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des Landes Oberösterreich
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VwSen-161270/7/Br/Ps

Linz, 09.05.2006

VwSen-161270/7/Br/Ps Linz, am 9. Mai 2006

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau H K, geb., S, L, vertreten durch RAe K & N u.a., G, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 8. März 2006, Zl. S-22367/05 VP, nach der am 9. Mai 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1,
§ 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufungswerberin wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz wegen Übertretungen nach §§ 68 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 35 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verhängt. Inhaltlich wurde ihr zur Last gelegt, sie habe sich am 9.7.2005 um 14.00 Uhr als Radfahrerin auf einem Rad- und Gehweg nicht so verhalten, dass Fußgänger nicht gefährdet wurden, da sie nächst dem Haus Freistädter Straße 289 - Unterführungsbereich der Freistädter Straße (neben dem Haselbach verlaufend), aus Richtung Biesenfeld kommend, da Sie an einer am Wegrand stehenden Fußgängerin in einem zu knappen Abstand vorbeigefahren sei und diese deswegen, als sie einen Schritt nach rückwärts machte, gestreift und dadurch gefährdet habe.

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Der dem Spruch zu Grunde liegende Sachverhalt ist durch die Unfallanzeige vom 9.7.2005, sowie das durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei erwiesen. Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

Gegen die Strafverfügung vom 28.9.2005 haben sie binnen offener Frist Einspruch erhoben, ohne diesen vorerst näher zu begründen.

Auf Grund Ihres Einspruches wurde das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und sie wurden zu einer mündlichen Verhandlung am 16.11.2005 geladen. Anlässlich des Ladetermines wurde ihnen der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebrach und eine Frist von 3 Wochen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

In der mit 7.12.2005 datierten Stellungnahme, verfasst von ihrem rechtsfreundlichen Vertreter, gaben sie an, dass das Verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf gänzlich unbegründet sei. Sie hätten sich der späteren Unfallstelle mit einer den Straßen und Sichtverhältnissen angepassten Fahrgeschwindigkeit genähert. Darüber hinaus hätten sie einen ausreichenden Seitenabstand zu den beiden am rechten Rand des Geh - und Radweges befindlichen Fußgängern eingehalten. Die Fußgängerin Mag. I F hätte eine aus Sicht der Radfahrerin völlig überraschende Bewegung gemacht und zwar in der Form eines rückwärts Hineintretens in den Rad und Gehweg; verbunden mit einer Körperdrehung nach rechts. Dadurch sei es zu einer Streifung zwischen der Beschuldigten und Mag F gekommen. Mag F würde ihrer Ansicht nach das Alleinverschulden am Verkehrsunfall tragen. Bestritten werde, dass sich die Fußgängerin lediglich in einem Ausmaß von 20 bis 30 cm bewegt hätte.

Auf Grund Ihrer Stellungnahme wurde Mag. I F am 11.01.2006 niederschriftlich als Zeugin einvernommen. Nach Wahrheitserinnerung verwies diese grundsätzlich einmal auf ihre Angaben in der Niederschrift vom 9.7.2005. Damals hätte sie lediglich einen ganz kleinen Schritt nach rückwärts, verbunden mit einer Körperdrehung nach rechts gemacht. Wie groß dieser Schritt gewesen sei, könne sie exakt beim besten Willen nicht angeben. Den Angaben in der oben angeführten Niederschrift sei eine ungefähre Schätzung gewesen. Jedenfalls sei sie sicher nicht mit 50 bis 60 cm, wie der Rechtsvertreter der Zweitbeteiligten behauptet, zurück gestiegen.

Um Ihnen den aktuellen Verfahrensstand zur Kenntnis zu bringe bzw. um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, weitere ihrer Entlastung dienende Beweismittel bekannt zu geben, wurden sie neuerlich zu einer mündlichen Verhandlung am 11.01.2006 geladen. Anlässlich des Ladetermins wurde Ihnen der aktuelle Verfahrensstand zur Kenntnis gebracht und eine Frist von 3 Wochen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme, zu übermitteln direkt an die erkennende Behörde eingeräumt. Weiters wurden sie darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsstrafverfahren ohne ihre weitere Anhörung durchgeführt wird, fall sie dieser Frist keine Folge leisten.

