Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-161436/15/Bi/Jo

Linz, 31.07.2006

 

 

 

VwSen-161436/15/Bi/Jo Linz, am 31. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn M R vertreten durch RA Dr. E B, vom 21. Juni 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom 19. Juni 2006, VerkR96-8003-2006, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 26. Juli 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960 eine Geldstrafe von 436 Euro (5 Tagen EFS) verhängt, weil er am 14. April 2006 um 17.00 Uhr das Motorfahrrad mit dem Kennzeichen KI-1AIR im Gemeindegebiet von Molln auf der Nationalparkallee vor dem Haus Nr. 1 gelenkt habe, obwohl der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l betragen habe, da ein um 18.04 Uhr durchgeführter Alkotest einen AAG von 0,7 mg/l ergeben habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 43,60 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 26. Juli 2006 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines rechtsfreundlichen Vertreters RA Dr. B und der Zeugen R S, M L, M M und Meldungsleger RI K K (Ml) durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsverhandlung umfasste sowohl die Berufung gegen das Straferkenntnis als auch die Berufung gegen das Lenkverbot und die Anordnung einer Nachschulung. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe die von ihm beantragten Zeugen nicht einvernommen. Er habe erst nach seinem Eintreffen im F sechs Halbe Bier, die zuvor gekauft worden waren, getrunken und sein Moped nachher, insbesondere um 17.00 Uhr, nicht mehr gelenkt. Die von der Erstinstanz zitierte Judikatur des VwGH, wonach der Betroffene auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit hinzuweisen habe, sei bei einem erwachsenen Lenker durchaus zutreffend, nicht aber bei einem jugendlichen Mofalenker. Es entspreche durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich ein jugendlicher Verkehrsteilnehmer nicht traue, von sich aus Angaben über einen Nachtrunk, noch dazu in einem solchen Ausmaß, gegenüber dem Polizeibeamten zu machen. Es müsse ihm daher Gelegenheit gegeben werden, den Nachtrunk auch nachher noch zu beweisen. Dazu habe die Erstinstanz kein Beweisverfahren geführt.

Tatort und Tatzeit seien nicht ausreichend konkretisiert, es gäbe keinen Beweis für die angebliche Lenkzeit 17.00 Uhr. Auch erhebe sich die Frage, ob es sich bei der Nationalparkallee 1 um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle und ob der Polizeibeamte überhaupt berechtigt zu einer solchen Amtshandlung gewesen sei. Beantragt wird eine mündliche Berufungsverhandlung, jedenfalls aber Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, vor der vom erkennenden Mitglied die im Spruch angegebene Örtlichkeit besichtigt wurde, und bei der der Bw und sein rechtsfreundlicher Vertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz im angefochtenen Straferkenntnis berücksichtigt und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Ml erfuhr am 14. April 2006 um 17.00 Uhr im Zuge einer dienstlichen Tätigkeit in Frauenstein von einem anonymen Anruf, der bei der Bezirksleitstelle eingegangen war und bei dem sich jemand beschwert habe, dass beim F in Molln offenbar ein Betrunkener mit dem Mofa herumfahre, wobei auch das Kennzeichen das Mofas konkret genannt wurde. Der Anruf konnte trotz seiner Nachfrage nicht jemandem Bestimmten zugeordnet werden.

Da aufgrund der dortigen örtlichen Situation - das Haus für betreutes Wohnen ist in der Nationalparkallee unmittelbar gegenüber einem offenen Parkhaus an der Feuerwehrzufahrt zum Nationalparkzentrum situiert, sodass es dort mehrmals pro Woche zu Beschwerden von Bewohnern wegen von Jugendlichen, die im F ihren Treffpunkt haben, verursachten Lärms kommt - für den Ml anonyme Anrufe nicht selten sind, beendete er seine Tätigkeit in Frauenstein und traf gegen 17.30 bis 17.45 Uhr in der Nationalparkallee ein, wo er neben mehreren Jugendlichen, die auch Bierflaschen in der Hand hatten, das Mofa mit dem ihm genannten Kennzeichen abgestellt vorfand.

Auf seine Nachfrage erschien der Bw, der im angrenzenden Bereich Fußball gespielt hatte, und bestätigte, ihm gehöre dieses Mofa und er sei damit hergefahren. Auf die konkrete Frage des Ml, ob er überhaupt bzw seit er hergefahren sei, alkoholische Getränke zu sich genommen habe, antwortete der Bw, er habe zu Mittag eine Halbe Bier zum Essen getrunken, danach nichts mehr, insbesondere nicht nach seinem Eintreffen beim F, und er sei auch nicht um 17.00 Uhr dort herumgefahren. Er verneinte auch, dass er Streit mit jemandem gehabt hätte.

Da der Bw augenscheinlich alkoholisiert war, forderte ihn der Ml auf, zur PI Molln zwecks Durchführung eines Alkotests mitzufahren. Der bei der PI Molln laut Messstreifen um 18.04 und 18.06 Uhr mit dem Alkotestgerät Dräger Alcotest 7110A, SerienNr.ARLM-422, durchgeführte Alkotest ergab jeweils einen Wert von 0,7 mg/l AAG. Darauf angesprochen, dass bei der angegebenen Halben Bier der erzielte Messwert unrealistisch sei, blieb der Bw bei seinen Trinkangaben. Der Ml nahm ihm daraufhin den Mopedausweis vorläufig ab.

