Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-161293/8/Fra/Bb/Sp

Linz, 03.08.2006

 

 

 

VwSen-161293/8/Fra/Bb/Sp Linz, am 3. August 2006

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau GA vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. RR vom 14.4.2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 27.3.2006, Zl. VerkR96-910-2006/Ah, wegen Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.7.2006, zu Recht erkannt:

 

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
  2.  

  3. Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren einen Beitrag von 60 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe. zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. §§ 66 Abs.4 iVm § 24, 51 und 19 VStG.

zu II. §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerberin (Bw) vorgeworfen, am 9.10.2005 gegen 06.40 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der Heiligenberger Landesstraße 1213, Richtung Waizenkirchen gelenkt zu haben, wobei auf Höhe km 0,251 der genannten Straße (Ortschaftsbereich Auweidenholz, Gemeinde Waizenkirchen) ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang stand und es unterlassen zu haben,

1) nach diesem Unfall sofort ihr Fahrzeug anzuhalten,

2) an der erforderlichen Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken (sie habe die Unfallstelle verlassen, wodurch nicht feststellbar war, ob sie sich zum Unfallszeitpunkt in einem fahrtauglichen Zustand befanden habe - die Polizeierhebungen seien erschwert worden) und

3) sofort von diesem Verkehrsunfall mit Personenschaden die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.

 

Die Bw habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach 1) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960, 2) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 3) § 4 Abs.2 StVO 1960 begangen, weshalb über sie jeweils gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe je 36 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 30 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung bringt die Bw anwaltlich vertreten im Wesentlichen vor, dass der erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des § 4 StVO 1960 zu Unrecht bestehe. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie S K erstmals wahrgenommen hätte, als sie mit der linken Fahrzeugseite dessen Kopf gestreift bzw. überfahren habe. Fest stehe vielmehr, dass sie leider überhaupt nichts auf der Fahrbahn liegend wahrgenommen habe - weder einen Gegenstand noch eine Person. Sie habe lediglich ein leichtes Klopfgeräusch wahrgenommen, welchem sie keinerlei Bedeutung beigemessen habe. Erst nachdem während des Arbeitstages auch am Arbeitsplatz über einen in der Nähe stattgefunden Verkehrsunfall, bei welchem eine auf der Straße liegende Person getötet wurde, gesprochen wurde, und nachdem sie auf der Rückfahrt am Abend an der Unfallstelle aufgestellte Grablichter bemerkt hatte, habe sie sich erinnert, am Morgen an dieser Stelle ein leichtes Klopfgeräusch wahrgenommen zu haben. Dies habe auch dazu geführt, dass sie in weiterer Folge Kontakt mit der Polizeiinspektion aufgenommen habe.

 

Bei der Ausgestaltung der Unfallörtlichkeit nach Überfahren einer Fahrbahnkuppe bestehe an sich eine Sicht von ca. 100 m auf den Unfallstellenbereich. Nach Überfahren dieser Fahrbahnkuppe müsse man eine auf der Fahrbahn liegende Person oder einen Gegenstand sehen und man könnte durch eine entsprechende Bremsung oder dgl. einen Unfall verhindern. Aufgrund eines Wahrnehmungsfehlers habe sie jedoch optisch überhaupt nichts wahrgenommen, was sie zu einer Bremsung oder einer anderen Reaktion veranlassen hätte müssen. Dieses Übersehen wurde ihr zurecht vom BG P angelastet und sie sei auch völlig zurecht wegen fahrlässiger Tötung nach § 80 StGB verurteilt worden. Sie habe zu keinem Zeitpunkt im gerichtlichen Strafverfahren versucht, auch nur annähernd nachzuweisen, dass sie am Eintritt des Todes von S K kein wie immer geartetes Verschulden hätte. Sie habe ihren Aufmerksamkeitsfehler von Anfang an zugegeben. Sie habe nach dem Unfall ihren Pkw nach dem ihr verborgen gebliebenen Unfall ganz normal weitergelenkt und auf dem öffentlichen Parkplatz ihres Arbeitsplatzes abgestellt. Weder habe sie versucht, wie ein "Fahrerflüchtiger" mit schlechtem Gewissen ihren Pkw zu verstecken noch allfällige Unfallsfolgen zu verheimlichen.