Da in weiterer Folge innerhalb der eingeräumten Frist keine weitere Stellungnahme zum Akt übermittelt wurde, musste das Verwaltungsstrafverfahren, wie bereits angedroht, ohne ihre weitere Anhörung durchgeführt werden.

Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 StVO haben sich Radfahrer auf Geh und Radwegen so zu verhalten. dass Fußgeher nicht gefährdet werden.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu € 726,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt.

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des zugrundeliegenden Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser im Zuge einer Verkehrsunfallaufnahme durch ein Organ der Straßenaufsicht im Zuge seiner dienstlichen Tätigkeit einwandfrei festgestellt werden konnte, sowie die Übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Dipl. Ing R F und Mag. I F vorliegen. Die Zeugen T B, W G und Mag. D F können zum Unfallgeschehen selber keine Angaben machen. Die erkennende Behörde sieht keinerlei Anlass, an den klaren und schlüssigen Angaben der beiden erstgenanten Zeugen zu zweifeln, zumal diese widerspruchsfrei und schlüssig sind, sowie diese im Falle einer falschen Zeugenaussage strafrechtliche Folgen zu gewärtigen hätten. Die Beschuldigte dagegen kann sich so verantworten, wies Ihr für den Ausgang des Verfahrens am günstigsten erscheint.

In diesem Zusammenhang erscheint bemerkenswert, dass die Beschuldigte in ihrer Niederschrift vom 20.8.2005 angibt, über Verschuldensfrage keine Angaben machen zu können, da sie sich an den Unfallverlauf und an eine Berührung mit der Fußgängerin nicht erinnern könne.

In der von ihrem Rechtsvertreter verfassten Stellungnahme vom 7.12.2005 dagegen schildert die Beschuldigte den Unfallverlauf sehr detailliert. In Anbetracht dieser Umstände schenkt die erkennende Behörde den Angaben der Zeugen, welche das Unfallgeschehen konkret mitverfolgt bzw. miterlebt haben, mehr Glauben, als den Angaben der Beschuldigten. Aus diesen Gründen konnte von der Aufnahme weiterer Beweismittel abstand genommen werden und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

Als mildernd bei der Strafbemessung war das Fehlen ha. verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen zu werten; erschwerende Umstände lagen keine vor.

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass sie an Vermögen einen Baugrund im Wert von ca. 40.000,-- Euro besitzen, ein Nettoeinkommen von ca. 800,-- Euro beziehen und keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten bestehen.

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

2. In der dagegen durch die ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung bestreitet die Berufungswerberin die Tatbegehung wie folgt:

"In der umseits näher bezeichneten Verwaltungsstrafsache wurde die Beschuldigte H K mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 8.3.2006, dem Beschuldigtenvertreter zugestellt am 9.3.2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 68 Abs. 1 Satz 4 StVO (richtig wohl: § 68 Abs. 1 Satz 5 StVO) in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO zur Zahlung einer Geldstrafe von € 35,-- bzw. im Falle deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verpflichtet.

Innerhalb offener Frist wird dagegen nunmehr erhoben nachstehende

Berufung

an den Unabhängigen Verwaltungssenat für mit dem schon eingangs gestellten Antrag, das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; in eventu wird beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die 1. Instanz zurückzuverweisen.

Als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Beweisverfahrens, unrichtige Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Im Einzelnen wird hiezu Nachstehendes ausgeführt:

I. Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Beweisverfahrens:

Das erstinstanzliche Beweisverfahren blieb unvollständig bzw. wurden wesentliche Beweisanträge der Berufungswerberin nicht erledigt, sodass das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren unter erheblichen Mängeln leidet, welche eine erschöpfende Beurteilung der Rechtssache verhinderten.