In der Verhandlung hat der Ml dargelegt, er habe zunächst angenommen, dass der anonyme Anruf von Bewohnern des betreuten Wohnens ausgegangen sei. Da so etwas öfter vorkomme, der F aber als Treffpunkt der Jugendlichen gedacht sei, gebe es da öfter Probleme, weshalb er sich nicht besonders beeilt habe. Andererseits hätte ihn irritiert, dass beim Anruf - die Bezirksleitzentrale habe ihm den Anrufer nicht näher beschreiben können - das Kennzeichen genannt worden sei, weil er nicht annehme, dass die Bewohner des betreuten Wohnens ein kleines Mopedkennzeichen im Vorbeifahren ablesen könnten; außerdem hätten solche Anzeigen nie auf ein Kennzeichen gelautet. Er habe daher vielmehr angenommen, dass entweder der Bw mit jemandem Streit gehabt habe - der Bw hat das auf seine ausdrückliche Frage abgestritten - oder dass es Zwistigkeiten zwischen türkischen und österreichischen Jugendlichen gebe, auch das sei schon vorgekommen. Er habe jedenfalls daraus geschlossen, dass es der anonyme Anzeiger auf den Bw abgesehen gehabt habe. Da dieser auch augenscheinlich alkoholisiert gewesen sei, habe er ihn auch ausdrücklich nach einem Alkoholkonsum nach dem Herfahren befragt, den dieser ebenfalls abgestritten habe. Hätte der Bw ihm gegenüber Alkoholkonsum nach dem Herfahren bestätigt, hätte er ihn nicht zum Alkotest aufgefordert, weil er ihm dann ohnehin nichts beweisen hätte können.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind die Angaben des Bw über einen Alkoholkonsum von sechs Flaschen Bier in knapp eineinviertel Stunden - mehr bleibt zwischen 16.15 Uhr, wenn man von der Richtigkeit der vorgelegten Rechnung ausgeht, und dem Eintreffen des Ml beim F um ca 17.30 Uhr nicht übrig - unglaubwürdig. Zum einen müsste einem Inhaber eines Mopedausweises, der diesen bei einer Fahrschule nach einer entsprechenden Prüfung erworben hat, klar sein, dass nach dem Lenken konsumierter Alkohol vom späteren Atemalkoholwert abzuziehen ist, und dies umgehend einwenden - dass er sich für seinen hohen Alkoholisierungsgrad geschämt hat, wäre noch einigermaßen verständlich, jedoch gänzlich unlogisch im Hinblick auf den Tatvorwurf. Die vorgelegte Rechnung des Sparmarktes Molln ist naturgemäß nicht auf Namen ausgestellt, sodass nicht beweisbar ist, dass der Bw diesen Kauf getätigt hat. Abgesehen davon konnte der Bw in der Verhandlung zu dieser Rechnung "grundsätzlich nichts sagen", was die Frage aufwirft, warum sie von seinem rechtsfreundlichen Vertreter überhaupt vorgelegt wurde, wenn sie der Bw angeblich gar nicht kennt und auch nicht geklärt werden konnte, ob das eine Kassenabrechnung des Sparmarktes ist oder eine Rechnung eines einzelnen Käufers. So gesehen könnte das auch eine Rechnung sein, die jemand im Sparmarkt liegen gelassen hat und auf der zufällig ein als Verantwortung des Bw tauglicher Posten aufscheint.

Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass ein Beweis dafür, dass der Bw tatsächlich um 17.00 Uhr sein Mofa gelenkt hat, nicht vorhanden ist. Seine Freunde R S und M L haben erwartungsgemäß seine Aussagen bestätigt. Der wohl irrtümlich beantragte Zeuge Michael Moser kam erst nach dem Wegfahren des Bw zur Polizeiinspektion Molln und wusste vom Vorfall nur aus Erzählungen.

Zur Verifizierung der Anschuldigung, der Bw sei um 17.00 Uhr beim F mit seinem Moped herumgefahren, hätte es der zeugenschaftlichen Einvernahme des anonymen Anzeigers bedurft, der sich einer Überprüfung seiner Beweggründe für die Anzeige wohlweislich entzogen hat. Die Überlegungen des Ml im Hinblick auf den anonymen Anzeiger sind wesentlich, zumal tatsächlich nicht auszuschließen ist, dass dieser dem Bw persönlich eins auswischen wollte und deshalb ausgerechnet das Kennzeichen des auf ihn zugelassenen Mofas angegeben hat, obwohl auch der Zeuge Steiner mit seinem Fahrzeug beim F war. Wäre der Anzeiger nach Überprüfung glaubwürdig, wäre der Rechtsauffassung der Erstinstanz, der Bw habe sofort von sich aus auf einen eventuellen Nachtrunk hinzuweisen und nachträgliche Aussagen seien unbeachtlich, zu folgen gewesen. Eine anonyme Anzeige befreit die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den Tatvorwurf objektiv nachzuweisen - im gegenständlichen Fall ist das nicht möglich, weshalb in rechtlicher Hinsicht gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG wegen Nichterweisbarkeit ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

Tatvorwurf 17.00 Uhr wegen anonymer Anzeige nicht erweisbar à Einstellung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum