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VwSen-200211/2/Kl/La

Linz, 18.07.2000

VwSen-200211/2/Kl/La Linz, am 18. Juli 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des O, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. Mai 2000, Agrar96-3-2000-Kb, wegen Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG und § 71 Abs.1 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18.5.2000, Agrar96-3-2000-Kb, wurde der Antrag des Berufungswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14.4.2000, Agrar96-3-2000-Kb, abgewiesen. In der Begründung wurde dargelegt, dass ein Versehen der Kanzleibediensteten bei der Eintragung des Termins in den Kalender dem Rechtsanwalt zuzurechnen sei, wegen mangelnder Kontrolle kein minderer Grad des Verschuldens vorliege und im Übrigen die Einspruchsfrist nicht richtig berechnet worden sei.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und diese damit begründet, dass der Rechtsvertreter darauf vertrauen durfte, dass die Konzipientin für eine ordnungsgemäße Eintragung der Rechtsmittelfrist Sorge trägt. Der Fall sei mit der Konzipientin besprochen worden und die Vorgangsweise festgelegt worden und auf Grund des übergebenen RSa-Briefes das Ende der Rechtsmittelfrist besprochen worden. Der den Rechtsfall übernimmt, hat für die Eintragung der Fristen im Kalender zu sorgen. Auf Grund der langjährigen Zusammenarbeit sei es geboten, die Konzipientin selbständig arbeiten zu lassen und sei daher das Verschulden der Konzipientin nicht schlechthin einem Verschulden des Rechtsanwaltes gleichzusetzen. Die Konzipientin treffe aber kein Verschulden, weil sie wegen eines plötzlichen Arztbesuches übersehen hatte, die Eintragung der Rechtsmittelfrist zu kontrollieren. Im Übrigen sei die Rechtsmittelfrist vom Rechtsanwalt richtig berechnet worden und endete am 2.5.2000.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Bescheid vom 15. Juni 2000, Agrar96-3-2000-Kb, den vorgenannten Bescheid dahingehend berichtigt, dass im Spruch die Rechtsgrundlage auf § 71 Abs.1 Z1 AVG berichtigt wurde (anstelle des versehentlich genannten § 7 Abs.1 Z1 AVG).

Es ist daher der bekämpfte Bescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides Gegenstand der nunmehrigen Berufung.

4. Weil sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.3 Z4 VStG nicht anzuberaumen.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

Z1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzusehen oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wurde rechtsrichtig angeführt und wird daher vollinhaltlich übernommen.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof mehrmals ausgesprochen, dass der Rechtsanwalt gegenüber seiner Kanzlei als seinen Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen muss, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis in Betracht. Insbesondere muss der betroffene Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens seines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. So hat der Anwalt selbst die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Dies gilt auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert ist und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen ist nicht ausreichend (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 676f mit Nachweisen).

Weiters hat nach der VwGH-Judikatur der Rechtsanwalt die Erfüllung der nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht seiner Büroangestellten zu substantiieren. Allgemeine Behauptungen genügen nicht (VwGH 26.9.1979, 904, 906/79).

Im Grunde dieser Judikatur ist es aber dem gegenständlichen Rechtsfreund nicht gelungen, ein Verschulden der Fristversäumnis glaubhaft auszuschließen. Vielmehr fehlt den Berufungsausführungen ein konkretes Kontrollnetz, welches die Überwachung der Termineintragung der Kanzleiangestellten darlegt und daher die Einhaltung der entsprechenden Sorgfaltspflicht substantiiert darlegt.

Dies gilt auch für das Vorbringen, dass der Fehler durch die Rechtsanwaltskonzipientin erfolgt sei. Schließlich hätte der Rechtsfreund mit der Konzipientin auch die Fristberechnung besprechen müssen, ihr die richtige Eintragung im Terminkalender durch die Kanzleiangestellte auftragen müssen sowie auch die Kontrolle auftragen müssen. Im Zuge der Sorgfaltspflicht wäre es aber auch am Rechtsanwalt gelegen, die Einhaltung der Anweisungen durch die Konzipientin zu kontrollieren. Auch diesbezügliche Behauptungen fehlen der Berufung. Vielmehr ist gerade darin, dass behauptet wird, dass die Konzipientin plötzlich einen Arzt aufsuchen hätte müssen und daher die Termineintragung nicht kontrollieren konnte, ein Fehler in der Kontrolle des Rechtsanwaltes, zumal er für solche Fälle Vorsorge zu treffen bzw. dann selbst eine Kontrolle durchzuführen hätte.

Darüber hinaus sind aber sowohl die Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag als auch die Berufungsausführungen unrichtig, dass die Rechtsmittelfrist am 2.5.2000 geendet habe. Es ist die belangte Behörde mit ihren Ausführungen zur Berechnung der Einspruchsfrist im Recht.

Gemäß § 17 Abs.3 Zustellgesetz ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.

Wie im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt wird, wurde die Strafverfügung vom 14.4.2000 nach dem zweiten Zustellversuch am 18.4.2000 hinterlegt und ab 19.4.2000 zur Abholung bereitgehalten. Dies ist durch den Zustellnachweis erwiesen. Nach der vorzitierten Bestimmung des § 17 Abs.3 Zustellgesetz gilt daher die hinterlegte Strafverfügung mit dem ersten Tag der Abholfrist, also mit dem 19.4.2000, als zugestellt. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die zweiwöchige Einspruchsfrist zu laufen und endete daher am 3. Mai 2000.

Wenngleich auch ein späteres Fristende für die Partei von Vorteil ist, weil damit keine Versäumung eintritt, so ist die belangte Behörde dennoch mit ihren Ausführungen im Recht, dass auch diese Unachtsamkeit bei der Fristberechnung auf eine mangelnde Kanzleiorganisation und mangelhafte Besprechung des Rechtsanwaltes mit der Rechtsanwaltskonzipientin hinweist.

Einer rechtskundigen Person muss die Bedeutung einer Terminvormerkung bewusst sein, weshalb von einem minderen Grad des Versehens nicht die Rede sein kann. Es war daher der angefochtene Bescheid (in der Fassung des Berichtigungsbescheides) zu bestätigen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

mangelnde Kontrolle, Konzipient, Verschulden

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