 

Ein Vergehen nach § 4 StVO habe sie nicht zu verantworten, da sie aus nicht vorliegenden Begleitumständen heraus auch nicht im Entferntesten daran gedacht habe, in einen Verkehrsunfall - noch dazu mit Personenschaden - verwickelt gewesen zu sein. Auch könne ihr nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie aus Begleitumständen heraus den Eintritt eines Verkehrsunfalles zumindest hätte vermuten müssen. Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht nach § 4 StVO sei nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintritts eines Schadens, sondern müsse in subjektiver Hinsicht zurecht der Vorwurf gemacht werden können, dass sie den Eintritt eines Schadens oder Verkehrsunfalles zumindest für möglich halten hätte müssen. Nicht gemeint sei der Vorwurf eines Aufmerksamkeitsfehlers, der überhaupt zum Unfall geführt hat. Dieser Aufmerksamkeitsfehler sei zugegebenermaßen vorgelegen und sie sei deswegen auch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. § 4 StVO sei nicht nur auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt. Es sei jedoch zumindest Voraussetzung, dass einem Verkehrsteilnehmer, welcher einen Unfall überhaupt nicht bemerkt, diesem zumindest der Vorwurf gemacht werden könne, dass er aus den objektiven Begleitumständen heraus den Eintritt eines Verkehrsunfalles oder eines Schaden bemerken hätte müssen. Mit diesem "Bemerken-hätte-müssen" sei nicht gemeint, dass sie den Fußgänger hätte wahrnehmen müssen, sondern dass sie aus den Begleitumständen unzweifelhaft hätte schließen müssen, dass sie in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen ist. Derartige Begleitumstände haben jedoch nicht vorgelegen. Das einzige, was sie vom Verkehrsunfall überhaupt mitbekommen habe, sei ein leichtes Klopfgeräusch gewesen, das sie auf das Überfahren eines Astes oder eines Kotbrockens bzw. eine Straßenverunreinigung zurückgeführt habe. Zum Beweis dafür, dass zum Unfallszeitpunkt derartige Straßenverhältnisse geherrscht haben, lege sie zwei Lichtbilder vor, welche kurze Zeit nach dem Unfall aufgenommen wurden. Weitere Begleitumstände wie optische Wahrnehmungen auf der Straße etc. habe sie nicht gemacht. Da sie es zu keinem Zeitpunkt für möglich gehalten habe, in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen zu sein, habe sie sich auch nicht veranlasst gesehen, anzuhalten. Ihres Erachtens könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie das leichte Klopfgeräusch jedenfalls als Verkehrsunfall hätte deuten müssen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 13.7.2006, an welcher die Berufungswerberin sowie ihr Rechtsvertreter zum Sachverhalt befragt wurden, ein Vertreter der erstinstanzlichen Behörde gehört wurde und der Amtssachverständige für Verkehrstechnik, Ing. R H, ein Gutachen hinsichtlich der Frage, ob der Bw objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen sie die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personenverletzung zu erkennen vermocht hätte, erstattet hat.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Die Bw lenkte zur Vorfallszeit den Kombi mit dem Kennzeichen mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 bis 70 km/h in Waizenkirchen, auf der Heiligenberger Landesstraße 1213 aus Richtung Heiligenberg kommend in Richtung Waizenkirchen. Sie war auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle. Zu diesem Zeitpunkt herrschte Dämmerung und die Fahrbahn war trocken. Im Ortschaftsbereich Auweidenholz, Höhe km 0,251 - auf einem gerade verlaufenden Teilstück der Heiligenberger Landesstraße - überfuhr die Bw mit den linken Rädern ihres Kombis den auf der Fahrbahn quer zur Fahrtrichtung der Berufungswerberin liegenden S K, wodurch dieser tödlich verletzt wurde.

