.01.2004 zu entnehmen ist, befuhr der Einschreiter den linken Fahrstreifen und ordnete sich das vorausfahrende Fahrzeug knapp vor ihm ein. Nach Ansicht des Einschreiters ist dieser nicht gehalten, durch eine Notbremsung oder starke Bremsung eine gefährliche Situation hervorzurufen, sondern vielmehr bei einem Sattelschlepper sogar verpflichtet die Geschwindigkeit konstant zu halten, allenfalls geringfügig zu reduzieren. Der Überholende hat sowohl beim Einordnen als auch beim Ausscheren dem Hintermann genügend Abstand zu lassen, um den Bestimmungen der § 18 Abs. 1 (heute auch § 18 Abs. 4) StVO zu entsprechen (VwGH vom 04.07.1963; 1372/71; Z von 1964/7; Z von 1976/42 u.v.a.). Aus den vorhandenen Unterlagen ist eindeutig ersichtlich, dass die beiden Sattel KFZ nicht hintereinander im Sinne des § 18 StVO gefahren sind, sondern der vorausfahrende LKW sich knapp vor dem LKW des Einschreiters einordnete, und sohin dieser für die Abstandsunterschreitung verantwortlich ist. In der Folge hat sich der Abstand des Einschreiter LKWs zum vorausfahrenden LKW erhöht. Das Verfahren gegen den Einschreiter ist daher jedenfalls einzustellen.

 

Nicht nachvollziehbar ist indes, warum sich die Behörde mit den Berechnungen des Einschreiters in seiner Stellungnahme vom 01.03.2004 nicht auseinandergesetzt hat. In der damaligen Stellungnahme hat der Einschreiter ausgeführt (unter Verweis auf die Stellungnahme des Landesgendarmeriekommandos von Oberösterreich), dass bei einem Geschwindigkeitsunterschied von 3% auf gemessenen 80 m, eine Anzeige nicht erstattet werden darf. Ein LKW, welcher üblicherweise mit ca. 80 km/h fährt, legt diese Wegstrecke in weniger als vier Sekunden zurück. Gerade am Beginn bzw. am Ende eines Überholmanövers, wird der Unterschied von 3% bei den gemessenen Geschwindigkeiten der LKW realistischerweise trotz Vorliegens eines eingeleiteten Überholmanövers des vorausfahrenden LKW nicht erreicht, und ist auch nicht messbar! Die Überholmanöver von LKW finden - und davon kann sich jeder überzeugen, der regelmäßig auf Autobahnen unterwegs ist - mit niedrigen Geschwindigkeitsdifferenzen statt, wobei die zunächst eingehaltene Geschwindigkeitsdifferenz 0% beträgt und dann langsam anwächst. Gerade im vorliegenden Fall, in dem der Einschreiter bereits den linken Fahrstreifen benützte und der vorausfahrende LKW sich 'vor den LKW des Einschreites zwängte', ist ein Geschwindigkeitsüberhang des vorausfahrenden LKW überhaupt fraglich. Im Gegenteil ist es sogar wahrscheinlich, dass beim Ausscheren die Geschwindigkeit des Einschreiter-LKWs noch höher war, als die des ausscherenden LKW (der zunächst auf der rechten, langsameren Spur fuhr) und aufgrund der Bremsung die Geschwindigkeitsdifferenz gegen null ging, und in der Folge erst ein langsames Anwachsen des Abstandes aufgrund einer geringeren Geschwindigkeit messbar war! Dies erklärt sodann auch, warum sich der Abstand zwischen den Fahrzeugen zunächst sogar verringerte und in der Folge erst geringfügig anwuchs.

