Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161368/7/Sch/Hu

Linz, 12.07.2006

 

 

 

VwSen-161368/7/Sch/Hu Linz, am 12. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau N K (vormals D), vertreten durch Dr. L J K, Dr. J M, Rechtsanwälte und Strafverteidiger, vom 17.5.2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 25.4.2006, VerkR96-39-2005-WG/Pü, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 30.6.2006 zu Recht erkannt:

 

 

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass das im Spruch zitierte Fahrzeugkennzeichen zu lauten hat: ...

     

  2. Die Berufungswerberin hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 80 Euro (20 % der verhängten Geldstrafen) zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 iVm 62 Abs.4 AVG iZm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 25.4.2006, VerkR96-39-2005-WG/Pü, wurden über Frau N D (K), G, P, vertreten durch Dr. L J K, Dr. J M, Rechtsanwälte und Strafverteidiger, S, P, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl.Nr. 159/1960 idgF, 2) § 4 Abs.1 lit.a StVO iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO und 3) § 4 Abs.1 lit.c StVO iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO Geldstrafen von 1) 100 Euro, 2) 150 Euro und 3) 150 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 50 Stunden, 2) 84 Stunden und 3) 84 Stunden verhängt, weil sie am 23.12.2004 um 16.40 Uhr in der Gemeinde Eferding, Parkplatz des Kaufhauses Penny-Markt in Eferding, den Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen ... gelenkt habe. Dabei habe sie folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

1) Sie sei mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl sie auch dem Geschädigten ihren Namen und ihre Anschrift nicht nachgewiesen habe.

2) Sie sei mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.

3) Sie sei mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen.

 

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 40 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Eingangs ist festzuhalten, dass die Berufungswerberin anlässlich der oben erwähnten Berufungsverhandlung die Änderung ihres Familiennamens auf K bekannt gegeben hat, welcher Umstand bei der Ausfertigung der Berufungsentscheidung naturgemäß zu berücksichtigen war.

 

In der Sache selbst ist zu bemerken:

Unbestritten ist, dass die Berufungswerberin als Lenkerin des Pkw ihres Adoptivvaters, der zum Vorfallszeitpunkt Beifahrer war, das Fahrzeug aus einer Abstellfläche des Parkplatzes des Penny-Marktes in Eferding rückwärts ausgeparkt hat. Ebenso unbestritten ist, dass ihr und auch ihrem Beifahrer bei diesem Manöver bewusst war, dass sie hiebei recht nahe an ein weiteres Fahrzeug herangekommen sind. Allerdings gehen die Aussagen der beiden und jene eines weiteren Zeugen, die noch zu würdigen sein wird, dahingehend auseinander, als letzterer davon ausgegangen ist, dass die Berufungswerberin an einem abgestellten Fahrzeug angefahren wäre. Diese stellt einen solchen Vorgang jedoch in Abrede.

 

Der erwähnte Zeuge E A ist anlässlich der Berufungsverhandlung, welche mit einem Lokalaugenschein verbunden war, zeugenschaftlich einvernommen worden. Seine Aussage lautet in den wesentlichen Punkten wie folgt:

 

"Ich kann mich an den heute abzuhandelnden Vorfall noch erinnern. Ich stand am Vorfallstag vor dem Penny Markt in Eferding einige Meter rechts vom Eingang in Richtung Eingang betrachtet. Ich rauchte gerade eine Zigarette. Das Fahrzeug der heutigen Bw, ein Mercedes, stand auf einem der Parkflächen des Parkplatzes des Penny Marktes. Ganz genau weiß ich das heute nicht mehr, jedenfalls war es die vierte oder fünfte Parkfläche rechtsseitig des Penny Marktes in Richtung Schaumburgerstraße. Das Fahrzeug war nach vorne in Richtung dieser Straße eingeparkt. Ich bekam mit, dass die Lenkerin eine weibliche Person war. Der Mercedes wurde nach rückwärts von der Parkfläche wegbewegt in Richtung der dahinter befindlichen Parkfläche, die in einem Winkel von 90 Grad zu der erwähnten angeordnet ist. Auf einer dieser Parkflächen, glaublich die erste oder zweite, stand ein Geländewagen abgestellt. Der Fahrzeugbesitzer war mir vom Sehen her bekannt. Der Geländewagen war in der Parkfläche rückwärts eingeparkt, dh mit der Front in Richtung Kaufhauseingang. Bei der Rückwärtsfahrt muss die Lenkerin des Mercedes an dem erwähnten Fahrzeug angestoßen sein. Dieses bewegte sich nämlich in Form von seitlichen Schaukelbewegungen. Ein Anstoßgeräusch habe ich nicht wahrgenommen. Die Lenkerin fuhr wie gesagt rückwärts aus ihrer Parkfläche heraus und hatte nach rechts eingeschlagen, zuvor glaublich aber relativ gerade. Sie muss dabei an der Frontpartie des abgestellten Fahrzeuges seitlich angekommen sein. Es fand nur eine ganz minimale Schaukelbewegung des abgestellten Fahrzeuges statt. Es kann durchaus sein, dass die Lenkerin das gar nicht mitbekommen hat. Die Berührung muss vom Mercedes aus betrachtet an dessen linken Hinterseite erfolgt sein. Die Lenkerin hatte kurz angehalten und fuhr dann nach links hinaus aus dem Parkplatz.

