Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161311/2/Br/Ps

Linz, 03.05.2006

VwSen-161311/2/Br/Ps Linz, am 3. Mai 2006

DVR0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung des Herrn E I, c/o B W, betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft
Urfahr-Umgebung, vom 27. März 2006, Zl. VerkR96-538-2004-OJ/May, zu Recht:

I. Der Berufung wird im Punkt 1) mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird; im Punkt 2) wird die Geldstrafe auf 70,00 Euro und im Punkt 3) auf 50,00 Euro ermäßigt; die Ersatzfreiheitsstrafen werden in den Punkten 2) und 3) auf 40 und 30 Stunden ermäßigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.3 Z2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I
Nr. 117/2002 - VStG;

II. Im Punkt 1) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge; im Punkt 2) und 3) ermäßigen sich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf 7,00 und 5,00 Euro. Für das Berufungsverfahren entfallen Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1, § 65 VStG;

Entscheidungsgründe:

1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Berufungswerber drei Geldstrafen [1) 150 Euro, 2) 220 Euro und 3) 150 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 1) 60, 2) 84 u. 3) 60 Stunden] verhängt, weil er am 29.12.2003 um 11.45 Uhr als Lenker eines KFZ in Linz, 1) trotz Rotlichtes in eine Kreuzung eingefahren sei, 2) in der Folge bei einem dabei verursachten Verkehrsunfalls mit Sachschaden nicht angehalten und 3) es unterlassen habe hierbei die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.

2. Die Behörde erster Instanz stützt den Strafausspruch des seit dem Dezember 2003 zurückliegenden Ereignisses mit dem bloßen Hinweis auf § 19 VStG. Mildernd wurde die Unbescholtenheit des Berufungswerbers, erschwerend jedoch die Schadensannahme in der Höhe von 3.000 Euro gewertet.

3. In der dagegen fristgerecht ausdrücklich nur mehr gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung verweist der Berufungswerber auf sein hohes Lebensalter (86 Jahre) und sein Monatseinkommen in der Höhe von 1.000 Euro. Inhaltlich vermeint er abermals den Schaden nicht bemerkt zu haben und bittet unter Hinweis auf seine Aufwendungen für das "betreute Wohnen" das Strafausmaß auf ein Minimum zu reduzieren.

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der für die Berufungsentscheidung wesentliche Sachverhalt. Ergänzend wurde ein Auszug aus dem Führerscheinregister beigeschafft.

4. Da jeweils keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).

5. Auf den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch ist nicht mehr näher einzugehen, wobei die Entbehrlichkeit des behördlichen Hinweises, wonach "diese Übertretungen unter Strafsanktion gestellt sind" festzustellen ist, weil doch alle Regelverstöße gegen die StVO dem Sanktionssystem des § 99 unterworfen sind.

Festzuhalten gilt es auch, dass in der Anzeige des Zweitbeteiligten lediglich von der Vermutung einer Rotlichtfahrt die Rede ist. Laut Unfallgegner sei der Berufungswerber "möglicherweise bei Rotlicht" in die Kreuzung gerollt. Darauf war wohl ein für den Schuldspruch ausreichender Beweis nur schwer zu stützen. Ferner ist es unzulässig das angeblich von der gegnerischen Versicherung festgestellte Schadensausmaß am Fahrzeug des Unfallgegners als Kriterium für die Tatschuld heranzuziehen. Vielmehr scheint hier der Berufungswerber - aus welchen Gründen auch immer - subjektiv das Unfallereignis tatsächlich nicht bemerkt zu haben, sodass ihm bloß fahrlässige und nicht vorsätzliche Tatbegehung vorzuwerfen ist. Die logische Würdigung der Angaben des Berufungswerbers vom 7.1.2004 hätten wohl genauso zu dieser Beurteilung führen können, wobei in diesem Zusammenhang das daraus nicht als gesichert anzunehmende Verschulden des Berufungswerbers auf sich bewenden muss. Der Darstellung des Zweitbeteiligten kommt in diesem Zusammenhang objektiv besehen keine höhere Glaubwürdigkeit zu. Letztlich galt es jedoch nur zu beurteilen, ob der Vorfall bemerkt werden musste, was durch das Gutachten zu bejahen war.

Als entscheidungsrelevante Tatsache galt es hier aber festzustellen, dass hier die überlange Verfahrensdauer der Sphäre der Behörde erster Instanz zuzurechnen ist und insbesondere dies bei der Strafzumessung entsprechend zu berücksichtigen war.