Mit Schriftsatz vom 7.12.2005 wurde unter anderem die Abhaltung eines Ortsaugenscheins unter Beteiligung der Berufungswerberin und der Zeugin Mag. I F bei gleichzeitiger Zuziehung eines gerichtlich beeideten kfz-technischen Sachverständigen zwecks Unfallrekonstruktion beantragt. Ferner wurde beantragt, die im Verkehrsunfallakt der PolDion Linz enthaltene Lichtbildbeilage bzw. die dortigen Lichtbilder einer fotogrammetrischen Auswertung zu unterziehen und zwar insbesondere im Bezug auf die ausgewiesene ca. 1,7 m lange Spur zwecks Zuordnung derselben zum gegenständlichen Schadensereignis.

Alle diese Beweisanträge wurden jedoch von der I. Instanz unerledigt abgetan. Dies obwohl die Beweisanträge zur zweckentsprechenden Sachverhaltsermittlung absolut notwendig bzw. unerlässlich gewesen wären. An Ort und Stelle hätte unter anderem die Verantwortung der beteiligten Fußgängerin Mag. I F objektiviert bzw. überprüft werden können. Ferner hätten die unfallkausalen Endlagen (der Berufungswerberin und des Fahrrads) objektiviert und - unter Berücksichtigung der Annäherungsgeschwindigkeit und der Abwurfweite - die Kollisionsstelle und somit auch die für den verwaltungsstrafrechtlichen Schuldvorwurf maßgebliche Annäherungslinie ermittelt werden können. Anhang der zeit-weg-mäßigen Unfallrekonstruktion wäre dann eine verlässliche Entscheidung überhaupt erst möglich gewesen.

Bei Durchführung der gestellten Beweisanträge wäre jedenfalls hervorgekommen, dass der nun in der Straferkenntnis enthaltene Schuldvorwurf des Vorbeifahrens mit zu knappem Abstand nicht haltbar ist. Vor allem hätte objektiviert werden können, dass ein Vorbeifahren mit einem Seitenabstand von rund 50 cm an der beteiligten Fußgängerin technisch durchaus nicht ausgeschlossen werden kann und wäre ferner hervorgekommen, dass das Schadensereignis nur durch ein unachtsames Zurücktreten der Beteiligten Mag. F in die Fahrlinie der Berufungswerberin verursacht wurde.

Schon aus diesen Gründen erweist sich das erstinstanzliche Beweisverfahren als unvollständig

und mangelhaft, sodass zumindest mit einer Bescheidbehebung vorzugehen sein wird.

II. Unrichtige Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung:

Die erstinstanzliche Behörde gelangt im angefochtenen Straferkenntnis zur Auffassung, dass die Berufungswerberin in einem zu knappen Abstand an der Beteiligten Mag. F vorbeigefahren sei. Die zur Beweiswürdigung dargelegten Erwägungen sind jedoch unzutreffend. Vor allem wird den Überlegungen der PolDion Linz widersprochen, wonach der Zeugin Mag. F jedenfalls Glauben zu schenken wäre. Die Behörde lässt in diesem Zusammenhang außer Acht, dass die Berufungswerberin unfallkausal schwer am Körper verletzt wurde, wobei die Verletzungsfolgen bereits als lebensgefährlich einzustufen waren. Die Grobdiagnose lautete: Schweres Durchgangssyndrom, SHT Grad II, Pyramidenfraktur links, Subduralhämatom rechts, traumatische SAB, Serienrippenfraktur, Hypertonie und Hyponatriämie, etc. Dementsprechend hoch sind auch die Schmerzengeldforderungen sowie die sonstigen Schadenersatzansprüche der Berufungswerberin. Derartige - drohende - Zahlungspflichten könnten durchaus Anlass dazu geben, einen Sachverhalt anders als tatsächlich geschehen darzustellen.

Selbst wenn man aber die Darstellung der Beteiligten Mag. F als zutreffend unterstellen wollte, würde sich ergeben, dass diese einen Schritt rückwärts machte (ca. 20 bis 30 cm) und eine Körperdrehung nach rechts - sohin in Blickrichtung der ankommenden Radfahrerin - vollzog. Dieses Zurücktreten um rund 30 cm verbunden mit der Körperdrehung nach rechts bedeutete allerdings, dass der ursprüngliche Seitenabstand (zwischen dem Rücken der Mag. F einerseits und der Fahrlinie der Berufungswerberin andererseits) im Ausmaß von zumindest 50 bis 60 cm verringert worden sein muss. Die Schulter der Mag. F befand sich nämlich ursprünglich fahrbahnparallel und wurde durch die Drehung nach rechts in einen rechten Winkel zur Fahrbahnlängsachse gebracht. Die rechte Schulter - allenfalls verbunden mit einem Auspendeln des rechten Arms - muss daher im Kollisionsaugenblick wesentlich weiter in die Fahrlinie der Berufungswerberin hinein geragt haben als das rechte Bein der Mag. F. Die Beine einer Person werden naturgemäß durch die Schulter jeweils überragt.