 

Der dem Verfahren beigezogene Amtsachverständige R H, führte in seinem Gutachten ausdrücklich an, dass er dem Beschuldigten eine Fahrgeschwindigkeit von 87 km/h und dem vorausfahrenden LKW ebenfalls eine Geschwindigkeit von zumindest 87 km/h unterstellt! Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde, geht daher der SV auch nach seinen eigenen Angaben und gemäß der Stellungnahme des Einschreiters vom 22.11.2005 sehr wohl von gewissen - im Verfahren nicht weiter prüfbaren Prämissen aus, die er dem Sachverhalt unterstellt. Berücksichtigt man nun die Ausführungen des Einschreiters in der Stellungnahme vom 01.03.2004, die sich auch den vorliegenden Fotografien leicht zuordnen lassen und einem lebensnahen und häufig vorkommenden Geschehen auf der Autobahn entsprechen, so ist gerade diese Prämisse des Sachverständigen verfehlt und widerlegt. Der vorausfahrende LKW zwängte sich vor den Beschuldigten LKW, sodass keinesfalls sicher angenommen werden kann, dass der vorausfahrende LKW in diesem Zeitpunkt eine höhere Geschwindigkeit oder eine gleiche Geschwindigkeit wie der Beschuldigten LKW eingehalten hat. Das der Sachverständige von diesen Prämissen ausgegangen ist, deklariert er indes in seinem Gutachten selbst und kann der Beschuldigte nicht nachvollziehen, warum die Behörde erster Instanz hier eine Unwürdigung des Gutachten vornimmt.

 

Im Rahmen des Beweisverfahrens wäre es Sache der belangten Behörde gewesen darzulegen, warum das Gutachten in diesem Punkt unschlüssig ist bzw. was an den Ausführungen des Sachverständigen einer Erörterung bedarf. Ohne dies jedoch darzulegen und klarzustellen, welche Prämissen als gegeben angesehen werden ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde verfehlt, und leidet das Verfahren an einem Mangel. Die Beweiswürdigung ist aber auch insofern im Widerspruch zu den Bestimmungen des AVG antizipierend. Dabei ist im Verwaltungsverfahrensgesetzen eine antizipierende Beweiswürdigung grundsätzlich fremd (Vgl. - VwGH vom 08.03.1949; SLG 726A; VwGH vom 09.08.2001, 98/16/0303; VwGH vom 03.10.2002, 2002/08/0047 u.v.a.).

 

Auffällig ist, dass die belangte Behörde auch die zweite Prämisse die der Sachverständige als solche offenlegt, nicht weiter berücksichtigte und im Zweifel den Sachverhalt zu Ungunsten des Beschuldigten auslegte. Dass dies gleichsam einen Verstoß gegen das Prinzip des 'in dubio pro reo' darstellt, ergibt sich von selbst. Der SV führte in seinem Gutachten ausdrücklich an, er gehe davon aus, dass der vorausfahrende LKW die Geschwindigkeit von 87 km/h beibehalten habe. Ob freilich der vorausfahrende LKW diese Geschwindigkeit beibehalten hat, wurde im Verfahren nicht geklärt. Es stellt ja - wie schon oben dargelegt - lediglich eine Vermutung dar, dass der vorausfahrende LKW eine Geschwindigkeit von 87 km/h eingehalten hat, wobei es jedoch wahrscheinlicher ist, dass dieser LKW langsamer fuhr und der zu geringe Abstand überhaupt erst dadurch entstanden ist. Beantragt wird daher ausdrücklich die Ergänzung des eingeholten Sachverständigengutachtens zur grafologischen Auswertung der Geschwindigkeiten der beteiligten LKW. Folgt man im gegenständlichen Verfahren den einzigen Angaben die zur Frage des Überholmanövers des vorausfahrenden LKW tatsächlich vorhanden sind, so zeichnet sich unzweideutig ein Bild, bei welchem eine Bestrafung des Beschuldigten ausscheidet. Der Beschuldigte lenkte seinen LKW auf der Überholspur. Vor ihm drängte sich das vorausfahrende LKW Fahrzeug in die linke Spur. Da der Einschreiter die Überholspur befahren hat ist anzunehmen, dass er selbst zunächst eine höhere Geschwindigkeit als der vorausfahrende LKW eingehalten hat, wobei die Geschwindigkeitsdifferenz nur von einem Kfz-technischen Amtsachverständigen im Wege einer fotogrammetrischen Auswertung ermittelt werden kann. Aufgrund der Geschwindigkeitsdifferenz bzw. Überhangsgeschwindigkeit des Einschreiter LKWs reduzierte sich der, durch das Überholmanöver des vorausfahrenden LKWs gegebene geringe Abstand weiter. Der Beschuldigte wiederum, reduzierte seine Fahrgeschwindigkeit, wobei er zunächst seine Fahrgeschwindigkeit auf das Niveau des vorausfahrenden LKW drosseln musste und in der Folge weiter drosselte um einen Sicherheitsabstand wieder aufzubauen. Aufgrund des dichten Verkehrs auf der Autobahn, ist weiters zu erwarten dass der vorausfahrende LKW nach dem Ausscheren auf die linke Spur seinerseits die Geschwindigkeit zunächst nicht erhöhen konnten - im Gegenteil sogar reduzieren musste, und daher das Anwachsen des Abstandes zwischen den LKW nicht in dem Tempo vor sich gehen konnte, wie dies der Sachverständige errechnete. Eine erhebliche Betriebsbremsung wäre jedoch bei den gegebenen Umständen als viel gefährlicheres Fahrmanöver einzustufen gewesen und war der Beschuldigte verpflichtet, dies zu unterlassen. Aus den vorgelegten Unterlagen und Urkunden ist dieses Ergebnis nicht nur möglich, sondern auch belegbar. Dass freilich theoretisch auch die vom SV präsentierte Variante denkbar wäre - dies jedoch eine fotogrammetrische Auswertung der Geschwindigkeiten im Falle einer Bestrafung des Beschuldigten voraussetzt - ergibt sich von selbst. Im Zweifel wird jedoch zugunsten des Beschuldigten eine Variante anzunehmen sein, bei der ihm eine Übertretung nach § 18 Abs. 4 StVO nicht vorgeworfen werden kann.