Der mir flüchtig bekannte Fahrzeugbesitzer kam zu diesem Zeitpunkt aus dem Penny Markt heraus und ich hörte, wie sein Sohn sagte, dass er bemerkt hätte, dass sich das Fahrzeug bewegt hätte. Ich hatte schon kurz vorher zum Fahrzeugbesitzer gesagt, dass ich gesehen hätte, dass jemand an seinem Fahrzeug angefahren sein könnte. In diesem Moment äußerte auch der Sohn, dass er eine Bewegung gesehen habe. Wir gingen zusammen zum Fahrzeug. Wir hielten Nachschau und bemerkten einige Kratzer auf dem sog. Kuhfänger vorne am Fahrzeug."

 

Der erwähnte Lokalaugenschein hat ergeben, dass vom Standort des Zeugen aus nur eine relativ kurze Distanz von wenigen Metern zum Abstellort des zweitbeteiligten Fahrzeuges bestand. Dabei war es dem Zeugen zwar nicht möglich, die Anstoßstellen direkt wahrzunehmen, seine Schlussfolgerung, dass aufgrund der Bewegung des abgestellten Fahrzeuges ein solcher erfolgt sein muss, kann mit einer auch nur halbwegs schlüssigen Beweiswürdigung nicht widerlegt werden. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung bewegt sich ein abgestelltes Fahrzeug ohne Insassen bekanntlich nicht ohne Grund. Dazu kommt noch, dass die erfolgte Nachschau mit dem Fahrzeugbesitzer auch entsprechende Lackschäden an der nahe liegenden Anstoßstelle zutage gebracht hat.

 

Unerheblich sowohl im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen als auch auf die Beurteilung des Sachverhaltes an sich ist der Umstand, ob das Fahrzeug der Berufungswerberin, wie von ihr und vom zeugenschaftlich einvernommenen Adoptivvater behauptet, allenfalls nicht auf einer zum Parken vorgesehenen Fläche, sondern vor dem Lieferanteneingang, also näher beim Marktgebäude, abgestellt war, bevor es rückwärts weg gelenkt wurde.

 

Die festgestellten Schäden wurden schon in einem von der Erstbehörde eingeholten Sachverständigengutachten als dem Vorgang zuzuordnen beurteilt. Auch die Frage der Wahrnehmbarkeit des Anstoßes für die Berufungswerberin wurde aus fachlicher Sicht bejaht. Dass am von der Berufungswerberin gelenkten Fahrzeug keine Schäden festgestellt werden konnten, schließt nicht aus, dass die Beschädigung am zweitbeteiligten Fahrzeug doch von einem Anstoß dieses Fahrzeuges stammen können.

 

In rechtlicher Hinsicht ist zu bemerken, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht von einem Sachschaden im Sinne des § 4 StVO 1960 gesprochen werden kann, wenn durch die Berührung der Fahrzeuge nur ein Gummiabrieb (ohne Lackschaden oder bleibende Verformung der Karosserie) entstanden ist (VwGH 20.1.1984, 82/02/0022).

 

Dies setzt naturgemäß voraus, dass der dam Fahrzeug zurückgebliebene Lack- oder Gummiabrieb durch Polieren entfernt werden kann. Im gegenständlichen Fall ist aber am zweitbeteiligten Fahrzeug nicht ein Abrieb auf dem Lack verblieben, sondern wurde dieser selbst abgerieben, sodass durch eine Politur der Schaden nicht beseitigt werden kann. Damit liegt entgegen der Ansicht des Berufungswerbers sehr wohl ein Sachschaden vor. Die Berufungsbehörde bezweifelt auch nicht, dass der Fahrzeugbesitzer zutreffende Angaben gemacht hat und nicht einen Altschaden auf diese Weise ersetzt bekommen wollte. Für eine derartige Annahme sind nicht die geringsten Anhaltspunkte vorhanden.