Berücksichtigt man daher den Schritt zurück plus die Körperdrehung, zeigt sich, dass die Verantwortung der Berufungswerberin, in einem Abstand von 50 bis 60 cm jedenfalls an der ursprünglich im Stillstand befindlichen Mag. F vorbeigefahren zu sein, durchaus zutreffend ist.

Bei richtiger erstinstanzlicher Beweiswürdigung hätte daher die PolDion Linz erkennen müssen, dass der Vorwurf nach § 68 Abs. 1 Satz 5 StVO keinesfalls zutreffend ist. Das Verwaltungsstrafverfahren wäre einzustellen gewesen.

III. Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Selbst bei Zugrundelegung der getroffenen erstinstanzlichen Feststellungen erweist sich die Sache als rechtlich unrichtig beurteilt. § 68 Abs. 1 Satz 5 StVO setzt als Tatbestand objektiv voraus, dass sich Radfahrer so zu verhalten hätten, 'dass Fußgänger nicht gefährdet werden'. Die erstinstanzliche Behörde stellte nunmehr fest, dass die Berufungswerberin an der am Wegrand stehenden Fußgängerin in einem zu knappen Abstand vorbeigefahren sei.

Genauere Feststellungen zum Sachverhalt trifft die PolDion Linz dagegen nicht. Insbesondere

finden sich im angefochtenen Straferkenntnis keinerlei Feststellungen darüber

Alle diese Feststellungen wären jedoch für die Beurteilung des Sachverhalts im Sinne des angelasteten Gefährdungstatbestandes unerlässlich gewesen. Erst aufgrund der konkret zu treffenden - jedoch unterlassenen - Feststellungen hätte beurteilt werden können, ob die ursprünglich eingehaltene Fahrlinie der Berufungswerberin einen zu knappen Abstand darstellt bzw. ob damit überhaupt eine Gefährdung der Fußgänger verbunden war oder nicht.

Die erstinstanzlichen Feststellungen erweisen sich daher als mit einem sekundären Verfahrensmangel behaftet. Die rechtliche Beurteilung ist demnach unzutreffend.

Auch aus diesen Gründen wird mit einer Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu

mit einer Bescheidbehebung vorzugehen sein.

Aus den angeführten Gründen werden daher gestellt die nachfolgenden

Berufungsanträge:

1 . Der Unabhängige Verwaltungssenat wolle in Stattgebung dieses Rechtsmittels das angefochtene Straferkenntnis der BuPolDion Linz vom 8.3.2006, GZ. S-22367/05 VP, beheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Gänze und ersatzlos beheben.

2. in eventu wird beantragt das Straferkenntnis aufzuheben und zur neuerlichen Bescheiderlassung nach erfolgter Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

3. In jedem Falle wolle eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt werden und wird hiezu beantragt einen Ortsaugenschein an Ort und Stelle des damaligen Schadensereignisses anzuberaumen unter Zuziehung der Zeugin Mag. I F und der Beschuldigten und eines gerichtlich beeideten kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigen zwecks Rekonstruktion des Unfallhergangs und zum Beweis dafür, dass die Berufungswerberin in ihrer ursprünglichen Annäherungslinie nicht zu knapp an der Beteiligten Mag. I F vorbeizufahren beabsichtigte.

H K"

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde die Unfallbeteiligte Fußgängerin Maga. F als Zeugin und die Berufungswerberin als Beschuldigte einvernommen.

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

Die Berufungswerberin lenkte an der im Spruch angeführten Örtlichkeit ihr Fahrrad in Richtung Donau. In der 2,45 m breiten Unterführung standen bachseitig (links) die Eheleute Maga. u. Dipl.-Ing. F blickabgewandt vom Rad- u. Gehweg. Die dadurch freibleibende Durchfahrtsbreite kann somit mit maximal 1,65 m angenommen werden. Geht man davon aus, dass die Radfahrerin den freibleibenden Weg etwa mittig durchfahren wollte, wäre ihr zwischen den Personen und der Mauer ein Abstand von etwa 50 cm verblieben. Die Berufungswerberin fuhr mit einer als normal zu bezeichneten, wohl kaum über 20 km/h anzunehmenden Fahrgeschwindigkeit an den beiden Personen vorbei. Just als sie sich auf deren Höhe befand, wich Frau Maga. F einen Schritt und in seitlicher Drehung zurück, wodurch es zu einem Streifkontakt mit dieser Fußgängerin kam. Die Berufungswerberin stürzte und erlitt dadurch schwere Verletzungen.

Wie im Rahmen der vor Ort durchgeführten Berufungsverhandlung feststellbar war, kann unter Grundlegung der vorgegebenen Fahrlinie und einer Lenkerbreite von ~ 60 cm, zwischen den Fußgängern und der Lenkvorrichtung des unfallbeteiligten Fahrrades kaum mehr als 50 cm Freiraum verblieben sein. Bei einem Zurückweichen des Fußgängers mit bloß einer Schrittlänge war der Kontakt bereits unvermeidbar, weil dadurch der Freiraum von 50 cm "zugemacht" wurde. Dass es ganz knapp zum Kontakt am Lenker des Fahrrades mit dem Ellenbogen der Fußgängerin gekommen war, kann der Zeugenaussage von Maga. F abgeleitet werden, die nur von einem leichten Kontakt sprach. Unstrittig ist hier auf Grund der zeugenschaftlichen Angabe der Zeugin F das unvermittelte und ohne auf den Radverkehr achtende Zurückweichen seitens der Zeugin F. Die rechts neben ihren Gatten stehende und ca. 160 cm große Zeugin erklärte im Ergebnis, während ihres Zurücktretens hinter die etwa 40 cm von der Bacheinfriedung entfernt angebrachten Randlinie auf einen Verkehr von rechts nicht geachtet zu haben. Für die Radfahrerin war diese Absicht offenkundig nicht erkennbar. Die Berufungswerberin erklärte im Rahmen der Berufungsverhandlung im Zuge ihrer mit etwa 20 km/h erfolgten Annäherung an den Unterführungsbereich die beiden Personen wahrgenommen gehabt zu haben. Diese hätten in Richtung des Wassers bzw. in südliche Richtung geblickt. Mit einem plötzlichen Zurückweichen einer dieser Personen habe sie nicht gerechnet. Sie habe kein akustisches Warnzeichen abgegeben. Unmittelbar vor Erreichen der Höhe dieser Fußgänger trat jedoch die Zeugin F in einer Rechtsdrehung einen Schritt zurück, wobei es zum Kontakt mit ihrem Ellenbogen, vermutlich am Lenker des Fahrrades der Berufungswerberin, gekommen ist. Dies löste letztlich den für die Berufungswerberin zu schwersten Verletzungen führenden Sturz aus.

Aus der Sicht der Berufungsbehörde können bei objektiver Beurteilung dieser Wahrnehmung keine Anhaltspunkte erblickt werden, die auf ein bevorstehendes Zurückweichen der Fußgeherin schließen lassen hätten müssen. Im Zuge der an der Unfallörtlichkeit durchgeführten Berufungsverhandlung passierten in der Zeitdauer von etwa 20 Minuten zumindest 10 Radfahrer die Unterführung, wobei wegen der vier an der Berufungsverhandlung teilnehmenden und an der Unfallörtlichkeit verweilenden Personen nur in einem Fall ein akustisches Zeichen abgegeben wurde. Offenbar wurde auch von diesen Radfahrern nicht mit einem Fehlverhalten der am Rand des Radweges im Bereich der Unterführung stehenden Personen gerechnet.