 

Um die im Verfahren erster Instanz eingetretenen Mangelhaftigkeiten und Verfahrensfehler zu sanieren, ist es notwendig eine fotogrammetrische Auswertung zur Ermittlung der Geschwindigkeiten der beteiligten LKWs vorzunehmen, dies verbunden mit einer Einmessung der Lichtbilder an Ort und Stelle, weiters die Einholung des Tachografenschaublattes des vorausfahrenden LKW und zuletzt die Ergänzung des SV-Gutachtens, unter Bezugnahme auf die oben dargelegten verschiedenen Varianten von anzunehmenden Geschwindigkeiten und Geschwindigkeitsdifferenzen! Da dies im Verfahren erster Instanz nicht getan wurde, ist das Verfahren mangelhaft geblieben und die Beweiswürdigung - so sie vorgenommen wurde, antizipierend und schließlich aufgrund der Fehlinterpretation der vorgelegten Stellungnahmen das Recht auf Wahrung des Parteiengehörs missachtet.

 

Die mangelnde Objektivität und Oberflächlichkeit der Behörde zeigt sich aber auch bei der Strafbemessung. Die Behörde begnügt sich hier mit einem Hinweis darauf, dass die Strafe tat- und schuldangemessen ist. Nicht berücksichtigt wurden freilich die Milderungsgründe des StGB, welche nach § 19 VStG analog zur Anwendung zu gelangen haben. Auch wenn es sich bei der Bestimmung des § 18 Abs. 4 StVO grundsätzlich um ein Ungehorsamsdelikt handelt, wäre im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen gewesen, dass keinerlei Gefährdungen oder Beschädigungen eingetreten sind. Zu berücksichtigen gewesen wäre weiters der Umstand, dass sich der Einschreiter hinsichtlich der Messergebnisse tatsachengeständig gezeigt hat, die rechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens jedoch anders bewertet. Nach ständiger Judikatur, stellt auch ein derartiges Geständnis grundsätzlich einen Milderungsgrund dar. Zu prüfen wäre ferner gewesen, ob nicht eine Anwendung des § 21 VStG in Frage kommt. Das Verschulden des Einschreiters ist - wovon auch die Behörde erster Instanz ausgegangen ist - geringfügig. Ein Schaden ist durch die Übertretung nicht eingetreten, sodass die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 21 VStG gegeben sind. Hauer und Leukauff sehen in § 21 VStG die im Verwaltungstrafverfahren fehlende Möglichkeit der bedingten Strafnachsicht (vgl. Hauer - Leukauff, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Kommentar zu § 21 VStG). In Folge des als geringfügig einzustufenden Verschuldens und der übrigen Milderungsgründe, wäre das Verfahren nach § 21 VStG mit einer Abmahnung zu beenden gewesen. Die verhängte Strafe ist aber jedenfalls als zu hoch zu bewerten, und wäre mit einer Strafe im Ausmaß der Hälfte jedenfalls das Auslangen zu finden gewesen.

 

Gestützt auf diese Ausführungen werden daher gestellt, nachstehende

 

ANTRÄGE

 

1. Auf Abänderung des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigen eingestellt und sein ausgewiesener Anwalt von der Einstellung benachrichtigt wird.

in eventu

2. Auf Abänderung des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend, als das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten mit einer Abmahnung gemäß § 21 VStG beendet und sein ausgewiesener Anwalt von der Beendigung benachrichtigt wird.

In eventu:

3. Auf Abänderung des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend, als die Verwaltungsstrafe erheblich reduziert wird.

 

Radstadt, 02. Februar 2006 N T/PS/so"

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit wurde die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da hier wesentliche Tatsachenfragen strittig sind war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Beischaffung der Videoaufzeichnung betreffend den verfahrensrelevanten Fahrverlauf, sowie durch Einvernahme des Berufungswerbers als Beschuldigten und die Einholung einer Stellungnahme durch den Amtsachverständigen Ing. R H zur Beurteilung des zur Last gelegten Fehlverhaltens aus der technischen Sicht, insbesondere der realen Fahr- und Verkehrspraxis.

Ebenfalls nahm ein Vertreter der Behörde erster Instanz an der Berufungsverhandlung teil.

 

 

4. Zur Person:

Der als Berufungskraftfahrer unselbständig beschäftigte Berufungswerber ist für drei Kinder und für die Ehefrau sorgepflichtig. Er verfügt laut eigenen Angaben über ein Monatseinkommen in der Höhe von 1.200 Euro.

 

 

4.1. Zur Sache:

Laut Videodokumentation findet sich die Zeitspanne von 10:47.35 bis 10:47.59 Uhr filmisch aufgezeichnet. Es herrschte zu diesem Zeitpunkt auf dem offenbar regennassen aber niederschlagsfreien Abschnitt der A1 ein sehr starkes Verkehrsaufkommen. Während die rechte Fahrspur durchgehend von Lkw´s befahren ist, findet sich auf der linken Fahrspur eine nur wenig schneller fahrende Pkw-Kolonne. Das Fahrzeug des Berufungswerbers kann ab dem Zeitpunkt 10:47.37, also zwölf Sekunden vor der Durchfahrt an der Dokumentationsstelle (dem Aufstellort des geeichten und für solche Messungen zugelassenen VKS 3.0) identifiziert werden.

In dieser Phase scheint es leicht nach links versetzt zum Vorderfahrzeug, einem Sattelkraftfahrzeug mit vermutlich tschechischem Kennzeichen mit einer gelben Plane. Während der gesamten Annäherung bleibt der Abstand zum Vorderfahrzeug augenscheinlich gleich, wobei dieser vom Sachverständigen mit 22 m errechnet wurde. Etwa fünf Sekunden vor dem Aufzeichnungsende ist ein leichter Zug des vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeuges nach links erkennbar, wobei gleichzeitig ein dreimaliges Aufleuchten des Fahrrichtungsanzeigers nach links erkennbar scheint. Dies kann aber nicht als gesichert gelten, es würde jedoch auf einen einzuleiten beabsichtigten, letztlich aber wieder aufgegebenen, Überholentschluss des Berufungswerbers schließen lassen. Auch ein etwa auf gleicher Höhe befindlicher schwarzer Pkw schien bereits nach links bis auf die Randlinie versetzt zu haben. In weiterer Folge bleibt das vom Berufungswerber gelenkte und mit Rundholz beladene Sattelkraftfahrzeug im gleichen Abstand hinter dem Vorderfahrzeug. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich eine dicht aufgefädelte Pkw-Kolonne auf der Überholspur und nach einem Abstand von geschätzten 50 bis 70 m eine weitere bis zum Ende des Sichtbereiches (geschätzte 400 m) zurück reichende Pkw-Kolonne.

