Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161227/5/Ki/Da

Linz, 25.04.2006

 

 

 

VwSen-161227/5/Ki/Da Linz, am 25. April 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Dr. A S, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH K - S - F, Z, S, vom 20.3.2006, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 27.2.2006, GZ. S-24468/05-3, wegen einer Übertretung der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 27.2.2006, S-24468/05-3, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 8.6.2005 um 16.06 Uhr in Linz, Neubauzeile 47, stadtauswärts, das KFZ, KZ: WI-, gelenkt und die durch Verbotszeichen (Zonenbeschränkung) kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten, weil die Fahrgeschwindigkeit 64 km/h betrug, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät festgestellt wurde (Messfehlergrenze wurde bereits abgezogen). Er habe dadurch § 52 lit.a Z11a StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO wurde eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 20.3.2006 Berufung, u.a. mit dem Antrag der Berufung Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.

 

I.3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige zu Grunde, wonach der Rechtsmittelwerber am 8.6.2005 um 16.06 Uhr in Linz, Neubauzeile 47, Richtung stadtauswärts, die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten haben soll.

 

Im gegenständlichen Verfahrensakt liegt die bezughabende Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz (Bezirksverwaltungsamt) vom 14.12.1989, GZ. 101-5/19, betreffend Neue Heimat - Erweiterung Tempo-30-Zone auf. In Punkt 2 dieser Verordnung ist (für das gegenständliche Verfahren wesentlich) ausdrücklich nachstehende Anordnung getroffen:

 

"In den im beiliegenden Plan stark umrandeten Gebieten (Zonen) ist das Überschreiten einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und das Fahren mit allen einspurigen Kraftfahrzeugen in der Zeit von 23.00 bis 5.00 Uhr verboten. Von der Fahrverbotsregelung für einspurige Kraftfahrzeuge sind Anrainer ausgenommen."

 

Der Berufungswerber bringt dazu vor, dass die vorgeworfene Tatzeit außerhalb jenes im Punkt 2 der Verordnung genannten Ausnahmezeitrahmens von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr gewesen sei. Die Interpretation des Verordnungstextes ergebe eindeutig und könne dies auch einzig bloß Sinn der verordnungsgebenden Stelle gewesen sein, ein Nachtfahrverbot sowohl für einspurige Fahrzeuge als auch für ein Höchstgeschwindigkeitsverbot von 30 km/h für diesen Zeitraum zu erlassen, was jedoch nicht für Übertretungen am Tage gelte.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz argumentiert dazu in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, dass sie dem Einwand des Berufungswerbers nicht folgen könne. Nicht nur aus der grammatikalischen Auslegung, sondern auch aus dem Sinn der Norm sei ableitbar, dass sich die zeitliche Einschränkung nur auf das Fahrverbot für einspurige Kraftfahrzeuge beziehe. Dem Verordnungsgeber könne nicht die Absicht unterstellt werden, dass er gerade für jenen Zeitraum von 23.00 bis 05.00 Uhr, wo naturgemäß wenig Verkehr herrsche, eine Geschwindigkeitsbeschränkung festlege. Dem Verordnungssinn entsprechend könne sich daher die zeitliche Einschränkung nur auf das Fahrverbot für einspurige Kraftfahrzeuge beziehen.

 

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Strittig ist im vorliegenden Falle, ob der Beschuldigte gegen die obzitierte Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz verstoßen hat, indem er um 16.08 Uhr eines bestimmten Tages, das ist außerhalb eines in der Verordnung erwähnten Zeitraumes, die zulässige Höchstgeschwindigkeit schuldhaft überschritten hat. In der Berufung wird die Auffassung vertreten, dass der vorgeworfene Tatzeitpunkt dem Wortlaut der Verordnung nach von dieser nicht erfasst ist.

 

Dazu stellt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich fest, dass der für das gegenständliche Verfahren maßgebliche Wortlaut der Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz tatsächlich, jedenfalls aus der Sicht eines durchschnittlichen Normunterworfenen, eine mehrfache Deutung zulässt, nämlich einerseits, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung generell gelten soll, andererseits aber auch, dass diese lediglich in der Zeit von 23.00 bis 5.00 Uhr gelten soll. Jedenfalls ergibt sich dieser Umstand durch die Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und auch der systematischen Auslegung der relevanten Verordnungsbestimmung.

 

Als weiterer Auslegungsschritt wäre daher im vorliegenden Falle auf den Willen des Gesetzgebers abzustellen. Diesbezüglich ist der Begründung der Bundespolizeidirektion Linz, wonach aus dem Sinn der Norm ableitbar sein könnte, dass sich die zeitliche Einschränkung nur auf das Fahrverbot für Kraftfahrzeuge bezieht, durchaus zuzustimmen.

 

Andererseits ist aber - insbesondere auch im Verwaltungsstrafverfahren - an jede Norm die Anforderung zu stellen, dass diese so deutlich und klar formuliert wird, dass die Rechtsunterworfenen unschwer erkennen können, wie sie sich zu verhalten haben, um nicht strafbar zu werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass jede Unklarheit in dieser Hinsicht zu Gunsten des Rechtsunterworfenen ausgelegt werden muss (VwGH 19.1.1967, 1107/66).

 

Verordnungen sind grundsätzlich nach der eigentlichen Bedeutung ihrer Worte, aber nicht nach der allfälligen verborgen gebliebenen Absicht des Verordnungsgebers zu verstehen (VwGH 8.9.1976, 1305/75). Davon ausgehend wird man von einem Rechtsunterworfenen in der konkreten Situation nicht erwarten können, dass er über die allgemein geltenden Auslegungsgrundsätze hinaus den konkreten Willen des Verordnungsgebers zu eruieren hat, um diesen nachvollziehen zu können.

 

Nachdem im gegenständlichen Falle sowohl die Wortinterpretation als auch eine grammatikalische und systematische Auslegung durchaus die Annahme begründen könnte, die Geschwindigkeitsbegrenzung würde ebenfalls nur jeweils in der Zeit zwischen 23.00 Uhr und 05.00 Uhr gelten, wobei eine solche Regelung in Wohngebieten durchaus auch einen Sinn ergeben könnte, kann dem Beschuldigten die Nichteinhaltung der in der Verordnung festgelegten Höchstgeschwindigkeit außerhalb des erwähnten Zeitraumes nicht zur Last gelegt werden. Der Berufung war daher Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich einzustellen.

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

Auslegung einer Verordnung, welche unklar formuliert ist bzw. verschiedene Deutungen zulässt, zu Gunsten des Beschuldigten.

 

 

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