Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161177/2/Bi/Be

Linz, 09.03.2006

 

 

 

VwSen-161177/2/Bi/Be Linz, am 9. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Dr. W K M R, J, S, vertreten durch RA Dr. M B, S, S, vom 24. Februar 2006 gegen die Punkte 1) und 2) des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 7. Februar 2006, VerkR96-8989-2003-Ms, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das Straferkenntnis in den Punkten 1) und 2) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und Z3 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten ua wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 15 Abs.3 iVm 11 und 99 Abs. 3lit.a StVO 1960 und 2) §§ 26 Abs.5 1.Satz iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 50 Euro (30 Stunden EFS) und 2) 72 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 27. Juni 2003 den Mazda, Kz. PAN-, im Gemeindegebiet von Hochburg-Ach auf der L501 in Fahrtrichtung Ach gelenkt und

  1. dabei als Lenker des Kfz um 19.34 Uhr auf der L501 den bevorstehenden Überholvorgang mit beabsichtigtem Wechsel des Fahrstreifens nicht gemäß § 11 StVO 1960 so rechtzeitig angezeigt habe, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen hätten können, zumal er bei Strkm 11.200 auf den Fahrstreifen nach links wechselte, ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen, sodass sich der hinter ihm fahrende Straßenbenützer auf den Überholvorgang nicht einstellen habe können, und
  2. habe dabei als Lenker des Kfz um 19.39 Uhr auf der L501 bei Strkm 18.290 einem herannahenden Einsatzfahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht nicht Platz gemacht.

Weiters wurden ihm anteilige Verfahrenskostenbeiträge von 12,20 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, weder seien die beantragten Zeugen einvernommen noch der beantragte Ortsaugenschein durchgeführt worden. Die objektive Tatseite sei nicht ermittelt worden. Die Begründung des Straferkenntnisses bestehe in einem Verweis auf den Gesetzeswortlaut. Er habe niemals zugestanden, nicht geblinkt zu haben, der Vorwurf sei weder erwiesen noch ihm vorwerfbar. Die Angaben des Meldungslegers seien in sich widersprüchlich, er habe das Einsatzfahrzeug auch nicht behindert. Beantragt wird Aufhebung der beiden Punkte und Verfahrenseinstellung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 15 Abs.3 StVO 1960 hat der Lenker des überholenden Fahrzeuges den bevorstehenden Überholvorgang nach § 11 über den Wechsel des Fahrstreifens und nach § 22 über die Abgabe von Warnzeichen rechtzeitig anzuzeigen.

Gemäß § 11 Abs.2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges ... den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.

Im gegenständlichen Fall wurde dem Bw im Ergebnis zur Last gelegt, er habe bei km 11.200 der L501 zwecks Überholen eines Fahrzeuges auf den linken Fahrstreifen gewechselt und zuvor den Fahrtrichtungsanzeiger nicht betätigt. Der hinter ihm fahrende Straßenbenützer habe sich auf den Überholvorgang nicht einstellen können. In Verbindung mit der Anzeige ergibt sich, dass der hintere Straßenbenützer der Meldungsleger war, wobei dieser in der Anzeige ausführte, er habe bis auf 100 m auf zwei Fahrzeuge aufgeschlossen, nämlich einen Mercedes und dahinter einen Mazda. Der Mercedes wurde vom Mazda überholt und in der Folge auch vom Meldungsleger mit dem Dienstfahrzeug. Davon, dass sich der Meldungsleger als Lenker des Polizeifahrzeuges nicht auf den Überholvorgang einstellen konnte oder dies überhaupt musste, war in der Anzeige nie die Rede, was bei einer Entfernung von ca 100 m auch nicht verwunderlich ist.

Damit ist aber der Tatvorwurf in keiner Weise nachvollziehbar.

Gemäß § 26 Abs.5 StVO 1960 haben alle Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen. ...

Laut Tatvorwurf fuhr der Meldungsleger im Dienstfahrzeug, bei dem Blaulicht eingeschaltet war, bei km 18.290 der L501 hinter dem Pkw des Bw und dieser machte ihm nicht Platz. Wie sich aus dem Digitalen Raum-Informationssystem DORIS ersehen lässt, handelt es sich bei der L501 in diesem Bereich um eine gut ausgebaute, in einer leichten, gut einsehbaren Kurve verlaufende Straße in der Breite von jedenfalls drei Fahrstreifen, sodass ein Überholen eines mit ca 50 km/h fahrenden Fahrzeuges ohne Gefahr möglich ist. Der Begriff "Platz machen" bedeutet zunächst weder die Verpflichtung zum Anhalten noch zum Zufahren zum rechten Fahrbahnrand, sondern nur die Verpflichtung, ein Einsatzfahrzeug vorbeizulassen. Ein (gemäß dem letzten Satz des § 26 Abs.5 StVO verbotenes) Einfahren in die Kreuzung oder Nichtanhalten in der Bushaltestelle wurde dem Bw nie zur Last gelegt, innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist der gesetzliche Wortlaut aber auch nie dahingehend konkretisiert. Der Meldungsleger wurde im April 2004, also nach Eintritt der Verjährung, zeugenschaftlich einvernommen, wobei im Protokoll der nunmehr angelastete Strkm konkret nicht zu finden ist. Inwieweit der Bw tatsächlich dem Einsatzfahrzeug nicht Platz gemacht haben soll, lässt sich daher nicht nachvollziehen.

Zu bemerken ist weiters, dass zum einen die Anzeige vom 27. November 2003 stammt, während sich der Vorfall am 27. Juni 2003 ereignet haben soll. Dass nach einem Zeitraum von fünf Monaten die Erinnerung eines Polizeibeamten nicht mehr in dem Ausmaß vorhanden ist, ist keine Frage. Aus der Anzeige ergibt sich außerdem, dass der Meldungsleger das Organmandat von 36 Euro auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung - von der sich im Straferkenntnis nichts mehr findet - bezogen hat, während er den Bw wegen der anderen Übertretungen "gemäß § 21 VStG ermahnen wollte". Wenn daher der Meldungsleger eine Ermahnung des Bw in Erwägung gezogen und dies auch in der Anzeige ausdrücklich vermerkt hat, ist schon aufgrund seiner Schulung im Hinblick auf die von ihm anzuwendenden Gesetzesbestimmungen davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs.2 VStG vorgelegen haben müssen, dh die Übertretungen hatten höchstens unbedeutende Folgen und das Verschulden des Bw muss geringfügig gewesen sein. Völlig undurchsichtig ist, warum der Meldungsleger den Bw bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 VStG nicht ermahnt hat, zumal eine Aufrechnung mit dem Nichtbezahlen des Organmandats aus Mangel an Wechselgeld unzulässig ist, weil der Bw bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 VStG einen Rechtsanspruch auf eine Ermahnung hatte.

Aus der Sicht des UVS ist davon auszugehen, dass beide Tatvorwürfe zum einen wegen der inzwischen vergangenen Zeit objektiv nicht mehr nachvollziehbar sind und hinsichtlich der Konkretisierung irreparable Mängel aufweisen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Tatvorwürfe nicht nachvollziehbar + und Gesetzestext ohne - Einst. Nach § 45 Z. 1 + 3 VStG

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