Klar widerlegt konnte im Rahmen der Berufungsverhandlung die in der Berufung vorgetragene Verantwortung des Berufungswerbers werden, dass der im Sinne des § 18 Abs.4 StVO zu knappe Abstand durch ein ihn vorher überholendes Lastkraftfahrzeug herbeigeführt worden wäre. Ein derartiger Vorgang müsste demnach zumindest 24 Sekunden vorher bereits abgeschlossen worden sein, weil dies ansonsten auf dem Video sichtbar sein müsste. Ein längeres Zurückliegen eines derartigen an sich durchaus realistischen Vorganges hat jedoch für den hier zu beurteilenden Fall keine Relevanz mehr, weil sich bereits durch ein geringfügiges Zurücknehmen von Leistung und ohne jegliches Bremserfordernis der Abstand zum Vorderfahrzeug zumindest bis zum Erreichen der Messstelle erkennbar vergrößert hätte.

Außer Streit gestellt kann der mittels VKS 3.0 filmisch aufgezeichnete Zeitablauf gelten. Auf die diesbezüglich gegensätzlichen Darstellungen des Berufungswerbers ist mangels bezughabender Relevanz nicht einzugehen.

Die diesbezüglichen theoretischen Einwände des Berufungswerbers, welche sich im Übrigen auf längst außer Kraft getretene Rechtsquellen (AVG 1950) und nicht sachbezogene und Jahrzehnte alte Judikatur beziehen, können mangels jeglicher Sachbezogenheit ebenfalls auf sich bewenden.

Da der Tiefenabstand von nur 22 m augenscheinlich auf keinem im zeitlichen Kontext knapp vorher abgeschlossenen Überholvorgang zurückzuführen ist, kann der gerade noch Mindesterfordernis des § 18 Abs.1 StVO entsprechende Nachfahrabstand des Berufungswerbers nur in der unmittelbaren Erwartung einer sich bietenden Überholgelegenheit motiviert erachtet werden. Er wurde offenbar unter Berücksichtigung fahrdynamischer Gebote, insbesondere der Erreichung eines möglichst kurz zu haltenden Überholverlaufes nicht korrigiert. Dies scheint durchaus plausibel.

Da sich hier jedoch offenkundig eine Überholmöglichkeit in einer überschaubaren Zeitspanne nicht abzeichnete und dies für den Berufungswerber offenbar durch einen Blick in den Rückspiegel auch erkennbar gewesen sein muss, wäre es ihm ohne Verletzung des oben umschriebenen Ziels eines möglichst kurz zu haltenden Überholdiagramms sehr wohl zuzumuten gewesen entsprechend einzugreifen um den gesetzlich gebotenen Abstand - wenn auch in seinem definierten Schutzziel auf die Sinnhaftigkeit hinterfragbar - doch entsprechend zu vergrößern.

Wenn der Berufungswerber persönlich diesbezüglich auf die Praxisrealität hinwies, war ihm darin durchaus zu folgen, zumal auch der Sachverständige sowohl rechnerisch als auch durch seine Ausführungen eindrucksvoll darlegte, dass durch die Unterschreitung des 50 m Abstandes auf der Autobahn in der Regel keinerlei nachteilige Folgen für die Verkehrssicherheit einhergehen. Der Sachverständige legte etwa nicht nur die sich gravierend unterschiedlich gestaltenden Überholprofile aus einem 50 m Abstand heraus und einem Umspuren auf den rechten Fahrstreifen erst nach Erreichen eines Tiefenabstandes von 50 m zum Vorderfahrzeug insofern dar, weil dies in der Praxis zu einer um 43 Sekunden längeren Benützungsdauer (Blockierung) der Überholspur führen würde.

Zusätzlich machte der Sachverständige auch deutlich, dass ein Einordnen in eine "50 m Lücke" durch einen in aller Regel doch erheblich schneller fahrenden Pkw einerseits kaum realistisch wäre, anderseits wohl unweigerlich eine Bremsreaktion bei einem von einem solchen Überholvorgang unmittelbar betroffenen Fahrzeug (dem derart Überholten) auslösen würde. Von einem solchen Manöver könnte laut Sachverständigen eine nicht unbedeutende Unfallspotenz für den Nachfolgeverkehr ausgehen.

Diesen Ausführungen muss bei logischer Betrachtung daher gefolgt werden, wobei sich letztlich schlussfolgern lässt, dass dem vom Berufungswerber gesetzten Verhalten hier keine nachteiligen Tatfolgen zugeordnet werden können.

Somit kann dem Berufungswerber, welcher immerhin persönlich zur Berufungsverhandlung erschien und mit einer Fahrpraxis von zwei Millionen Kilometer wohl als fachlich kompetent zu bezeichnen ist und darüber hinaus nicht nur einen sachlichen Eindruck hinterließ, sondern insbesondere auch ein zur Sache ausgeprägtes Problembewusstsein zum Ausdruck brachte, in seiner Verantwortung weitgehend gefolgt werden.

Seine Darstellungen entsprechen nämlich durchaus den nahezu permanent zu machenden Beobachtungen, wonach Lkw´s aus einem Abstand von weniger als 50 m heraus ihre Überholvorgänge einleiten um dadurch den an sich schon längeren Überholvorgang an Lkw´s erträglich kurz zu halten um dadurch die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu unterstützen.

Wie vorher schon ausgeführt, wäre das rechtmäßige Alternativverhalten nur darin zu erblicken, dass der Lenker des überholten Lastkraftwagenzuges entweder seine Fahrgeschwindigkeit zu verringern hätte um möglichst rasch den 50 m Abstand zu erreichen, oder was die Praxis klar widerlegt, hätte der Überholende so lange links zu bleiben bis er über den Rückspiegel einen Sicherheitsabstand von 50 m zum Überholten erreicht zu haben glaubt.

Die zusätzlich von der Berufungsbehörde durchgeführten Berechnungen ergaben, dass sich bei einer Geschwindigkeitsdifferenz eines mit 85 km/h überholenden Lkw-Zuges (Länge 18,7 m) aus einem Tiefenabstand von 50 m zum Vorderfahrzeug, dass bis zum Wiedereinordnen mit einem ebensolchen Abstand zu einem mit 80 km/h fahrenden überholten gleichartigen Fahrzeug, über eine Strecke von 2.339 m erstreckt, während dieser bei Tiefenabständen von jeweils nur 20 m nur mehr bei 1.319 m beträgt (Berechnung mit Analyzer Pro 4,5). Daraus ergibt sich eine um immerhin 43 Sekunden kürzere Blockierung des linken Fahrstreifens der Autobahn.

Diesen weiterführenden Feststellungen bedurfte es um hier den Schuld- und Unwertgehalt der Schutznormverletzung darzutun.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

5.1. Gemäß § 18 Abs.4 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse und dgl.) auf Freilandstraßen (dazu zählen auch Autobahnen) nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten (s. UVS-Steiermark v. 23.9.2004, 30.18-20/2004).

Das Schutzziel des § 18 Abs.4 StVO ist primär in der Überholmöglichkeit von Fahrzeugen mit größeren Längsabmessungen zu erblicken. Die gesetzliche Bestimmung des § 18 Abs.4 StVO soll gewährleisten, dass eine Kolonnenbildung durch mehrere hintereinanderfahrende Fahrzeuge mit größeren Längsabmessungen, insbesondere von Lkw-Kolonnen, verhindert wird, die auf Freilandstraßen ein erhebliches Hindernis durch andere Fahrzeuge bilden können. Dies trifft jedoch - wie vorhin rechnerisch dargestellt - für das Gebot möglichst kurz zu haltender Überholvorgänge auf Autobahnen gerade nicht zu. Daher kann aus empirischer Sicht mit dem kurzzeitigen Unterschreiten des 50 m Abstandes im Zusammenhang eines gegenseitigen Überholens von Lastkraftwagen mit größeren Längsabmessungen, zumindest das in der Erleichterung des Überholens definierte Schutzziel der genannten Bestimmung wohl kaum als geschädigt erachtet werden. Dies belegt vor allem die auf Autobahnen tausendfach festzustellende Realität, die sich dahingehend gestaltet, dass sich - abgesehen von Ausfahrten und beim Umspurbedarf durch Hochgeschwindigkeitslenker - das Einreihen zwischen zwei hintereinander fahrender Lkw´s eher selten als geboten erweist.

Es liegt aber nicht im Ermessen der Vollziehung dies zu kritisieren. Nur dem Gesetzgeber wäre es anheim gestellt im Lichte der gepflogenen Praxis und der Praxisauswirkungen den "50 m Abstand" für Autobahnen angesichts des dort offenbar nicht erreichbaren Regelungsziels außer Kraft zu setzen.

 

 

5.1.1. Dennoch ist hier dem Berufungswerber die Unterschreitung des 50 m Abstandes als objektives Fehlverhalten zur Last zu legen, wenngleich hier die verhängte Geldstrafe unter Bedachtnahme auf § 19 VStG weder dem Tatunwert noch der Tatschuld angemessen gewertet werden kann.

 

 

6. Zur Strafzumessung:

 

 

6.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hinsichtlich des Schutzzweckes auf die obigen Ausführungen verwiesen. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Hier gelangen bei der Strafzumessung ausschließlich mildernde Umstände zur Wertung. Im Lichte der obigen Ausführungen vermag der Behörde erster Instanz nicht darin gefolgt werden, wenn diese vermeinte, dass spezial- und generalpräventive Gründe einer niedrigen Bestrafung entgegen stünden.

Diesem auf der Autobahn verwirklichten Tatbild liegt - entgegen der teilweise in der Judikatur vertretenen Auffassung - kaum ein Unwertgehalt inne; vielmehr wird durch ein aus der Fahrdynamik resultierendes vorübergehendes Verkürzen dieses Abstandes (im Gegensatz zum Sicherheitsabstand iSd § 18 Abs.1 StVO) die Überholmöglichkeit für schnellere Fahrzeuge nachhaltig erleichtert. Das gesetzlich definierte Schutzziel würde auf Autobahnen eine Wirkungsumkehr erfahren.

In Anbetracht dieser Umstände sowie unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers kann die nunmehr verhängte Geldstrafe der Tatschuld und den im Einzelfall zu beurteilenden Tatfolgen als angemessen erachtet werden.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG könnte die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn neben dem geringfügigen Verschulden des Beschuldigten auch die Folgen der Übertretung unbedeutsam gewesen wären. Davon wäre etwa dann auszugehen gewesen, wenn tatsächlich in einem fahrdynamisch relevanten Zusammenhang ein Überholvorgang aus einem Tiefenabstand von 22 m heraus ausgeführt worden wäre. Hinzuweisen ist an dieser Stelle, dass der hier eingehaltene Abstand gerade mal noch dem § 18 Abs.1 StVO (Sicherheitsabstand) entsprochen hat.

Eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG kommt nämlich unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn beide Voraussetzungen (geringe Tatfolgen, geringes Verschulden) vorliegen (vgl. UVS-Tirol v. 27.10.2003, 2003/25/116-2 mit Hinweis auf VwGH 30.01.1990, 89/03/0084; 27.05.1992, 92/02/0176 uvm).

Als weiterer strafmildernder Aspekt kommt hier neben der hervorzuhebenden bisherigen Unbescholtenheit des Berufungswerbers auch noch die doch überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer und das bereits zweieinhalbjährige Zurückliegen der Tat zum Tragen. Auch letzteres indiziert zusätzlich einen geringeren Verschuldensgrad iSd § 34 Abs.2 StGB (Hinweis auf die EB zur RV zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996, 33 Blg. Nr. 20. GP; zum Zeitfaktor ausführlich in ZVR Okt. 2002, S 339, mit Hinweis auf VfGH 5.12.2001, B 4/01 und dort des EGMR 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 482; 29.5.1986, Deumeland, EuGRZ 1988, 20; 29.3.1989, Bock, A/150; 24.10.1989, H gg. Frankreich, EuGRZ 1987, 301).

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

 

Beschlagwortung:

Schutzziel, 50 m Abstand, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs

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