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VwSen-200010/12/Gu/Bf

Linz, 10.04.1992

VwSen - 200010/12/Gu/Bf Linz, am 10. April 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des E gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 12. August 1991, Agrar96-157/1990, wegen Übertretung des O.ö. Klärschlammgesetzes zu Recht erkannt:

1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. § 24 VStG, §§ 44 a Z.1 und 45 Abs.1 Z.1 VStG, § 16 Abs.1 Z.1 O.ö. Klärschlammgesetz.

2. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat den Berufungswerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis als Bürgermeister der Gemeinde St. K schuldig erkannt, es verantworten zu müssen, daß seit 1.1.1990 bis 20.11.1990 31 Kubikmeter Klärschlamm aus der Abwasserreinigungsanlage der Gemeinde ausgebracht und vorsätzlich widerrechtlich auf landwirtschaftliche Nutzfläche aufgebracht worden seien, obwohl auf landwirtschaftlichen Kulturflächen nur Klärschlamm aus Lagerstätten einer Abwasserreinigungsanlage ausgebracht werden darf, für den im Zeitpunkt der Abgabe des Klärschlammes eine entsprechende, von der Behörde ausgestellte gültige Eignungsbescheinigung vorliegt.

Wegen Verletzung des § 3 Abs.1 i.V.m. § 16 Abs.1 Z.1, 2, 5 und 7 des O.ö. Klärschlammgesetzes, LGBl.Nr. 62/1989, wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe von 500 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 50 S auferlegt.

Begründend führt die belangte Behörde aus, daß der strafbare Tatbestand von einem Organ des Amtes der O.ö. Landesregierung festgestellt worden sei.

Bei der Strafbemessung wertete die belangte Behörde mildernd, daß die Gemeinde St. K sich vor Inkrafttreten des Klärschlammgesetzes um eine entsprechende Verwertung des Klärschlammes bemüht habe und für den nunmehr anfallenden Klärschlamm die Eignungsbescheinigung erwirkt habe. Erschwerende Umstände wurden nicht angenommen.

In seiner Berufung macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß das O.ö. Klärschlammgesetz zum Zeitpunkt der Beschlußfassung der Gemeinde über die Abgabe des Klärschlammes noch nicht gegolten habe, im übrigen sei eine vom Amt der O.ö. Landesregierung, Kläranlagenüberwachung, zur Zahl BauW IV vom 7. Juli 1989 ausgestellte Eignungsbescheinigung für die Ausbringung des Klärschlammes der Kläranlage St. K zur landwirtschaftlichen Verwertung vorgelegen. Diese beziehe sich auf eine Probennahme vom 22. Mai 1989. Diese Eignungsbescheinigung weise keine Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf. Vom informierten Gemeindesekretär habe er die Auskunft erhalten, daß die gesetzliche Frist zur Wiederholung der Untersuchung des Klärschlammes zwei Jahre betrage, er habe dementsprechend 1991 den Klärschlamm auf die Eignung zur landwirtschaftlichen Ausbringung untersuchen lassen und habe diese Untersuchung wiederum die Eignung erbracht. Aus dem gesamten Berufungsvorbringen leuchtet hervor, daß sich der Rechtsmittelwerber keines Verschuldens bewußt ist. Aus diesem Grunde begehrt er dem Sinne nach die Aufhebung der Bestrafung und die Einstellung des Verfahrens.

Aufgrund der Berufung wurde am 10. Jänner 1992 die öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuziehung der Parteien abgehalten und zur Ergänzung der Beweisaufnahme am 1. April 1992 fortgesetzt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Beschuldigten, Befragung des Vertreters der belangten Behörde, Einsichtnahme in die Eignungsbescheinigung des Amtes der O.ö. Landesregierung betreffend die Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftliche Flächen vom 7. Juli 1989, BauW-IV Kläranlagenüberwachung betreffend die Probennahme am 22. Mai 1989 in die Klärschlammanalyse des Amtes der O.ö. Landesregierung, Unterabteilung Gewässerschutz, betreffend die Probennahme am 20. November 1990, in den Untersuchungsbericht der Bundesanstalt für Agrarbiologie vom 30. April 1991, betreffend die Klärschlammprobe vom 8. April 1991 in den Schlammerhebungsbogen 1990, betreffend die Kläranlage St. K und in den Aktenvermerk über die Auskunft des Gemeindesekretärs der Gemeinde St. K vom 6. März 1992.

Demnach ist folgender Sachverhalt erwiesen und unstrittig:

Der Beschuldigte war im Jahre 1990 Bürgermeister der Gemeinde St. K und damit nach der O.ö. Gemeindeordnung das zur Vertretung der Gemeinde nach außen berufene Organ. Die Gemeinde St. K betreibt über diese Zeit hinausreichend eine Abwasserreinigungsanlage, bei der Klärschlamm anfällt. Die Gemeinde St. K hat unter der Leitung des Vorbezeichneten am 22. Mai 1989 eine Analyse des Klärschlammes durchführen lassen, wozu vom Amt der O.ö. Landesregierung, BauW-IV, am 7. Juli 1989 eine Eignungsbescheinigung des Klärschlammes zur landwirtschaftlichen Verwertung ohne Begrenzung einer Gültigkeitsdauer mit der Maßgabe erging, daß die Ausbringungsmenge von 100 Kubikmeter pro Hektar und Jahr auf Acker und 50 Kubikmeter pro Hektar und Jahr auf Wiese nicht überschritten werden darf.

Anläßlich einer Nachschau von Organen des Amtes der O.ö. Landesregierung, Unterabteilung Gewässerschutz, Kläranlagenüberwachung am 20. November 1990 stellten die Bediensteten fest, daß Klärschlamm aus dieser Anlage an Landwirte zur Aufbringung auf landwirtschaftliche Flächen entnommen worden ist, nahmen selbst Proben des Klärschlammes und führten eine Analyse darüber durch, welche bezüglich des Schadstoffgehaltes zu keinen besonderen Bemerkungen Anlaß gab. Die Bediensteten vermeinten, daß für die Abgabe des Klärschlammes keine gültige Eignungsbescheinigung vorliege und erstatteten bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, der belangten Behörde, Anzeige wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung.

Der Gemeinderat St. K hatte noch im Jahr 1989 vor dem Wirksamwerden des O.ö. Klärschlammgesetzes offenbar unter Zugrundelegung der Eignungsbescheinigung vom 7. Juli 1989 beschlossen, daß im Jahre 1990 wiederum Klärschlamm an die Landwirte abgegeben wird. Der Gemeindesekretär war von einer Amtsperson informiert, daß nach der mit 7. Juli 1989 datierten Eignungsbescheinigung im Zweijahresintervall eine weitere Untersuchung des Klärschlammes notwendig sei. Dies teilte er dem Bürgermeister, dem Beschuldigten, mit.

Aufgrund dessen wurde am 8. April 1991 der Klärschlamm von der Bundesanstalt für Agrarbiologie untersucht. Der hiezu ergangene Untersuchungsbericht datiert mit 30. April 1991, weist keine Grenzwertüberschreitungen bezüglich der O.ö. Klärschlammverordnung aus.

Aus dem Klärschlammerhebungsbogen 1990 der Kläranlage St. K ergibt sich, daß am 16. Jänner 1990 22 Kubikmeter, am 17. Jänner 1990 26 Kubikmeter und am 18. August 1990 32,5 Kubikmeter Schlamm abgegeben wurden.

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat aus der Anzeige den Schluß gezogen, daß darunter die Tatbestände des § 3 Abs.1 i.V.m. § 16 Abs.1 Z.1, 2, 5 und 7 des O.ö. Klärschlammgesetzes, LGBl.Nr. 62/1989, verwirklicht worden seien, wofür der Beschuldigte als Bürgermeister einzustehen habe. Zu diesem Sachverhalt war rechtlich zu erwägen:

Gemäß § 16 Abs.1 des O.ö. Klärschlammgesetzes, LGBl.Nr. 62/1989, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unter anderem Klärschlamm entgegen § 3 Abs.1 zur Ausbringung abgibt oder entgegen dem § 3 Abs.1 oder § 4 Abs.1 ausbringt, Bodenuntersuchungen gemäß § 4 Abs.1, Abs.2 1.Satz oder Abs.3 nicht veranlaßt, ferner als Betreiber einer Abwasserreinigungsanlage den Bestimmungen des § 7 über Abgabe von Klärschlamm zuwiderhandelt. Darüber hinaus ist auch strafbar, wer den in Verordnungen oder Bescheiden, welche auf Grund dieses Gesetzes erlassen wurden, enthaltenen Geboten oder Verboten zuwiderhandelt.

Das Landesgesetz trat hinsichtlich der sachverhaltsrelevanten Bestimmungen am 1. Jänner 1990 in Kraft.

Gemäß § 17 Abs.4 leg.cit. ist auf Klärschlamm von im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesgesetzes bestehenden Abwasserreinigungsanlagen § 3 mit Ausnahme des § 3 Abs.4 Z.1 anzuwenden, wenn für diesen Klärschlamm der Eignungsbescheinigung gemäß § 3 vergleichbare Befunde bereits vorliegen.

Das O.ö. Bodenschutzgesetz 1991, LGBl.Nr. 115/1991, wirksam bezüglich der verfahrensrelevanten Teile mit 1. Jänner 1992, hat das O.ö. Klärschlammgesetz abgelöst.

In den Übergangsbestimmungen (§ 51 Abs.6 O.ö. Bodenschutzgesetz 1991) ist normiert, daß Verwaltungsstrafverfahren nur dann nach den neuen Vorschriften zu führen sind, wenn dies für den Beschuldigten günstiger ist. Die korrespondierende Strafbestimmung im O.ö. Bodenschutzgesetz ist im § 49 umschrieben, der zu prüfende Tatbestand ist ebenfalls mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu ahnden. Demnach ist die neue Rechtslage gleich günstig und bildeten die alten Vorschriften den Beurteilungsmaßstab.

Der Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis lautet auf vorsätzliche und widerrechtliche Ausbringung von Klärschlamm in der Zeit vom 1. Jänner 1990 bis 20. November 1990 auf landwirtschaftliche Nutzflächen ohne gültige Eignungsbescheinigung.

Eine Verbindung der verletzten Rechtsvorschriften von § 3 Abs.1 mit § 16 Abs.1 Z.2, 5 und 7 ist in sich widersprüchlich. Tatbilder nach § 16 Abs.1 Z.2, 5 und 7 sind in der Umschreibung der Tat nicht enthalten. Darauf ist daher weiter nicht einzugehen.

Zweifellos war die Eignungsbescheinigung des Amtes der O.ö. Landesregierung vom 7. Juli 1989 als vergleichbarer Befund im Sinne des § 3 des O.ö. Klärschlammgesetzes anzusehen. Ungeachtet der Frage, ob durch die Formulierung in der Übergangsvorschrift (§ 17 Abs.4 O.ö. Klärschlammgesetz) die Wiederholungsuntersuchung im Sinne des § 3 Abs.4 Z.2 lit.b O.ö. Klärschlammgesetz bereits innerhalb Jahresfrist zu wiederholen war, was von der ratio legis naheliegt - oder der Begriff "in den Folgejahren" nicht doch anknüpfend an Z.1 des Abs.4 der zitierten Norm nach Ablauf der ersten zwei Jahre bedeuten kann - (der Gesetzgeber ist gerufen bei Strafnormen, die gegenüber den Rechtsunterworfenen einen besonderen Vertrauensschutz gewährleisten müssen, sich einer klaren Sprache zu bedienen) blieb der Tatvorwurf nicht ausreichend umschrieben, zumal die Ausbringung von 22 Kubikmeter am 16. Jänner 1990 und von 26 Kubikmeter am 17. Jänner 1990 jedenfalls rechtmäßig war.

Wenn überhaupt, hätte sich der Tatvorwurf konkret auf den 18.8.1990 und zwar in einem Ausmaß von 32,5 Kubikmeter Klärschlamm beziehen müssen. Darüber hinaus steht kein vorsätzliches Handeln fest.

Stand nicht einmal eine exakt faßbare Tat zur Prüfung heran, konnte dem Beschuldigten im Hinblick auf die Sachverhaltsfeststellungen auch keine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden.

Eine Umkehr der Beweislast im Sinne des § 5 Abs.1 2. Satz VStG griff nicht Platz, weil das O.ö. Klärschlammgesetz keinen Vorläufer mit analogen Strafbestimmungen besitzt, welcher auf den innerstaatlichen Geltungsbeginn der EMRK zurückreicht. Im Lichte der Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes ist in einen solchem Fall die Ahndung von Straftaten durch Tribunale vorzunehmen.

Nachdem der Vorbehalt Österreichs zu Artikel 6 EMRK nicht greift, bleibt für eine Umkehr der Beweislast in einem fairen Verfahren (vgl. Abs.1 und die Unschuldvermutung des Abs.2 der im Verfassungsrang stehenden Konvention) kein Raum.

Aus all diesen Gründen war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Dadurch entfiel für den Beschuldigten die Pflicht, zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten und zu den Kosten des Berufungsverfahrens Beiträge zu leisten (§§ 65 und 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer 6

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