Die Bw gab anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 9.10.2005 an, während der Fahrt plötzlich "einen Schlag bzw. ein Geräusch" verspürt zu haben. Auf der Fahrbahn habe sie nichts wahrgenommen bzw. liegen gesehen. Da sie der Meinung war, über ein größeres Stück Holz oder Ast gefahren zu sein, habe sie ihre Fahrt ohne anzuhalten bis nach W zu ihrem Arbeitsplatz fortgesetzt.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Angaben in der Anzeige der PI W sowie der eigenen Aussagen der Bw vor der Polizeiinspektion und im Berufungsschriftsatz. Weiters stützen sich diese Feststellungen auf die Aussagen der Bw anlässlich der mündlichen Verhandlung.

 

Bei der Berufungsverhandlung brachte die Bw über Befragen ua. vor, dass es ihr leid tue; sie habe schon im gerichtlichen Verfahren alles gesagt. Am Vorfallstag sei bei der Pause am Vormittag über diesen Unfall gesprochen worden. Um 19.00 Uhr habe sie Dienstschluss gehabt und sei dieselbe Strecke zurück nach Hause wie immer gefahren. An der Unfallsörtlichkeit habe sie Grablichter gesehen und auch ein paar Jugendliche, welche dort standen. Erst dann sei ihr der Gedanke gekommen, dass sie in diesem Bereich in der Früh ein Geräusch verspürt habe. Es sei ein Geräusch gewesen, das entsteht, wenn man über einen Ast oder einen Kotbrocken fährt. Das Geräusch sei für sie nicht außergewöhnlich gewesen. Im Rückspiegel habe sie gesehen, dass hinter ihr ein Fahrzeug fährt. Jedenfalls habe sie im Spiegel ein Licht von einem Fahrzeug gesehen. Bei der nachfolgenden Kreuzung habe sie dann wegen Querverkehrs ihr Fahrzeug angehalten. Von der Unfallsörtlichkeit bis zu ihrer Arbeitsstelle betrage die Entfernung ca. 3 bis 4 km. Nach Rücksprache mit ihrem Mann sei sie dann am selben Tag noch zur Polizei gefahren, weil sie gedacht habe, es könnte sein, dass sie in diesen Unfall verwickelt gewesen war. Das Auto habe sie gleich bei der Polizeidienststelle gelassen. Es wurde abgestellt und untersucht.

 

Der Vertreter der Bw führt bei der Berufungsverhandlung aus, dass die Unfallstelle, wie aus den Lichtbildern hervorgehe, zum Unfallszeitpunkt durch Verunreinigungen verschmutzt war und daher der Schluss der Bw, sie hätte dieses Geräusch durch das Überfahren eines Verschmutzungsgegenstandes wahrgenommen, durchaus logisch und nachvollziehbar sei. Er verwies nochmals darauf, dass sich seine Mandantin nicht verhalten hat wie ein typischer Fahrerflüchtiger. Sie habe auch gesehen, dass hinter ihr jemand nachfährt.

Ein Aufmerksamkeitsfehler sei nie in Abrede gestellt worden. Das Delikt der fahrlässigen Tötung, welches von Anfang an akzeptiert wurde, habe mit dem gegenständlichen Sachverhalt nur mittelbar zu tun.