Das Zurückweichen um eine Schrittlänge nimmt weniger als eine Sekunde in Anspruch. Legt man nun die Fahrgeschwindigkeit der Berufungswerberin mit 20 km/h zu Grunde, befand sich die Berufungswerberin zu Beginn des Zurückweichens nur mehr maximal fünf Meter von der späteren Kontaktstelle entfernt. Daraus folgt, dass unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer Sekunde eine wirksame und kollisionsverhindernde Abwehrreaktion seitens der Radfahrerin schlechthin als unmöglich zu bezeichnen ist (vgl. OGH 10.11.1994, 2Ob75/94);

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Nach § 68 Abs.1 StVO, letzter Satz, haben sich auf Geh- und Radwegen Radfahrer so zu verhalten, dass Fußgänger nicht gefährdet werden.

Ebenso dürfen nach § 76 Abs.1 StVO Fußgänger die Fahrbahn nicht überraschend betreten. Ebenso dürfen nach § 76 Abs.2 StVO auch Fußgänger in Gruppen auf Gehsteigen oder Gehwegen, auf dem Straßenbankett oder am Fahrbahnrand andere Straßenbenützer weder gefährden noch behindern.

Der Berufungswerberin ist mit Blick auf § 3 StVO zu Gute zu halten, dass "jeder Straßenbenützer vertrauen darf, dass andere Personen die für die Benützung der Straße maßgeblichen Rechtsvorschriften befolgen;", da die Zeugin Maga. F wohl kaum ein Erscheinungsbild geboten haben konnte, woraus geschlossen werden hätte müssen, dass diese Person unfähig gewesen wäre die Gefahren des Straßenverkehrs einzusehen oder sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, war bei objektiver Beurteilung - ex ante betrachtet - die Vorbeifahrt mit dem Fahrrad wohl als unbedenklich einzustufen. Der Vertrauensschutz gilt nicht nur gegenüber dem einzelnen Fußgänger, sondern auch gegenüber Fußgängergruppen (OGH 10.2.1982, 11Os8/82, ZVR 1982/202). Es vermag daher eine Verletzung der Schutzvorschrift des § 68 Abs.1 StVO und demnach auch kein als schuldhaft zurechenbarer objektiver Sorgfaltsverstoß der Radfahrerin erblickt werden, wenn diese an der am linken Rand mit dem Rücken zur Fahrbahn gewandten und wohl zweifelsfrei den Anschein einer voll disponierten Person erweckenden Fußgehern vorbeifahren wollte (vgl. Pürstl-Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 54, E 107, E 108 mit Judikaturhinweisen). Ein Fahrzeuglenker braucht etwa auch nicht damit rechnen, dass ein Fußgänger ohne Anlass plötzlich seine Gehrichtung ändert (OGH 23.6.1967, 11Os232/67, KJ 1968, 12). An diesem Beurteilungskalkül ändert es nichts, wenn die Berufungswerberin offenbar kein akustisches Signal mit der Klingel abgegeben hat, wenngleich dies hier wohl den Unfall verhindern hätte können.

Warum hier die Behörde erster Instanz - trotz der schon laut erstinstanzlicher Sachverhaltslage unstrittigen Tatsache des unvermittelten Hineintretens der Fußgängerin in die Fahrlinie der Radfahrerin - ausgerechnet zur Annahme eines Fehlverhaltens (als Gefährdung der unverletzt gebliebenen Fußgängerin) seitens der schwer verletzten Radfahrerin gelangte und im Gegensatz dazu, trotz einer diesbezüglichen Anzeige gegen die Fußgängerin wegen des Verdachtes der schweren Körperverletzung bei der gerichtlichen Strafverfolgungsbehörde keinerlei Erwägungen in Richtung des § 76 StVO in Richtung Fußgängerin indiziert sah, muss zumindest als bemerkenswert festgestellt werden. Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Bestrafung, um die Berufungswerberin von derartigen Übertretungen künftighin abzuhalten, qualifiziert sich angesichts deren erlittenen schweren Verletzungen selbst.

5.1. Nach § 45 Abs.1 Z1 VStG ist die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens schon bei fehlendem Schuldbeweis zu verfügen. Eine Bestrafung auf Verdacht würde dem Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" entgegen stehen.

Als Konsequenz des hier klaren Beweisergebnisses einer fehlenden Schutznormverletzung folgt, dass von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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