 

Des weiteren ist zu bemerken, dass gerade Rückwärtsfahrmanöver einen besonderen Grad an Aufmerksamkeit des Lenkers erfordern. Bei beengten Verhältnissen auf einem Kaufhausparkplatz gilt das noch in einem erhöhten Maß. Der Berufungswerberin und ihrem Beifahrer war aufgrund ihrer Angaben bei der Berufungsverhandlung auch durchaus bewusst, dass es knapp werden könnte. Der Berufungswerberin wäre es daher zuzumuten gewesen, dass sie, hätte sie die erforderliche Aufmerksamkeit an den Tag gelegt, den Anstoß an das zweitbeteiligte Fahrzeug, der nach der Beweislage (und hier wird auf die Aussage des eingangs erwähnten Zeugen verwiesen) stattgefunden haben muss, auch wahrnehmen hätte können. Begnügt man sich beim Rückwärtsfahren nicht nur mit einem Blick in den Außenspiegel, sondern blickt man durch die Heckscheibe bzw. die entsprechende Seitenscheibe, dann kann man ohne allfällige Beeinträchtigung durch die Wirkung der üblichen Konvexspiegel genau erkennen, ob ein Fahrzeug, an das man knapp herangefahren ist, eine Schaukelbewegung durchführt. Wenn diese von einem einige Meter entfernten Zeugen wahrgenommen wurde, kann erwartet werden, dass dies bei gehöriger Aufmerksamkeit erst recht der Berufungswerberin möglich gewesen wäre.

 

Voraussetzung für die Verpflichtungen nach § 4 StVO 1960 ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417).

 

Im gegenständlichen Fall sind, wie oben ausgeführt, beide Voraussetzungen erfüllt.

 

Nach Ansicht der Berufungsbehörde kann es bei den Verpflichtungen nach § 4 StVO 1960 nicht darum gehen, vor Ort quasi 100%ige Gewissheit von einem Verkehrsunfall zu haben, damit diese gelten. Die Fragen, ob einem zweitbeteiligten Lenker, etwa durch vorschriftswidriges Abstellen seines Fahrzeuges, ein Mitverschulden am Unfall trifft, ob ein Altschaden vorliegt, der zwar auf den ersten Blick korrespondierend ist, dann aber doch aufgrund genauerer Ermittlungen als nicht verursacht ausgeschieden werden kann, sind nicht Regelungsinhalt des § 4 StVO 1960, sondern werden erst später, möglicherweise in anschließenden Gerichtsverfahren, zu klären sein. Liegt augenscheinlich ein Sachschaden vor, dessen Zustandekommen von vornherein, weil die Beschädigung am Fahrzeug ganz offensichtlich, etwa aufgrund ihrer Lage, nicht mit dem Vorgang in Verbindung zu bringen ist und hatte der unfallbeteiligte Lenker durch gehörige Aufmerksamkeit Gelegenheit, den Anstoß wahrzunehmen, so treffen ihn die Verpflichtungen der erwähnten Gesetzesstelle. Alles andere ist Sache der nachfolgenden Ermittlungen und Verfahren.

 

Im Hinblick auf die Strafbemessung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen. Die verhängten Geldstrafen bewegen sich im untersten Bereich der jeweiligen Strafrahmen, sodass sie schon aus diesem Grund nicht als überhöht angesehen werden können.

Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 ist ein mehrfacher. Insbesondere sollen hiedurch mögliche weitergehende Folgen eines Verkehrsunfalles hintangehalten, die Ursachen eines solchen möglichst umgehend ermittelt werden können, aber auch soll ein Unfallgeschädigter in die Lage versetzt werden, ohne unverhältnismäßigen Aufwand davon Kenntnis zu erlangen, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinander zu setzen haben wird. Der Unrechtsgehalt von Übertretungen des § 4 StVO 1960 muss daher als erheblich angesehen werden, worauf bei der Strafbemessung anhand der Kriterien des § 19 Abs.1 VStG Bedacht zu nehmen ist.

 

Zudem kommt der Berufungswerberin keinerlei Milderungsgrund zugute, insbesondere jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht.

 

Wenngleich die Berufungswerberin ihren eigenen Angaben zufolge derzeit in eingeschränkten finanziellen Verhältnissen lebt und lediglich über ein Karenzgeld in der Höhe von ca. 600 Euro monatlich verfügt, muss ihr die Bezahlung der verhängten Geldstrafen zugemutet werden. Über Antrag kann durch die Erstbehörde die Bezahlung im Ratenwege bewilligt werden.

 

Bei der Anführung des Fahrzeugkennzeichens im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist der Erstbehörde ein offenkundiger Schreibfehler unterlaufen, zu deren Berichtigung im Sinne des § 62 Abs.4 AVG auch die Berufungsbehörde befugt war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

 

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 30.10.2006, Zl.: 2006/02/0251-3

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