Das gesamte Beweisverfahren habe ergeben, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 4 StVO im Sinn einer "Fahrerflucht" im gegenständlichen Fall nicht gegeben war. Nicht nur die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens im Verwaltungsstrafverfahren, sondern auch die Zeugeneinvernahmen im gerichtlichen Verfahren, nämlich der Arbeitskolleginnen und das zu würdigende Verhalten der Bw nach dem Unfall lasse den Schluss zu, dass sie von einem Verkehrsunfall nichts bemerkt hatte. Auch seien keine Begleitumstände beim Unfall selbst - außer dem von Anfang an zugestandenen Schlag oder Rumpler - gegeben gewesen, welche die Bw veranlassen hätte müssen, den Schluss zu ziehen, dass sie in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Absolut nicht Gegenstand des Verfahrens könne der Umstand sein, dass Frau A den am Boden liegenden S K über einen Zeitraum von 5 1/2 Sek. visuell nicht wahrgenommen hatte, da diese sorgfaltswidrige Handlung ohnehin bereits im gerichtlichen Strafverfahren als fahrlässige Tötung im Sinne des § 80 StGB geahndet und auch Frau A deswegen völlig zu Recht verurteilt wurde.

 

Über Befragen des Sachverständigen führt die Bw aus, dass sie einen Stoß nicht bemerkt habe. Das Auto habe sie nicht verrissen. Sie war alleine im Fahrzeug und hatte außer der Hundebox im hinteren Teil des Fahrzeuges nichts zugeladen.

Der Amtssachverständige für Verkehrstechnik, Herr Ing. R H, kam in dem bei der Berufungsverhandlung erstatteten Gutachten zu dem Schluss, dass aus technischer Sicht unter Zugrundelegung des Obduktionsprotokolls vom 11.10.2005, Zl. L051279/Ha/Ke, davon auszugehen ist, dass das Überfahren mit beiden Rädern zustande gekommen ist. Unterstellt man eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 60 bis 65 km/h, so ergebe sich aufgrund des Radstandes des Fahrzeuges zwischen dem vorderen und dem hinteren Rad ein Zeitunterschied von ungefähr 0,15 Sek. Wenn man davon ausgeht, dass keine Lenkreaktion stattgefunden hat und die Fahrlinie gleich behalten wurde, so ist es plausibel, dass der Schädel mit beiden Rädern überrollt worden ist.

Aus Versuchen wisse man, dass die biomechanische Belastbarkeit eines Schädels ausreicht, um beim Überfahren eine eindeutig wahrnehmbare Stoßreaktion feststellen zu können. Durch ein einseitiges Überfahren müsste eine Lenkradreaktion wahrnehmbar sein, die parallel mit einem Geräusch auftritt. Die Größe des auftretenden Stoßes bzw. der Lenkradreaktion ist auf alle Fälle als wahrnehmbar einzustufen. Aufgrund eines Stoßes oder eines wahrgenommenen Geräusches könne aber nicht darauf geschlossen werden, welcher Gegenstand bzw. welches Objekt überfahren wurde. Aus dem Verlauf der Stoßkraft oder aus dem Frequenzzeitmuster des Geräusches seien derartige Ableitungen nicht zulässig. Die Erstaussage der Bw vor der Polizei, dass die Bw ein Geräusch und einen Schlag verspürt hatte, sei für ihn plausibel.

 

Der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Schärding beantragte die Abweisung der Berufung. In erster Linie verwies er auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses. Bei der Berufungsverhandlung habe man unabhängig von seiner Begründung davon ausgehen können, dass mit beiden Rädern des Fahrzeuges der Bw der Kopf des Herrn K überfahren wurde. Soweit er das interpretieren dürfe, verursache dies eine entsprechende Stoßreaktion, die sich auch auf eine Reaktion des Lenkrades überträgt, sodass unabhängig von seiner Auffassung bezüglich der visuellen Wahrnehmbarkeit aufgrund der Sachverständigenäußerungen die Bw von der Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personenschaden ausgehen hätte müssen und daraus ergibt sich aufgrund der Judikatur und der Bestimmungen des § 4 StVO die Zulässigkeit der bestraften Delikte.

 

Der UVS vertritt in freier Beweiswürdigung die Auffassung, dass das zu Grunde liegenden Gutachten des Sachverständigen für Verkehrstechnik schlüssig ist und nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen widerspricht.

Der Sachverständige hat nämlich in überzeugender Weise dargetan, dass einerseits durch das Überfahren des Schädels eine wahrnehmbare Stoßreaktion auftritt und andererseits durch das einseitige Überfahren eine Lenkradbewegung parallel mit einem Geräusch. Die Stoß- und die Lenkradreaktion muss von einem Lenker eines Kraftfahrzeuges bei entsprechender Aufmerksamkeit jedenfalls wahrgenommen werden. Diese vom Sachverständigen auch wissenschaftlich untermauerten Aussagen konnten in unbedenklicher Weise der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Auch die Bw und ihr Vertreter haben gegen dieses Gutachten keinen Einwand erhoben.

 

4.2. Der UVS hat in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben gemäß § 4 Abs.2 StVO die im Abs.1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

 

Unbestritten steht fest, dass es durch das Fahrverhalten der Bw - sie überfuhr auf einem gerade verlaufenden Teilstück mit den linken Rädern ihres Kombis den Schädel des auf der Fahrbahn quer zur Fahrtrichtung der Bw auf dem Rücken liegenden S K, wodurch dieser tödlich verletzt wurde - zum gegenständlichen Verkehrsunfall mit Personenschaden gekommen ist.

 

Aufgrund der Sachverhaltsdarstellung in der Anzeige sowie der Angaben der Bw ist objektiv erwiesen, dass die Bw am gegenständlichen Verkehrsunfall ursächlich beteiligt war. Sie hat die ursächliche Beteiligung an diesem Verkehrsunfall nie in Abrede gestellt.

Sie hat ihr Fahrzeug jedoch nicht angehalten, sondern ihre Fahrt nach dem Überrollen des S K fortgesetzt und es unterlassen, an der erforderlichen Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken. Sie hat es auch unterlassen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Sie hat daher die ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht begangen.

Wie schon im erstinstanzlichen Verfahren verantwortet sich die Bw im Berufungsverfahren neuerlich damit, diesen Verkehrsunfall nicht wahrgenommen zu haben.

 

Die Kernfrage, die es im gegenständlichen Verfahren zu beantworten gilt, ist, ob die Bw bei gehöriger Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personenschaden hätte schließen müssen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, können sowohl die Delikte des § 4 Abs.1 StVO 1960, als auch jene des § 4 Abs.2 StVO 1960 auch fahrlässig begangen werden (VwGH vom 13.11.1981, Zl. 81/02/0128). Fahrlässigkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, dass dem Täter objektive Umstände (z.B. Anstoßgeräusch, ruckartige Anstoßerschütterung) zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles, im konkreten Fall insbesondere aber die Tötung oder Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte.

 

Für die Annahme der fahrlässigen Begehung eines der in Rede stehenden Delikte ist nicht die fahrlässige Herbeiführung des Verkehrsunfalles, sondern ein fahrlässiges Verhalten, das verhindert, dass dem Täter der Eintritt des Verkehrsunfalles zu Bewusstsein gekommen ist, entscheidend (VwGH vom 20.5.1992, Zl. 91/03/0347).

 

Auch der OGH hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass, wenn der Lenker eines Fahrzeuges den Eintritt eines Unfalles für möglich halten kann, für ihn die Pflicht besteht, sich gewissenhaft davon zu überzeugen, ob ein Verunglückter oder Gefährdeter einer Hilfe bedarf und gegebenenfalls die erforderliche und zumutbare Hilfe auch zu gewähren. Dies setzt im Zweifelsfall schon begrifflich die vorangegangene Vergewisserung voraus, ob es tatsächlich zu einem Unfall gekommen ist oder ob ein solcher mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. (OGH vom 3.7.1962, 11 Os 170/62, KJ 1962, 92).

 

Die Auffassung, dass hinsichtlich der Wahrnehmung eines Verkehrsunfalles von einer einem normalen Durchschnittsmenschen zumutbaren Aufmerksamkeitsleistung auszugehen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise im Erkenntnis vom 27.6.1990, Zl. 89/03/0240, nicht als rechtswidrig erkannt.