Das per 5. Juli 2004 in Auftrag gegebene Amtsachverständigengutachten wurde insgesamt fünfmal urgiert, ehe seitens der Verkehrstechnik abermals ein am 26.2.2006 erstelltes Duplikat des Gutachtens der Behörde erster Instanz mit dem Hinweis übermittelt wurde, dieses bereits am 27.10.2004 übermittelt gehabt zu haben. Tatsächlich findet sich dieses mit 27. Oktober 2004 datierte Gutachten als Seite 18 im Akt, wobei es mit dem Eingangsstempel der Behörde erster Instanz vom 27.2.2006 versehen ist. In welchem Bereich das Gutachten letztendlich "auf der Strecke" geblieben war, ist dem Akt nicht zu entnehmen. Nicht anzunehmen ist, dass von der Verkehrstechnik beide Exemplare (auch das vom 27.10.2004) gleichzeitig übermittelt worden wären. Als Faktum gilt es in diesem Zusammenhang ferner festzustellen, dass die zahlreichen schriftlichen Urgenzen mit dem Bekenntnis zur wirkungsorientierten Verwaltung wohl nur schwer in Einklang zu bringen sind.

Erhebungen zu den Vermögensverhältnissen des zwischenzeitig 86-jährigen Berufungswerbers wurden nicht geführt. Wohl wurde mit einem Schreiben an den Berufungswerber vom 27.3.2006 diesem mitgeteilt, dass sein Einkommen auf 1.000 Euro geschätzt würde und von keinen Sorgepflichten und keinem Vermögen ausgegangen würde. Mit diesen Annahmen erklärte sich der Berufungswerber in einem Antwortschreiben vom 11.4.2006 einverstanden.

Daraufhin wurde das jetzt nur im Strafausspruch angefochtene Straferkenntnis erlassen.

Aus der Führerscheinevidenz ergibt sich, dass der Berufungswerber seit 26.5.2005 nicht mehr im Besitz der Lenkberechtigung B ist, wobei die Berechtigung durch Verzicht erloschen zu sein scheint.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen des § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Bei objektiver Beurteilung des Sachverhaltes muss festgestellt werden, dass sich hier die Behörde erster Instanz mit dem Spezifikum des Lebensalters des Berufungswerbers in keiner wie immer gearteten Form auseinandersetzte. Insbesondere hätten in Ansehung des Alters des Berufungswerbers Aspekte der subjektiven Tatschuld und zur Prävention zu einer wesentlich geringeren Strafe führen müssen. Dies insbesondere mit Blick auf das lange Zurückliegen der Tat und dem sich daraus ableitenden reduzierten Straf- und Verfolgungsbedarf. Der Nachweis der Rotlichtfahrt wurde lediglich in einem nicht wirklich nachvollziehbaren Schluss gezogen, ohne dass hierfür wirklich harte Fakten ins Treffen geführt werden hätten können. Unter spezifischen Umständen ergibt sich daher im Punkt 1) ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 VStG (vgl. dazu VwGH 27.2.1992, 92/02/0033).

Wie selbst aus dem Tenor des o.a. Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hervorleuchtet, zielt die Rechtsnorm auf eine zu ermöglichende Einzelfallgerechtigkeit ab.

Zur nunmehrigen Strafzumessung wird bemerkt, dass der zwischenzeitig 86-jährige Berufungswerber laut Aktenlage bislang offenbar unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat bzw. er als unbescholten gilt. Diese strafmildernd gewertete Tatsache hätte alleine mit Blick auf § 19 für sich schon zu einer geringeren Strafe führen müssen, d.h. lässt ein mehr als halbes Monatseinkommen als nicht sachgerecht erscheinen. Dies insbesondere mit Blick auf die spezifische Lebenssituation des Berufungswerbers der angesichts der erloschenen Lenkberechtigung wohl nicht mehr am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges teilnehmen wird. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der im hohen Lebensalter eines Menschen gelegene objektive Aspekt bei Strafaussprüchen nicht gänzlich ausgeblendet werden darf. Eine sich zu humanistischen Werten bekennende zivile Gesellschaft sollte in der Vollziehung der Gesetze die Würde des Alters nicht gänzlich unberücksichtigt lassen.

Zuletzt ist auch auf die der Judikatur des EGMR angelehnte Rechtsprechung zu verweisen. Demnach indiziert auch eine "unangemessen" lange Verfahrensdauer einen geringeren Verschuldensgrad iSd § 34 Abs.2 StGB (Hinweis auf die EB zur RV zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996, 33 BlgNR 20. GP; zum Zeitfaktor ausführlich in ZVR Okt. 2002, S 339, mit Hinweis auf VfGH 5.12.2001, B 4/01 und dort des EGMR 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 482; 29.5.1986, Deumeland, EuGRZ 1988, 20; 29.3.1989, Bock, A/150; 24.10.1989, H gg. Frankreich, EuGRZ 1987, 301). Die zwischenzeitig über eineinhalb Jahre zurückliegende Tat hätte wohl wesentlich früher durch eine tatschuldangemessene Strafe geahndet werden können.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Alter, Würde, Verfahrensdauer

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