 

Aus den schlüssigen Ausführungen des - im Berufungsverfahren beigezogenen - Sachverständigen für Verkehrstechnik ergibt sich, dass die biomechanische Belastbarkeit eines Schädels ausreicht, um beim Überfahren eine eindeutig wahrnehmbare Stoßreaktion feststellen zu können. Durch ein einseitiges Überfahren müsste eine Lenkradreaktion wahrnehmbar sein, die parallel mit einem Geräusch auftritt. Die Größe des auftretenden Stoßes bzw. der Lenkradreaktion ist laut dem Sachverständigen auf alle Fälle als wahrnehmbar einzustufen.

 

Die Bw hätte sich daher vergewissern müssen, ob der wahrgenommene Stoß bzw. das Geräusch mit einem Verkehrsunfall in Zusammenhang bzw. ob und allenfalls welcher Schaden durch den wahrgenommenen Schlag bzw. Geräusche entstanden sein könnte. Sie hätte sich hiebei nicht bloß darauf - wie sie selbst angegeben hat - verlassen dürfen, über ein Stück Holz, Kotbrocken oder ähnliches gefahren zu sein. Da die Bw dieser Überprüfungspflicht nicht nachkam, ist ihr das behauptete Nichtwissen vom gegenständlichen Unfall als Verschulden anzulasten. Sie hatte nämlich von Umständen Kenntnis, aus denen sie auf die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles schließen musste.

 

Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, dass selbst dann, wenn die Bw aufgrund ihres Aufmerksamkeitsfehlers von einem Verkehrsunfall mit Personenschaden tatsächlich nichts bemerkt hat, wie sie behauptet, jedenfalls bei Aufwendung der von einem sorgfältigen Kraftfahrzeuglenker zu erwartenden und vorauszusetzenden Aufmerksamkeit und Sorgfalt bemerken musste, dass an dem wahrgenommen "Schlag bzw. Geräusch" ein Fremdschaden resultieren kann.

 

Aufgrund dieser Beweislage muss nicht mehr untersucht werden, ob die Bw den auf der Fahrbahn liegenden Menschen zum Zeitpunkt des Überrollens auch visuell wahrnehmen hätte müssen.

 

Es sind sohin keine Umstände hervorgekommen, welche die Bw im Bereich der subjektiven Tatseite entlasten  würden. Demnach hat die Bw die ihr zur Last gelegten Tatbestände auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. Die Schuldsprüche sind daher diesbezüglich zu Recht erfolgt.

 

5. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Durch das Nichtanhalten an der Unfallstelle, das Unterlassen der Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung sowie das Unterlassen der Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall wird die Aufklärung von Unfallsursachen wesentlich erschwert. Der Unrechtsgehalt dieser Übertretungen ist daher beträchtlich. Beim Verschulden ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

Für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen sieht § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 jeweils eine Mindeststrafe von 36 Euro und eine Höchststrafe von 2.180 Euro vor. Die von der Erstinstanz verhängten Geldstrafen wurden im untersten Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen Höchststrafe bemessen und sind in derart gelagerten Fällen als Untergrenze anzusehen.

Als mildernd für die Berufungswerberin wirkte sich ihre bisherige gänzliche Unbescholtenheit sowie die Tatsache aus, dass sie sich letztlich freiwillig der Polizei gestellt hat und somit zur Aufklärung des Verkehrsunfalles - wenn auch spät - beigetragen hat. Sonstige Milderungsgründe lagen nicht vor.

 

Bei Abwägung dieser Umstände und unter Berücksichtigung der von der Erstinstanz geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familieverhältnisse - monatliches Nettoeinkommen von ca. 800 Euro, keinen Sorgepflichten, Einfamilienhaus gemeinsam mit Gatten - welchen die Berufungswerberin nicht widersprochen hat, erscheinen die verhängten Strafen im Hinblick auf das nicht geringfügige Verschulden auch durchaus als notwendig.

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden und die Berufung war auch hinsichtlich der Strafhöhe abzuweisen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

 

 

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum